Saint Martin, Karibik -> Horta, Açores; 2.524,0 sm Gesamtdistanz 2023: 5.817,9 sm
Tag 23, Sonntag, 21.05.2023
Kurz nach Mitternacht wenden wir auf einen Ostsüdost Kurs. Die Wellen sind zwar immer noch blöd, aber etwas kleiner. So ist ihre Bremswirkung auch etwas geringer und wir kommen recht gut voran. Weiter nach Norden wollen wir nicht, denn dort lauert schon wieder das Zentrum des Hochs mit seiner Kernflaute. Unser Kurs nach Ostsüdost ist zwar auch nicht der Hit, doch der Wind soll rückdrehen, was uns dann vielleicht ja doch auf einen Kurs Horta bringt. Wenn die Taktik über den Sonntag aufgeht, dann könnten wir es vielleicht bis Montag schaffen.
Nach 24 Seetagen anzukommen, wäre schon nicht schlecht, denn so langsam ist es auch gut. Und … etwas frisches Gemüse und Obst wären auch mal wieder was 😋.
Doch irgendwie mögen es uns der Wind und die Wellen nicht allzu leicht machen. Der Dreher auf etwas mehr Nord bleibt mehr oder weniger aus und erstaunlich hohe Wellensets stellen sich uns ab Vormittag immer wieder in den Weg. Die letzten Tage waren schon recht ungemütlich und es sieht nicht danach aus, dass der Rest besser wird. Was für ein Unterschied war da doch der Downwind-Ritt in die Karibik. Der Weg zurück in die andere Richtung und eben weiter im Norden ist da schon eine ganz andere Nummer.
Südwestlich der Inseln Faial und Pico liegt ein Flach, dem wir nicht zu nahe kommen wollen. Dort können sich unschöne Wellen aufbauen, die einigen Seglern schon zum Verhängnis geworden sind. Auch deswegen dürfen wir kein Grad Höhe verschenken und so quälen wir uns hart am Wind voran, aber nur so hart, dass es auch noch läuft. Schön ist diese Knüppelei nicht, da gibt es wirklich entspanntere Kurse. Dadurch, dass es uns immer weiter nach Süden drückt, wird nun auch das Reststück, das noch vor uns liegt, nicht wirklich kleiner. Vorhin hatten wir Horta noch auf 90°, nun sind es schon wieder 80°. Es ist zum … genau, aber die Capitana sagt, dass wir mal schön geduldig bleiben müssen, nur dann wird es auch was werden. Also Geduld, was sonst, eine der Kernkompetenzen des Schiffsjungen. Nichts ist einfacher als das! 🙄
Etwa 100 sm vor Horta tauchen dann die ersten Fischer auf. Natürlich ohne AIS, nun müssen wir wieder richtig aufpassen. Wie schön ist doch die heile Welt der Großschiffahrt, wenn nicht fischende Fischer dazwischen sind, die es ohne AIS ja theoretisch gar nicht gibt, nur die Praxis mag sich nicht so gerne an diese Theorie halten. Um 18:45 sind wir endlich zweistellig. Horta liegt nur noch 99 sm vor uns. Und um 22:15 dreht der Wind endlich wenigstens etwas auf Nord. Genau eine Seemeile vor unserer allerersten Gesamtroutenplanung schwenken wir mit der Winddrehung vollautomatisch auf Kurs Horta ein. Spät, aber noch rechtzeitig.
Um 23:59 loggen wir unser 22. Etmal mit 110,0 sm. 80,0 sm to go. Ansonsten war der 23te Tag recht unspektakulär, wenn man mal von einigen Horden von Delphinen absieht, die uns immer wieder mal begleitet haben.
Tag 24, Montag, 22.05.2023
Mit dem Ziel so dicht vor der Nase scheint bei uns die Luft rauszugehen. Die letzten Seemeilen ziehen sich wie immer wie Kaugummi dahin und wollen einfach kein Ende nehmen. Obwohl der Wind konstant ist und wir wirklich gut vorankommen.
Nach einer ruhigen Nacht hören wir morgens die ersten »navigational warnings« der Station auf den Azoren. Auf Portugiesisch, wie vertraut klingt das und wie anders ist es dennoch. Noch 57 sm to go. Es sieht danach aus, dass wir es noch heute im Hellen schaffen könnten. Der Wind dreht weiter auf Nord und legt ordentlich zu. Und das auch noch alles wie vorhergesagt. Wie unglaublich ist dies nun wieder! So können wir einiges an »Höhe bunkern«. Aller Wahrscheinlichkeit nach werden wir die am Nachmittag auch noch gut brauchen können, denn der Wind soll nach seinem Intermezzo im Norden wieder rechtdrehen und sich auf NNE bis NE einpendeln.
Rauschefahrt. 16 bis 18 kn wahrer Wind, machen hart am Wind ordentlich Alarm in den Segeln. Wir reffen etwas ein, weil wir einfach zu sehr auf der Backe liegen. Vielleicht schaffen wir es wirklich noch im Hellen? Das wäre gut, denn vor Horta wird ordentlich etwas los sein, da ist es besser, wenn man noch etwas Tageslicht beim Suchen eines passenden Ankerplätzchens hat.
Es beginnt zu regnen, das Azorenwetter hat uns! An jedem Tag soll man hier ja das Wetter einer jeden Jahreszeit wenigstens einmal haben. Wobei diese Aussage des Fremdenverkehrsamtes sich über die Länge der einzelnen Wetterphasen ausschweigt. Dieses Geheimnis können wir allerdings lüften, auch aufgrund unserer Erfahrungen aus dem letzten Jahr. Der Sommer, wie auch der Winter liegen zeitlich im einstelligen Prozentbereich, der Winter ausschließlich nachts, der Sommer ausschließlich tagsüber. Die restliche Nacht ist Herbst mit einer absoluten Tendenz zum Oktober und am restlichen Tag, wenn eben mal kein ~5 %iger Sommer herrscht, ist Frühling der ausschließlich vom April dominiert wird. Mal gucken, ob wir hinter den Regenwolken schon Faial erspähen können?
Kaum schreibe ich diese bösen Zeilen, dreht der Wind auch schon wieder auf Nordost. Nur gut, dass wir so viel Höhe gebunkert haben. Auf die Stunde genau sehen wir um 11:00, also genau nach 24 Tagen Faial am Horizont. Es ist fast geschafft. 11:00 Bordzeit bedeutet ja 15:00 lokaler Zeit. Wir werden es also noch vor Sonnenuntergang bis vor Horta schaffen.
Es läuft. Der Wind lässt nicht nach und wir knüppeln Höhe.
5 sm vor Faial kommen wir in die Abdeckung der Insel. Der Wind dreht abrupt auf Ost und geht dann in die Düse zwischen Faial und Pico über. Da geht nun nichts mehr unter Segeln, zumal der Strom zwischen den Insel jetzt schon mit etwa 1,5 kn nach Südwest setzt. So motoren wir den Rest.
Im Dämmerlicht fahren wir hinter die Mole von Horta. Es ist rappelvoll, aber der nette Portofficer begrüßt uns über Funk und versichert uns, dass sowohl im Hafen als auch auf dem Anchorage noch viel Platz ist. Wir können uns einfach aussuchen, wo wir bleiben wollen. Nun, unter viel Platz verstehen wir zwar etwas anderes, aber Horta ist eben Horta und dort ist eben viel Platz auch mal etwas enger.
Um 16:55 Bordzeit und 20:55 lokaler Zeit fällt unser Anker im hinteren Teil des Hafenbeckens. Geschafft, wir sind nach 2.524 sm und 24 Tagen, 5 Stunden und 55 Minuten angekommen! Was für eine Strecke und was für eine Erfahrung.
Das Gefühl, nun da zu sein, ist schon etwas unwirklich. Das muss nun erst einmal alles etwas sacken.
Vor Anker vor Horta Açores
38° 31′ 44,8″ N, 028° 37′ 27,0″ W