Den Donnerstag und Freitag lassen wir einfach so vergehen. Was vielleicht doch etwas dumm ist, denn der Freitag bleibt mit großem Abstand der schönste Tag der vor uns liegenden Woche. Doch nach den beiden Überfahrten ist uns nicht nach größeren Sightseeing-Touren. Wir machen nur mal einen kleinen Spaziergang durch Vila do Porto, um zu sehen, wo wir angekommen sind, und um uns die Beine etwas zu vertreten. So richtig viel Auslauf haben wir auf der PINCOYA ja nun auch nicht.
Auch wenn Vila do Porto mit Abstand die größte Stadt der Insel ist, ist alles recht übersichtlich und beschaulich. Das Rückgrat der Stadt bildet die alte, kopfsteingepflasterte Hauptstraße, die sich von einer Art Castello oberhalb des Hafens ziemlich gerade und etwas bergan ins Inselinnere zieht. Vila do Porto ist lang und schmal, man hat der Hauptstraße zwar links und rechts zwei parallele Entlastungsstraßen gegönnt, aber dort fließt nur der Verkehr, der es eiliger hat oder nicht über das Kopfsteinpflaster rumpeln will.
Touristen scheint es zurzeit nur in Form von Seglern zu geben, denn der Fährbetrieb ist eingestellt. Ob der in der Hauptsaison wieder aufgenommen wird oder ob es den überhaupt nicht mehr gibt, wissen wir nicht. Das Fährterminal jedenfalls ist eingemottet und liegt im Tiefschlaf, ebenso wie die dicken Fender des Fähranlegers, die in einer Ecke des Fischreihafens auf einen vielleicht neuen Einsatz warten. Es gibt da zwar noch den Inselflughafen und ab und zu hört man tatsächlich eine der kleinen Propellermaschinen starten oder landen, aber Touristenmassen können die auch nicht transportieren. Und da die Marina ebenfalls klein und noch nicht einmal annähernd voll belegt ist, weiß man schnell, wer zu welchem Schiff gehört, und man trifft sich nicht nur auf dem Steg, sondern auch im Supermarkt oder an den verschiedenen Sightseeing-Punkten und Insel-Highlights.
Es ist wie gesagt beschaulich und ruhig und mit absoluter Sicherheit nichts für Menschen, die Trubel und Action um sich herum brauchen. So entspannt läuft dann auch die Sache mit dem Mietwagen, den wir uns für zwei Tage gönnen. Auf dem Marinaparkplatz drückt uns eine Dame die Schlüssel in die Hand und nach zwei Tagen sollen wir den Wagen einfach wieder auf dem Parkplatz der Marina abstellen, die Schlüssel stecken lassen, aber bitte die Fenster schließen, falls es regnet. Wir schauen sie wohl etwas zu fragend an und so erklärt sie uns, dass die Insel klein ist und hier eben nichts wegkommt. Wie auch? Wenn noch nicht einmal eine Fähre fährt, wie soll hier auch ein Auto wegkommen? Außerdem kennt hier jeder jeden und die Autos des Mietwagenfritzen kennt eben auch jeder. Wir lieben zwar das Einfache und Ruhige, sind uns dann aber doch nicht so sicher, ob uns das hier auf Dauer nicht doch zu beschaulich wäre. Aber gerade jetzt passt es ganz wunderbar und es passt dann auch zwangsweise noch etwas länger, aber das ist eine andere Geschichte, die weiter unten erzählt wird.
Doch zunächst warten wir erst einmal auf das Sturmtief. Eigentlich sollte das schon ab Samstag über uns herfallen, aber es hat doch etwas Verspätung. Und am Ende haben wir Glück, denn das Starkwindfeld, dass Santa Maria eigentlich mit viel Wind und Böen bis 54 Knoten aus West treffen sollte, zieht deutlich im Süden der Insel durch. So trifft uns nur der Kern des Tiefs ziemlich genau und statt viel Wind bekommen wir noch viel mehr Regen. Über uns ergießen sich wahrhaft sintflutartige Sturzbäche, so etwas hatten wir auf der PINCOYA wirklich schon lange nicht mehr. Es ist ein Vollwaschgang, den wir selbst niemals so gut und gründlich hinbekommen hätten. Wir fühlen wir uns wie Noah auf seiner Arche, nur dass wir nicht so viel Viehzeug dabei haben. Nach wenigen Stunden ist das Hafenbecken schlammig braun, denn das Bächlein, dass bisher unbemerkt in den Hafen floß, schwillt im Handumdrehen zu einem erdig braunen Sturzbach an. Es schüttet so erbärmlich, dass wir uns nur verkriechen können und uns lieber unter Deck um die Montage der Trenndiode zur Ladung der Starterbatterie mit Sonnenenergie kümmern, die es ja bestimmt auch bald wieder geben wird.
Und obwohl wir die Montage recht schnell mit Erfolg krönen können, bleibt der elektrische Nutzen bei Null. Vielleicht wäre es doch sinnvoller gewesen, vorher schon mal mit dem Support von Victron zu sprechen, und nicht auf unseren laienhaften Elektronikverstand zu vertrauen. Doch man muss auch sagen, dass die Beschreibungen diverser Fachhändler »wenigstens irreführend« sind, wenn man es freundlich kommentieren möchte. Und bei einer Internetrecherche vertraut man dann ja doch allzu gerne den Aussagen, die die eigenen Annahmen stützen und hinterfragt sicher Geglaubtes doch lieber nicht. So zieht uns der Victron-Support sehr freundlich, kompetent und vor allem auch schnell unseren Trenndioden-Zahn. Allerdings stellt sich in dem Mail-Austausch auch schnell heraus, dass es für uns so einfach keine Lösung gibt. Vielleicht auch deswegen, weil heutige Systeme grundsätzlich anders aufgebaut werden und nicht so strikt auf Trennung einzelner Zweige ausgelegt sind, wie wir es damals getan haben. Und da muss man wirklich den Hut vor dem Victron-Support ziehen, die haben sich in kürzester Zeit in unser Problem vertieft und am Ende auch gesagt, dass sie für uns ad hoc keine Lösung haben.
Am zweiten Regentag montieren wir dann einen Hochstromschalter in das Ladekabel des Landladegerätes für die Bordbatterien, also den Lithiums. Da fragt man sich natürlich, wo wir so etwas bei solch einem Sauwetter so schnell herbekommen. Aber wäre ein echter Schiffsjunge wirklich ein guter Schiffsjunge, wenn er nicht zufällig das passende Teil in seinem Ersatzteillager dabei hätte? Nun können wir die Lithiums von der Landstromladung abklemmen, so dass nur noch die Starterbatterie dauerhaft geladen wird, wenn wir am Landstrom hängen. Das ist ja auch schon mal was und so sollte es zunächst auch erst einmal reichen. Denn bisher haben wir die Landstromladung für die Batterien generell ausgestellt, um die Lithiums nicht permanent mit einem Ladestrom zuzubrüllen, der gar nicht gebraucht wird. So etwas gefällt den Lithiums nämlich auf Dauer auch nicht und im Normalfall reicht die Sonnenenergie sowieso dicke aus.
Themenwechsel … 🙄 Worüber reden wir? Ach ja, über das Wetter!
Schon meine Eltern schwärmten immer vom Azorenhoch. Diese Begeisterung wurde mir also quasi in die Wiege gelegt. Wenn Dr. Karla Wege oder Uwe Wesp das Herannahen eines Azorenhochkeils für Deutschland ankündigten, wurden Fahrräder geputzt und Wanderpläne geschmiedet, kurze Hosen herausgekramt und Sonnenmilch bereitgestellt. Der absolute Stimmungshammer war so eine Azorenhochankündigung, wenn gerade die Urlaubszeit in den Sommerferien anstand. Und damals war so ein Azorenhoch auch noch von einem ganz anderen Schlag, denn es kam mit einer Freibadgarantie daher! In meinem Diercke Atlas war die Seite mit den Azoren schon etwas abgegrabbelt, weil ich nicht nur einmal überlegt habe, wie weit es denn eigentlich zu den Azoren ist und ob man nicht einfach auf die Azoren auswandern könnte, um das Azorenhoch ganzjährig zu haben.
Und nun? Nun sind wir auf den Azoren und hier sieht das mit dem Azorenhoch ganz anders aus! 😳 Von einem strahlend blauen Himmel sind zwar manchmal einige Puzzleteile zu finden, aber der überwiegende Teil des himmlischen Puzzles ist doch eher in einem feucht grauen Graugrau gehalten.
Insgesamt erinnert uns Santa Maria sehr an Irland, auch wenn dort damals die Sonne schien 😬. Aber das Grüngrün von Santa Maria ist schon bemerkenswert irisch, auch wenn die Agaven, Kakteen und Palmen in Irland doch irgendwie fehl am Platz wären. Doch die Steinmauern um die Felder und Weiden und die Schafe und Kühe passen nahtlos ins irische Bild, wobei die Häuser wiederum ganz unirisch sind und es hier auch nur Super Bock und kein Guinness gibt. Ja, und mein alt überliefertes Bild vom Azorenhoch passt natürlich auch nicht so recht zu dem, was wir hier nun so vorfinden.
So nutzen wir nach dem Schüttregen des Sturmtiefs jede trockene Gelegenheit für kleine und größere Spaziergänge.
Doch wir haben die Rechnung ohne das schon hinter uns liegende Sturmtief gemacht, das durch eine ebenso hinterhältige wie spontane Zellteilung für einen Nachschlag an Wolken und Regen sorgt. So müssen wir in den zwei Tagen, in denen wir nun den Mietwagen haben, die Klimaanlage auch nicht über Gebühr belasten.
Vila do Porto, Santa Maria, Azoren
36° 56′ 40,2″ N, 025° 08′ 51,8″ W