Echt Glück gehabt!


Die ersten Vorhersagen, dass einige der atlantischen Tiefs tatsächlich bis zu den Kanaren herunterreichen könnten, sehen wir schon vor La Graciosa. Und leider halten sich diese Prognosen auch ziemlich hartnäckig. Obwohl es wohl auf den Kanaren keinen ausgewachsenen Sturm geben dürfte, ein stürmischer Südwest bis Süd bedeutet ja dennoch, dass man auch die wenigen halbwegs passablen Ankerplätze auf den Kanaren vergessen kann. Und das nicht nur wegen des Windes, die Wellen sind da noch das größere Problem. Den Spaß hatten wir im letzten Jahr ja schon einmal vor Papagayo, das brauchen nicht unbedingt noch einmal.

Also planen wir mal einen Marinaaufenthalt ein. Da der Hauptstrom der Segler ja über Lanzarote in Richtung Gran Canaria geht und es im Dezember ziemlich schwierig ist, in Arrecife, Rubicon oder Puerto Calero einen Platz zu bekommen, nehmen wir gleich mal Puerto del Rosario ins Visier. Diese Marina passt mit ihrer Einfachheit und den Seglern dort auch besser zu uns. Alle Versorgungsmöglichkeiten sind fußläufig, und mit den Fahrrädern erreichen wir auch alles andere recht gut. Außerdem ist die Marina preiswert, liegt für den angesagten Wind günstig, auch wenn es etwas schaukelig werden dürfte, da die Wellen ja eher von Süden einlaufen.


„von La Graciosa [A] -> vor Papagayo [A]“

„von La Graciosa [A] -> vor Papagayo [A]“

Um die Strecke bis Puerto del Rosario auch segeln zu können, – wenn auch in Etappen -, starten wir vor La Graciosa schon am Dienstag. Der Wind ist eigentlich ideal für den Parasailor, trotzdem überlegen wir eine ganze Weile, ob wir uns das ganze Parasailor-Geraffel antun wollen. Die Strecke nach Playa Blanca haben wir aber schon zweimal mit dem Parasailor gemacht, jedes mal waren die Bedingungen ähnlich und es war am Ende richtig geil. Also geben wir uns einen Ruck und bereiten alles vor. Und schon wenige hundert Meter hinter unserem Ankerplatz ziehen wir den Parasailor.

„Es ist immer so ein Getüddel, bis für den Parasailor alles fertig ist.“

„Es ist immer so ein Getüddel, bis für den Parasailor alles fertig ist.“

„Aber dann steht er und es fährt einfach so.“

„Aber dann steht er und es fährt einfach so.“

Und schwupps, sofort beginnt die 5-stündige Rauschefahrt. Der Parasailor ist ebenso gutmütig wie effektiv. Einmal eingestellt will er nur noch vorwärts und der Autopiloten hält problemlos den Kurs. So machen wir mehr als 30 sm in knappen 5 Stunden und das mit einem Wind zwischen 10 und 14 Knoten. Das kann sich sehen lassen.

„Vulkanschattierungen auf Lanzarote“

„Vulkanschattierungen auf Lanzarote“

„Nicht viel zu tun, es rauscht so dahin.“

„Nicht viel zu tun, es rauscht so dahin.“

Grinsend sitzen wir im Cockpit und keiner der anderen Segler mit konventioneller Beseglung hat wirklich eine Chance, uns zu kriegen. Einzig ein nagelneuer Outremer 51 lässt uns rauschend in seinem Kielwasser zurück und ein 40er Proud Katamaran bleibt hartnäckig dran. Tatsächlich kommt so etwas wie Regatta-Feeling auf und unsere dicke Erna schlägt sich mit Bravur. Es ist schon faszinierend, welchen Speed so ein Outremer aus so wenig Wind holt, er fährt mit einem riesigen gelben Genacker beständig über 8 kn. Aber es ist eben auch ein Millionenspielzeug und unsere dicke Erna ist unser leicht übergewichtiges Zuhause.

„Der läuft außer Konkurrenz!“

„Der läuft außer Konkurrenz!“

„Von frischer Lava umlaufen.“

„Von frischer Lava umlaufen.“

So zu segeln, macht wirklich Spaß. Die Seemeilen fliegen nur so dahin. Beim Schiften sind wir dem Outremer mit unserem 4-Leinen-System überlegen, doch als sein Genacker wieder auf der anderen Seite steht, zieht er einfach weiter davon.
Am Cabo Punta Pechiguera nehmen wir noch die Düse mit, doch kurz vor Playa Blanca verzwirbelt sich der Wind zu einem nicht-segelbaren Hauch, der aus allen Richtungen gleichzeitig zu kommen scheint. Die letzten Seemeilen bis vor Papagayo motoren wir. Es ist ruhig, und langsam rötet sich der Himmel zu einem Jahrhundert-Sundowner.

„Playa Blanca“

„Playa Blanca“

„Der Jahrhundert-Sonnenuntergang“

„Der Jahrhundert-Sonnenuntergang“


In der zweiten Nachthälfte wird es etwas unruhiger und unsere dicke Erna beginnt zu rollen. Wind ist kaum bis gar nicht, aber für Stunden hören wir ein unheilvolles Grollen, das auch nicht wieder weniger werden möchte. Und zum Sonnenaufgang sehen wir dies!

„Etwas hoch und etwas zu nah ...“

„Etwas hoch und etwas zu nah …“

„Auch wenn es faszinierend ist, wir suchen lieber das Weite.“

„Auch wenn es faszinierend ist, wir suchen lieber das Weite.“

Gestern haben wir noch 200 m bis zum Strand gemessen, nun brechen sich wirklich beachtliche Wellen kaum 120 m neben uns. Wir sind ja nicht so ganz zart besaitet, aber unter diesen Umständen vertagen wir das Frühstück mal lieber und suchen das Weite.

„Die feuchte Kante spricht Bände.“

„Die feuchte Kante spricht Bände.“

„So haben wir wohl auch ausgesehen 😳“

„So haben wir wohl auch ausgesehen 😳“

„von Papagayo [A] -> nach Playa Blanca [A]“

„von Papagayo [A] -> nach Playa Blanca [A]“

Vor Playa Blanca ist es etwas besser, aber die Wellen reichen immer noch aus, um dem ein oder anderen zu wagemutigen Touristen das Höschen auf der Promenade nass zu machen. Doch wir liegen hier ruhiger, obwohl »ruhig« die Gesamtsituation auch nicht ganz so richtig trifft.

„Und schwupps heißt es ab ins Hotel und umziehen 😂“

„Und schwupps heißt es ab ins Hotel und umziehen 😂“

„Ablaufendes Wasser.“

„Ablaufendes Wasser.“

Trotzdem erledigen wir die Tauchaktion, da es wohl in absehbarer Zeit keine bessere Gelegenheit mehr geben wird. Mal abgesehen von dem Auf und Ab der Wellen ist die Strömung schwach. Da geht das Tauchen tatsächlich noch ganz gut. Das Unterwasserschiff sieht gut aus, auch die Opferanoden können sich noch bis in die Karibik weiter opfern, aber von der Schraube müssen wir eine ganze Großfamilie von Seepocken abkratzen.


„von Playa Blanca [A] -> zur Isla de Lobos [A]“

„von Playa Blanca [A] -> zur Isla de Lobos [A]“

„Der Pendelverkehr zwischen Lanzarote und Fuerteventura“

„Der Pendelverkehr zwischen Lanzarote und Fuerteventura“

„Isla de Lobos voraus.“

„Isla de Lobos voraus.“

Von Playa Blanca geht es dann über die Isla de Lobos weiter bis nach Puerto del Rosario. Der Anchorage vor der Isla de Lobos ist bei dem vorherrschenden Schwell nicht unbedingt jedermanns Sache. Dennoch ist es toll, hier wieder vor Anker zu liegen. Seit Figueira da Foz waren wir in keinem Hafen mehr und Figueira liegt schon mehr als 3 Wochen zurück. Fehlen tut uns nichts, es könnte einfach so weitergehen.

„vor der Isla de Lobos“

„vor der Isla de Lobos“

„von der Isla de Lobos [A] -> Puerto del Rosario“

„von der Isla de Lobos [A] -> Puerto del Rosario“

Und nun fragt man sich natürlich, warum der Blog »Echt Glück gehabt!« heißt? Morgens vor der Isla de Lobos sehen wir bei Vesselfinder, dass die Segelyacht von Freunden ganz offensichtlich in Lagos gekrant wird. Das passt nicht ganz zu deren Plänen, deswegen fragen wir per Mail, was los ist. Die beiden waren mit uns auf dem Weg nach Süden, aber noch unentschlossen, wohin es ab der Algarve gehen soll. Die Antwort schockiert uns absolut und macht uns auch noch im Nachhinein eine Gänsehaut. Es ist etwas vollkommen anderes, wenn Freunde betroffen sind, als wenn eine Bedrohung doch eher abstrakt bleibt. Die beiden haben eine Orca-Attacke mit viel Glück gerade so überstanden. Beide sind unverletzt und konnten ihr Schiff auch durch unentwegtes Lenzen retten. 35 sm südlich Sines wurden sie von einem Orca angegriffen. Der schwamm offensichtlich mehrfach mit voller Wucht gegen ihr Ruder. Das Streuen von Sand scheint zwar etwas geholfen zu haben, konnte aber den großen Schaden nicht verhindern. Die Ruderanlage selbst ist Schrott, alles gebrochen und die Bowdenzüge gerissen. Auch die Windfahnensteueranlage hat er zerlegt. Das Schlimmste aber ist ein etwa 1 m langer Riss im Rumpf, ausgehend von dem Ruderlager, dass ja die ganze Wucht der Stöße aufnehmen musste. Und ihr Schiff ist keine billige Leichtbauflutsche, sondern eine Najad 39. Die Wucht muss enorm gewesen sein. So nahmen sie ständig Wasser. Nicht so viel wie die französische Yacht, die am Ende vor Viana do Castello ja gesunken ist, denn sie konnten sich durch ständiges Lenzen noch retten. Zuerst wurden sie bis Baleeira / Sagres geschleppt und dann doch noch weiter bis Lagos. 36 Stunden Lenzarbeit, sonst wäre ihr Schiff verloren gewesen. Als sie in Sines noch ohne Schaden lagen, haben sie all die Schiffe gesehen, die dort kürzlich attackiert wurden. In den Statistiken tauchen die alle schon lange nicht mehr auf. 5 Schiffe allein in einer Woche vor Sines.

„Ruhig geht's an der Küste von Fuerte entlang ...“

„Ruhig geht's an der Küste von Fuerte entlang …“

Wie schon vermutet, werden diese Orca-Attacken für Spanien, Galizien und Portugal und die Algarve wohl zu einem echten Problem werden. Uns würde es nicht besonders wundern, wenn sich die Hauptroute nach Süden peu á peu über die Azoren und Madeira verschiebt. Die Mittelmeerfahrer brauchen allerdings weiterhin Glück, denn die müssen ja zwangsläufig bei Sagres um die Ecke und Gibraltar passieren. Nun ja, im Mittelmeer zu segeln, war ja schon immer etwas Besonderes, nun wird es schon etwas Besonderes sein, dort überhaupt anzukommen.

Und zu guter Letzt sehen wir, dass es am 22.11., also genau an dem Tag unserer Ankunft vor La Graciosa, auf halber Strecke unserer Route von Lissabon zu den Kanaren auch einen Vorfall gegeben hat. Genaueres wissen wir allerdings nicht. Wieviele Attacken es überhaupt gibt, weiß keiner, die Statistikseiten scheinen recht unvollständig zu sein.
Also – Echt Glück gehabt! Nicht nur wir. Und ehrlich gesagt, wir sind heilfroh, dort nun weg zu sein!!!!!!!!!

„Puerto del Rosario“

„Puerto del Rosario“

„Die Einfahrt in den Hafen von Puerto del Rosario“

„Die Einfahrt in den Hafen von Puerto del Rosario“


Stationen:

29.11. Isla del la Graciosa [A] -> Papagayo [A] 36,4 sm:
28° 50′ 43,5″ N, 013° 47′ 28,6″ W

30.11. Papagayo [A] -> Playa Blanca [A] 2,1 sm:
28° 51′ 35,9″ N, 013° 49′ 37,0″ W

01.12. Playa Blanca [A] -> Isla de Lobos [A] 8,6 sm:
28° 44′ 11,3″ N, 013° 49′ 30,8″ W

02.12. Isla de Lobos [A] -> Puerto del Rosario 16,3 sm:
28° 29′ 45,5″ N, 013° 51′ 29,5″ W