Der Bus zum Flughafen hat zwar nur 5 Minuten Verspätung, aber der Fahrer fährt, als ob er 50 Minuten wieder reinholen muss. Um etwas Sightseeing zu haben, haben wir den »Bummelbus« über die Dörfer genommen. Der fährt zudem oberhalb von Pasito Blanco entlang, das schien uns auch ganz günstig zu sein. In einem Affenzahn, fast atemlos, hetzt er von Haltestelle zu Haltestelle, um dort dann sofort in eine Art Tiefenentspannung zu fallen. In aller Ruhe wird aus- und eingestiegen, sich verabschiedet und begrüßt, wird palavert und gequascht, werden Gepäck und andere Dinge unten im Bus verstaut und Tickets gekauft. In allerfeinster, altenglischer Manier steht man Schlange und wartet, bis man einsteigen kann. Dann suchen sich die Neuen ihren Platz, der Busfahrer guckt in den einen Spiegel, ob das Gepäckfach auch wieder zu gegangen ist, guckt in den Innenspiegel, ob nun alle auch sitzen, und schon geht die wilde Jagd zur nächsten Haltestelle wieder los. Der Rhythmus ist faszinierend, besonders die Gegensätze, die kaum größer sein könnten.
Nach 1 1/2 Stunden sind wir so pünktlich am Flughafen, dass wir noch Zeit für einen Espresso haben, bevor wir Lin im Empfang nehmen. Zurück nehmen wir den Schnellbus, der fährt direkt durch bis zu den ersten Bettenburgen, hat aber seine Endstation auch schon in Meloneras. Von dort nehmen wir ein Taxi und was für eins! Am Busbahnhof steht ein uraltes Mercedes-Pullmann Taxi. Zumindest glaube ich, dass dieser Stretch-200er so etwas früher mal gewesen sein muss. Wir nehmen in dem geräumigen Fond auf vollkommen durchgesessenen Ledersitzen Platz. Das Alter des Wagens ist schwer zu schätzen, aber viel jünger als die Capitana dürfte er nicht sein. Die Fahrt ist atemberaubend, weil wir das Gefühl haben, dass unser Taxi bei jeder noch so kleinen Bodenwelle irgendwelche Teile verliert und droht, ganz auseinander zu fallen. Was hinter uns so scheppert, kann nur die Achse sein. Bis zur Marina bleibt sie uns aber erhalten. Was für eine Fahrt!
Das Wetter lässt sehr zu wünschen übrig. Als wir am Flughafen in den Bus einsteigen, schüttet es. Lin fühlt sich sofort heimisch, mit Hamburger Wetter ist sie vertraut. Von den ganzjährig durchschnittlich 22° C auf den Kanaren ist definitiv ein Drittel fahnenflüchtig. Im Süden wird es aber etwas besser. Kein Regen und sogar etwas Sonne.
Am nächsten Tag reicht es tatsächlich für einen Badetag, doch am darauffolgenden Tag halten wir uns lieber mit etwas Bewegung warm.
Ein grautrüber Spaziergang führt uns zum Leuchtturm von Meloneras. Wir nehmen den »kurzen Weg« entlang der Steilküste. Das geht bei ablaufenden Wasser ganz gut, ist aber an der Steilküste wegen der felsigen Schotterüberhänge nicht wirklich entspannt. Irgendwie sehen die Steilwände eher wie eine Geröllhalde aus, aus der jederzeit etwas herunterbrechen kann. Was wohl auch immer mal wieder passiert, aber die Warnschilder sind weggerostet 😳 und nicht unter dem Schotter begraben 🤔, das nehmen wir mal als gutes Zeichen 😬. Trotzdem gucken wir nicht nur einmal etwas skeptisch nach oben.
In Meloneras und Maspalomas tobt wirklich eine ganz andere Welt. Obwohl zurzeit von »toben« nicht gerade die Rede sein kann, denn selbst der Schiffsjunge reißt den Altersdurchschnitt noch erdrutschartig nach unten. Astrid und ich haben in solchen Urlaubsparadiesen ja noch nie Urlaub gemacht und so schlendern wir etwas ungläubig staunend auf der Promenade entlang und schleusen uns mit dem selbstverständlichsten Gesicht eines selbstbewussten Pauschaltouristen von der Promenade her in den Hauptkomplex der Ferienanlagen, dem Riu Dingsbums mit 5 Sternen, um dann ebenso selbstverständlich durch das Eingangsportal wieder herauszuspazieren.
Pasito Blanco -> via Playa de Tauro [A] -> Anfi del Mar I [A] Distanz: 21,6 sm Gesamtdistanz: 274,6 sm
Erste gran-canarische Ankerversuche
Dann ist mal Segeln dran. Von Pasito Blanco geht es erst einmal etwas nach Westen in die Bahia de Tauro. Vor dem südwestlichen Strand ist der Ankergrund zwar gut und auch die Aussicht ist ok, aber ein Ankerspot vor der offenen Küste ist eben alles, aber nicht ruhig.
Der Schwell läuft ungehindert ein und ein Südwind sorgt spätestens ab Mittag für recht ansehnliche Windwellen. Alles natürlich auflandig, das versteht sich von selbst. Und wir Deppen dachten, dass man sich in der Abdeckung befindet, wenn man im Süden einer Insel ankert, die ständig im Nordwind liegt. Unsere Lernkurve beginnt sich so langsam nach oben zu biegen!
Ab 10 kn Wind wird es unangenehm und wir sehen bis zu 15 kn. Die PINCOYA rollt, tanzt und kracht von einer Welle in die nächste.
Zudem scheinen wir mitten in einem Testgelände für Jetskis zu ankern. Es ist Samstag und samstags scheint nicht nur jeder Jetski-Verleih ausgebucht zu sein, auch alle einheimischen Jetskis müssen wohl am Samstag einem brutalen Funktionstest auf Herz und Nieren unterzogen werden. Um Gnade kreischende Motoren werden unbarmherzig zu noch höheren Touren getrieben, während sich die entsetzte Stringtanga-Dame verzweifelt an ihren Helden klammert.
Am nächsten Tag suchen wir das Weite, finden aber vor Anfi del Mar nur dasselbe. Zunächst scheint die Bucht vor Anfi wenigstens wellentechnisch etwas ruhiger zu sein, aber der Schein trügt. Alle Ankerspots im Süden von Gran Canaria sind nach Süden vollkommen offen. Es gibt zwar hier und da mal eine kleine Delle im Küstenverlauf, aber das sind alles keine Hindernisse für den Schwell und schon gar nicht für den Wind. Zudem schafft es der Wind schon im Verlauf eines Tages, ganz munter aus allen Richtungen der südlichen Windrose zu blasen. Die Stärke des auflandigen Windes hängt direkt mit den Winddüsen zusammen, die zwischen den Inseln so dahin düsen. Je stärker es aus Norden weht, desto stärker sind die Düsen und damit eben auch der Lee-Wirbel im Süden von Gran Canaria. Die Sonne trägt dann gerne noch ihr Übriges dazu bei und verstärkt mit einem ausgeprägten Land-Seewind-Effekt den südlichen Wind. So gibt es im Süden von Gran Canaria nur halbwegs gemütliche Ankerbedingungen, wenn es rund um die Inseln mehr oder weniger windstill ist. Den Rest kann man getrost vergessen, der Spaß hält sich in sehr engen Grenzen.
Morgens ist es in der Regel noch am ruhigsten. Einige Stunden nachdem sich der Seewind nach dem Sonnenuntergang mehr oder weniger gelegt hat, beruhigen sich in der Nacht auch die Windwellen, sodass man nur noch in dem alten Atlantikschwell rollt, der einem natürlich erhalten bleibt. Mit dem Tagesgang beginnt dann gleich wieder der Eiertanz. Bleibt der auflandige Wind unter 10 kn, geht es noch halbwegs, sofern man ein genügend dickes Fell hat. Geht es über 10 kn, hilft auch ein dickes Fell nicht mehr viel. Dann nervt es nur noch. Solch eine Ankerei zählt definitiv zu den Übungen für Fortgeschrittene auf dem Weg zum schwarzen Gürtel des stoischen Fatalismus.
Für den übrigen Trubel sorgen dann noch Jetskis, Motorboote, Parasailing-Boote, die Stunde um Stunde mit kreischenden Touristen an Fallschirmen durch die Bucht fahren, Turbojet-Boote, die wie Bodybuilder zur See vor PS-Stärke kaum noch schwimmen können und deren Fahrer versuchen, ebenfalls kreischenden Touristen ein sattes Grün ins Gesicht zu zaubern, unzählige Fähren, die zwischen Arguineguin und Puerto Mogán pendeln, und Tourist-Catamarane mit Musikanlagen, die für eine Disco in geschlossenen Räumen keine Zulassung mehr bekommen, weil dadurch jedes Gebäude einsturzgefährdet wäre.
Im Summe so ziemlich genau das, dem wir mit dem Fahrtensegeln eigentlich entkommen wollten. Nun sind wir aber hier und ein Entkommen ist gar nicht so einfach, denn es gibt nichts anderes. Etwas sehnsüchtig denken wir an die Algarve zurück. Dort ist es zu dieser Jahreszeit zwar etwas kühler, aber was für wunderbare Ankerplätze gibt es zwischen Lagos und Huelva!
Um all dem für einige Stunden zu entkommen, klettern wir auf den Hausberg von Anfi del Mar. Von dort haben wir eine gute Aussicht auf das Meer, all die Ferienanlagen und das Nichts im Hinterland. Was für ein Gegensatz. Wir sind gespannt, ob Gran Canaria weiter im Norden tatsächlich »grün« ist. Vom Bus aus und nun auch von hier oben unterscheidet sich das trockene Graubraun noch nicht allzu sehr von dem auf Lanzarote und Fuerteventura.
Den Dienstag verbringen wir mit baden und »SUP-reiten«. Es ist ruhiger und es ist kein Wochenende und so beschließen wir lieber mal, den etwas ruhigeren Tag vor Anker zu genießen. Wenn’s wieder mehr weht, können wir immer noch nach Teneriffa rübersegeln. – Denken wir uns so… 🙄 –
Auf die Idee, das SUP zu reiten, kommen wir, als sich ein junger Kerl auf einem Surfboard von einer Segelyacht durch die Bucht ziehen lässt. In den Außenkurven legt er elegante Schwünge hin, das Ganze sieht nach Spaß aus.
Nun haben wir kein Surfboard und auch keine Lust, Anker auf zu gehen, aber wir haben ein SUP und ein Dinghy mit brüllenden 2,3 PS. Was braucht es mehr?
Ok, zu einer Gleitfahrt kommt es mit den 2,3 PS leider nicht, aber das Dinghy wird mit dem SUP im Schlepptau bei Vollgas auch nicht komplett ausgebremst. Das ist ja auch schon mal was. Doch an Eleganz sind wir kaum zu übertreffen.
Stationen:
19.03. Pasito Blanco -> Playa de Tauro [A] 15,5 sm:
27° 47′ 41,7″ N, 015° 43′ 47,4″ W
20.03. Playa de Tauro [A] -> Anfi del Mar I [A] 6,1 sm:
21. -> 22.03. Anfi del Mar I [A]
27° 46′ 11,1″ N, 015° 41′ 29,2″ W