Deshaies, Guadeloupe -> Jolly Harbour, Antigua Distanz: 50,4 sm Gesamtdistanz: 3.180,4 sm
Bei all unserem Hin und Her hatten wir Antigua schon gar nicht mehr so recht auf dem Schirm. Ins Spiel kam die Insel erst wieder, als sich unsere Pläne fast täglich änderten.
Immerhin hatte die Capitana ja die Devise ausgegeben, dass das Wetter im Norden immer besser werden würde. Gott sei Dank muss man sagen! Denn schon während der Anfahrt auf Jolly Harbour sehen wir, dass wir hier wohl doch noch einige Tage des schon ausgestorben geglaubten karibischen Wetters finden werden. Eben dieses Wetter, das bis heute noch die Sehnsüchte aller Karibikfahrer beflügelt.
Unsere Hoffnung wächst. Wenn es hier tatsächlich noch einige Tage mit diesem Wetter geben sollte, dann könnte sich hier vielleicht auch noch das Ocafee verbergen, das »original Caribbean feeling«. Vor uns schimmern weiße Sandstrände, solche Strände waren früher einmal die Heimat des wilden Ocafees. Beim Näherkommen gesellen sich sogar noch einige Palmen hinzu. Die Lieblingsspeise des Ocafees.
Das passt schon mal alles sehr gut zusammen! Was für ein Kontrast ist das nur zu Martinique, Dominica und Gouadeloupe! Mehr haben wir ja noch gar nicht gesehen. Aber vielleicht gibt es ja doch noch mehr Reservate, wo noch Ocafees leben.
Unser Anker fällt vor einem weißen Sandstrand auf 2,6 m (!) in ein blass türkises Wasser und gräbt sich sofort in den weißen Sand ein. Was für ein Gegensatz zu gestern, als unser Anker in der total überfüllten Bucht von Deshaies auf 15 m fiel. Einer Bucht, die von Felsen eingefasst ist und deren Ankergrund doch eher steinig und problematisch ist.
Nun sind 2,6 m auch nicht eben eine komfortable Tiefe zum Ankern. Schon bei wenig Wind kommt die Kette schnell steif und ruckt hart ein. Doch das können wir hier mit etwas mehr Länge gut kompensieren, denn es ist Platz, viel Platz. Vor Jolly Harbour liegen zwar auch viele Yachten, aber die Ankerbuchten sind riesig und so verläuft sich der Andrang. Nördlich und südlich von Jolly Harbour locken weitere Sandstrände, vor denen wir wohl fast allein liegen könnten, aber hier müssen wir erst einmal einklarieren, danach können wir uns in eine der einsamen Buchten verkrümeln.
Die Überfahrt von Guadeloupe nach Antigua war phasenweise schon recht »kernig«. Doch Wind, Wellen und Wetter passten für einen Anlieger ganz gut. Sieht man mal von der ein oder anderen Welle ab, die ja nie die Capitana erwischen 🤔, sondern immer nur den Schiffsjungen 🫢, sind wir auch trocken geblieben. Und die beiden Squalls sind schön brav vor und hinter uns durch gezogen und wir haben nur ihren Wind abbekommen. Das Rigg steht mit den neuen Wanten gut und alles setzt sich nun mit der Zeit etwas. Da müssen wir noch mal etwas nachspannen. Doch viel Wind ist dafür ja auch gut, dann kommt alles mal etwas mehr unter Spannung.
Etwa 2/3 der Strecke haben wir kaum Sargassum, so baden wir unseren kleinen Gummi-Oktopussi ausgiebig, aber kein Fisch findet ihn lecker genug, um anzubeißen. Dann beginnt wieder dieses Sargassum-Spielchen. Ständig verfängt sich der hellbraune Seetank am Haken und wir müssen alles reinholen, sauber machen und wieder rauslassen. Und als Astrid die Nase voll hat und den Haken nur noch vom Heck wieder zu Seite reinholen will, da schnappt es plötzlich zu. Erst können wir es gar nicht glauben und sind auf einen Fang auch gar nicht so richtig vorbereitet, aber es zappelt etwas Goldgelbes an unserem Haken.
Wir haben unseren ersten Mahi-Mahi, eine Goldmakrele gefangen. Er ist etwa 60 cm lang, kämpft aber erstaunlich wenig. So ein Mahi-Mahi ist wirklich hübsch, aber auch ein echter Dickkopf mit einem lang geschweiften Schwanz und einer durchgehenden Rückenflosse. Trotz Dickkopf und Schwanz sichert uns diese Größe erst einmal zwei üppige Mahlzeiten. Was für eine tolle Überfahrt. So darf es weitergehen.
Clearance XXL
Gleich am nächsten Morgen, es ist Sonntag, aber auf Antigua wird auch an Sonn- und Feiertagen ohne Extragebühr ein- und ausgecheckt, fahren wir zum Einchecken. Der Weg ist doch länger als erwartet. Unser kleiner Honda muss wieder einmal alles geben. Seine 2,3 PS sind dieses Jahr wirklich sehr gefordert. Kaum ein Weg oder auch die Bedingungen mit Wind und Wellen passen mal zu seiner Leistungsklasse. Vielleicht ist das auch noch so eine Sache, über die wir mal nachdenken müssen.
In Jolly Harbour soll die Prozedur des Einscheckens noch am einfachsten und auch preiswertesten sein. Wieso das z.B. in English Harbour und St. John’s anders ist bzw. sein soll, verstehen wir nicht, denn die Authorities von Antigua und die Regeln, nach den sie ticken, sollten ja auf der einen Seite der Insel doch dieselben sein, wie auf der anderen. Aber vielleicht ist das auch nur ein deutscher Irrglaube 😊, weil wir Deutschen alles immer so genau nehmen 🧐.
Als erstes erwartet uns auf Antigua eine Besonderheit. Bei Customs, Immigration und der Port Authority herrscht noch Maskenpflicht und dem Ganzen ist ein Healthcheck vorgeschaltet, vor dem man sich an einem extra vor dem Gebäude aufgebauten Waschbecken die Hände waschen und desinfizieren muss. Das richtig Gute in Jolly Harbour ist aber, dass Customs, Immigration und die Port Authorities ein einem kleinen Gebäude mit 3 Türen untergebracht sind. Eine Prozedur der kurzen Wege erwartet uns also und die wird sicherlich noch obendrein dadurch verkürzt, dass die Capitana uns schon vollständig per »eSeaClear« erfasst und auch angemeldet hat. Denn weder Customs, noch Immigration, noch die Port Authorities füllen noch Formulare aus, es wird nur noch gecheckt, gedruckt, gestempelt und kassiert. »eSeaClear« ist dabei kein Tippfehler, wenn auch auf fast allen anderen karibischen Inseln »SailClear« verbreitet ist, wenn man mal von den Franzosen und Niederländern absieht. Wir vermuten stark, dass auf der abschließenden Sitzung zur Verabschiedung des SailClear-System für die Karibik irgendeiner der Unterhändler seine Maske nicht rechtzeitig zur Hand hatte und die Delegation von Antigua unter Protest die Sitzung verlassen und beschlossen hat, kurzerhand ein eigenes und zudem virensicheres System zu entwickeln.
eSeaClear ist allerdings noch nicht ganz vollständig, denn die ganzen Health-Formulare müssen immer noch per Hand ausgefüllt werden. Damit beginnt das ganze Prozedere. Was sich danach abspielt, erinnert etwas an ein Hütchen-Spiel. Such dein Formular und sag mir, wo es gerade ist. Klipp klapp, klapp klipp gehen die drei Türen nacheinander auf und zu, verschiedene Damen und Herren mit und ohne Uniform gehen mit und auch mal ohne Formulare in und aus der ein oder anderen Tür, wobei die verdutzten Ankömmlinge sich fragen, wann was mit ihrem oder den Formularen des Nachbarn wo passiert. Tür auf, Tür zu, hier noch eine Unterschrift, klapp und klipp, jetzt hier rein, ach nee, wieder da und schon ist die Verwirrung komplett.
Die einzigen, die nicht mitspielen dürfen, sind die Franzosen. Vielleicht aus Rache für die französische Gepflogenheit, alles nur auf Französisch darzureichen, hat man auf Antigua beschlossen, alles ebenso nur auf Englisch zuzulassen. So ist eSeaClear nicht nur eine technische Hürde, die die Geduldsfäden bis zum Zerreißen spannt, es ist auch so eine Art sprachliche Firewall für Franzosen. Aber auf Antigua ist man ja freundlich, in die vierte Tür, die eigentlich mal für die Dame des Healthservice vorgesehen war, hat man eigens einen Computer eingebaut, um die Erfassung und Anmeldung auch vor Ort möglich zu machen. Deswegen muss die Health-Dame auch auf der Terrasse ihren Dienst tun, denn ihre Bürotür wurde höheren Aufgaben gewidmet. Und genau dort findet man die Franzosen, die noch nicht an dem dann folgenden Hütchen-Türen-Spiel teilnehmen dürfen.
Irgendetwas fehlt immer, klipp klapp, aber die Capitana spielt geschickt ihren Capitana-Bonus aus, klapp klipp, schon wieder eine Tür, die Capitana smalltalked unter der Maske und lächelt, was allerdings niemand sieht, und gibt sich vor allem ordentlich devot und obrigkeitshörig und verlässt als erste mit Stempeln und Cruising-Permit das gelbe Gebäude, über dem ganz unmissverständlich auch die gelbe Q-Flagge weht. Ob die Franzosen es noch bis zum Einbruch der Dunkelheit geschafft haben, wissen wir nicht. Wenigstens treffen wir hinterher die Amerikaner beim Supermarkt. Sie waren vor uns gekommen, aber die Capitana hat es geschafft! Last in, first out!!!
Nach dem Einchecken machen wir einen neugierigen Rundgang durch Jolly Harbour. Es ist ja Sonntag, aber alles sieht eher geschlossen aus. Fast so wie zur Wintersaison auf Amrum, nur dass es eben wärmer ist. Ein einziges Café hat geöffnet, alle anderen Bars und Restaurants sind verrammelt und nicht einfach nur geschlossen. Bisher war an den Wochenenden immer am meisten los und es wurde ordentlich Party gemacht. Merkwürdig! Auch die Marina macht eher einen verwaisten Eindruck. Es gibt zwar Gastlieger und Locals, aber im Vergleich zu Guadeloupe oder Martinique ist hier absolut nichts los. Die Einfahrt nach Jolly Harbour wird zwar von absoluten Luxus-Hütten gesäumt und dort geht der Trend an den Powerboats auch ganz klar zum vierten Außenborder, aber der Rest drumherum liegt auch hier eher brach. Was ist hier los? An der Insel und an dem Ocafee kann es nicht liegen. Sind das noch die Langzeitsauswirkungen der Pandemie? Das müssen sie wohl sein, eine andere Erklärung fällt uns nicht ein. Antigua scheint sich davon noch nicht erholt zu haben.
Das ist ziemlich traurig, denn es ist wirklich schön hier. Warum auf diesem Hintergrund die Prozedur des Clearings nicht mal etwas vereinfacht wird, auch um mehr Gäste anzulocken, verstehen wir nicht so richtig. Denn der komplizierte Ruf eilt Antigua in der Seglerszene schon voraus, da könnte man was dran ändern.
Nachmittags treffen wir Janice & Andy am Strand und kommen ins Quatschen. Wie es der Zufall so will, sind sie auch im OCC und der Zufall will es noch etwas größer, denn die beiden haben eine langjährige Erfahrung mit Segeln und Überwintern (!) in Canada, Nova Scotia, Newfoundland, Greenland, Island und im Norden von Norwegen. Ein kleines Zeichen, dass direkt nach Newfoundland zeigt.
Abends sitzen wir noch lange zusammen und wir saugen etwas staunend ihre Erfahrungen auf. Bisher hatten wir es für vollkommen unmöglich gehalten, in Grönland sein Schiff zu überwintern, aber es geht wohl immer doch etwas mehr, als man sich so vorstellt.
Mit unserer kleinen Erfahrung und unserer eben erst erreichten Vollmitgliedschaft im OCC können wir nicht wirklich viel punkten. Doch alle Zeichen stehen auf mehr, wieso sonst treffen wir nacheinander Thierry & Barbara von der Gaia, Peter & Wendy von der Henry und nun Andy & Janice mit ihrer Destiny. Alle mit Arktis-Erfahrung, mit bevorstehender oder schon erfolgter Northern Passage oder nun auf dem Weg nach Patagonien.
Unsere Pläne hatten sich ja vor unseren Treffen schon weiter konkretisiert, aber nun haben wir gehört, was alles noch so geht. Vieles davon ist einfach zu groß für uns und auch unsere dicke Erna ist dafür ja auch gar nicht geeignet, aber es ist eben phantastisch, wenn man hört, was alles am Rand der großen Dinge auch noch so geht. Das rundet die eigenen Pläne ganz wunderbar ab.
Und so wird unser grober Plan, dieses Jahr noch Newfoundland zu machen, zu einem konkreten Plan. Nun haben wir so viel davon gehört und vieles, was uns doch recht problematisch erschien, scheint bei genauerem Hinsehen auch gar nicht mehr so problematisch zu sein. Wir freuen uns richtig darauf und wir freuen uns auf den Norden.
Anchorage I vor Jolly Harbour
17° 04′ 36,4″ N, 061° 53′ 51,0″ W