Am 31.12. starten wir zu unserem Silvester-Ausflug. Diesmal geht es nach Restinga und in den Süden von El Hierro. Von Valverde aus fahren wir über die Hochebene. Krasser kann ein Gegensatz zu der Vulkansteinlandschaft schon gar nicht mehr sein. Die »Highlands« erinnern uns sehr an La Gomera, obwohl der Wald aufgelockerter und auch nicht so triefend nass ist. Wolkenfetzen ziehen über die Wiesen, Agaven stehen im Nebel, Kühe muhen in der Ferne und in dem Wald läuft man federnd über echten Waldboden. Es ist wirklich erstaunlich, wie unterschiedlich eine so kleine Insel sein kann.
Nachdem wir bei El Pinar in Richtung Restinga abgebogen sind, zieht sich die Straße durch riesige, flache Lavafelder. Die ausgedehnten Wälder sind schon vor der El Pinar zurückgeblieben. Zwischen der Lava wachsen nur noch einige dieser fleischigen Sukkulenten, die mit ihrem Grün der schwarzen Lavalandschaft etwas Farbe geben.
In El Pinar gibt es ein geologisches Forschungszentrum und an der Straße stehen einige Hinweisschilder zu Info-Punkten inmitten dieser irren Vulkanlandschaft. Irgendwo halten wir einfach an und gehen abseits der Straße durch die Lavaformationen.
In Restinga interessiert uns natürlich in erster Linie der Hafen. Restinga hat den zweiten Yachthafen von El Hierro und wir können nur sagen, dass wir heilfroh sind, nicht Restinga angelaufen zu haben. Es gibt keine Liegeplätze, man kann nur römisch-katholisch hinter der Eingangsmole zum Hafen mit Buganker liegen. Die Heckleinen können aber nur mit Dinghy zur Mole gebracht werden, da davor Steine liegen. Außerdem ist der Hafen ziemlich offen, wir wollen lieber gar nicht wissen, wie es hier vor einer Woche war. Früher gab es mal einen zweiten Steg, den hat es aber bei einem Sturm fortgespült.
Ansonsten ist Restinga wirklich ein nettes Örtchen, aber als Marina kann man Restinga vollkommen vergessen. Wir laufen einmal um den Hafen und machen Lunch auf den neuen hölzernen Wegen an dem Hafenbecken. Wie überall auf El Hierro hat man auch hier sehr viel Arbeit und wohl auch Geld in das Anlegen von Wegen, Wanderwegen, Sitzecken und sonstigen Freizeitanlagen gesteckt. Das war uns schon gleich am ersten Tag in Tamaduste aufgefallen, wo der Wanderweg, der uns nicht mehr loslassen wollte, mit unglaublich viel Mühe in der ruppigen Vulkanlandschaft angelegt worden war. Und auch gestern am El Golfo war das ja so. Als ob das Fremdenverkehrsamt auf El Hierro alle Register gezogen hat. Da kann man nur staunen, denn allzu viele Wanderer und Touristen verschlägt es ja nun wohl auch nicht nach El Hierro. Aber vielleicht haben es sich ja die Einwohner von El Hierro auch einfach selbst etwas nett gemacht.
Von Restinga wollen wir zum Faro de Orchilla, dem südwestlichen Leuchtturm von El Hierro und dem wohl südlichsten, wie westlichsten Leuchtturm Europas. Und da wir ungern dieselbe Strecke zurückfahren, hat der Schiffsjunge auch gleich eine Abkürzung herausgefunden. Doch nun ist es so, dass nicht jede Abkürzung, auch wenn sie liebevoll ausgesucht wurde, ganz unmittelbar zu einer Verkürzung der Strecke führt. Manche Abkürzungen sind nämlich nur mit Allradfahrzeugen zu befahren, andere wohl nur noch mit Cross-Motorrädern und wieder andere sind schlicht geschlossen und mit einer Kette oder einem Schlagbaum gesperrt.
Also genießen wir kurz den Ausblick und drehen um. Da die Capitana keine Lust mehr auf weitere Abkürzungen des Schiffsjungen hat, fahren wir bis El Pinar zurück und biegen dort auf die südliche »Hauptverkehrsstraße« ab. Dieser Highway wird zusehends schmaler und die Geschwindigkeitsbegrenzung von 40 km/h können wir ohne echtes Risiko nur selten überschreiten 😎. Dafür fahren wir durch eine wunderbare Kiefenwaldlandschaft, in der manchmal die Wolken den Hang heraufkriechen und manchmal die Sonne scheint.
Zu dem Faro de Orchilla führt eine noch schmalere Straße herunter und die endet an der Muelle de Orchilla, also an der Mole des Leuchtturms Orchilla. Sofern man an dieser Mole irgendetwas anlanden möchte, ohne sein Schiff zu verlieren, dann muss das Wetter schon extrem gut sein. Wenn über diese Mole das Material für den Leuchtturm herangeschafft wurde, dann hat der Bau des Leuchtturms ziemlich lange gedauert. Und auch die Versorgung der Leuchtturmwärterfamilien musste lange Ungewissheiten überbrücken können.
Der Faro de Orchilla hat eine besondere Geschichte und lange Zeit kannte ihn jeder Seefahrer. Bevor Columbus sich aufmachte, um mal nachzusehen, was es alles noch so hinter dem »Ende der Welt« gibt, galt El Hierro als die Insel am Ende der Welt. Bereits etwa 200 v. Chr. beschloss der ägyptische Astrologe Ptolemy, dass im Westen von El Hierro nichts mehr kommt als eben das Nichts, direkt gefolgt vom Ende dem Welt. Folgerichtig platzierte Ptolemy auch dort im Westen von El Hierro den ersten Längengrad seiner Berechnungen, den Nullmeridian. Damit lebte man eigentlich auch ganz gut, denn weiter im Westen war ja eben nichts und der Rest der Scheibe erstreckte sich nach Osten. Also passte es ganz gut, wenn man einfach am westlichsten Zipfel von El Hierro zu zählen begann. Damit war El Hierro die »Meridian-Insel« und selbst die Franzosen erkannten dies so an, obwohl der Nullmeridian nicht durch Paris lief. Denn Paris war eben Paris und westlich von Paris lebten die Bretonen und die hätten nie mitgemacht, wenn sie auf der Seite der Welt leben sollten, wo eben ziemlich bald auch das Ende kam. Dann schon lieber eher am Anfang. Und hierin liegt auch der Grund, warum bis heute, – man schaue sich nur den ISO-Standard des GPX-Formats für Koordinaten an -, die westliche Länge mit negativen Vorzeichen und die östliche selbstverständlich mit positiven Vorzeichen angegeben wird.
Das Ganze wurmte aber die Briten zunehmend, denn ein Nullmeridian außerhalb von Großbritannien war einfach undenkbar für ein Commonwealth, was etwas auf sich hält. Es war Borrilius John, dessen ferner Nachfahre im 21. Jahrhundert Großbritannien zu noch größerem Ruhm führen sollte, der Anfang des 17ten Jahrhunderts den britischen König davon überzeugte, das ein Nullmeridian nicht auf irgendeine Insel gehöre, sondern in die Hauptstadt des Commonwealth. Und 1885 war es dann soweit, der Nullmeridian wurde ganz offiziell nach Greenwich verlegt und alle Nationen erkannten dies auch an und änderten die Ausrichtung ihrer Karten. Soweit so gut, oder eben auch nicht. Denn niemand hatte mit dem Widerstand der Leuchtturmwärter vom Faro de Orchilla gerechnet. Die Kunde verbreitete sich auf El Hierro wie ein Lauffeuer und man war sich sofort einig, diese hinterhältige Verlegung zu boykottieren, denn man war ja schließlich nicht umsonst Jahrhunderte lang das Ende der Welt gewesen.
Speziell die Leuchtturmwärterfamilien kämpfen um den Erhalt des Nullmeridian in Sichtweite ihres Zuhauses. Zur Unterstreichung ihres Protestes wurde der Leuchtturm insgesamt 34 Jahre lang immer dann ausgeschaltet, wenn sich ein britisches Schiff näherte. Ab und zu lebte man davon auch ganz gut. Unter der Führung von Carlos Lámpara wurde der spanische König so lange mit Petitionen überhäuft, bis dieser beschloss, seine Armada in Richtung England zu schicken, um den Nullmeridian wieder zurückzuholen. Da es aber den Spaniern nicht gelang, in England zu landen, blieb der Nullmeridian bis heute in Greenwich.
Vom Leuchtturm aus können wir die Marke des »Meridiano 0« sehen. Mit unserem Corsa können wir allerdings nicht dorthin, denn das ist wieder eine dieser Offroad-Strecken. Und das Jahr geht mit riesigen Schritten seinem Ende entgegen. Also fahren wir in Richtung Playa Negra und auf einer abenteuerlichen Serpentinenstraße herunter auf den Lomo Negro. Vor uns eröffnet sich eine neue, vollkommen andere Vulkanlandschaft. Die Erosion hat hier schon ganze Arbeit geleistet. Ein toller Abschluss unseres Silvesterausflugs.
Zurück geht es durch das Tal von El Golfo und den Tunnel auf dem schnellsten Weg zurück zur PINCOYA. Denn das neue Jahr wollen wir ja auf den PINCOYA begrüßen.
Und hier das Video zu unseren Ausflügen auf El Hierro.
La Estaca auf El Hierro
27° 47′ 07,1″ N, 017° 54′ 06,9″ W