Saint Martin bzw. Sint Maarten eilt so ein Duft voraus. Ein Duft, der nach Schnäppchen riecht und der Hoffnungen weckt. Zum Einchecken gehen wir zu Island Water World. Dort können wir gleich mal das Nützliche mit dem Praktischen verbinden. Während die Capitana vor dem Clearance Computer ansteht, schnuppert sich die Schnäppchen-Nase des Schiffsjungen durch den Laden. Ganz vorn auf der WebPage von Island Water World steht als allererstes Intro schon:
»This shop benefits from the “duty free” status of St. Martin.«
Und duty free ist dabei in rot und fett gedruckt. Kein Wunder, dass es der Schiffsjunge kaum erwarten kann, das es nun endlich mal zum Einchecken geht!
Mit einer traumwandlerischen Sicherheit fällt dem Schiffsjungen als allererstes ein kleiner Anker in die Hand. Genau das Modell, das wir für unser Dinghy noch brauchen. 5,55 €!!! Die Augen des Schiffsjungen beginnen zu glänzen und seine Erwartung wächst in Bruchteilen von Sekunden fast explosionsartig über sich hinaus und schießt ohne jeden Widerstand zu spüren durch die Decke geradewegs in den siebten Himmel des Schnäppchenparadieses. Vor dem geistigen Auge des Schiffsjungen zieht eine schwer beladene Galeere vorbei, die unter ihrer schweren Fracht erstaunlich unserem alten Gummiboot ähnelt. Der Anker ist schon mal sicher, bloß nicht wieder weglegen, sonst schnappt sich den noch ein anderer. Hoffentlich haben die hier irgendwo Einkaufswagen, wenn das so weitergeht, dann habe ich bald keine Hand mehr frei. Lächelnd gleitet der Schiffsjunge zu dem nächsten Regal herüber, doch die Preise dort sind eher unspektakulär. Nun, vielleicht auch nicht nur unspektakulär, sondern eher happig, um das Wort unverschämt zu vermeiden. Sanitärbedarf. Der Schlauch für die Dusche ist aus billigstem Plastik, selbst der chinesische Export-Minister würde sich dafür schämen, aber die Wellt will ja Schnäppchen. Bei Hornbach in Deutschland gibt es so etwas mit Duschkopf für 4,99 €. Hier steht 39,95 € dran. Ohne Duschkopf. Das muss ein Fehler sein! Gut, Fehler können passieren, also weiter.
Doch die Fehler scheinen ein gewisses System zu haben. Billige Gleitlagerblöcke gibt es schon für 70 € und die Marco-Pumpe, die wir für den Tagestank haben, trägt stolz eine 3 vorm in ihren dreistelligen Preis. Dem Schiffsjungen kommen Zweifel und er hält der Dame am Computer seinen Anker unter die Nase. »No, that must be a mistake. 5,55 €, I think it’s wrong.« Sie befragt den Computer mit der Produktnummer und der zeigt ohne zu erröten 55,50 € an. Und zack nimmt sie mir meinem Anker weg und klebt mit den Worten »You know, these trainees. Always trouble!« einen neuen Preis auf mein Schnäppchen. Ich muss wohl recht bedröppelt dreinschauen und sie fragt, ob ich ihn noch haben will. Irgendwie fällt mir nichts Besseres ein, als zu sagen, dass genau dieser Anker mit Duty auf Gouadeloupe 29,90 kostet und der Preis ohne Duty für 5,55 € schon echt gut gewesen wäre. Nein nein, das mit dem Duty free ist schon so. »Everything here is duty free.« Sie breitet die Arme aus. Im ganzen Laden nichts als duty free. Obwohl dem Schiffjungen das ein oder andere Widerwort auf der Zunge liegt, erinnert er sich an dieses deutsche Sprichwort, dass Schweigen doch eher gülden sein soll und Reden … nun ja.
Die Capitana bemerkt das zwar nicht, aber sie wäre stolz auf ihren Schiffsjungen.
Ich schlendere ohne meinen Anker weiter durch den Laden. Einfach so, nur um mal das Unglaubliche zu spüren. Vielleicht ist es auch der Reiz, den Extreme auf einen ausüben. Antifouling Micron 350 eine Gallone 469 €. Eine Gallone sind ja immerhin 3,8 Liter. Kopfrechnen! Puuuh, zwei im Sinn und schon hab ich’s! Das macht für den Liter mal eben 123 €. Bei Gründl in Deutschland bekommt man das 2,5 Liter Gebinde für 159 € inkl. MwSt. Und weil wir uns gerade so sehr für Gummiboote interessieren … Highfield 260 Rib UL Hypalon 4.100,00 € vs. Deutschland inkl. MwSt. 3.300 €. Und so geht es weiter. Doch eins muss man den Zubehörläden hier auch lassen, sie sind wirklich gut sortiert. Speziell im Hauptgeschäft gibt es wohl kaum etwas, das man als Ersatzteil nicht direkt aus dem Regal nehmen kann. Das Sortiment ist schon ebenso beeindruckend wie die Preise. Doch wenn man nicht wirklich Not hat, sollte man vielleicht doch lieber auf Duty free verzichten.
Ganz kurz huscht so ein Gedanke durch den Kopf des Schiffsjungen, denn man kann sich ja auch wirklich alles duty free nach Saint Martin bzw. Sint Maarten schicken lassen. So haben wir es auch mit unseren neuen Iridium GO! exec gemacht. Das Ding kam in 4 Tagen aus Neuseeland. Duty free versteht sich und ohne jede Formalitäten für uns. Vielleicht könnte man sich einfach alles von SVB duty free schicken lassen, was die so im Lager haben. So eine Art Lagerräumung. Containerweise, nicht kleckern, sondern klotzen! Dann noch schnell 50% drauf und schon ist man hier absolut konkurrenzlos in dieser Duty-free-Welt unterwegs. Ganz zu schweigen von dem Großabnehmerrabatt, den man bestimmt noch mit SVB aushandeln könnte. Das wäre ein Geschäft ohne jedes Risiko, denn mit uns stehen drei Amerikaner vor dem Computer zum Einklarieren. Und die haben fast Tränen in den Augen, weil hier alles so irre billig ist.
Ach ja …
Der Einkauf
Etwas ernüchtert wenden wir uns dem Einkaufen zu. Der SuperU liegt etwas abseits, was bedeutet, dass wir laufen müssen und wenigstens einmal nass werden. Das lässt sich leider nicht vermeiden, weil die Abstände zwischen den Schüttregen einfach zu kurz sind, um die Strecke hin und zurück trocken zu bewältigen. Der SuperU ist gut sortiert und hat vor allem wohl gerade auch eine neue Lieferung Salat und Tomaten bekommen. Das hört sich nun vielleicht doch etwas profan an, aber nach einer gewissen Zeit ohne Grünzeug kann man sich über einen frischen Salat wirklich richtig freuen. Ein Duty-free-Schnäppchen ist der zwar auch nicht, aber er ist knacki-knackfrisch. 😋
Und wenn man beim SuperU sucht, findet man auch echte Duty-free-Schnäppchen. Zum Finden von Duty-free-Schnäppchen gibt es eine einfache Methode. Die funktioniert allerdings nur, wenn auch Locals in dem Laden einkaufen, was ja in den Bootszubehörläden eher nicht so der Fall ist. Ganz beiläufig schlendert man durch die Regale und schaut einfach, wo erfahrene Hausfrauen, also nicht diese bleichgesichtigen Touristinnen stehen bleiben, sich etwas ansehen und was dann in ihren Einkaufswagen verschwindet. Ein Kilo Nutella 5,49 €. Treffer! Das ist ein schon fast lebenswichtiges Schnäppchen, denn aufgrund der Preise für Schoki, haben wir in vielen Eigenversuchen die Grissini-Nutella-Variante erfunden und zur Perfektion weiterentwickelt. Bisher war ja Rahmmandel von Aldi unser Favorit, die gibt es aber hier nicht und das meiste, was hier als Schoki angeboten wir, passt auch nicht wirklich zu unseren Geschmackserinnerungen an Schoki. So kommt nun statt Schoki zum Nachtisch ein großes Glas Nutella und eine Packung Grissinis auf den Tisch. Man könnte dazu auch »Schoko-Fondue light« sagen 😊. Eintunken und … hmmm lecker. Am besten geht das natürlich mit den (noch) langen Grissinis, damit kommt man tiefer ins Glas.
Aber auch die männlichen Locals sind hilfreich, wenn es um Getränke geht. Caribe Bier scheinen nur gut betuchte Segler zu kaufen. Auch Heineken ist mit 1,25 € für die 1/3 Liter Dose nicht geeignet für einen sorgenfreien Sundowner von Durchschnittscruisern. Aber was ist das? Er greift gezielt 3 Flaschen Gorden’s Dry Gin und dann noch eine Flasche Pastis 51. Nachdem die Bahn frei ist, inspizieren wir die Preisschilder. Hammer! 4,99 € für einen 3/4 Liter Gin und 5,99 € für die Literflasche den 51er. Da ist im Billigrosé für 8 € aber nun wirklich deutlich weniger Spaß drin. Und Gin muss ja auch gesund sein, denn Queen Mum ist immerhin 101 geworden. Also schnell noch ein paar Fruchtsäfte für den gemixten Vitaminhaushalt.
Aber …
Zuhause in Frankreich kämpft Macron ja seit Wochen mit den Protesten gegen seine Rentenreform. Das alles hat ja nun auch schon leicht revolutionäre Züge angenommen. Hier auf Saint Martin merkt man davon überhaupt nichts. Auch auf Martinique und Guadeloupe schien das keinen zu interessieren. Vielleicht ist es diese Gelassenheit, die es den Franzosen auf Saint Martin ermöglicht, auch die Preise für ein Baguettes einfach so hinzunehmen. Im Mutterland des Baguettes würden diese Preis unweigerlich zu einer zweiten französischen Revolution führen. Die Rentenreform wird Macron wahrscheinlich politisch überleben, einen Baguette-Preis von 3,30 € wäre sein sofortiges Ende.
Beladen mit Salat, Tomaten, Gin und Fruchtsaft geht es zurück zur PINCOYA. Das wird nun erst einmal ein Vitamin-Festival!
Der Kommentar im Tripavisor: »Le duty free affiché partout est un attrape touriste car les prix ne sont pas moindres.«
Dennoch sehr hübsch mit einem Einblick in längst vergangene High Society Zeiten.
Marigot Bay I, Saint Martin
18° 04′ 24,2″ N, 063° 05′ 27,9″ W