Weihnachtsanfahrt I


Weihnachten wollen wir gerne auf El Hierro verbringen. Ab dem 01.01.2023 soll es dann mit den ersten passenden Trade Winds auf die Kap Verden gehen. Die Kap Verden sollen zwar einklarierungstechnisch unproblematisch sein, dennoch möchten wir auf den Kanaren ordentlich ausklarieren. Obwohl es auf den Kanaren zahlreiche »Ports of Entry« gibt, stellt man nach etwas Recherche fest, dass es wohl nur in Las Palmas oder Santa Cruz de Tenerife auch die entsprechenden Stempel gibt. Die sorglose Zeit des Cruisings geht nun mit dem Verlassen des EU-Schengenraums ihrem Ende entgegen. Außer den britischen Seglern, denen schnell bewusst geworden sein dürfte, welchen Komfort sie mit dem Brexit verlassen haben, ist wohl nur wenigen in der EU bewusst, welchen Reisekomfort wir tatsächlich genießen. Besonders all den ideologisch verbohrten Rechtspopulisten und ihrer treuen Anhängerschaft von Verschwörungstheoretikern, die über den Rand ihrer vermeintlichen eigenen Scholle nicht hinwegkommen und schon mal gar nicht gucken können.
So werden wir nun das Aus- und Einklarierungsspielchen wohl in Las Palmas beginnen. Und dort auch gleich noch einen Versuch starten, unseren Radar reparieren zu lassen bzw. wenigstens mal zu fragen, was ihm fehlen könnte.


„von Puerto del Rosario -> nach Gran Tarajal“

„von Puerto del Rosario -> nach Gran Tarajal“

Wenn keine Besserung der Windverhältnisse in Sicht ist, hilft nur die Hoffnung, dass die Vorhersage mal wieder daneben liegt und mit etwas Spontanität das zu nehmen, was wenigstens halbwegs passt. Im Großen und Ganzen sieht es allerdings tatsächlich nicht danach aus, dass es bald mal wieder zu einem dauerhaften Nord kommt. Da bleibt nur die Hoffnung auf lokale Effekte.

„Puerto del Rosario ist jetzt kein echtes Idyll, aber wir mögen diese Stadt und diese Marina.“

„Puerto del Rosario ist jetzt kein echtes Idyll, aber wir mögen diese Stadt und diese Marina.“

Und so sind wir am Freitag spontan, verstauen schnell noch die Fahrräder und segeln mit einem hübschen Westwind los. Allerdings währt die Freude nicht allzu lange. Schon etwas südlich von Rosario stecken wir in einer Flaute, die dann allerdings von einem ganz passablen Südwind abgelöst wird. Also geht’s auf die Kreuz. Die läuft auch recht gut, da die Wellen klein sind und der Kanarenstrom unserem Wendewinkel auf die Sprünge hilft. Die PINCOYA wiegt sich etwas gemächlicher als sonst in den Wellen, wir merken deutlich, dass sie nun voll beladen ihr großes Kampfgewicht hat. Alle Tanks sind voll und auch die Reservekanister haben wir wieder aufgefüllt. Außerdem sind wir komplett verproviantiert. Die große Fahrt kann kommen.

„Die dunstigen Schattierungen von Fuerteventura“

„Die dunstigen Schattierungen von Fuerteventura“

„Der Faro de la Entallada, ein echtes Highlight, aber ohne Auto nicht zu erreichen.“

„Der Faro de la Entallada, ein echtes Highlight, aber ohne Auto nicht zu erreichen.“

„Abendstimmung auf See.“

„Abendstimmung auf See.“

Es geht nur langsam voran und nicht jeder geplante Wendepunkt kann gehalten werden, da der Wind immer wieder so seine Späßchen mit uns treibt. Es ist schon dunkel, als dieser hübsche Segeltag zu Ende geht und unser Anker wieder einmal vor Gran Tarajal fällt.


„Gran Tarajal I“

„Gran Tarajal I“

Vor Gran Tarajal ist es schwellig und es könnte durchaus etwas ruhiger sein. Doch nun sind wir wieder dort angekommen, wo wir sein wollen. Unsere dicke Erna ist fertig vorbereitet und wir stehen auf den ersten Stufen unserer längsten Reise. Das prickelt. Nicht so wie sparkling water, aber es perlt ganz sanft. Die Vorfreude auf das Segelerlebnis ist größer, als die auf die fremden Länder. Doch wenn wir drüben sind, bekommt das Sightseeing ganz automatisch wieder einen größeren Stellenwert. Dennoch ist die Vorstellung, nun die andere Seite des Atlantiks auf eigenem Kiel zu erreichen, für uns noch nicht so recht greifbar.

„Gran Tarajal II“

„Gran Tarajal II“

Vielleicht liegen wir auch deshalb vor Gran Tarajal »nur so vor Anker« und verspüren keinen Drang, nun unbedingt an Land zu gehen, um irgendetwas zu machen. Wir brauchen diese Tage, die einfach mal so vorübergehen dürfen. Abends zum Sundowner klimpert Astrid etwas. Es ist ruhig geworden, unsere dicke Erna schaukelt nur noch ganz sanft. Mal hin und her und mal auf und ab. Die Töne verschwinden leise in der Ankerbucht und unsere Gedanken hängen dem nach, was vor uns liegt.


Neben uns schaukelt ein rostiger Schwede ebenso wie wir in der Abendsonne vor sich hin.

„Der Schwede, vorn ist er besonders rostig, deswegen heißt er seit unserer ersten Begegnung auf La Graciosa auch nur noch »die Rostnase« 🙂“

„Der Schwede, vorn ist er besonders rostig, deswegen heißt er seit unserer ersten Begegnung auf La Graciosa auch nur noch »die Rostnase« 🙂“

In Rosario haben wir so unterschiedliche Menschen mit so ähnlichen Träumen aus so vielen verschiedenen Ländern kennengelernt, dass man sich wirklich fragen muss, wie es überhaupt zu all den Querelen und Feindseligkeiten zwischen den Menschen kommen kann. Die sechs Punker-Frauen auf ihrem schwarz-rot gesprayten Stahl-Schoben aus Frankreich werden unvergesslich bleiben. Wir haben wirklich noch nie segelnde Punker getroffen. Ebenso wird uns das polnische Patchwork-Pärchen mit den beiden Kids auf ihrem wirklich kleinen Stahlboot und mit all den Fernzielen in Erinnerung bleiben, die am Ende vielleicht doch nur Träume bleiben, weil nicht allen Crew-Mitgliedern so viel Wasser geheuer ist. Oder die Franzosen auf ihrem »Love-Boat«, etwas schräg und ohne jede Englischkenntnisse, wie fast alle Franzosen, aber so bemüht, doch etwas Kommunikation hinzubekommen. Und dann diese somehow coloured Family mit Baby auf einer so kleinen Segelyacht, dass wir uns fragen, wie in aller Welt sie all das, was auf den Steg ausgelagert wurde, in ihrem Schiff unterbringen, wenn es mal weitergehen soll. Der Kleine saß jeden Mittag wie King Louie in seinem hölzernen Klapp-Kinderstuhl auf dem Steg und wurde gefüttert oder startete schon mal eigene Essversuche. Die Reste wurden dann mit dem Schlauch zu den Fischen gespült wurden. Wie schon im letzten Blog angedeutet, die Seglergemeinde in Rosario ist erfrischend anders.

„Abendsonne über dem Hafen von Gran Tarajal.“

„Abendsonne über dem Hafen von Gran Tarajal.“

Und mit dieser Ouverture liegen wir nun vor Gran Tarajal vor Anker und lassen den Tag oder auch die Tage vergehen. Wer weiß schon, wann es weitergehen kann?


Etwas Technisches …
Kurz bevor unsere Handy-Verträge ausliefen, haben wir uns bei satellite.me angemeldet. Das ist eine VoIP-Telefonielösung, die etwas anders funktioniert, als all die bekannten VoIP-Lösungen. Mit Satelliten-Telefonie hat das allerdings gar nichts zu tun, auch wenn der Name das nahelegt. Wir sind echt begeistert und wen das etwas mehr interessiert, der kann mal bei uns unter Tipp & Technik gucken oder einfach hier auf diesen Link Zu Telefonie via Internet klicken.


Einige Weihnachtsbilder aus Gran Tarajal
Am zweiten Abend fahren wir doch noch rüber, um einige Weihnachtsphotos in Gran Tarajal zu schießen.
An Land blinkert es ziemlich weihnachtlich, das wollen wir uns nicht entgehen lassen.

„In der angehenden Dämmerung setzen wir über ...“

„In der angehenden Dämmerung setzen wir über …“

„Weihnachten in Gran Tarajal I“

„Weihnachten in Gran Tarajal I“

„Weihnachten in Gran Tarajal II“

„Weihnachten in Gran Tarajal II“

„Weihnachten in Gran Tarajal III“

„Weihnachten in Gran Tarajal III“

„Weihnachten in Gran Tarajal IV“

„Weihnachten in Gran Tarajal IV“

„Weihnachten in Gran Tarajal V“

„Weihnachten in Gran Tarajal V“


„von Gran Tarajal -> nach Morro Jable“

„von Gran Tarajal -> nach Morro Jable“

Es geht weiter …
Am Montag erwischen wir dann einen wunderbaren Segeltag, um an die Südspitze von Fuerteventura zu kommen. Es weht zwar nur ein leichter Wind und manchmal ist er auch etwas zu leicht, aber es sind ja nur 20 Seemeilen und wir kommen gemütlich voran.

„Ein letzter Blick auf unseren Ankerplatz vor Gran Tarajal“

„Ein letzter Blick auf unseren Ankerplatz vor Gran Tarajal“

„Es zieht sich über Fuerteventura etwas zu ...“

„Es zieht sich über Fuerteventura etwas zu …“

Vor Morro Jable lassen wir den Anker recht weit draußen auf etwa 11m fallen. Der einlaufende Schwell ist hoch, aber lang. Da ist es besser, etwas weiter draußen zu ankern.

„Der Faro de Morro Jable“

„Der Faro de Morro Jable“

„vor Morro Jable“

„vor Morro Jable“

Trotz der Wellen haben wir dann tatsächlich eine erstaunlich ruhige Nacht, aber Astrid hat seit einigen Tagen immer mal wieder Zahnschmerzen und nun wollen die einfach nicht mehr weggehen. Da hilft es auch nicht mehr, auf Selbstheilung zu setzen und sich der Hoffnung hinzugeben, dass es schon irgendwie wieder wird. Und morgens ist dann auch dem Hoffnungsvollsten klar, dass wir so nicht rüberfahren können. Aber was tun? Auch hier drängelt die Weihnachtszeit, es bleiben noch 1 1/2 Wochen, wenn wir halbwegs in unserem Zeitplan bleiben wollen.

„Morro Jable“

„Morro Jable“

„Draußen mölmt die Fähre nach Gran Canaria“

„Draußen mölmt die Fähre nach Gran Canaria“


Wir finden einen deutschen Zahnarzt im Maspalomas. Maspalomas liegt im Süden von Gran Canaria direkt neben Pasito Blanco. Im Frühjahr haben wir dort Agustín, den OCC-Port Officer kennen gelernt. Es ist schwer, einen netteren und hilfsbereiteren Menschen zu finden. Agustín ist unser Notnagel, deswegen hat Astrid auch gleich in der Nähe von Pasito Blanco nach einem deutschen Zahnarzt gesucht. Hätten wir keinen gefunden, hätten wir Agustín um Rat gefragt. Gleich morgens schreiben wir ihm eine Mail und schildern unsere Lage. Vielleicht kann er ja helfen. In den Wintermonaten sind die meisten Marinas immer rappelvoll belegt, aber er hat Beziehungen. Vielleicht geht da ja was. Schon um 9:00 bekommen wir eine Bestätigung der Marina Pasito Blanco. Agustín hat wohl noch vor dem Frühstück und gleic,h als er unsere Mail bekam, den Chef angerufen und unsere Notlage geschildert. Um 10:00 macht Astrid den Zahnarzttermin in Maspalomas für Donnerstag 13:00 klar. Jetzt müssen wir nur noch schnell nach Gran Canaria kommen.

„von Morro Jable (Fuerteventura) -> nach Pasito Blanco (Gran Canaria)“

„von Morro Jable (Fuerteventura) -> nach Pasito Blanco (Gran Canaria)“

Doch schnell ist gut. Von Morro Jable nach Pasito Blanco sind es gut 70 sm. Der Wind ist schwach und kommt nicht gerade aus der günstigsten Richtung. Doch egal, wir müssen rüber und hoffen, dass wir wenigstens etwas segeln können. Vor uns liegen im allerbesten Fall 14 Stunden, doch wie es aussieht, werden wir wohl doch einige Stunden mehr brauchen. Den Plan, nach Las Palmas zu gehen, lassen wir sausen. Zumindest mit dem Schiff, vielleicht können wir per Bus dorthin fahren, um die Dinge zu erledigen, die wir nur dort erledigen können. Ein Verlust ist Las Palmas nicht wirklich und schon gar nicht zu dieser Jahreszeit.

„Los geht's. Der Wind ist nicht optimal, aber das zählt gerade nicht ...“

„Los geht's. Der Wind ist nicht optimal, aber das zählt gerade nicht …“


Mal segelt es, mal nicht. Der Wind zerrt mehr an unseren Nerven als an unseren Segeln. Allerdings sind wir auch überrascht, dass es zwischen den kanarischen Insel auch so ruhig sein kann. Das hatten wir bisher noch nicht. Kurz nachdem wir Anker auf gegangen sind, hänge ich die Angel raus. Es ist ein wunderbarer Blauwassersegeltag, auch wenn wir nur teilweise so vorankommen, wie wir eigentlich vorankommen müssten.

„Wir lassen Fuerteventura hinter uns ...“

„Wir lassen Fuerteventura hinter uns …“

Nachdem wir mehr als sechs Stunden den Angelhaken ausgiebig gebadet haben, löst plötzlich die angezogene Bremse aus und die Angel beginnt auszurauschen. Ganz sachte bremsen wir, aber es zerrt wie blöde an der Schnur. Es dauert etwas, bis ich die Angelschnur bis auf 20m eingeholt habe. Die Capitana hängt mit dem Netz einsatzbereit über der Reling. Die Zahnschmerzen sind für Minuten vergessen. Was ist das nur für ein Bursche? In jedem Fall kämpft er heftiger als eine Dorade. Mit einiger Mühe bugsieren wir dann einen ziemlich kapitalen Thunfisch in den Käscher. Wir haben das erste Mal einen richtigen Thunfisch gefangen und er hat 2,1 kg.

„Wow, 2,1 kg!“

„Wow, 2,1 kg!“

Für die Angel war das an der Grenze. Zwei Haken des Tripels sind tatsächlich verbogen. Nun haben wir noch eine weitere Aufgabe in Las Palmas. Ein passendes Angelgeschirr muss her.


„Irgendwo voraus ist Gran Canaria“

„Irgendwo voraus ist Gran Canaria“

Leider dreht der Wind immer mehr auf West. Unseren Kurs können wir auch hart am Wind nicht mehr halten. Noch 25 sm sind zu schaffen. Wir gehen bis auf 10 sm vor die Ostküste von Gran Canaria, dann geht auch das nicht mehr. Außerdem läuft der Strom noch ungünstig für uns, er braucht noch etwas, um zu kentern und wieder in unsere Richtung zu laufen. Also motoren wir den Rest gegenan. Normalerweise würden wir nun kreuzen, aber wahrscheinlich hätten wir bei so einer Windvorhersage diese Strecke auch gar nicht erst in Angriff genommen. Aber manchmal geht’s eben nicht anders und so brummen wir noch bis 1:00 gegenan. Schon vor der Einfahrt sehen wir, wie Taschenlampen auf Steg B geschwenkt werden. Agustín hat uns noch geschrieben, dass wir B27 haben. Und nun steht er dort schon mit einem Freund bereit, um unsere Leinen anzunehmen. Wie gesagt, es ist wirklich schwer, einen hilfsbereiteren Menschen zu finden, obwohl auch John aus Cascais, so ein hilfsbereiter Port Officer des OCC ist.

Gleich am Steg gibt es ein großes Hallo und eine Einladung für morgen Mittag zu einem kleinen OCC-come-together. Den Mittwoch muss die Capitana noch überstehen, am Donnerstag haben wir den Zahnarzttermin. Auch wenn sich Astrid nicht so frisch wie ein junger Morgen fühlt, ist das Come-together eine tolle Ablenkung. Agustíns und Sonjas Gastfreundschaft lebt das Motto, dass die OCC-Community deine Familie ist, egal wohin du kommst. Und so sitzen wir bei ihnen auf der Terrasse mit einem
einem britischen und einem schweizer Seglerpärchen zusammen. Die Schweizer haben für ihr Crossing nach Brasilien noch ein junges, deutsch-französischen Mitseglerpaar bei sich. Es ist ein bunter Mix mit so einer Fülle an Erfahrung und Geschichten, dass der Donnerstag mit seinem Termin ganz in den Hintergrund rückt.
Und am späten Nachmittag fahren uns Peter und Wendy auch noch gleich wie selbstverständlich zu Cicar, wo wir uns doch noch ein Auto gemietet haben, um es die nächsten Tage einfacher zu haben.


Stationen:

09.12. Puerto del Rosario -> Gran Tarajal [A] 35,2 sm:
10. -> 11.12. Gran Tarajal [A]
28° 12′ 32,4″ N, 014° 01′ 11,3″ W

12.12. Gran Tarajal [A] -> Morro Jable 20,8 sm:
28° 02′ 48,1″ N, 014° 21′ 03,2″ W

13.12. Morro Jable (Fuerteventura) -> Pasito Blanco (Gran Canaria) 71,5 sm und gesamt 3.750,7 sm
27° 44′ 47,9″ N, 015° 37′ 21,4″ W