Warum um alles in der Welt musste dieser dämliche Baum-Kicker genau in dem Moment sein letztes Gas aushauchen, als wir das letzte Eckchen Europas verlassen, wo wir noch den Hauch einer Chance gehabt hätten, Ersatz zu bekommen? Zwischen Gran Canaria und El Hierro macht der Schiffsjunge seinem Ärger Luft, was ihm das ein oder andere »böse Wort« entlockt. Als nächstes kam dann die Fehlentscheidung, es statt mit dem Parasailor mit dem Ausbaumen der Genua zu versuchen. Eine grandiose Fehlentscheidung, die auch nicht unkommentiert blieb.
Doch warum schreibe ich das eigentlich? Diesmal nicht, um meinem Frust Luft zu machen. Manchmal ist nämlich etwas Schlechtes auch der Anstoß zu einer Verbesserung. Das sieht man zwar nicht immer gleich, deswegen kommt es ja auch zu den »bösen Worten« 😔, doch im Nachhinein wendet sich das Blatt dann trotzdem.
Vor kurzem wurde viel über einen Dänen berichtet, der sein Schiff im indischen Ozean aufgeben musste und in einer spektakulären Aktion abgebogen wurde. Die eigentlich vollkommen unspektakuläre Ursache dafür war der Bruch des Schäkels am Großfall. Das Groß kam runter und er konnte das Fall nicht mehr erreichen. Der Rest wird dann immer so hübsch mit »einer Verkettung unglücklicher Umstände« beschrieben, wobei die einzelnen Umstände für sich genommen auch meist nicht wirklich spektakulär sind. Doch in Summe führen sie dann doch manchmal dazu, dass man sein Schiff aufgeben muss.
Und nun überlegen wir, wie wir uns eine Dirk basteln können, wenn schon der Kicker den Baum nicht mehr hochhalten möchte. Für die Nicht-Segler: Die Dirk ist eine Strippe, die vom Masttop zur Baumnock geht, also dem hinteren Ende des Großbaums, um diesen hochzuhalten, wenn das Großsegel nicht gesetzt ist. Um Strippen zu sparen, hat man dafür irgendwann den Kicker erfunden, der mit einer starken Gasdruckfeder den Baum einfach nach oben drückt, eben kickt. Und genau diese Gasdruckfeder hat bei uns aufgegeben und deswegen brauchen wir nun den »transgender Dirk«, der auf einem Schiff schon immer »die Dirk« war.
Wir überlegen eine ganze Weile hin und her, wie wir es machen können. Und plötzlich kommt uns unser Ärger mit dem Ausbaumen der Genua wieder in den Sinn. Da dieses Ausbaumen ja nun so gar nicht funktioniert hat und wir den Parasailor eh ohne Spibaum fahren, ist unser Topnant, der normalerweise den Spibaum hoch hält, quasi überflüssig oder wenigstens entbehrlich.
Nun kommt so ein Topnant zwar vorn, auf etwas 2/3 Höhe aus dem Mast und die Dirk hinten im Masttop, aber egal, der Plan ist schnell gefasst. Wir müssen nun nur noch an Bord ein Fall finden, das lang genug ist, um zu einer Dirk zu werden. Doch das haben wir natürlich nicht so einfach rumliegen, aber wir haben ein altes Fall, das als Genuafall dienen könnte, aber leider für eine Dirk zu kurz ist, die ja auch ins Cockpit umgelenkt werden soll. Doch das eingefädelte Genuafall wäre lang genug.
Die Lösung ist zunächst eine Denksportaufgabe. Denn wie wird aus einem eingefädelten Genuafall eine Dirk und wie ziehen wir das neue Genuafall ein. Der einfachste Teil dabei ist das Entfernen des Topnanten, denn der muss raus, weil wir seine Fallenöffnung im Mast und seine Umlenkung ins Cockpit brauchen. Also weg mit dem Topnanten, wir wollen ja eh nicht mehr ausbaumen. Am Ende schmieden wir einen 9-Punkte-Plan, der Punkt für Punkt abgearbeitet werden muss, um Schritt für Schritt Sorgleinen in den Mast zu ziehen, um die Dirk und das Fall in die richtigen Positionen und aus den richtigen Öffnungen im Mast zu ziehen. Das alles kostet uns fast einen ganzen Tag, von dem der Schiffsjunge die meiste Zeit im Mast hängt und die Capitana unten am Mast alles einfädelt. Aber am Ende haben wir eine Dirk und mit dieser Dirk nun auch ein Ersatzgroßfall. Ein wichtiger Punkt, über den wir noch nie wirklich nachgedacht haben. Wir haben zwar Maststufen und könnten auch ein im Top festhängendes Fall zurückholen, aber wenn das Fall ausrauscht und im Mast verschwindet, ist Feierabend. So sind wir am Ende froh, dass wir uns zweimal richtig geärgert haben, denn nun sind wir besser gerüstet als vorher.
Was für ein beklopptes Wetter!
Südlich der Kanaren bildet sich ein Tief und zwischen den Tagen soll es auf El Hierro etwas windiger und auch ungemütlich feucht werden. Die Weihnachtstage verbringen wir noch im Sonnenschein, aber schon am zweiten Weihnachtsfeiertag beginnt es abends zu dröppeln. So müssen wir nun doppelt warten, denn es herrscht weder Überfahrts- noch Ausflugswetter.
Den letzten Sonnenschein am Zweiten nutzen wir noch schnell, um unsere Gasvorräte weiter aufzufüllen. Das Umfüllen geht nämlich schneller, wenn die abgebende Flasche unter einem schwarzen T-Shirt in der Sonne steht und wir die aufnehmende Flasche im Schatten mit einem nassen T-Shirt kühlen. Trotzdem dauert das Umfüllen immer noch einige Stunden, aber dann ist auch die fünfte Disa-Flaschen leer und wir können ein letztes Mal tauschen. Damit sollten wir dann ausreichend Gasvorräte an Bord haben, um bis Kanada hinzukommen. Dort müssen wir dann ja eh auf Propan umstellen, denn mit Butan bleibt die Küche kalt, wenn die Temperaturen sinken.
Geteilte Vorbereitungen
Während der Schiffsjunge noch hier und da eher technisch herumfummelt, vergräbt sich die Capitana in Reiseführern und Cruising-Guides. In dieser Hinsicht führen wir wirklich eine klassische Beziehung. Wir kennen kein Seglerpärchen, bei dem die Schwerpunkte anders herum verteilt sind. Doch trotz dieser offensichtlich bewährten Rollenverteilung werden hinterher alle Ergebnisse und Erkenntnisse immer gerecht geteilt. 😇
Aber auch das neue Jahr erfordert so einige Vorbereitungen, zu denen wir bisher über den Jahreswechsel mehr Zeit hatten. Doch nun geht es am Ersten direkt weiter und das neue Jahr muss auch auf unserer WebPage, bei den Blogs und Photos und so vielen anderen Dingen gleich am Ersten wieder voll am Start sein.
Zusätzlich bereiten wir schon mal unser »Wetter-Routing« vor. Von El Hierro zu den Kap Verden »routen« wir alle 100 sm einen Wetterpunkt ein und von den Kap Verden nach Martinique alle 110 sm. All diese Punkte exportieren wir aus iSailor und importieren sie gleich wieder in Predictwind. Predictwind können wir zwar unterwegs nicht abrufen, aber über den Garmin bekommen wir ja »Punktwetter«. Und da macht es sich ganz gut, wenn wir das »neue Wetter« in eine ältere Vorhersage wenigstens mental einphasen können.
Etwas komplizierter ist der Import dieser Punkte in die Garmin-App, um dann das Wetter an diesen Punkten auch wirklich abzurufen. Allerdings sucht man in der Garmin-App vergeblich so etwas wie »Import« 😠. Und auch das händische Eingabeformat der Punkte ist etwas – sagen wir mal – eigenwillig. Auch wenn die technische Idee hinter einem Gerät echt toll ist, fragt man sich doch manchmal, ob es sich Firmen wie Garmin wirklich nicht leisten können, die Geräte auch mal im Alltag mit normalen Menschen zu testen. Man könnte ja auch dem ein oder anderen Entwickler mal eine kleine Segelreise spendieren, allerdings mit der Maßgabe, nur das selbst programmierte Gerät zu benutzen. So fragen wir uns, warum die Garmin-App die Koordinaten in der Form »N 27 46 32.166 und W 17 53 50.881« haben möchte, wenn doch alle Welt mit dem GPX-Format in der Form »27.775601573 und -17.897466823« arbeitet.
So sind Dinge, die einfach klingen, doch immer wieder langwieriger und freizeitraubender als gedacht. Am Ende bauen wir uns eine Tabellenkalkulation, die die Formate umsetzt, aber leider nicht den Medienbruch beheben kann. Also cut and paste 🙄, was ja gegenüber »abtippen« auch schon echt Hightech ist.
Wartende und nicht wartende Wartende
Für kurze Zeit war es ja offensichtlich, dass es Blödsinn ist, in Richtung Kap Verden aufzubrechen. Kurz vor dem Jahreswechsel macht es zwar immer noch keinen Sinn, aber das ist nicht mehr ganz so offensichtlich. Der Wind heult nicht mehr in den Wanten, es ist trocken und auch die Sonne lässt sich wieder häufiger blicken. Und plötzlich herrscht Aufbruchsstimmung und die ist ja bekanntlich höchst ansteckend. Auch wir sind da ja alles andere als immun. Natürlich fragen wir uns sofort, ob wir nicht doch irgendeine günstige Wendung übersehen haben. Und ein Blick auf AIS zeigt, dass diese Aufbruchsstimmung wohl auch die anderen Kanareninsel erfasst hat.
Also checken wir noch einmal die Vorhersagen, doch geändert hat sich eigentlich nichts. Es ist bei einem Südost geblieben, der zwischendurch mal von etwas Flaute abgelöst wird. Einen Nordost gibt es erst wieder im neuen Jahr. So bleiben wir dann doch lieber bei unserem Startdatum am 02.01. und buchen erst einmal einen Mietwagen, um uns El Hierro anzusehen.
El Hierro als Starthafen …
So schön El Hierro auch ist, die Versorgung ist doch etwas problematischer als auf den anderen Inseln. Selbst auf La Palma ist von Tazacorte aus ein gut bestückter Lidl einfach mit dem Bus zu erreichen. Versorgungstechnisch erinnert uns El Hierro eher an La Gomera. Die Supermärkte sind einfach und nicht auf größere Einkäufe eingerichte. Grundsätzlich haben wir uns ja auch schon gut versorgt, aber 14 Tage El Hierro knabbern dann doch schon etwas an unseren Vorräten. Von den beiden Supermercados hat nur einer ein Angebot, dass einem nicht gleich die Tränen in die Augen treibt. Aber wir finden auch eine kleine Fruteria, wo wir zu vernünftigen Preisen frisches Obst und Gemüse bekommen. Dennoch würden wir das nächste Mal als Starthafen eher Tazacorte wählen.
Doch man sollte El Hierro unter keinen Umstanden auslassen und sich auch ruhig etwas mehr Zeit für diese tolle Insel nehmen. Drei Tage kurven wir mit dem Mietwagen über die Insel und es hätten noch einige Tage mehr sein können. Aber das ist eine andere Geschichte, die hier erzählt wird -> El Hierro kreuz und quer.
(Nicht ungeduldig sein, der Blog ist noch nicht fertig, kommt aber auch bald.)
La Estaca auf El Hierro
27° 47′ 07,1″ N, 017° 54′ 06,9″ W