Faul vor Anker


Vor dem Playa Francesca auf der Isla de la Graciosa ist ziemlich was los. Bis zu 35 (!) Schiffe ankern in der Bucht. Wir haben uns wieder recht eng an die Felsen gedrückt, da möchten nicht so viele hin, obwohl hier der Ankergrund am besten ist. Weiter östlich in der Bucht liegt eine Steinplatte unter einer dünnen Sandschicht und so gelingt nicht jedes Ankermanöver.

„Zurück vor dem Montaña Amarilla“

„Zurück vor dem Montaña Amarilla“

Es ist vergleichsweise windig und schaukelig. Das lässt viele schnell wieder aufbrechen, aber es kommen auch immer wieder neue an. Da haben wohl nicht nur wir auf ein Überfahrtswetterchen vom Festland gewartet. Von der Algarve kommt noch ein ganzer Schwung auf die Kanaren, doch die Allermeisten zieht es gleich in eine Marina. Wie im letzten Jahr sind Arrecife, Rubicon und Las Palmas rappelvoll. Da wir wissen, wie rar gesät gute Ankerbuchten auf den Kanaren sind, bleiben wir einfach, denn so langsam müssen wir auch mal mit der normalen Pflege und Wartung beginnen, die wir vor der Überfahrt noch erledigen möchten. In den letzten Monaten ging es immer nur um die großen Dinge, da ist all der Kleinkram liegen geblieben.

„Das Ankerfeld ist voll und die Ausflugsboote drängeln sich noch dazwischen.“

„Das Ankerfeld ist voll und die Ausflugsboote drängeln sich noch dazwischen.“

„Orca-Sand weg, dann kann gewaschen werden. Radarprobleme und Brot backen“

„Orca-Sand weg, dann kann gewaschen werden. Radarprobleme und Brot backen“

Doch was heißt Kleinkram? Unser Radar will nicht mehr! Das ist ein schöner Mist und so fummeln wir allein zwei Tage mit dem Netzwerk und allen betroffenen Kabeln herum. So ein NMEA 2000 Netzwerk ist ja ein echtes Sensibelchen, die allerkleinsten Unpässlichkeiten führen schon zu einem Ausfall und manchmal reicht sogar schon eine gefühlte Unpässlichkeit. Dieses Netzwerk ist eine echte Diva. Doch all unsere Bemühungen helfen nicht. Am Ende ist alles durchgemessen und sogar das ausgetauscht, was wir noch so zum Austauschen hatten, aber das Radarsignal erscheint nur als Schimmer wenige Meter direkt um die PINCOYA herum. Wir haben den Dom selbst in Verdacht, aber das muss nun ein autorisierter B&G-Service mal prüfen, wir jedenfalls sind mit unserem Latein am Ende. Aber alles andere funktioniert und eine Überfahrt würde auch ohne Radar gehen.

„Abendstimmung mit sommerlichen Temperaturen.“

„Abendstimmung mit sommerlichen Temperaturen.“


Unser täglich Schwimmerchen gibt uns heute!
Vor La Graciosa ist es phantastisch! Kein Hochsommer, aber Sommer. Wir schwimmen jeden Tag und sitzen lange faul in der Sonne. Niemand treibt uns, und dieses Jahr treiben uns auch schon mal gar nicht irgendwelche zur Neige gehenden Wasservorräte.

„Not alone on the anchorage.“

„Not alone on the anchorage.“

Da wir vor La Graciosa mit ziemlich abgebrannten Wasservorräten angekommen sind, machen wir nun erst einmal täglich für rund zwei Stunden Wasser. Die Ausbeute liegt bei ungefähr 45 Litern pro Stunde. Alles funktioniert reibungslos und wie geplant. Und richtig glücklich sind wir darüber, dass auch der Energiebedarf mit unseren Solarpanels und dem Windrad vollkommen problemlos gedeckt wird. Ohne dass wir uns groß kümmern müssen, werden unsere Lithiums einfach so geladen bzw. wieder nachgeladen. Und das alles passt, obwohl wir jeden Tag Wasser machen und jeden zweiten Tag ein Brot backen. Wobei man dabei ja auch nicht vergessen darf, dass gerade Winterhalbjahr ist und wir in vier Wochen die kürzesten Tage des Jahres haben. Für den Sommer müssen wir uns also gar keine Gedanken machen. Unsere Energiewende ist gelungen. Im Maximum sehen wir tatsächlich mehrmals 25 A Ladestrom und können an mehreren Tagen eine Spitzenausbeute von 1,5 kWh Solarstrom verbuchen. Mehr hatten wir noch nie.

Und der kleine Bortbackautomat ist echt der Hit. Endlich können wir mal, ohne auf Gas angewiesen zu sein, selbst frisches Brot backen. Gekauftes Brot lässt sich ja doch nur wenige Tage lagern. Danach ist es entweder vertrocknet oder bei der Luftfeuchtigkeit verschimmelt. Egal, was wir ausprobiert haben, wir haben es noch nicht geschafft, frisches Brot irgendwie länger zu lagern. Das geht mit den Brotzutaten wesentlich einfacher. Die gammeln in den luftdicht verschlossen Dosen nicht und Übervorräte sind eingeschweißt. Der Brotbackautomat ist zwar klein, reicht aber gut für ein 500g Brot. So backen wir alle 2 bis 3 Tage. So lange hält sich das Brot auch und dann gibt es frisches. Und das alles nur mit reinster Solar- und Windenergie und dem guten selbst produzierten Wasser. Zusammen mit dem elektrischen Espressokocher, dem kleinen Wasserkocher und dem Eierkocher brauchen wir nun Gas wirklich nur noch zum Kochen. Da werden unsere Vorräte von 18kg lange halten.


Und sonst so?
Unser Wasserpass hat etwas Pflege und Reinigung bitter nötig. In Póvoa de Varzim haben wir wohl doch zu lange festgelegen. Das haben viele Algen gleich mal zum Anlass genommen, unseren Wasserpass zu begrünen, um sich dort nun hemmungslos zu vermehren. Außerdem hat sich im Kicker eine Rolle festgefressen. Nirobolzen und Alurolle machen bei dem allgegenwärtigen Salz keine gute Figur in einem Alugehäuse. In der Ostsee war so etwas nie ein Problem, aber hier auf dem Atlantik blüht der Niro-Alu-Gammel doch erheblich doller. Um das in Grenzen zu halten, müssen wir alles ziemlich regelmäßig und gewissenhaft mit Süßwasser spülen und das ein oder andere Tröpfchen WD40 verteilen.

„Nicht der Tatortreiniger, aber der Wasserpassreiniger.“

„Nicht der Tatortreiniger, aber der Wasserpassreiniger.“

Nach der Reinigung des Wasserpasses und vielen kleinen Pflegearbeiten bleiben dann eigentlich nur noch die Reinigung des Propellers und der eventuelle Tausch der Opferanoden am Saildrive. Doch das ist leider wieder so eine ungeliebte Tauchaktion, die der Schiffsjunge gerne vor sich herschiebt. Viele werden den Kopf schütteln, aber Tauchen ist für den Schiffsjungen ein notwendiges Übel und immer noch weit von Vergnügen entfernt. Vielleicht ja »noch«, – man wird sehen -, in der Karibik soll sich ja diesbezüglich schon bei vielen vieles geändert haben 😊. Doch ist es windig. Sehr windig sogar und die PINCOYA schwojt heftig ausladend hin und her. Eigentlich sollte es ja gar nicht so viel Wind geben und das Bisschen, das es geben sollte, sollte schon zum Nachmittag wieder abgenommen haben. Aber nicht jede Vorhersage trifft immer so direkt ins Schwarze und so bläst es unvermindert mit gut 20 kn weiter und in Böen ist auch mal deutlich mehr drin.


„Die Wanderung zum Vulkan mit dem Muster. Wenn man genau hinsieht, kann man das Muster auch schon auf dem Satellitenbild sehen.“

„Die Wanderung zum Vulkan mit dem Muster. Wenn man genau hinsieht, kann man das Muster auch schon auf dem Satellitenbild sehen.“

Also wird diese Aktion auf ruhigere Zeiten vertagt 😇 und wir nutzen die Zeit für eine kleine Inselwanderung. Auf dem Montaña Amarillo, gleich neben dem Playa Francesca, waren wir ja vor einem Jahr schon einmal. Aber es gibt da noch so einen weiteren Vulkan, der vielleicht sogar noch etwas mehr die Blicke auf sich zieht, als der gelbe Berg. Die Südostflanke dieses Vulkans sieht aus, als ob ein zen-buddhistischer Riese gottvergessen braunbunte Kreise in den Hang des Vulkans geharkt hat. Aus der Ferne sehen die so hübsch regelmäßig aus, dass wir zunächst tatsächlich geglaubt haben, die seien irgendwie angelegt worden. Vielleicht auch von prähistorischen Einsiedlern, denen bei ihrer Einsiedelei langweilig geworden war und so Weisheiten rezitierend das Vulkangestein kreisförmig nach Farben sortiert haben. Wer weiß?

„Auf dem Weg nach Caleta del Sebo“

„Auf dem Weg nach Caleta del Sebo“

„Die Inselhauptstadt voraus.“

„Die Inselhauptstadt voraus.“

Also wandern wir in Richtung City und nach einer Erholungspause, – ja ja, da war schon eine erste Erholungspause notwendig 😇 -, weiter zu dem Vulkan mit dem Muster.

„Caleta del Sebo“

„Caleta del Sebo“

„Der Hafen von Caleta del Sebo“

„Der Hafen von Caleta del Sebo“

„Die Kirche schon ganz weihnachtlich“

„Die Kirche schon ganz weihnachtlich“

Warum der Vulkan »La Aguja Chica«, die kleine Nadel, heißt, bleibt uns ein Rätsel. Irgendetwas Nadelartiges ist jedenfalls weit und breit nicht zu sehen. Der Weg zu dem Vulkan ist ziemlich lang und staubig.

„Der Vulkan mit dem Muster“

„Der Vulkan mit dem Muster“

Eigentlich wollte der Schiffsjunge bis ganz oben auf den Vulkan und die Capitana hatte mit einem eindeutigen »Nun ja.« wohl auch zugestimmt. Doch schon auf der »Anreise« wird klar, dass wir mit dem »Endspurt« auf das Vulkanchen wohl doch nicht ganz so zügig beginnen können. So drehen wir nur ein Runde an seinem Fuß und gehen zurück, um vor dem Dunkelwerden wieder auf der PINCOYA zu sein. Das nächste Mal, – wir werden ja sicher noch einmal wiederkommen -, mieten wir uns in Caleta de Sebo Mountain Bikes. Zu Fuß ist so eine Tour nur etwas für richtige Wanderer, und nicht solche Hobby-Spaziergänger wie uns.

„Am Fuße des Vulkans .... ja!!! Eine Kleingartenkolonie!“

„Am Fuße des Vulkans …. ja!!! Eine Kleingartenkolonie!“

„Das Muster, der Vulkan!“

„Das Muster, der Vulkan!“

„Es wird erzählt, dass deutsche Auswanderer aus Castrop-Rauxel 1763 diese Kleingartenkolonie mit Europaletten befestigt haben, um den Angriffen der Urbevölkerung zu trotzen. Heute ein Unesco - Weltkulturerbe!“

„Es wird erzählt, dass deutsche Auswanderer aus Castrop-Rauxel 1763 diese Kleingartenkolonie mit Europaletten befestigt haben, um den Angriffen der Urbevölkerung zu trotzen. Heute ein Unesco – Weltkulturerbe!“

„Caleta del Sebo von »oben«“

„Caleta del Sebo von »oben«“

„Auf dem Rückweg steht das Hochwasser in der Lagune von Caleta del Sebo“

„Auf dem Rückweg steht das Hochwasser in der Lagune von Caleta del Sebo“


Seitdem wir von der Wanderung zurückgekommen sind, liegen wir nicht mehr ganz so entspannt. Gleich drei Charterschiffe sind in die Bucht gekommen, und zwei von den Künstlern haben sich ziemlich dicht neben uns gelegt. Platz wäre genug gewesen. Aber nun ja, manche suchen eben ihre Sicherheit in der Nähe zu anderen. Vor drei Tagen haben hier 35 Fahrtensegler gelegen und alle haben so geankert, dass sie keinem anderen auf die Pelle rückten. Auch die Franzosen. Und nun dies.
Von den Fahrtenseglern sind nun nur noch 5 übrig geblieben und gleich zwei dieser Charterbuden legen sich ziemlich knapp vor und neben uns. Und wie gesagt, es bläst noch unablässig mit bis zu 25 kn. Wenn schon jemand vier Anläufe für sein Ankermanöver braucht und dann nur mit Glück etwa 7 Meter vor unserer Ankerboje zu liegen kommt, dann macht das insgesamt kein gutes Gefühl für eine Nacht. Doch dafür bieten sie uns am nächsten Morgen ein Schauspiel der allerersten Güte. Zielsicher wird von der ersten Crew mit dem Dinghy der Strand mit den höchsten Wellen angesteuert. Von dort ist zwar auch der Weg in die City am kürzesten, aber es ist heute absehbar nicht die trockenste Variante anzulanden. Und was sollen wir sagen, wie Lin und ich damals auf der Belle Île legen sie auch gleich einen Vorwärtssalto samt Dinghy hin. Die anderen beiden Crews sind nun gewarnt. Eigentlich schade 😇. Doch obwohl nicht noch ein zweiter Salto folgt, geht keiner trocken an den Strand. Beherzt springt die eine oder der andere kurz vor dem Strand aus dem Dinghy und verschwindet samt Rucksack bis zu den Schultern im Wasser. Wir kennen das, im klaren Wasser sieht es meist flacher aus, als es ist. Das ist durchaus gemein vom Wasser, aber auch das lernt man nur durch die Erfahrung eines nassen Höschens. Und so bekommen wir zum Ausgleich für die Ankernähe wenigstens ein kleines Spaßprogramm geboten.

22. -> 28.11. Isla de la Graciosa / Playa Francesca
29° 13′ 05,3″ N, 013° 31′ 48,2″ W