Tag 5, irgendwo im Atlantik -> Baiona, Spanien Distanz: 360,0 sm Gesamtdistanz: 2706,6 sm
Tag 5, Mo. 27.06.
Das, was sich am vierten Tag schon angekündigt hat, hält die Nacht durch und wird am Morgen des fünften Tage wahr. Die Sonne scheint von einem blauen Himmel, an dem sich nur einige Tuffiwölkchen herumtreiben. Doch das Kurze-Hosen-Wetter kommt erst gegen Mittag, bis dahin ist es trotz Sonne einfach noch zu kalt. Allerdings hat das schöne Wetter auch Nebenwirkungen, der Wind hat deutlich abgenommen. Mit den 7 kn 💨 schaffen wir gerade mal noch 3 kn Fahrt. Das ist für 7 kn Wind nicht schlecht, aber vor uns liegen ja noch 338 Seemeilen. Man muss kein Mathegenie sein, um herauszukriegen, dass sich dadurch unsere Ankunft in Póvoa de Varzim doch etwas hinausschiebt. Auch das wäre an und für sich nicht schlimm, wenn da in den alten Vorhersagen nicht dieser Starkwind und das von Norden drängelnde Tief gewesen wären. Doch diese Vorhersagen sind nun schon 4 Tage alt, also holen wir uns noch einmal Punktwetter.
Drei Punkte liegen noch vor uns und für die rufen wir noch einmal das Seewetter ab. Mit dem Garmin geht das im Grunde genommen ganz prima, aber die Aufbereitung der Wetterinformationen in der Garmin-App ist nicht ganz so optimal gelungen. Also basteln wir uns schnell eine kleine Tabelle auf dem Mac und füllen die Vorhersagewerte ein. Zusätzlich berechnen wir die wahrscheinlichen Fahrzeiten aufgrund der Vorhersagen von einem Punkt zum anderen. Es ist ja ruhig und wir fahren gemütlich dahin, da kann man auch gleich mal eine richtig gute Tabelle basteln, die anhand der Entfernungen und der geschätzten Geschwindigkeiten die Ankunftszeit an den nächsten Punkten berechnet.
Und was sollen wir sagen, es ist eine Punktlandung! Egal, wie wir es drehen und wenden, wir werden Póvoa de Varzim exakt zum schlechtesten Zeitpunkt aller schlechten Zeitpunkte erreichen. Und da so ein schlechter Zeitpunkt die unangenehme Eigenschaft hat, auch schon vorher schlecht zu sein, und sich das Schlechte auch noch nach hinten in die Länge zieht, gibt es kaum eine vernünftige Aussicht Póvoa de Varzim doch noch anzulaufen. Dazu muss man auch wissen, dass Póvoa de Varzim über eine Einfahrt verfügt, die bei schlechtem Wetter durchaus unmöglich sein kann. Leixões wäre eine Alternative, aber Leixões liegt südlich und erfahrungsgemäß verstärkt sich hier ein kräftiger Nordwind in Richtung Süden. Das ist also auch blöd. Bleibt noch die Handbremse anziehen und draußen warten oder weiter im Norden einschlagen. Das mit der Handbremse und dem Warten auf See hat aber auch einen Pferdefuß, denn auch weiter draußen soll es recht ungemütlich werden.
Also bleibt der Norden und so rufen wir noch einmal ein Punktwetter vor Baiona ab. Das liegt immerhin 50 sm weiter nördlich. Dort weht es zu unserem prognostizierten Ankunftszeitpunkt zwar auch mit 19 kn, aber eben nicht mit 25. Aber der Hauptgrund für unseren Kurswechsel liegt in der Tatsache, dass wir dort auch bei viel Wind und viel Welle mehr oder weniger unkompliziert in die Rias einfahren können.
Also Kursänderung Richtung Spanien!
Nach unserer Entscheidung kämpfen wir weiter mit dem Bisschen, das früher einmal ein echter Wind war. Wir kommen nur zäh voran und die Segel schlagen erbärmlich. Also halsen wir und tatsächlich plätschern wir danach etwas ruhiger dahin. Nun eben nur in die falsche Richtung zu weit südlich und nicht mehr in die ebenso falsche Richtung zu weit nördlich. Da der Wind genau aus Westsüdwest kommt und wir genau nach Ostnordost müssen, versuchen wir vor dem Wind zu kreuzen, damit uns der hohe Atlantikschwell nicht zu sehr rollen lässt und es etwas besser fährt. Doch egal wie, das Groß und die Genua stehen nur leidlich, denn starke Rollbewegungen reißen beide immer wieder aus der Anströmung. Aber immerhin plätschern wir noch mit rund 3 1/2 kn dahin, fahren seit dem Sonnenaufgang unter einem strahlend blauen Himmel und sitzen im Cockpit wie auf unserer Veranda und schauen auf einen unendlichen und unendlich blauen Atlantik. So ist es endlich mal etwas »blauwassersegliger« und wirklich auch mal etwas zum Genießen. Wenn uns da nicht nur schon wieder dieser Wetterumschwung im Nacken sitzen würde. Doch was soll’s? Mehr als unsere Planänderung können wir im Moment nicht tun und wenn es blöd kommt, dann müssen wir da halt durch. Und in Richtung Baiona sollten wir dafür noch die besten Voraussetzungen haben.
Um 17:00 beginnt der Wind wieder zu drehen und wir gehen auf Kurs Baiona, Galizien, Spanien. 320 sm to go. Wenn es so bleibt und vielleicht noch etwas auffrischt, könnten wir es in 2 1/2 Tagen schaffen. Aktuell nehmen sich Póvoa de Varzim und Baiona nichts bei der Entfernung, so bleibt es für unsere Ankunft bei der Nacht zum Donnerstag. Doch der Nordwest gibt nur ein kurzes Gastspiel und der Wind dreht zurück auf Westsüdwest, nimmt aber zu. Wir versuchen mal einen Butterfly, das gelingt aber nicht wirklich. Solche Segelstellungen haben ihre Rechnung ohne die Wellen gemacht.
Die Genua schlabbert wie ein alter Lappen herum und hat keine Gelegenheit, auch nur irgendwann irgendwie zu stehen. Also wieder zurück und Kurs Nordost. Das ist zwar viel zu hoch und bringt uns direkt in die Biskaya, aber der Wind ist nicht kräftig genug, um uns nur mit Groß in den Wellen vor dem Wind fahren zu lassen. Der Kurs Biskaya ist ein Kompromiss, irgendwann ab Dienstagmittag soll es ja mehr auf Nord drehen. Dann können wir abfallen.
So geht es auf »falschem« Kurs in die Nacht. Leider hat die Sternenpracht diesmal ein schnelles Ende. Erste Wolken kündigen den Wetterumschwung an. Wenn nicht noch ein kleines Wunder geschieht, dann war das heute wohl der mit Abstand schönste Tag. Vom Norden drängelt ein Tief und wir sind auf dem besten Weg, uns in seine südlichen Ausläufer einzufädeln. Teilweise nieselt es, aber dafür ist die Nacht milder. Zu unserem Wachwechsel um 3:00 hat es so weit aufgefrischt, dass wir es für den Rest der Nacht nur mit Groß vor dem Wind versuchen können. So ist der Kurs besser, aber der erstaunlich hohe Schwell lässt uns enorm in den Wellen rollen.
Wie jeden Morgen versammeln wir uns um 10:00 um den neuen POI des neuesten ETMALs. Genau um 10:00 drücken wir nämlich immer »save POI« auf der bösen Elfe, damit wir hinterher auch diese hübschen lila Nadel unserer Tages-ETMALe in der Karte des Tracks haben. Kurz vorher hatte der Wind eine Norddrehung angetäuscht, was die Capitana veranlasst hat, die Genua auszurollen und den Windwinkel neu einzustellen, um wieder auf Kurs Baiona zu gehen. Doch das war eben nur ein Täuschungsmanöver, denn nun fahren wir schon wieder Richtung Biskaya. Deswegen stellt sich der Wetterrunde nun die Frage; Genua wieder einrollen oder den falschen Kurs so lange aussitzen, bis der echte Winddreher ihn automatisch korrigiert?
Doch erst einmal zu unserem neunen ETMAL, das sich mit Hängen und Würgen gerade mal so über die 100 sm gequält hat. Um 10:00 loggen wir unser fünftes ETMAL mit 105,5 sm und haben somit noch 234,0 sm to go.
Doch was ist nun mit der Genua. Der Garmin piept und liefert uns ein neues Punktwetter. Demnach sollten wir zwischen 11 und 17 Uhr mit einer echten Winddrehung auf NNW rechnen können. Also bleibt die Genua stehen und wir sitzen die ganze Sache aus. Das ist Segeln mit ruhiger Hand, wobei uns allerdings die Wellenvorhersage nicht so gut gefällt, denn die verspricht uns Wellen, die im Mittel 3 m haben sollen.
Tag 6, Di. 28.06.
Gestern war wirklich der schönste Tag! Die Wolkendecke ist zwar teilweise so schütter wie die Haare des alten Schiffsjungen, aber vom dem gestrigen Blau ist nicht viel übrig geblieben. Doch es ist mild. Richtig schön mild! Wie lange hatten wir das auf dem Wasser schon nicht mehr?
So warten wir auf den Winddreher. Aber das Warten und der falsche Kurs, der erst durch die Drehung wieder zu einem richtigen werden soll, nervt. Nicht nur einmal sind wir versucht doch abzufallen. Um 14:00 werden wir dann schwach, rollen die Genua ein und gehen nur unter Groß so weit vor den Wind, dass es in den Wellen noch halbwegs gut läuft. Die sind inzwischen recht hoch und laufen ziemlich blöd von schräg hinten ein. Natürlich fahren wir mit Bullenstander, das machen wir in solchen Wellen auf fast jedem Kurs immer, dennoch bleiben wir lieber unterhalb von 170°. Diese Kursänderung ist irrational, aber wie immer weiß man das ja erst hinterher besser.
Um 16:30 kommt der Dreher. Eine graue Regenwand kündigt ihn an. Dann geht es schnell. Von jetzt auf gleich dreht es von 270° auf 330°. So exakt, dass man den Eindruck hat, als ob das Tief etwas von Geometrie versteht. Die ersten kräftigen Böen sind schnell vorbei und der Wind pendelt sich wieder bei 16 kn ein. Wir gehen auf Kurs Baiona, unsere Taktik scheint bestens aufzugehen, wir hätten nur etwas mehr Geduld haben müssen. Nun noch etwas Genua und schon sind wir auf dem Home Run!
Wider Erwarten regnet es nur kurz, dann lockert es wieder auf. Doch die Nordwest-Richtung des Windes bleibt uns erhalten. Wir essen im Cockpit und fahren in eine halbwegs ruhige Nacht. Der Wind ist mit 15 bis 19 Knoten kein Problem, doch die Wellen machen es ungemütlich. Die Höhen passen absolut nicht zu dem Wind, im Norden muss es deutlich heftiger zugehen. Aber gut so, es läuft und unsere Zielzeit pendelt sich für Donnerstag kurz vor Sonnenaufgang ein.
Um 5:00, zum Wachwechsel, geht die Kaltfront mit Böen um die 25 kn durch, danach lässt es die Capitana laufen. Um 8:00 wird der Schiffsjunge wieder geweckt, ich habe diesmal richtig tief geschlafen und von dem Ein- und Ausreffen der Genua nichts mitbekommen, obwohl ich direkt darunter geschlafen habe.
Es fühlt sich insgesamt ruhiger an, aber unsere Gewöhnung spielt uns inzwischen Streiche. Als ich ins Cockpit komme, versucht Astrid gerade, Delphine zu photographieren. Sie hat sich ins Cockpit geklemmt und hängt an der Reling. Wenn man es freundlich ausdrücken will, ist die See recht ruppig. Wie vorhergesagt haben die Wellen im Mittel nun rund 3 m. Doch das ist eben das Mittel und deswegen sind noch ganz anderen Burschen dazwischen. Der Wind liegt zwischen 16 und 20 kn und wir fahren gerade eine der großen Wellen mit 8,5 kn herunter. Unser Autopilot ist der Hammer, nur ganz selten haut es uns wirklich mal aus dem Ruder. Nicht auszudenken, wie es wäre, wenn wir selbst steuern würden. Als ich gerade in einem zirkusreifen Akt versuche, mit heißem Wasser einen frischen Tee aufzugießen, sagt Astrid: “Aber wir fahren hier jetzt ja eigentlich ganz ruhig durch!”
So ändern sich die Sichtweisen. Dann klappt eine Welle den Klodeckel zu und unsere Sitze suchen sich eine neue Position in der Cockpit-Mitte. Inzwischen steht das Notebook auf einer Antirutschmatte und ich schreibe fast in jeder Lage. Es hilft ungemein beim Schreiben, wenn die Tasten nicht immer versuchen, unter den schreibenden Finger zu entwischen.
Nach einer weiteren kleinen Reffübung um 9:30, loggen wir um 10:00 unser sechstes ETMAL mit 141,5 sm. Wir haben noch 108 sm to go, dies ist allerdings der Wegepunkt in der Einfahrt, danach geht es noch 5 sm weiter in den Ria de Baiona.
Tag 7, Mi. 29.06.
Das mit den Reffübungen ist so eine Sache. Erst guckt man sich eigentlich schon viel zu lange den für die Beseglung schon viel zu kräftigen Wind an und überlegt immer wieder, ob das nun nur ein Zwischending ist oder der Wind so kräftig bleibt. Man schaut auf’s Wasser, während man sich bei viel zu großen Schräglagen irgendwo festhält. Denn nun schieben nicht nur die Wellen, sondern auch der Druckpunkt im Groß liegt inzwischen viel zu weit hinten, obwohl man das Groß schon gefiert hat. So luvt man ein ums andere Mal viel zu weit an. Und dann sind da noch diese Klodeckelzuklapperwellen, die nun nichts mehr zum Zuklappen haben, weil das schon vorher von einem ihrer dicken Kumpels erledigt wurde. Dann diese Böen bis 24 kn, also fällt die Entscheidung »Reffen«.
So hole ich Astrid aus der Koje, weil wir das Groß besser zu zweit reffen können. Nach 5 Minuten ist alles fertig und wieder betrachten wir stolz unser Werk und die Segeleinstellungen. Trotz des Reffs sind wir genauso schnell wie vorher. Noch 5 Minuten fahren wir über 7 kn. Dann lässt Wind nach. 19, 16, 13, 11 …. Ok, ringsherum sind auch keine weißen Schaumkrönchen mehr zu sehen, Gut gemacht, sagt unsere innere Stimme, dann können wir ja wieder ausreffen. Danach frage ich Astrid, ob sie sich nicht doch wieder hinlegen möchte. Sie will nicht, denn nun sei sie munter. Die Freiluftübungen scheinen die Morgenmüdigkeit wirklich gut zu vertreiben.
Um 11:20 sind es nur noch 99 sm bis zu unserem Wegepunkt in der Einfahrt und 5 sm später sollte unser Anker vor Baiona fallen.
Abwechselnd versuchen wir vorzuschlafen. Im Westen der Iberischen Halbinsel verläuft eine der Hauptschifffahrtsrouten. Deswegen wird die kommende Nacht nicht ganz so entspannt sein und wenn wir dort durch sind, dann haben wir mit Fischern, einigen kleineren Schiffen und natürlich auch mit den unzähligen Lobster-Pots zu tun. Weiter draußen, dort wo nur die echte Großschifffahrt unterwegs ist, kann man davon ausgehen, dass alle auch wirklich ihr AIS eingeschaltet haben. Fischer schalten ihr AIS aber meist aus, damit sie ihre Fanggebiete nicht verraten. D.h. wir müssen wirklich genau Ausschau halten. Aktuell sind wir 90 sm vor der Küste und ca. 35 sm vor dem Hauptverkehrsweg. Wir werden diesen Hauptverkehrsweg ca. 40 sm unterhalb des nördlichen Verkehrstrennungsgebietes queren. Erste AIS-Signale tauchen schon auf, wir hoffen, wenigstens einen Teil noch im Hellen zu schaffen.
Als die Capitana nachmittags aus der Koje klettert, guckt sie etwas verschlafen aus der Wäsche. Doch das wird sich gleich ändern, aber sie ahnt noch nichts davon. Um munter zu werden, setzt sie sich im Cockpit auf die Kante. Und dieses Mal gibt es den Atlantik-Fullservice, um wach zu werden. Ich höre nur: “Oh nein, scheiße!” und als ich ins Cockpit schaue, trieft die Capitana, das ganze Cockpit ist pitschnass, nur die Stelle, wo sie eben noch gesessen hat, ist knochentrocken 😂. Wenn wir schon nicht reffen, um die Müdigkeit zu vertreiben, dann duschen wir eben auch gerne mal. 🤭
Um 19:20 sind die Südfahrer durch, nun kommen noch die Nordfahrer. Eigentlich haben die Südfahrer ganz gut geklappt, nur der Ever Sovereign sind wir richtig ausgewichen, weil uns 1 km »in front of« definitiv zu dicht ist, haben wir über Funk lieber »astern« verabredet. Solche Verabredungen machen durchaus Sinn, denn wir sind klein und in den Wellen sicher auch recht schlecht zu sehen. Selbst wenn die Dicken unser AIS-Signal sehen, finden wir es gar nicht so schlecht, wenn beide Seiten auch wissen, wie man gedenkt zu passieren.
Doch eins darf nicht unerwähnt bleiben, den mit Abstand schönsten Schiffsnamen hatte »Bunga Lily«, wie profan ist dagegen »Olympic Highway« oder »Trans Chemica«.
Bei den Nordfahrern haben wir dann Glück. Wir finden direkt die Lücke und keiner kommt uns mehr dazwischen. Gegen 22:30 sind wir durch und haben den Hauptverkehrsweg geschafft.
Der letzte Rest zieht sich und ist ganz schön ruppig. Knapp unter 20 kn Wind und ein heftiges und vor allen hohes Wellendurcheinander hält uns ordentlich in Schwung. Immer wieder haut es die dicke Erna auf die Seite, aber was sollen wir machen, da müssen wir nun durch. Es sind nur noch 40 sm, aber die ziehen sich hin wie Kaugummi. Als sich der Wind bei knapp über 20 kn einpendelt, wechseln wir doch noch auf die Starkwindfock. Wir teilen uns die restliche Zeit zum Schlafen, dann geht’s an die Einfahrt.
Es ist lausig kalt. Baiona empfängt uns mit 11°!!! Die letzten Seemeilen ziehen sich endlos dahin und das ablaufende Wasser macht uns auch nicht schneller, aber die Wellen steiler.
Um 4:50 sind wir an unserem Wegepunkt in der Einfahrt nach Baiona. Gut, dass wir nach Baiona ausgewichen sind. Die Wellen sind hoch, aber die Einfahrt ist breit genug.
Auf Höhe der südlichen Untiefe in der Einfahrt und schon im Richtfeuer nach Baiona riechen wir es dann wieder. Da ist er wieder, dieser satte Eukalyptusduft. Ein feucht kühler Eukalyptusduft, der schon in wenigen Stunden warm von den grünen Hügeln herab schwebt und über die Bucht zieht. Als wir einfahren, geht die Sonne gerade auf. Unzählige Angelboote dümpeln in der Einfahrt zum Ria und im Ria selbst. Plötzlich ist unsere Müdigkeit verflogen, obwohl wir beide in dieser Nacht nur ein oder zwei Stunden Schlaf bekommen haben.
Das Ankerfeld ist bis auf einen Franzosen frei. Nach 886,9 sm, 6 Tagen, 20 Stunden und 15 Minuten rattert unsere Ankerkette. In 164 Stunden und 15 Minuten haben wir einen Schnitt von 5,4 kn hingelegt. Ohne das Schwachwindloch hätten wir schneller sein können, aber es war auch mal schön zu sehen, wie Blauwassersegeln sein kann.
Resumee unserer längsten Segeletappe:
Das Entscheidendste war wohl, dass wir das erste Mal erfahren haben, was es heißt, »unterwegs zu sein«. Das war neu und anders und hat durchaus Hunger auf etwas mehr gemacht. Doch uns ist klar, dass wir nur einmal kurz geschnuppert haben. Es gibt beim Fahrtensegeln einfach zu viele Unwägbarkeiten, die am Ende doch immer wieder alles neu erscheinen lassen. Deswegen machen wir das ja auch. Aber wir haben mit dieser Etappe mal kurz an der Dimension des Fahrtensegelns geschnuppert, die das Segeln wohl erst zum Fahrtensegeln macht.
Für diese »kleine« Etappe und in der doch recht stabilen Gesamtwetterlage haben die Punktwetter-Informationen des Garmin ausgereicht. Für längere Etappen auf der Atlantikroute ist das allerdings zu wenig. Dem Iridium Go! stehen wir inzwischen etwas skeptisch gegenüber, denn die Technik ist wenig hinreichend für Wetterinformationen, wie wir sie uns eigentlich vorstellen. Auch wenn Iridium Go! das einzig bezahlbare satelliten-gestützte System ist. Wahrscheinlich würden wir heute eher auf ein professionelles Wetter-Coaching zurückgreifen, dass uns immer die nächsten vier sinnvollen Wegepunkte als SMS via des Garmins zuschickt. Doch mal sehen, wie sich das alles noch entwickelt, bis wir so etwas wirklich mal brauchen.
90% der Nächte haben wir im Decksalon verbracht. Sicherlich kann man weiter südlich auch die ganze Nächte im Cockpit sitzen, doch bis auf Höhe der Kanaren sind die Nächte in der Regel noch klapperkalt. Nicht auszudenken, wie furchtbar es gewesen wäre, wenn wir die ganze Zeit hätten im Cockpit sitzen müssen. Was natürlich auch für die üppig vorhandenen Regentage gilt. Wir waren also eher wenig draußen, haben aber die Heizung auch nicht angemacht und haben durchgehalten. In den kalten Nächten allerdings nur mit geschlossenen Türen. Aus unseren Ski-Sachen sind wir nur in den Sonnenstunden rausgekommen. Solange man nicht im dicksten Regen draußen rumturnen muss, sind Ski-Klamotten die mit Abstand bessere Wahl gegenüber teuren und schweren Segelklamotten.
Es hat wieder gedauert, bis wir uns eingeschwungen haben. Diese Durststrecke war schon recht blöd. Aber wir wissen ja, dass es nach ein oder zwei Tagen besser wird. Daran wird sich wohl auch in den nächsten Jahren nichts mehr ändern. Das ist eben so und damit müssen wir leben.
Für uns beide war dieser längste Atlantik-Schlag eine Erfahrung, die wir in keinem Fall missen möchten. So etwas zusammen zu machen und zu erleben ist schon ein ganz besonderes Glück.
vor Anker vor Baiona, Spanien
42° 07′ 13,5″ N, 008° 50′ 22,9″ W