Das Wetter bestimmt, was geht. Wenn man segelt, ist das ja nicht besonders ungewöhnlich, aber im Hafen ist es schon etwas blöd, wenn die einzigen bestimmenden Faktoren Regen und Starkwind sind. Genauso gehetzt, wie wir durch die letzten Monate gesaust sind, sind wir hier natürlich auch angekommen. Doch nun liegen 13 oder 14 Monate vor uns, um runter, rüber und wieder hoch in die USA zu kommen. Das ist eine unglaubliche Zeitspanne und eine Zeit, die wir an einem Stück nur mit unserem Segelwunsch verbringen werden. Es liegt also viel Zeit voraus und es ist allerhöchste Zeit, das auch so zu leben.
Das Wetter zieht gleich erst einmal unseren Bremsfallschirm und verordnet uns die ein oder andere Stunde unter Deck. Nun ja, ehrlich gesagt, sind es Tage. Zeit um runterzufahren. Vor genau 12 Jahren haben wir die PINCOYA mit der Idee gekauft, einmal genau an diesem Punkt zu stehen. Nun ist alles so fertig, wie es eben fertig sein kann, denn ganz fertig wird man ja nie. Wir stehen in den Startlöchern und alles weitere kann dann geschehen, wenn dafür Zeit ist.
Soviel »Readiness« ist beruhigend, gerade weil wir ja doch eher die langsamen Überleger als die schnellen Draufgänger sind. Eine solche »Readiness« ist aber auch fordernd, denn nun soll ja schließlich auch etwas passieren. Dieser Aufforderung versuchen wir nun allerdings mit Gelassenheit zu begegnen und das Wetter leistet noch etwas Nachhilfe 😊. Genug Zeit liegt ja voraus.
Doch das Wetter ist wirklich grauenvoll! Fast ständig regnet es und immer wieder stürmt es für viele Stunden richtig. Die Südwindlage macht es in der Marina unruhig. Im neuen Teil liegt man zwar viel besser als in der alten Marina, aber dennoch bläst der Südwind gerade bei Hochwasser noch einen ganz ansehnlichen Schwell zwischen die Stege. In einer Sturmnacht rollt der Wind die Genua eines Nachbarn aus. Wirklich viel Wind ist es nicht, in Böen sind es gerade mal etwas über 30 Knoten, aber wenn der Wind erst einmal eine kleine Ecke gefunden hat, um ein Segel auszurollen, dann geht es am Ende doch recht schnell. Als wir vom Lärm geweckt werden, flattert die Genua schon nur noch in Fetzen herum. Zu gefährlich, um noch irgendetwas zu retten.
Dadurch, dass es aus Süden bläst, liegen wir eigentlich ganz gut. Der Regen kommt im Tiefflug schräg von vorn und steht nicht direkt auf dem Niedergang. Auch so etwas kann schon echten Komfort ausmachen. Trotzdem ist inzwischen alles nass. Wir könnten dringend mal eine Woche Sonne gebrauchen, um alles wieder zu trocknen. Da es den Reißverschluss unseres Softschots zerlegt hat, nähen wir einen neuen ein. Das Paket mit den noch fehlenden Teilen ist noch nicht angekommen, so bleibt Zeit für einige Nähstunden. Von Reinhard haben wir die Reißschlüsse aus seinem alten und aussortierten Bimini bekommen. Einer davon bekommt nun gleich schon mal eine neue Aufgabe. 👍
Doch es kommt auch mal zu kurzen Regenpausen ….
Während es stürmt und schüttet, brechen sich wunderbare und absolut beeindruckende Wellen über den Molen. Das ist schon faszinierend, aber wenn die Wellen besonders spektakulär sind, dann schüttet es eben auch besonders spektakulär. 🥺 So fällt die Photosession aus und wir begnügen uns mit einigen »trockenen« Bildern. Unsere neue Kamera muss ja nicht schon gleich in der ersten Woche geflutet werden.
So lassen wir den Regen zusammen mit den Wellen einfach waagerecht über die Molen jagen und widmen uns unserem nächsten Nähprojekt. Das Bimini bekommt eine Segellatte und in der Mitte eine Abspannungsöse nach oben. So muss der Schiffsjunge nicht mehr mit der Capitana streiten, wer zuerst von Bord geht, denn der erste bekam bisher immer die volle Ladung aus der Pfütze auf dem Bimini ab 💦.
Etwas überraschend kommt schon am Freitag die Nachricht, dass unser Paket im Marina-Office abgegeben wurde. Dienstagvormittag bis Freitagnachmittag ist eine wirklich gute Zeit für Deutschland -> Portugal. Weil wir bei Ryanair möglichst immer die preiswerte Variante buchen, haben wir uns einfach ein 20 kg Paket mit DHL hinterhergeschickt. Solange man in der Zoll-Union unterwegs ist, ist das tatsächlich eine einfache und vor allem die preiswertere Variante.
So können wir nun den Einbau des Wassermachers abschließen, denn in dem Paket ist nun auch eine ausreichend stabile Grundplatte für die Hochdruckpumpe und einiger Kleinkram, der noch fehlte.
Der ein oder die andere kann es ja schon nicht mehr hören, aber es ist eben das Megading, das uns nun schon seit Wochen in Atem hält. Als wir beschlossen haben, uns einen Wassermacher zuzulegen, haben wir geahnt, dass die ganze Sache nicht ganz ohne ist. Zumal wir ja auch eine gewisse Vorstellung haben, wie so etwas dann funktionieren soll. Klar muss man Kompromisse eingehen, aber wir versuchen eben für uns den Kompromisslevel recht weit oben zu halten und nicht bei jedem Problem gleich einen neuen Kompromiss zu schließen. Das ist auch ein gewisser Selbstschutz, denn der Schiffsjunge weiß ganz genau, dass ihn unnötige Kompromisse, die nur aus Bequemlichkeit geschlossen wurden, hinterher so sehr wurmen, dass er dann doch wieder beginnt, die Sache zu optimieren. Doch so ein Dickkopf beschleunigt so einen Einbau eben auch nicht wirklich. Aber nun …
Und ja, nach drei weiteren Basteltagen ist tatsächlich alles so, wie wir es haben wollen. Eigenes Wasser haben wir natürlich noch nicht gemacht, denn dafür ist das Wasser im Hafen einfach zu dreckig. Aber der sekundäre Frischwasserkreislauf ist am Start. Wir haben einfach einige dieser 6 Liter Wasserflaschen aus dem Supermarkt, ohne die man in Portugal oder Spanien keinen Tee auch nur halbwegs genießen kann, in den Frischwassertagestank gekippt und nun tun wir mal so, als ob wir schon eigenes Wasser produziert hätten. Und dieses Szenario besteht gerade seinen Alltagstest.
Außerdem ist nun auch die gesamte Verkabelung fertig und hat auch einen separaten Hauptschalter bekommen. Aber der Hauptschalter ist eigentlich nur »Schmuck am Nachthemd«, die eigentliche innere Schönheit liefern nun 4 LEDs aus Sching-Schang-Schong, die die vier dummen Schalter erleuchten. Fertig! Ja, fertig! Unbelievable!!!
Und dann beginnt es zu kribbeln. Ganz ganz schüchtern wagen Windy, Windfinder und Predictwind eine Prognose für die kommende Woche, in der der Regen nicht mehr aus Süden kommen soll, sondern, oh Wunder, aus Norden. Es könnte also klappen! Bis zum 31.10. haben wir den Platz in der Marina und just in time soll es eine Brise aus Norden geben. Etwas skeptisch schauen wir uns immer wieder die Vorhersagen an und klicken uns durch die verschiedenen Modelle. Doch es bleibt zunächst bei der Prognose, dass wenigstens etwas Nordwind kommt. Wenn man auf ein bestimmtes Wetterfenster hofft, dann findet man ja eigentlich immer irgendeine Modellrechnung, an die man seine Hoffnung kleben kann. Doch diesmal scheint es anders zu sein. Alle Modelle meinen ganz zart, dass es so kommen könnte, wie wir es uns erhoffen, und dass es morgen nicht schon wieder heißt: »Was schert mich meine Vorhersage von gestern?!?« Mal sehen …
So bleiben uns am Donnerstag noch 4 Tage, um segelfertig zu werden. Doch »segelfertig werden« hört sich für unseren Zustand tatsächlich etwas »zu fertig« an. Zunächst heißt es aufräumen – aufräumen – aufräumen. Obwohl wir gefühlt eigentlich immer aufgeräumt haben, ist das Chaos, das wir in den letzten Wochen verbreitet haben, nahezu grenzenlos. Nach und nach verschwinden alle Kisten und Werkzeuge wieder an ihren angestammten Plätzen, aber unser Werkzeug- und Ersatzteilbestand hat auch deutlich zugenommen und dort, wo jetzt der Wassermacher wohnt, hatten wir früher eine wunderbare Put-and-forget-Ecke. So ist noch nicht für jedes Ding ein neues Plätzchen gefunden, doch eins ist sicher, mehr darf es nicht werden 😳! Und all diese Aufräumarbeiten spielen sich nur unter Deck ab, denn draußen … nun ja, das müssen wir nun auch nicht wiederholen. Es ist nur gut, dass die PINCOYA so eine archetypische Schwimmfähigkeit besitzt.
Auch unseren Einkauf bringen wir nicht mehr trocken an Bord. Danach folgen fast 72 Stunden Dauerdusche. Der Regen peitscht wieder einmal waagerecht durch die Marina und es scheint, als ob das nie wieder ein Ende nehmen will. Es wird allerhöchste Zeit, sich nach Süden zu verdrücken. Dazu brauchen wir noch einen trockenen Tag, um auch mal draußen fertig zu werden, und dann etwas Nordwind.
🌧 durchgeweicht ⛈ in Póvoa de Varzim 💨, Portugal
41° 22′ 33,6″ N, 008° 45′ 54,1″ W