Wenn man zwei Tage lang in den unmöglichsten Stellungen in die hintersten Ecken seines Schiffes gekrochen ist und dort nicht nur einmal so festgesteckt hat, dass es ohne Hilfe der Capitana kein Wiedersehen mit der Freiheit mehr gegeben hätte, während sich ein Krampf im rechten Oberschenkel zu Wort melden möchte und man dachte, oh bitte, das jetzt nicht auch noch, ist man geneigt zu glauben, dass es eigentlich nicht schlimmer kommen kann. Aber es geht und es geht nicht nur, sondern es kommt auch. Denn ein Schiff ist rund. Und weil eckige Schiffe nicht so schön fahren wie runde, sind eigentlich alle Schiffe irgendwie rund und kurvig. Und genau dort schlummert ein zweites, mindestens ebenso furchtbares Problem wie das Problem, in die hintersten Ecken seines Schiffe kriechen zu müssen.
Es dauert zwei ewig lange Tage, um neben dem Fäkalientank die Grundkonstruktion für die Hochdruckpumpe und den Frischwassertagestank einzupassen. Sämtliche Kartonagen, die bisher nur für den Transport als blöde Kartons gedient haben, werden nun zu mannigfaltigen und funktional preisverdächtigen Schablonen verarbeitet, um hinterher doch wieder festzustellen, dass es immer noch nicht so passt, wie es eigentlich passen soll.
Gott sei Dank ist es am Freitag und auch am Wochenende noch trocken. Nicht auszudenken, wenn die Ex-Hurrikan-Dame Danielle schon früher vorbeigeschaut hätte. Es ist ein unablässiges Rein und wieder Raus aus dem Schiff, und das geht fast ohne Pause fast im Minutentakt von morgens bis abends so. Nichts ist auch nur annähernd gerade oder gar rechtwinklig. Alles ist irgendwie rund und das auch nicht nur einfachrund, sondern dreidimensional verzwirbelt rund. Und selbst das, was versucht, eine ordentlich rechtwinklige Gradlinigkeit vorzutäuschen, kann am Ende seine Verwandtschaft mit einem Salmi doch nicht verleugnen.
Alles muss Stück für Stück individuell eingepasst werden und nichts geht einfach mal so. Zudem muss der Sockel ausreichend stabil sein, denn die Capitana fährt manchmal wie die wilde Hilde und die Hochdruckpumpe ist nicht gerade ein Leichtgewicht. Zusätzlich muss die Gesamtanordnung stimmen, denn neben der Hochdruckpumpe und dem Frischwassertagestank müssen dort auch noch der Vorfilter, die Förderpumpe, der Feinfilter und auch die neue Druckwasserpumpe ihren sinnigen Platz finden, um hinterher die fünf Ventile so anordnen zu können, dass sie auch noch halbwegs logisch zu bedienen sind. Man kann sich eine ganze Menge Gedanken machen, aber eins ist sicher, man stellt immer fest, dass man doch nicht an alles gedacht hat.
Nicht nur einmal bin ich echt genervt und denke wehmütig an unseren Bastelkeller. Der ist nicht nur recht gut ausgestattet, der hat auch Platz zum Basteln und ein hübsches Lager von noch brauchbaren Resten aller möglichen Bastelaktionen. Ein Grund, mit dem Auto zu fahren, war auch, dass wir so noch einiges an Werkzeug mitnehmen konnten, das wir nur zum Einbau brauchen. Die Auswahl war natürlich eher ein Minimalkompromiss, der zwar für sich genommen ein echter Segen ist, aber eben doch ein Minimalkompromiss bleibt. Doch es fehlt nicht nur an dem ein oder anderen Werkzeug, es fehlt auch schlicht an Platz (!) Platz (!!) Platz (!!!), auf dem man sich ausbreiten und einfach mal etwas liegen lassen kann. Und — auch mal so richtig nach Herzenslust rumsauen und rumstauben kann.
Obwohl wir für den Unterbau einiges an Sperrholz und Multiplex mitgenommen haben, fehlt uns am Ende ein ausreichend großes und vor allem dickes Stück für die Grundplatte der Hochdruckpumpe. Also sausen wir am Samstag auf dem letzten Drücker noch schnell zu einem Baumarkt, der neben 8er Niroschrauben, die wir auch verpaddelt haben, einen Holzzuschnitt hat. Doch die Geschichte mit dem Holzzuschnitt stellt sich als schwierig heraus. Wir können zwar eine wasserfest verleimte Multiplexplatte bekommen, die aber nur im Ganzen und nicht im Zuschnitt 🥺! Zweimeterfuffzig mal einmeterfuffzig sind uns dann doch etwas viel, da wir ja auch nur ein Stück von 60 cm x 27 cm brauchen. Erschwerend kommt hinzu, dass unser Portugiesisch doch eher nicht existent ist, und ein Fachgespräch über mögliche Holzalternativen auf English bringt nicht nur uns, sondern auch den schnell herbeigerufenen Englisch sprechenden Verkäufer an seine Grenzen. Am Ende können wir nur eine 18er MDF-Platte im Zuschnitt ergattern, was uns nicht gerade sehr glücklich macht. Vielleicht versuchen wir noch einmal woanders unser Glück oder bringen uns einfach etwas Passendes aus Deutschland mit. In unserem Bastelkeller sollten wir eigentlich noch so etwas finden.
Und dann kommt Danielle
Sich regen bringt Segen. Doch wenn das kleine Wort “sich” fehlt und sich der Regen groß schreibt, dann ist das mit dem Segen auch nicht mehr so weit her. Danielle gibt alles! Der Ex-Hurrikan bringt zwar auch etwas Wind und Wellen mit sich, aber im Überfluss hat die Ex-Hurrikan-Dame Regen dabei. Es schüttet so erbärmlich, dass man teilweise das Gefühl hat, dass eine Nebelwand heranzieht. Der Regen ist sicherlich gut für die sommerlich ausgedörrten Landschaften, aber für uns ist er schlicht eine Katastrophe. Nachdem die Holzteile mehr oder weniger fertig sind, müssen innen am Rumpf nur noch 3 Auflagen anlaminiert und die Holzteile fertig lackiert werden. Anschließend muss natürlich auch die Bugkiste neben dem Fakalientank noch einmal neu gestrichen werden, denn halbwegs ordentlich soll es dort schon wieder aussehen.
Von Montag bis Donnerstag früh schüttet es. Es gibt zwar Unterbrechungen, aber die sind nicht so lang, dass man sich außerhalb der PINCOYA wieder ausbreiten könnte. Um weiter voranzukommen, müssen wir nun alles drinnen machen. Vor allem die Lackierarbeiten, die nicht gerade einen besonders angenehmen Geruch im Schiff verbreiten. Neben den Laminierarbeiten, die ja sowieso drinnen stattfinden müssen, und den Lackierarbeiten kommen wir kaum zu etwas. Alles frisst ohne Ende Zeit, denn die Hälfte der Zeit sind wir mit Räumen, Abdecken und Suchen beschäftigt. Ein Platz zum Basteln, der zudem noch trocken ist, ist schon ein echter Luxus!
Eigentlich ist unsere Arbeitsliste für den Montag gar nicht so lang und die Capitana fragt gleich: »Und was machen wir ab Mittag?« Gegen 18:00, also unwesentliche 6 Stunden nach dem Mittag, ist gerade mal die Hälfte geschafft. Um sich überhaupt irgendwie in der PINCOYA bewegen zu können, versuchen wir immer wieder, einiges unter dem Bimini halbwegs trocken auszulagern. Doch schon bald müssen wir das alles wieder vor dem Regen retten. Selbst hinter dem Softschot ist es nur bedingt trocken. Dort stapelt sich dann alles, aber unten im Stapel dürfen nur die Sachen stehen, die auch wirklich dicht sind. Nach dem dritten Versuch lassen wir selbst halbherzige »Auslagerungsversuche« weg.
So spielt sich nun alles unter Deck ab. Und so geht es Tag für Tag und so vergeht auch jeder Tag viel zu ergebnislos. Die Arbeitslisten vom Montag und Dienstag haben jeweils einen ordentlichen Übertrag auf ihren Folgetag. Die Arbeitsliste vom Mittwoch bekommt dann einfach gleich mal das Datum vom Donnerstag. Die Enge nervt ohne Ende.
Obwohl es eigentlich gut aussieht, geht es nur extrem langsam voran und das auch noch ohne jede Pause. Alles zieht sich zäh in die Länge. Die Zeit droht uns wieder einmal rückstandslos zwischen den Finger zu zerrinnen.
Erst am Freitag bringt das Wetter die ersehnte Änderung. Die lackierten Teile können in der Sonne final durchtrocknen, bevor es zu dem echten Finale kommt.
Póvoa de Varzim, Portugal
41° 22′ 33,6″ N, 008° 45′ 54,1″ W