Martinique ist definitiv ein Mekka für alle Windradenthusiasten und Solarzellenmuffel. An Land steht zwar nicht ein einziges Windrad, aber auf fast allen Yachten turbint man sich hier Strom im Überfluss. Wir könnten dreimal am Tag duschen, wenn wir aus all der Windenergie Süßwasser machen würden. Die Bucht von Le Marin ist wohl einer der wenigen Ankerplätze, an denen ein Windrad allein schon mehrere 100 Wp Solarzellen spielend in den Schatten stellt. Wobei die Solarzellen gar nicht in den Schatten gestellt werden müssten, denn Schatten machen die vielen Regenwolken ja ohnehin genug.
Gestern hatte die Capitana die Idee, dass wir uns doch noch eine Tiefkühlbox kaufen sollten, denn irgendwo müsse die viele Energie ja schließlich auch hin. Und da wäre es bestimmt besser, sie in Eiswürfel für die Longdrinks und Cocktails zu stecken, als ständig zu duschen oder Brot, Kuchen oder Lebkuchen zu backen. Ja ja, vorgestern zog ein leichter Lebkuchenduft durch die Bucht, und nach 250g warmen Lebkuchen war dem Schiffsjungen nur noch eingeschränkt gut. Er fühlte sich etwas – nun ja – überfüllt.
Ansonsten versuchen wir, unsere ToDo-Liste niederzuringen. Was im Detail nicht ganz einfach ist, denn vorgestern leuchtete beim Einschalten des Ankerlichts plötzlich auch die Dreifarbenlaterne. Ein Crosscheck brachte die Erkenntnis, dass sich beide irgendwie verbrüdert haben mussten, denn die Dreifarbenlaterne ließ auch das Ankerlicht leuchten. Einige Messpunkte später hatten wir den Stecker der Decksdurchführung als Übeltäter ausgemacht. Wie sich in so einem Stecker zwei vollkommen durch Plastik getrennte Pins so verbrüdern können, ist uns nicht ganz klar, aber die Verbrüderung war eindeutig. Der reverse Doppelcrossrückwärtscheck mit einem leider nur zweipoligen Stecker entlarvte den grünspanigen, dreipoligen Stecker endgültig als Übeltäter. Doch leider finden wir in unserer Restekiste keinen halbwegs passenden Ersatz.
So weit, so gut! Es ist ein Philippi-Stecker, und ohne nachzusehen gehen wir davon aus, dass es ein französisches Produkt ist und wir hier problemlos Ersatz bekommen sollten. Es ist Freitag und wir haben bis 16:00 eh nichts anderes vor. Also beschließen wir, diesmal bei Clippers Ship zu beginnen und nicht in der Marina Chandlery unter dem Marinaoffice, wie schon so oft, wenn wir versucht haben, das Mañana des Riggers zu durchbrechen. Es gibt in Le Marin 5 größere Zubehörläden und einige Spezialgeschäfte, da sollte sich etwas finden lassen. Aber jeder schüttelt nur den Kopf, wenn wir ihm unseren defekten Stecker unter die Nase halten. Im letzten Laden entdeckt Astrid dann ein einsames letztes Exemplar in einer Imnasa-Plastiktüte, die schon sehr in die Jahre gekommen zu sein scheint. Glück gehabt, auch wenn es kein Philippi ist, es ist derselbe Stecker, und kommt wahrscheinlich wie fast alles andere auch als No-Name aus China. Doch dieser Stecker scheint ein altes Überbleibsel zu sein, denn selbst die Kasse kennt ihn nicht mehr. Nach einigem Hin und Her einigen wir uns auf 28 €. Das ist zwar das Doppelte des Preises in Deutschland und wahrscheinlich das 10-fache des Einkaufspreises in China, aber auch nur die Hälfte eines neuen und eben anderen Deckdurchlasses, den wir hier kriegen würden. Nun ja … Karibik eben.
Nachmittags kommen dann Anna und Reinhardt von der Sancara zu Besuch. Letztes Jahr haben wir die beiden das erste Mal auf Porto Santo getroffen. Danach haben sich unsere Routen mehrmals auf den Azoren gekreuzt. Und da die Welt klein ist und sie gerade von Tobago nach Norden unterwegs sind, liegt Martinique für einen Treffpunkt ja nun wirklich auf dem Weg. Leichtfüßig verquatschen wir den ganzen Nachmittag und verabreden uns vor Saint Anne. Inzwischen brauchen wir mal dringend einen Tapetenwechsel, und da der Termin mit dem Rigger nun wohl steht, müssen wir auch nicht mehr so dicht vor Le Marin bleiben, um täglich zu nerven.
Nachdem wir am Samstag unseren Kicker mit einer Dyneema-Strippe soweit repariert haben, dass er wenigstens wieder niederholt, wenn auch noch nicht wieder kickt, checke ich unseren Motor. Der hat nämlich in der letzten Woche nicht nur einen Ölwechsel bekommen, sondern wir haben auch sämtliche Filter gewechselt. Da ist es besser, wenn man noch mal nachsieht, bevor man zum Tapetenwechsel nach Sainte Anne aufbricht. Wie immer schaue ich auch nach dem Kühlwasser der Primärkühlung, aber da ist keine grüne Kühlflüssigkeit mehr 😳. Etwas erstaunt rufe ich: »Äh, die Kühlflüssigkeit ist weg!” Und die Capitana antwortet von dem geöffneten Bodenbrett über der Bilge: »Ich glaub, ich hab sie gefunden! Sie ist hier!« Ich könnte 🤮! Was ist nun schon wieder.
Schlagartig erinnere ich mich an Concarneau in der Bretagne, da haben wir schon einmal unsere Kühlflüssigkeit in der Bilge wiedergefunden. An unserem Volvo-Motor gibt es genau zwei Schlauchtüllen aus Plastik. Ja, Plastik, Motor, Volvo! In Concarneau war es die erste, nun ist es die zweite. Und weil wir damals in Concarneau keinen Ersatz dabei hatten, es bei Volvo schon mal gar nichts gab und uns netterweise ein Sanitärgroßhändler aus der Patsche geholfen hat, weil er Mitleid hatte und es toll fand, einen Volvo-Motor retten zu können, haben wir sofort, als wir wieder zuhause waren, alle Sorten von Schlauchtüllen mit Innen- oder Außengewinde bei Amazon bestellt. Bei Amazon kosten nämlich 25 Schlauchtüllen verschiedenster Ausführungen nur etwa ein Drittel des Originalersatzteils von Volvo. Und dieses Arsenal, was auch schon beim Einbau des Wassermachers die ein oder andere heldenhafte Last-Minute-Rettung vollbracht hat, rettet uns nun auch wieder den Hintern. 1/2″ AG mit 16er Tülle? Kein Problem, davon haben wir noch zwei. 😎! Die Sauerei ist wesentlich größer als der Aufwand des Einbaus. So verschieben wir unseren Tapetenwechsel auf Sonntag und spülen und wischen lieber mal den Motorraum und den Weg bis in die Bilge. Das restliche noch aus dem Motor gerettete Kühlwasser, filtern wir sicherheitshalber mit einen Papierteebeutel. Teebeutel als Filter braucht jeder Fahrtensegler! Unbedingt! Und … natürlich haben wir seit Concarneau auch einen 5 l Ersatzkanister Kühlflüssigkeit dabei. Nicht nur gefühlt reparieren wir uns den Wolf, aber dafür haben wir nun auch mal an Stellen durchgewischt, die sonst eigentlich eher ein schmuddeliges Dasein fristen müssen.
Und dann geht es zum Tapetenwechsel vor Saint Anne. Vielleicht, ja ganz vielleicht, flammt ja dort auch mal ein kleines und vielleicht sogar karibisches Urlaubsgefühl auf. Bisher halten sich unsere karibischen Urlaubsgefühle in sehr überschaubaren Grenzen. Der Regen soll ja die nächsten Tage auch nachlassen. Hätten wir nicht schon ein schwimmendes Zuhause, hätten wir gestern ernsthaft begonnen, darüber nachzudenken, ob es nicht an der Zeit wäre, mal eine Arche zu bauen.
vor Saint Anne
14° 26′ 21,5″ N, 060° 53′ 07,0″ W