Der Anchorage in der Marigot Bay im Norden von Saint Martin ist ungemütlich und wirklich wenig karibisch, auch wenn es hübsche Momente mit etwas Sonneschein gibt. Es ist ein Transitankerplatz. Die Mehrheit der Segler hier wartet auf ein Weiterkommen und wohl nur eine kleine Minderheit dürfte aus anderen Gründen hier sein. Die Marigot Bay ist weder besonders schön, noch ruhig oder gar gut für Wind und Wellen geschützt. In der Summe würden wir ein »Joah, geht auch.« vergeben.
Doch Saint Martin bietet neben Martinique und Guadeloupe noch einmal die Möglichkeit, sich für karibische Verhältnisse relativ preiswert zu versorgen. Das ist für fast alle Routen strategisch wichtig, die man von hier aus einschlagen kann.
Und Saint Martin ist eben auch der Absprungpunkt in Richtung Europa schlechthin. Spätestens seitdem die ARC Europe hier jedes Jahr Anfang Mai via Bermuda in Richtung Azoren und dem europäischen Festland startet. Zudem ist die Ersatzteilversorgung wirklich gut, wenn auch zu üppigen Preisen. Aber man bekommt hier eben fast alles und wenn die Not groß ist oder man nicht aus Europa kommt, dann findet man die Preise auch angemessen.
Viele der hier Wartenden werden aber auch von dem Umstand angezogen, dass man sich nach Saint Martin bzw. Sint Maarten alles zollfrei schicken lassen kann. Und das ist in der Tat der eigentliche, große Trumpf dieser Doppelinsel, denn das funktioniert problemlos. Wenn man etwas vorausschauend plant oder einfach Zeit mitbringt, dann ist das die beste Möglichkeit, sich mit Ersatzteilen oder neuen Gimmicks zu versorgen. So haben wir es mit unserem neuen Iridium GO! exec gemacht und Anna und Reinhard von der Sancara haben sich von SVB einfach einen neuen Radardom schicken lassen. So einen bräuchten wir eigentlich auch und die mögliche Einsparung der MwSt ist schon wirklich verlockend, aber nach all unseren Reparaturen müssen wir nun erst einmal etwas sparsamer sein. Auch zum Tanken sind Saint Martin und Sint Maarten ein Paradies, denn für 1,29 € haben wir den Liter Diesel schon seit Jahren nicht mehr bekommen.
Dieser Spritpreis hat aber auch seine Kehrseite, denn nicht nur die Fähren nach Anguilla donnern ziemlich rücksichtslos durch das Ankerfeld, sondern auch unzählige Powerboats, die über den Kanal in die und aus der Lagune fahren. Für Touristen wird gleich hinter der Ausfahrt der Gashebel bis zum Anschlag heruntergedrückt und Schwärme von JetSkis und kleinen Motorbooten kommen mehrmals täglich aus der Lagune und brüllen durch die Bucht, weil es ja ach so toll ist. Und der preiswerte Sprit beflügelt offensichtlich auch einige private Kapitäne, noch mal kurz eine Extrarunde durch die Bucht zu drehen, um der Welt und ihrer Liebsten die wilde Urkraft ihrer Motoren zu zeigen.
Ankern in der Marigot Bay
Unser erster Ankerplatz in der Marigot Bay war vielleicht hinsichtlich des Windes strategisch gut gewählt, aber die Fähren nach Anguilla waren auf Höhe unseres Hecks entweder noch oder schon wieder in voller Fahrt. Ständig krachten die brechenden Bugwellen der Fähren so brutal in das Heck der PINCOYA, dass die Schläge unsere dicke Erna richtig zum Zittern brachten. Zudem blies es ununterbrochen mit rund 20 kn in der Gegenrichtung und in Schauern durfte es auch gern mal 1/4 mehr sein. Die Kombination aus dem lang einlaufenden Atlantikschwell, dem Wellenschlag der Fähren und den Windwellen sorgte zuverlässig für wildeste Kreuzseen. Alles musste ständig seesicher verstaut sein, denn der Wind drehte uns auch gerne mal quer zu den Wellen. Und die wussten ja selbst nicht, wie ihnen geschah und in welche Richtung sie nun laufen sollten. Was sich unsere dicke Erna natürlich nicht zweimal sagen lässt, denn sie hat ja schon eine gewisse Freude am Rollen und wenn sich eine Gelegenheit bietet, macht sie auch gerne gleich mal mit. Das alles war so heftig, dass wir uns gleich am nächsten Tag verlegten.
Da der ufernahe Bereich zwischen der Marina und dem Kanal zur Lagune durch ein großes Mooringfeld blockiert ist, blieben wir für unseren zweiten Ankerplatz etwas weiter draußen. So kamen wir zwar vollends aus dem, was man vielleicht noch als Abdeckung bezeichnen konnte, hatten aber den Schwell der Fähren nun von vorn. Was ja ohne Frage auch schon mal deutlich angenehmer ist. Allerdings hatten wir nun den Ein- und Ausfahrtsbereich des Kanals in und aus der Lagune nicht allzu weit hinter uns und die Rechnung ohne die bekloppten Powerboats gemacht.
Das Ende vom Lied war nun, dass der Wellenschlag der Fähren zusammen mit den hier schon deutlich höheren Windwellen gegen die aufgewühlte See der Powerboats lief. Das Chaos war perfekt und der drunterliegende Atlantikschwell fiel dabei kaum noch auf. Aus dieser Position fuhren wir nur einmal an Land und dies in Badesachen, was ziemlich schlau war, denn wir wurden gründlich geduscht. Das Umziehen am Dinghy Dock störte niemanden, denn allen Crews mit kleineren Dinghys bliebt eh nur diese Variante, wenn sie nicht tropfnass einkaufen gehen wollten. Ein Hoch auf die wasserdichten Rucksäcke.
Drei Tage hielten wir es dort aus. Die Ankertiefe von rund 2,6 m war zudem nicht wirklich komfortabel, denn bei dem andauernden starken Wind um 20 kn kam die Ankerkette ständig steif und ruckte hart ein.
Für unseren dritten Ankerplatz sind wir dann etwa auf gleicher Höhe einfach in die erste Reihe des Mooringfeldes gegangen. Es waren ohnehin kaum Moorings belegt und wenn sich jemand aus der Marina daran gestört hätte, hätte er es uns sicher gesagt. Etwas weiter innen zu liegen, hatte drei Vorteile. Die Windwellen waren tatsächlich etwas kleiner, und wir waren etwas mehr in dem Bereich, in dem die Powerboats und Fähren noch nicht ihren Highspeed erreicht hatten. Also insgesamt etwas ruhiger, wenn auch alles andere als ruhig. Aber es war mit Abstand die beste Position, um mal halbwegs ungeschoren an Land zu kommen. Doch 2,6 m Ankertiefe sind wirklich nicht viel. Normalerweise kann man eine geringe Ankertiefe ja mit etwas mehr Ankerkette kompensieren, aber wenn man in einem Mooringfeld liegt, ist es eben nicht möglich, einfach mal 40 oder 50 m Kette zu stecken, denn schwupps kommt einem schon wieder die nächste Mooringreihe in die Quere.
Unser vierter Ankerplatz liegt nun hinter dem Kanal, also weit weg von den Fähren und Powerboats. Es ist der bisher beste Platz und auf dem liegen wir auch jetzt noch. Allerdings ist der auch richtig weit weg von jeder Einkaufsmöglichkeit und wir überlegen gerade, ob es nicht doch vielleicht sinnvoll wäre, für den Einkauf noch einmal einen Tag umzuankern. Unser kleiner Honda gibt zwar unerschütterlich sein Bestes, aber man muss wirklich anerkennen, dass so große Distanzen für ein 2,3 PS Motörchen eigentlich zu viel sind.
Wir fangen uns ein Dinghy
Auf Ankerplatz 3 nimmt der Wind immer weiter zu. Inzwischen sind es 20 bis 27 kn. Unser Dinghy haben wir am Heck auf »halbacht« hochgezogen, weil es sonst wie wild hinter uns herumspringt und schleudert. Plötzlich sehen wir, wie ein großes Dinghy herrenlos durch das Ankerfeld treibt. Niemanden scheint dies zu stören, aber das Ziel des herrenlosen Dinghys ist klar. Im besten Fall wird es auf den kleinen Strand auflaufen, mit etwas Pech auch im felsigen Bereich enden.
Als sich so gar nichts tut und sich auch niemand der anderen mit den größeren Dinghys dafür zu interessieren scheint, lassen wir unser Dinghy runter und ich sause los, um das herrenlose Dinghy einzufangen. Nun zählen Windböen in der Mitte der Zwanziger mit den entsprechenden Wellen nicht zu den Idealbedingungen für unser kleines Gummiboot mit dem Minimotörchen. In einem wilden Ritt komme ich schnell bis zu dem Dinghy, aber an dem anderen Ende der Bucht sind die Wellen nun auch schon deutlich höher. Immerhin kriege ich im dritten Anlauf den Tampen zu fassen, mit dem das herrenlose Dinghy wohl mal an irgendeinem Schiff festgebunden war. Es ist ein 3,30 Alu-Rib mit 10 PS Außenborder. Ein kleines Ungleichgewicht gegenüber unserer Zugmaschine mit 2,3 PS 😳.
Dann geht es zurück, allerdings im schneckigsten Schneckentempo, das man noch als Vorwärtsfahrt bezeichnen kann. Mich quält nur der einzige und innigste Wunsch, dass nun bitte unserem kleinen Motor nicht auch noch der Sprit ausgeht. Ich habe in der Eile vergessen nachzusehen. Rudernd würde ich es gegen den Wind auch ohne das fremde Dinghy im Schlepp nicht schaffen. Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichen wir die PINCOYA und die Capitana nimmt uns an.
Auf dem Dinghy steht der Schiffsname eines französischen Katamarans ganz in der Nähe. Hinfahren geht nicht mehr, der Wind hat noch etwas zugenommen. Nach ihrem Mittagsschlaf kommen die beiden ausgeruht wieder an Deck. Es dauert etwas, bis sie bemerken, das da etwas fehlt. Die Überraschung ist auch über die Entfernung noch zum Greifen nahe 😂. Auf unseren Anruf über Funk reagieren sie nicht. Später kommt ein französischer Freund und holt das Dinghy ab. Abends kommt der Eigner mit einer Flasche Wein, um sich zu bedanken.
10. April 2023 11:38
Das Unglaubliche ist passiert! Es hat seit genau 24 h NICHT mehr geregnet. Mein Bruder schreibt uns: »Kopf hoch, 15° in Deutschland, aber bei euch soll es ja nun auch bald besser werden.« Er war so leichtsinnig, Wetteronline zu glauben. Denn von einem wolkenlosem Himmel und Sonnenschein kann nun wirklich keine Rede sein. Kachelmann bezeichnet so etwas als 7/8-Bewölkung o.R. »o.R.« fügt ein Meteorologe immer dann hinzu, wenn fast überwiegend und im erweiterten Sinne kein Regen zu erwarten ist. Es heißt also »ohne Regen«. Was mein Bruder wahrscheinlich nicht weiß, Wetteronline ist eine Werbepartnerschaft mit TUI eingegangen. Unten in der App läuft ein kleines Banner durch, das man zugegeben auch leicht übersehen kann. »Der Sonnenschein der nächsten Tage wird Ihnen mit der freundlichen Unterstützung von TUI präsentiert!«
Was heißt das? Wetteronline hat ein sogenanntes »Geofencing« entwickelt, dass Urlaubsgebiete eingrenzt und Vorhersagen schlechten Wetters verhindert. Das ist der Grund, warum auf Wetteronline in allen Urlaubsgebieten, die TUI anfliegt, immer ab spätestens dem 3. Tag und insbesondere an den Wochenenden makelloser Sonnenschein herrscht. Es gibt auch die Wintervariante mit dem Ski-Wetter. Würde z.B. Hamburg auch über TUI buchbar sein, würde auch in Hamburg die Sonne scheinen. Wenigstens in der App, vor Ort ist das egal, denn dann ist die Buchung ja schon gelaufen und wegen schlechten Wetters gibt es nun mal keine Rückerstattung.
Aber was soll’s, wir versuchen nun mal, unsere Klamotten und die Sitzkissen in Wind und Schatten zu trocknen. Wer braucht schon Sonne?
p.s. zwei Stunden später: Es regnet wieder, aber den 26-stündigen Rekord kann der Natur nun niemand mehr nehmen.
Stationen:
31.03. Marigot Bay I, Saint Martin
18° 04′ 24,2″ N, 063° 05′ 27,9″ W
01. -> 03.04. Marigot Bay II, Saint Martin
18° 04′ 10,9″ N, 063° 05′ 41,4″ W
04. -> 06.04. Marigot Bay III, Saint Martin
18° 04′ 02,4″ N, 063° 05′ 42,4″ W
07. -> 12.04. Marigot Bay IV, Saint Martin
18° 03′ 49,5″ N, 063° 06′ 05,7″ W