Cabo Verde – Martinique – Die Tage 14 bis 17 –

„Die Tage 14 bis 17“

„Die Tage 14 bis 17“


Tag 14, Freitag, 27.01.2023
Und Tag 8 nach dem Bruch des Unterwants und Tag 2, nachdem es komplett runtergekommen ist.
Schon mit Sonnenaufgang ist der Wind so schwach geworden, dass die Segel schlagen. Da wir dieses Schlagen mehr vermeiden müssen als alles andere, geht es erst einmal unter Motor weiter. Die Flaute hat uns. Dass das so kommen würde, war klar. Wir hoffen, in den nächsten 1 1/2 Tagen unter Motor durch die Flautenzone zu kommen, um dann wieder etwas Wind in die Segel zu bekommen.

„So sieht eine Flaute aus.“

„So sieht eine Flaute aus.“

Mal sehen. Jetzt nervt erst einmal der Motor. Das bedeutet aber auch, dass wir nun noch mehr Energie haben. Also backen wir Brot und machen ordentlich viel Wasser. In einer Zieldistanz, in der wir den Rest einfach unter Motor fahren können, sind wir noch lange nicht.

„Brot aus eigener Produktion“

„Brot aus eigener Produktion“


Gestern haben wir noch gesehen, dass die Backstage des backbordseitigen Provisoriums, also auf der Seite, auf der das Want nun auch schlussendlich ganz gebrochen ist, ziemlich blöd an einer der Maststufen anliegt. Und da der Mast nun arbeitet und sich immer leicht verwindet, schamfilt das Provisorium dort.
Gestern Abend konnte ich mich nicht mehr dazu entschließen, noch ein viertes Mal in den Mast zu steigen. Der Schwell war einfach noch zu hoch und die Erinnerung an die ersten drei Male wohl auch noch zu frisch. Das Erlebnis sitzt tatsächlich etwas tiefer. Aber was soll’s. Wat mutt, dat mutt. Heute früh ist es merklich ruhiger und wenn wir die letzten 600 sm auch noch hinbekommen wollen, dann sollten wir an dieser Stelle einen Schlauch über das Provisorium ziehen, um die Dyneema-Backstage zu schützen.

„Wir müssen noch einmal etwas nachbessern.“

„Wir müssen noch einmal etwas nachbessern.“

Für die Mastkletterei bereiten wir wieder alles akribisch vor. Diesmal gibt es aber eine kleine zusätzliche Nuance. Der Mast ist nun richtig geschwächt und arbeitet. Was, wenn er runterkommt und ich oben bin? Der Schiffsjunge als Topgewicht genau an der Stelle, wo nun das Want fehlt, ist sicher nicht optimal. Am Ende können wir nicht einschätzen, wie schlimm es ist und wann so ein Mast fällt. Deswegen segeln wir ja auch so vorsichtig wie möglich. Doch wenn es passiert, wenn ich oben bin und ich die Sicherungsleinen am Klettergurt auf dem Rücken habe, habe ich absolut keine Chance. Und keine Chance in einer vielleicht durchaus möglichen Situation zu haben, ist echt Mist. Deswegen befestigen wir diesmal die Sicherungsleine und den Niederholer (Niederholer? Siehe auch unsere Tipps zur Mastkletterei) vorn mit einem Patentschäkel. Und der Patentschäkel bekommt eine Reißleine, die man auch unter Stress noch gut greifen kann. Die Gefahr, diese Reißleine aus Versehen zu ziehen, keine Sicherung mehr zu haben und ggf. runterzufallen, ist definitiv da. Doch ich fühle mich damit besser, höllisch aufpassen zu müssen, dafür aber eine kleine Chance im schlimmsten Fall zu haben.


Das sind für viele Leser sicherlich vollkommen unverständliche Überlegungen, aber wir sind hier draußen auf uns allein gestellt, da ist es schon gut, alle Möglichkeiten zu durchdenken und abzuwägen. Fast überall auf der Welt kann man sich für jedes seiner Probleme einen »Experten« rufen, hier draußen gibt es nur uns.


Die Mastkletterei ist dieses Mal, zumindest im Vergleich zu den ersten Malen, wesentlich einfacher. Ich muss mich zwar auch immer wieder wie ein Äffchen festklammern, aber die Pendelausschläge des Masts sind vergleichsweise moderat. Das vorbereitete Schlauchstückchen lässt sich gut anbringen und relativ schnell bin ich wieder unten. Erleichterung! Wir hoffen, dass wir nun wirklich gut gerüstet sind.


Bis zum Nachmittag motoren wir, dann bescheren uns Squalls neuen Wind. Schön sind diese Squall-Winde nicht, da wir aber noch viel segeln müssen und nicht alles motoren können, nehmen wir, was wir kriegen. Wir sind sozusagen von Squalls umzingelt, doch die richtig dicken treffen uns nicht, es bleibt bei etwas Regen und Böen bis 20 kn.

„Ein klassischer Squall mit Regen.“

„Ein klassischer Squall mit Regen.“

Als sich die Burschen beruhigen, bleibt erstaunlicherweise etwas Wind bei uns und so geht es mit um die 10 kn in die Nacht.

Dieses Glück hält bis in die zweite Nachthälfte an. Auch wenn es wenig Wind ist, es ist immer noch mehr als vorhergesagt und vor allem ist die Richtung mit Nordost auch wesentlich besser für uns als der vorhergesagte Nord. Doch ab 2:00 geht gar nichts mehr, mit 5 oder 6 kn Wind rollen wir nur noch und treiben mehr, als dass wir fahren. Also Motor. 🥺

Um 10:00 loggen wir unser 14tes Etmal mit 96 sm. Viel davon geht auf das Konto des Motors. 521 sm to go.


Tag 15, Samstag, 28.01.2023
Und Tag 9 nach dem Bruch des Unterwants und Tag 3, nachdem es komplett runtergekommen ist.
Nun sind wir schon 14 Tage unterwegs und 8 davon mit gebrochenem Want. Etwas schneller und mit etwas weniger Problemen hätten wir uns das Ganze schon gewünscht. Und nun stecken wir auch noch in der flautigsten Flaute, die man sich zwischen den Kap Verden und der Karibik nur vorstellen kann. Den ganzen Tag hoffen wir auf wenigstens etwas Wind. Wir probieren alles, aber immer wieder wird uns nur bestätigt, dass man eben mit 4 kn Wind nicht segeln kann, egal, wie sehr man sich bemüht.

„Sieht man mal von unserer Malaise ab, haben wir es schon toll.“

„Sieht man mal von unserer Malaise ab, haben wir es schon toll.“

In unserer Situation ist wenig Wind ja gar nicht schlecht, aber gar kein Wind geht eben auch nicht. In den Backskisten sind zwar noch 5 volle 20l-Kanister, aber unser Haupttank nähert sich inzwischen auch schon verdächtig der 1/2-Marke. Letzte Nacht hatten wir Glück und konnten anfangs ganz langsam segeln. So konnten wir auch prima schlafen, denn der Motor dröhnt durch das ganze Schiff und verhindert jeden erholsamen Schlaf. Mal sehen, wie das in der kommenden Nacht wird, vielleicht lassen wir uns einfach etwas treiben, dann können wir gut schlafen und irgendwann wird schon wieder Wind kommen.

„In einer Flaute braucht man viel Geduld.“

„In einer Flaute braucht man viel Geduld.“


Abends steigert es sich dann auf runde 6 kn. Damit können wir leben. Selbst wenn wir nur mit 2 bis 3 kn vorankommen, dann dauert es nur länger, aber verhungern werden wir nicht. Inzwischen sind es ja auch keine 500 sm mehr. Da kommt schon fast Ankunftsfieber auf. Doch die Nacht ist ätzend, denn zu dem langen Atlantikschwell gesellen sich wieder Wellen, die uns rollen lassen. So langsam haben wir von diesem Gedümpel echt die Nase voll. Das ist ja alles, aber kein Passatwind.

„Squalls zum Abend.“

„Squalls zum Abend.“

Um 10:00 loggen wir ein katastrophales Etmal von 72 sm. 451 sm to go. Wenn nicht bald wieder Wind aufkommt und diese elende Flaute ein Ende hat, dann … ja dann … was dann? 😤
Dann können wir auch nur so weitermachen wie bisher. Nachts treiben lassen, tagsüber in der Hoffnung motoren, irgendwann Wind zu finden.


Und einen kleinen Nachtrag braucht der 15te Tag nun doch noch. Es war die allererste Nachtwache, die der Schiffsjunge barfuß und in kurzer Hose verbracht hat!!! Es ist nun in der Tat auch nachts warm. Und in der sanften Kühle der Nacht und unter diesem grandiosen Sternenhimmel kann man tatsächlich das elende Flautengegurke mal kurz vergessen.


Tag 16, Sonntag, 29.01.2023
Und Tag 10 nach dem Bruch des Unterwants und Tag 4, nachdem es komplett runtergekommen ist.
Seit 2 1/2 Tagen stecken wir nun schon in dieser Flaute. Was für eine Scheiße!!! Einige Wolken um uns herum zeigen, dass es noch etwas Thermik geben muss. Mal sehen und hoffen…

„Angelversuche“

„Angelversuche“

Unsere Angelversuche werden von den allgegenwärtigen Braunalgen, der Sargassum muticom, vereitelt. Das Zeug schwimmt in großen Flatschen und Strängen an der Wasseroberfläche herum und scheint eine Schutzgemeinschaft mit den dicken Fischen gebildet zu haben, die wir eigentlich angeln wollen. Kaum ist die Angel draußen, verfängt sich in der Schnur schon wieder so eine Alge und wandert herunter bis zum Haken, wo sie sich verfängt und den Köder unattraktiv für unsere Beute macht. Unzählige Male holen wir den Paravan-Köder wieder ein, befreien ihn vom Seetank und versuchen unser Glück noch einmal. Flautenbeschäftigung!!! 🥱

„Riesige Flatschen von Braunalgen schwimmen mitten auf dem Atlantik herum.“

„Riesige Flatschen von Braunalgen schwimmen mitten auf dem Atlantik herum.“


Die Flaute ist zäh und wenn es nach dem Punktwetter geht, wird sich daran wohl auch so bald nicht viel ändern. Allerdings könnte die nächste Nacht tatsächlich halbwegs ruhig werden, wenn wir die vorhergesagten 8 Knoten Wind bekommen. Bei 8 Knoten schon von Wind zu sprechen, spiegelt ganz gut wieder, wie nervig das Ganze ist. Immerhin zeigen sich um uns herum einige Quellwolken, vielleicht kommen ja einige Squalls vorbei und lassen uns mit ihrer Thermik wenigstens etwas fahren. Gegen viel Wind kann man eine ganze Menge machen, gegen Flaute nichts. Das ist die Crux. Wenn wir unsere Dieselvorräte hochrechnen, müssen wir von den verbleibenden 412 sm wenigstens noch 150 sm segeln. Wie lange das mit 3 kn dauert, kann sich jeder selbst ausrechnen.

„Diesmal ein Sonnenaufgang“

„Diesmal ein Sonnenaufgang“


Kurz nach Mitternacht kommt etwas Wind auf. 10 kn hatten wir schon lange nicht mehr. Die PINCOYA fährt wieder und treibt nicht mehr nur schaukelnd vor sich hin. Wenn das die Nacht über anhält, dann ist viel gewonnen.
Bei Sonnenaufgang sehen wir, dass wir auf eine Wolkenwand zufahren. Mal sehen, was das nun wieder gibt. Ein großes Gesamtwetter mit viel Wind kann es nicht sein. Darauf deutet keine Wettervorhersage hin. Aber ein Haufen wilder Squalls kann ja auch schon genug Ärger machen.

Um 10:00 loggen wir ein für unsere Verhältnisse gutes, 16tes Etmal mit 99sm. 353 to go. Der leichte Wind der Nacht hat tatsächlich geholfen.


Tag 17, Montag, 30.01.2023
Und Tag 11 nach dem Bruch des Unterwants und Tag 5, nachdem es komplett runtergekommen ist.
Auf der Kirmes könnte man für diese Schaukelei Geld nehmen. Wo nun wieder ein solches Wellendurcheinander herkommt, ist uns schleierhaft. Ohne dies Durcheinander würden wir mit 9 bis 10 Knoten ja wenigstens etwas fahren. So verpufft der hübsche Vortrieb zur Hälfte im Geschaukel. Der beste Platz, um das zu ertragen, ist die Koje.

„Und da geht sie schon wieder unter 😂“

„Und da geht sie schon wieder unter 😂“

Mittags haben wir Funkkontakt mit einem Briten, Inatosha. Er sagt uns, dass wir wohl am selben Tag von Mindelo aufgebrochen sind. Wir vermuten, dass es der »kleine Brite« ist, 10 x 3 m, von dem wir keine weiteren Daten haben. Er sagt uns aber auch, dass es wohl ab Freitag wieder kräftigen Wind geben soll. Doch bis dahin sollten wir es geschafft haben. Egal wie, irgendwie werden wir uns nach Westen voranschaukeln..


Punktwetter: Montag, Dienstag und Mittwoch soll sich an den Windverhältnissen eher nichts ändern. Wir gehen also in die Flautenverlängerung! 🙄 Es soll nie mehr als 10 kn Wind geben. Erst danach wird es deutlich auffrischen. Es ist an der Zeit, die Reservekanister aus den Tiefen der Backskisten zu kramen. Wir starten den Motor und brummen durch die Flaute. 4 bis 5 kn Wind, es ist zum Heulen. Aber wenigstens die Wellen scheinen sich langsam wieder zu beruhigen.

„Tanken auf See...“

„Tanken auf See…“

Dann tanken wir 80 l nach. Einen 20 l Kanister behalten wir gerne unangetastet in der Hinterhand und füllen ihn nicht auch noch in den Haupttank. Dort herrscht nämlich seit Jahren Dieselpest, die wir zwar ganz erfolgreich bekämpft haben, deren Schlamm dadurch aber wohl nicht wieder verschwunden ist. Mit dem Tagestank und unserem Doppelfiltersystem leben wir damit zwar problemlos, aber alle Dieselvorräte wollen wir nun auch nicht ohne Not in den versauten Haupttank füllen. Im unwahrscheinlichen Fall eines anhaltenden Problems, können wir den Tagestank auch direkt aus einem frischen Kanister befüllen. Vorsicht ist eben das Mütterlein der Porzellankiste, denn es ist wie mit dem gebrochenen Unterwant, hier draußen gibt es niemanden, der einem helfen kann.


„Haare schneiden und dann eine Dusche mit Seewasser.“

„Haare schneiden und dann eine Dusche mit Seewasser.“

Bis zum Abend motoren wir. Dann gehen wir wieder in unseren nächtlichen Dümpelmodus über. Mit 7 kn Wind treiben wir eher unserem Ziel entgegen, als dass wir segeln. Aber es herrscht Ruhe und wir können gut schlafen. Die Wellen sind moderat und es hat sogar etwas, so langsam und ruhig unter dem zunehmenden Mond dahinzuplätschern. Ab Mitternacht spendiert uns der Wind sogar fast 9 kn für unseren Vortrieb. Da kann man all die Sorgen mal vergessen und diese wunderbare Blauwassernacht, die wir in Zeitlupe durchplätschern, genießen.

„Wieder nur eine blöde Alge.“

„Wieder nur eine blöde Alge.“

Um 10:00 loggen wir unser 16tes Etmal mit nur 83 sm. Noch 272 sm to go. Ganz langsam kommen wir nun in den Bereich, in dem uns unser noch verbliebener Dieselvorrat auch bis ans Ziel bringen könnte.

Inzwischen vor Le Marin auf Martinique
14° 27′ 38,2″ N, 060° 52′ 21,9″ W