Guadeloupe I oder Ernüchterung III


Portsmouth [A], Dominica -> Pointe-à-Pitre [A], Guadeloupe Distanz: 40,7 sm Gesamtdistanz: 3.065,8 sm

Unsere Pechsträhne scheint nicht abreißen zu wollen. Rückwirkend betrachtet rinnen uns schon wieder die Tage durch die Finger, die eigentlich für ein entspanntes Karibik-Cruising gedacht waren. Irgendwie scheint bei uns tatsächlich der Wurm drin zu sein und es wird immer schwieriger, das irrationale Gefühl zu verdrängen, dass wir doch etwas falsch entschieden haben. Rational betrachtet ist das natürlich Blödsinn, doch irgendwann hat auch der größte Optimist mal die Faxen dicke. Reinhardt, der mit DT, schreibt uns, ohne zu ahnen, wie sehr er ins Schwarze trifft, »die Pläne von Seglern sind immer nur in Sand geschrieben«. Eine so schöne Poesie hilft ja auch durchaus, um nicht gleich einen Schreikrampf zu kriegen.

„von Dominica -> nach Guadeloupe“

„von Dominica -> nach Guadeloupe“

Unser Segelschlag nach Guadeloupe ist schön. Der Wind zickt zwar etwas herum, aber im Großen und Ganzen kommen wir mit etwas Geduld prima auf Guadeloupe an.

„noch in der Bucht von Portsmouth, Dominica“

„noch in der Bucht von Portsmouth, Dominica“

„Dominica geht, Guadeloupe kommt“

„Dominica geht, Guadeloupe kommt“

„Eine unspektakuläre Überfahrt, aber nun gelingt auch der Diamandknoten 😂“

„Eine unspektakuläre Überfahrt, aber nun gelingt auch der Diamandknoten 😂“

Auch unseren Ankerplatz treffen wir schon im dritten Anlauf 😳 ziemlich optimal 😬. Beim ersten Versuch reißen wir dem Wrack wahrscheinlich irgendetwas aus der Seite. Erst hält der Anker gut, dann rutschen wir plötzlich zurück, als ob wir gar keinen Anker mehr an der Kette haben. Beim zweiten Versuch treffen wir das Wrack wahrscheinlich exakt in der Mitte und vor dem dritten Versuch beginnen wir nachzudenken und zoomen doch mal etwas mehr in die Karte, wodurch sich die vermeintliche schwarze Zahl einer Tiefenangabe als Wracksymbol entpuppt. Manchmal hilft es doch, wenn man nicht meint, alles zu wissen, sondern die Lesebrille zur Hilfe nimmt. Immerhin hält der Anker und würde wahrscheinlich auch in einem schweren Sturm nicht aufgeben, denn mit einem Wrack am Haken liegt man eigentlich sehr sicher. Der Engländer würde sagen »excellent holding«.

„Anfahrt auf Guadeloupe“

„Anfahrt auf Guadeloupe“

Trotz dieses absolut sicher eingefahrenen Ankers entschließen wir uns doch, noch einmal umzulegen. Zu groß ist die Neugier, ob wir unseren Anker wiedersehen. Es braucht etwas und in der Vorwärtsfahrt wir müssen auch etwas Gewalt anwenden, bis das Wrack unseren geliebten Rocna Vulcan wieder freigibt. Danach verlegen wir uns 40 m neben das Wrack. Hier hält unser Anker auch prima und der Ankerplatz ist vielleicht noch etwas schöner und zudem recht geschützt.

„Abendstimmung“

„Abendstimmung“

Zur Rettung unserer Ehre müssen wir aber auch noch erzählen, dass wir nicht wie die ganz großen Deppen durch die Karibik torfen, sondern nur wie zwei kleine 🙄. Es gibt in der Bucht kurz hinter der Barre, die die Bucht nach Südosten etwas abschirmt, nämlich zwei Wracks und nur ein Symbol in der Seekarte. Und wenn man ein Wrack aus dem Wasser schauen sieht, dann sollte man lieber nicht vorschnell annehmen, dass es sich eben auch um das eingezeichnete Wrack handelt. Dass sich das zweite, eben das aus dem Wasser schauende Wrack, am Ende der Woche als großer Wurzelstock mit anhängendem Baumstamm herausstellt, ist nebensächlich und macht die ganze Sache auch nicht mehr besser.


Doch wie gesagt, obwohl wir nun einen sehr schönen und auch ruhigen Ankerplatz haben, unser Pech bleibt treu an unserer Seite. Schon auf dem Hinweg nach Guadeloupe bekommen wir einen Chat von unseren Kids, dass es bei uns zuhause im Abfluss der Dusche »gluckert«. Natürlich lässt das bei uns sofort wieder alle Warnlampen angehen, denn dieses Symptom kennen wir aus dem letzten Herbst, als der Abwasserschaden uns für Wochen zuhause festgehalten hat. Nach einigen weiteren Ferndiagnosen ist klar, wir haben schon wieder das identische Abwasserproblem wie letztes Jahr und im Keller sind auch wieder die Wände nass.

„Nicht nur zuhause ist es wieder einmal nass und feucht.“

„Nicht nur zuhause ist es wieder einmal nass und feucht.“

Gleich am Montag beginnen wir mit der Fernorganisation der Schadensbehebung. Nachbarn, Rohrreinigung, Versicherung etc. Nur gut, dass wir Satellite.me-Nummern haben. Diese VoIP-Telefonie ist wirklich ein Segen. So gehen unsere Tage in der Karibik schon wieder dahin, ohne dass sie irgendetwas Karibisches an sich haben. Und Dienstag sitzen wir dann ab 3:30 morgens an unseren Telefonen, denn ab 8:30 deutscher Zeit ist der Rohrreinigungsservice aktiv. Langes Hin und Her, kurze Ursache. Genau vor einem Jahr wurde das gemeinsame Abwasserrohr aller Häuser bei Erdarbeiten zur Verlegung von Glasfaserkabeln beschädigt und nun liegt eine Rohrscherbe im Rohr und sorgt regelmäßig für Verstopfungen. Dass die Ursache nun gefunden ist, ist die gute Nachricht, aber die Schadstelle muss nun noch beseitigt und unser Haus muss auch erneut getrocknet werden. Ein Gutachter wird auch klären müssen, ob sogar die äußere Sperrschicht so geschädigt ist, dass die Außenwand freigelegt und neu isoliert werden muss. Das alles sind nicht wirklich die Dinge, mit denen man sich in der Karibik beschäftigen möchte. Und dieser Mist wird uns und unsere Kids zuhause auch noch einige Zeit auf Trapp halten. Es ist zum 🤮!


„Wir checken erst einmal ein, dann gehen wir auf Gummibootsuche“

„Wir checken erst einmal ein, dann gehen wir auf Gummibootsuche“

Zwischenzeitlich überlegen wir, ob es nicht Sinn macht, einfach abzubrechen und im nächsten Winter neu anzusetzen. Von der Karibik hatten wir bisher fast nichts und inzwischen haben wir auch gelernt, dass wir eigentlich etwas weiter südlich bei den Grenadinen hätten beginnen müssen, um ein echtes Caribbean Feeling zu ergattern, was uns bis heute ja doch noch etwas in unserer Sammlung fehlt. Dieser Gedanke wird auch dadurch beflügelt, dass wir noch zwei bekannte Baustellen haben. Das Dinghy und den Radar. Nun ist nicht nur die Karibik sauteuer, um solche Probleme zu lösen, auch die USA und Canada bieten hierfür nur Problemlösungen auf einem wesentlich höheren Preisniveau an. Sicherlich ist auch der Euro gegenüber dem Dollar verfallen, was die Kostenseite natürlich noch zusätzlich verschärft, aber Europa ist wirklich mit Abstand der preiswerteste Ausrüstungsmarkt, den man sich vorstellen kann.

„Marina in Pointe-à-Pitre“

„Marina in Pointe-à-Pitre“

Doch eigentlich brauchen wir für unser Dinghy-Problem recht bald eine Lösung, denn es fällt zusehends weiter auseinander. Nun lösen sich auch die Verklebungen des Spiegels. Die eine Seite hatten wir ja schon einmal geklebt, doch nun beginnt auch die andere Seite abzufallen. Es macht wirklich den Eindruck, als ob der Kleber ein finales »best-before date« hat und wir nun nach 12 Jahren definitiv den Zustand »bad-afterwards« erreicht haben.

Natürlich ist nirgends in der Karibik das aufzutreiben, was man in Deutschland einfach aus dem Regal nehmen kann. Hier fährt jeder Ribs aus Hypalon ab einer Länge von 3 m plus. All die kleineren Dinghys, die man an den Dinghy-Docks sieht, wurden von »armen« Eignern aus Europa mitgebracht. In der Karibik und in den USA lebt man auf deutlich größerem Fuß und die europäischen Preise kann man problemlos mit einer ganzen Zahl größer Eins multiplizieren, wenn man wissen möchte, was die Kreditkarte so alles aushalten muss.

„Teil der Marina von Pointe-à-Pitre“

„Teil der Marina von Pointe-à-Pitre“

Die Kaufentscheidung wird dadurch allerdings auch einfacher, denn um Modellfragen muss man sich nicht groß kümmern, da man eh nur das nehmen kann, was gerade im Laden steht. Die einzige Frage ist, ob man für den Kompromiss, der am Lager ist, auch das zahlen möchte, was auf dem Preisschild steht. Und eine Internet-Recherche kann man getrost vergessen, das, was wir aus Europa an Internetshops kennen, scheint selbst in den USA noch Mangelware und in der Karibik nahezu unbekannt zu sein. Wieso kann so etwas eigentlich Amazon, die sind doch auch irgendwie amerikanisch? Zudem verpuffen 90% aller Anfragen in einer One-way-Kommunikation. Die einzige Chance, die man real hat, ist die, dass man durch Zufall in einen Shop stolpert, der so etwas ähnliches hat, was man haben möchte und dies auch noch zu einem Preis anbietet, der einen nicht sofort in eine Schockstarre fallen lässt.

„Die vermeintlich letzten Photos unseres alten Gummiboots“

„Die vermeintlich letzten Photos unseres alten Gummiboots“

Aber manchmal haben wir ja auch Glück, denn nachdem die Ursache für unseren erneuten Wasserschaden gefunden ist, finden wir bei UShip zwar nicht das Dinghy, das wir haben möchten, aber es gibt eins, zu dem wir uns schweren Herzens durchringen. Der 3D Tender UL 270 für schlappe 2.350 € soll es nun sein. Mittwochnachmittag ist es soweit. Die Räder von unserem alten Dinghy montieren wir ab und fahren in die Marina zum UShip-Shop. Und da liegt es schon. Neu verpackt. Die beiden Verkäufer begrüßen uns wie alte Bekannte, wir gehen hier ja schon seit Tagen ein und aus. Dann öffnen sie das Paket. Als die erste Folie entfernt ist, schlägt uns schon ein Geruch fortgeschrittener Kompostierung entgegen. Kurz darauf liegt vor uns ein stockfleckiges Rib, und das Einzige, was sich noch halbwegs in einem akzeptablen Zustand befindet, ist der kompostier-resistente Alu-Rumpf. Der Rest ist ein Anblick des Jammers und stinkt so erbärmlich, dass man automatisch einen Schritt zurücktritt.

„Die vermeintlich ersten Photos unseres neuen Gummiboots“

„Die vermeintlich ersten Photos unseres neuen Gummiboots“

Die aufgeklebten Pads, die bei unseren alten Dingi nun nach fast 13 Jahren abfallen, lösen sich hier schon von der Neuware. Etwas verzweifelt kommt einer der Mitarbeiter mit einer Sprühflasche, frei nach dem Motto: “Och, mit etwas PVC-Reiniger kann man das sicher aufpolieren und schon sieht es wieder wie neu aus!” Doch auch der PVC-Reiniger bewirkt keine Wunder und er wirft den Lappe einfach auf den großen Müllhaufen, der vor unseren Füßen liegt. Das was er auf Französischen dazu sagt, verstehen wir nicht, aber es ist wohl nicht ganz jugendfrei.

Wir fahren zurück auf die PINCOYA und sind noch etwas mehr ernüchtert, als wir es vorher ohnehin schon waren. Nun ist guter Rat teuer und wir stehen wieder einmal an einer Stelle, wo wir noch nicht so ganz genau wissen, ob wir nun rechts oder links abbiegen sollen.


auf dem Ankerplatz vor Pointe-à-Pitre, Guadeloupe
16° 12′ 59,4″ N, 061° 32′ 11,5″ W