Praia da Vitória, Terceira, Açores -> Ziel Kilrush, Ireland bisher: 342,1 sm Gesamtdistanz 2023: 6.263,4 sm
Tag 1, Donnerstag, 08.06.2023
Wir starten um 9:40. Die neueste Wettervorhersage sieht im Grunde genommen ganz gut aus, nur das abziehende Sturmtief dreht auf seinem Weg nach Nordosten noch einmal eine Ehrenrunde und wird uns auf unserer Überfahrt am Samstag ein zweites Mal mit seinem Wind beglücken. Dann ist es zwar schon wesentlich schwächer, hat aber immer noch rund 25 Knoten Wind dabei. Mal sehen, wie sich das entwickelt und welchen Kurs wir zu dem oder sogar durch das Tief finden.
Insgesamt müssen wir einen guten Mix aus »nicht zu viel Ost« und »nicht zu viel West« finden. Das ist situationsabhängig, denn wenn sich nach dem Tief doch eine Hochdruckrinne nach Norden streckt, dann erwartet uns zu weit östlich Nordwind, doch wenn wir als erstes den Kern des Tiefs nicht schön östlich nehmen, dann bekommen wir im Westen des Tiefs auch schon wieder den nördlichen Wind des Tiefs ab. Wie gesagt, das ist situationsabhängig, und wird sich erst mit der Entwicklung der Druckgebiete ergeben. Es ist gut, dass wir das großräumige Wettergeschehen über das Iridium GO! abrufen können, auch wenn wir uns im Kleinen mit den lokalen Gegebenheiten herumschlagen müssen.
Als wir starten, ist der Wind kräftig und die Wellen sind immer noch ansehnlich hoch. Bis zum frühen Nachmittag geht es bei strahlendem Sonnenschein ziemlich ruppig durch die recht chaotischen Wellen.
Erst nach und nach setzt sich das Ganze und wird etwas moderater. Es ist ein schöner erster Segeltag. Wenn eine Überfahrt so beginnt, dann tut das gut. Es ist etwas ganz anderes, wenn man sich erst einmal in der Sonne im Cockpit auf die Langfahrt einschwingen kann, als gleich hinter geschlossen Türen zu sitzen, weil es draußen aus grautrüben Wolken erbärmlich schüttet.
Gegen Mittag segeln wir unsere 28.000ste Seemeile mit der PINCOYA und in einer Woche, kurz vor Irland, werden wir schon unsere 29.000ste segeln. Dabei sind wir erst am zweiten Januar mit der 22.000sten auf El Hierro gestartet. Dass wir dieses Jahr so einen Ritt hinlegen, hätten wir auch nicht gedacht. Aber schön ist’s.
Aber auch wenn man so viele Meilen segelt, braucht es jedes Mal etwas, bis man wieder in seinen Langfahrtrhythmus gefunden hat. Auch wenn unserer erster Überfahrtstag ohne irgendwelche Überraschungen endet.
Um 23:59 liegen schon mal 83,2 sm hinter uns. 1.031 sm to go. Das ist für 14 Stunden schon mal kein schlechter Schnitt. Ein guter Auftakt.
Tag 2, Freitag, 09.06.2023
Die Nacht ist kalt, aber ruhig. Ab und zu regnet es, der Wind ist schwach und hat kaum mal 10 kn. Leider versteckt sich auch noch der abnehmende Mond hinter den Wolken. Das macht die Nacht noch dunkler und irgendwie fühlt sie sich dadurch auch gleich noch etwas kälter an. Um 7:00 sind wir nur noch dreistellig. 999 sm to go. Das ging dieses Mal schön schnell, aber nach Irland ist es ja auch nicht ganz so weit.
Der Morgen liegt grautrüb und wolkenverhangen um uns herum. Einige Delphine begrüßen uns, ansonsten passiert eigentlich nichts, außer dass es immer mal wieder regnet.
Die spannende Frage, wie es am Samstag und Sonntag wird, versuchen wir uns mit einer neuen Wettervorhersage zu beantworten. Das Sturmtief, das wir am Dienstag schon einmal auf Terceira erleben durften, dreht ja noch eine Runde. Die Frage ist, wie stark das Windfeld noch ist und wann es zu uns herumdreht. Dass es uns erwischt, ist keine Frage, die einzige Frage, die sich stellt ist, wie wir uns am bestens in Position bringen und welche Taktik wir wählen, wenn es doch etwas zu dolle kommt.
Westlich des Kerns sind durchaus 25 bis 30 kn drin. Das alles wird uns im Laufe des Samstags mit Wind aus Westnordwest treffen. Da das Tief etwas untypisch nach Süden zieht, uns also quasi entgegenkommt, und direkt vor unserer Nase herumschwenken soll, gehen wir zunächst auf einen Nordostkurs, um etwas Abstand zwischen uns und den Starkwind zu bringen. Wenn das Starkwindfeld uns dann erreicht, planen wir noch weiter nach Osten zu gehen, um in die Winddrehung über West auf Südwest zu kommen. Ein Plan, der uns wenigstens bis zur nächsten Vorhersage gut gefällt, mal sehen, ob es so auch aufgeht. Was danach aus dem sich auffüllenden Tief wird und was uns der neue Klopfer vor Neufundland beschert, ist noch nicht absehbar. Aber die Hoffnung besteht, dass es dann schwupps im Sauseschritt in Richtung Irland gehen kann.
Unser zweiter Segeltag entwickelt sich dann überraschend zu einem wunderbaren Blauwassersegeltag. Wer hätte das nach dem grautrüben Start am Morgen schon gedacht?
Der Wind kommt ziemlich konstant mit 10 bis 14 kn aus WNW und wir fahren mit etwa 100° zum scheinbaren Wind gemütlich unseren Kurs in Richtung Nordosten. Ein prima Tag, um sich wirklich einzuschwingen, etwas Schlaf nachzuholen und sich auf morgen vorzubereiten. Obwohl wir vor Terceira noch soviel Wasser gemacht haben, dass unsere Tanks voll sind, sind nun allein durch die Sonne unsere Batterien auch schon wieder voll. Und das, obwohl wir ja rund um die Uhr die Navigation und den Autopiloten laufen haben. Mit etwas blauen Himmel sind in diesen Breiten 15 bis 25 A Ladestrom immer drin, da müssen wir uns mit nichts einschränken und freuen uns drauf, wenn der Schiffsjunge endlich auch mal den Warmwasserboiler an den Wandler angeschlossen hat. Doch nun backen wir noch schnell ein Brot, denn in den nächsten zwei Tagen wird das wohl so entspannt nicht mehr möglich sein.
Gerade wenn man weiß, dass man in ein Schlechtwettergebiet hineinfährt, dann sehen die dunklen Abendwolken gleich noch etwas bedrohlicher aus. Sicherlich sind das tatsächlich auch schon die ersten Vorboten dessen, was da morgen auf uns zukommt. Und obwohl das alles ja noch mehr als 12 Stunden hin ist, mustert man den Abendhimmel besonders kritisch. Wenn man mal von den aufziehenden Wolken absieht, deutet allerdings nichts wirklich daraufhin, dass sich etwas ändert. Zum Sonnenuntergang gegen 22:00 liegt der Wind immer noch zwischen 10 und 13 kn aus Westnordwest, wie schon den ganzen Tag über. Und macht noch keine Anstalten recht zu drehen. Zudem zeigt unser Barograph eher steigenden als fallenden Druck an. Das Einzige, was vielleicht als Indiz herhalten könnte, sind die Wellen, die nun aus Nordwest einlaufen und etwas ruppiger und höher geworden sind. Wir sind echt gespannt auf die nächste Vorhersage. Mal sehen, ob sich das alles so entwickelt, wie bisher vorhergesagt.
Um 23:59 loggen wir unser 1. Etmal mit 120,1 sm. 923 sm to go. Ein 5-Knoten-Schnitt ist absolut ok für diesen schönen Tag.
Tag 3, Samstag, 10.06.2023
Unser dritter Tag beginnt gleich nach Mitternacht mit Wetterleuchten und den ersten Gewittern aus dem Schlechtwettergebiet. Zwischenzeitlich frischt es ziemlich auf, aber zum Glück nur zeitweise. Außerdem bleiben die Gewitter noch auf Distanz, was hoffentlich auch so bleibt. Manchmal sehen wir nicht nur ein Leuchten, sondern auch Blitze, aber die sind so weit entfernt, dass uns der Donner nicht mehr erreicht. Gewitter sind mit das Unangenehmste auf dem Wasser, auch weil man ja als Segler ständig mit einem langen Blitzableiter über die flache See segelt. Ein blödes Gefühl.
Pünktlich für das Gefühl, hier draußen nicht ganz allein zu sein, kommt von hinten ein Franzose auf. Bisher haben wir seit unserem Start noch nicht einen einzigen Mitsegler gesehen. Geteiltes Leid ist hoffentlich auch halbes Leid 🙂! Vielleicht hat der ja sogar auch einen längeren Blitzableiter dabei 😂!
Kurz darauf schiebt sich ganz langsam der Halbmond über die schwarze Wolkenwand. Nun kann man gut sehen, wo die Gewitter drinstecken. Wir luven etwas an, gehen also einige Grad mehr nach Norden, um zwischen uns und die Gewitterfront etwas mehr Abstand zu bekommen. Die scheint nach Osten zu ziehen und von Westen scheint nichts Neues nachzukommen. Aber mal ganz abgesehen davon. Der Halbmond über der schwarzen und nach oben ausgefaserten Wolkenwand sieht einfach toll aus. Es ist zu schade, dass man auf einem schwankenden Schiff keine Nachtaufnahmen machen kann.
Die Wettervorhersage vom Morgen bringt im Prinzip nichts Neues. Gegen Mittag soll es ordentlich zunehmen und die nächsten 24h werden wir dann recht viel Wind haben. Im Mittel so um die 20 bis 25 kn. Und danach segeln wir wohl ziemlich direkt in das sich auffüllende Tief und versuchen, nicht in seinen Westteil mit dem Nordwind zu geraten. Das werden unruhige 24 h mit wenig Schlaf.
Die Nacht war klapperkalt. 14° sind ja auch schon bei einem leichteren Wind nicht wirklich viel. Noch haben wir die Heizung nicht angemacht, aber draußen halten wir uns immer nur mal für einen kurzen Rundumblick auf. Dann geht’s schnell wieder rein und Türen zu. Jetzt am Vormittag sind es immerhin schon 17 °C, aber ohne Sonne im Cockpit ist das auch eher nur etwas mit Sweatshirt und Fleecejacke.
Um 12:30 nimmt der Wind ziemlich schnell auf 20 kn zu und eine halbe Stunde später beginnt es zu regnen. Das erste Starkwindfeld hat uns. Es soll zwei geben. Das zweite erreicht uns dann in der Nacht. Auch der Druck tut, was wir von ihm erwarten. Er fällt. Bis dahin hatten wir eigentlich einen schönen sonnigen Vormittag. Doch nun ist es nicht nur mit dem Vormittag vorbei.
Der Franzose hat uns inzwischen hinter sich gelassen, dafür leistet uns nun ein Norweger Gesellschaft. Da waren wir wohl nicht die einzigen, die das Wetter als Fenster gesehen haben, um aufzubrechen. Allerdings sind wir mit unseren 11,5 m die Langsamsten und werden nach hinten durchgereicht. 15 m laufen schon entscheidend schneller. Der Franzose und der Norweger sind durchweg gut 1,5 bis 2 kn schneller.
Ein Vorwindkurs und Regen passen nur schlecht zueinander. Wir verkriechen uns im Decksalon und machen die Türen und sogar auch das Schiebeluk zu. Die Wellen sind inzwischen ansehnlich hoch geworden und laufen von achtern backbord ein. Gut, dass unsere Mägen inzwischen so einiges gewohnt sind. In den Schauern geht es hoch bis 25 kn. Das ist vor dem Wind mit ungerefftem Groß gerade noch so machbar. Falls es noch mehr wird und wir reffen müssen, haben wir uns schon mal die Segelhosen angezogen, dann brauchen wir nur noch die Jacken und Schwimmwesten anzuziehen. Draußen schüttet es erbärmlich.
Gegen 15:30 haben wir stehende 25 kn mit Böen um die 30 kn. Nun sieht der Atlantik schon nicht mehr ganz so freundlich aus. Die Wellen haben im Mittel wohl 2,5 m und immer wieder haut uns die ein oder andere Große aus dem Kurs. Das Groß haben wir inzwischen im ersten Reff und die Vorsegel sind ganz eingerollt. Das ist ein bequemes und vor allem ruhiges Segeln. Das Groß schlägt und zickt nicht so herum, wenn uns die Wellen hin und her schubsen. Wir laufen 6 bis 7 kn, in der Spitze auch mal deutlich mehr. Es ist unruhig bis ungemütlich, aber unsere dicke Erna macht sich wirklich gut unter diesen Bedingungen. Wir warten darauf, dass der Wind endlich mal recht dreht, wie es sich im Süden eines Tiefs für den Wind auch gehört. Doch die Drehung lässt auf sich warten und vor dem Wind laufen wir mit dem Südwest eigentlich viel zu nördlich. Immer wieder schüttet es wie aus Eimern. Um uns herum sieht das dann fast wie Nebel aus.
Gegen 17:00 klart es hinter uns etwas auf und es kommen sogar einige Sonnenstrahlen zwischen den Wolken bis zu uns durch. Der Wind nimmt etwas ab und dreht endlich auf Westnordwest. Innerhalb von erstaunlich kurzer Zeit werden auch die Wellen kleiner. Wir gehen höher an den Wind und nehmen bei 17 bis 20 kn wieder einen kleinen Fetzen der Genua hinzu. Mit den etwas moderateren Wellen läuft es ruhiger. Wir schlafen abwechselnd mal eine Stunde. Echtes Vorschlafen ist das aber nicht. Die Nacht wird sicher recht heftig werden, viel Schlaf werden wir da nicht bekommen.
Inzwischen hat sich noch ein weiterer Franzose zu uns gesellt. So geht es zu dritt weiter.
Gegen 19:00 geht das Theater dann wieder richtig los. Der Wind nimmt zu und die Wellen lassen sich das auch nicht zweimal sagen und machen gleich mal wieder richtig Alarm. Das Schreiben dieses Blog ist schon so eine Nummer. Verkeilt in der Sitzecke versuche ich, wenigstens halbwegs flüssig zu schreiben. Dieses Geschaukelt geht einem ehrlich gesagt auch auf die Birne, wahrscheinlich kann man das an der einen und auch anderen Stelle dann auch »rauslesen«. Astrid schläft noch, mal sehen, wie wir durch die Nacht kommen.
Hier draußen sind wir immer noch zu dritt. Obwohl unsere dicke Erna die kleinste und langsamste ist, hält sie gut mit. In jedem Fall segeln wir wohl noch am trockensten 😂. Hinter uns sieht es ungut aus, aber der Luftdruck steigt schon wieder. Die Wellen haben nun gut 2,5 bis 3 m und der Wind liegt zwischen 20 und 25 kn. In Böen auch mal bei 30 kn.
Kurz nach Sonnenuntergang und noch in der Dämmerung kommt eine riesige Horde Delphine bei uns vorbei. Sie springen überall um uns herum. Immer gleich mehrere, wie beim Wasserballett. Es sind mindestens 50 Tiere, wenn nicht mehr. Die Kämme der hohen Wellen brechen sich. Sie haben gut 3 m, manchmal auch mehr. Die Delphine springen aus der Vorderseite der brechenden Wellen. Unglaublich! So etwas haben wir noch nie gesehen. Vielleicht sieht man so etwas auch nur einmal, auch weil man bei so einem Wetter ja eigentlich auch gar nicht unterwegs sein möchte.
Die Nacht fällt pottenschwarz über uns her. Und es bläst unablässig mit 25 bis 30 kn weiter. Der Wind ist dennoch nicht wirklich das Problem, da haben wir inzwischen eine gute Abstimmung gefunden. Doch die Wellen sind schlimm. Gerade in den Starkwindphasen über 30 kn legt es uns doch immer mal wieder sehr bedenklich auf die Seite oder haut uns komplett aus dem Kurs, weil uns eine der großen Wellen einfach herumdreht. Bisher gab es keine wirklich bedenkliche Situation, auch wenn es uns bis zu 45° aus dem Kurs gedreht hat. Der Autopilot reagiert schnell und zuverlässig. So ein Wetter ist anstrengend.
Inzwischen haben wir sogar vier Mitsegler. Zu dem Norweger und dem Franzosen haben sich noch ein Belgier und ein Holländer gesellt. Das ist schon unglaublich, auch damit hätten wir nie gerechnet. 5 Segler in einem Radius von 10 sm. Und dies für Stunden. Irre!
Am Ende beflügelt so etwas aber auch das gute Gefühl, dass man nicht allein mit seiner Entscheidung war aufzubrechen. So ganz unabhängig ist man ja in seinem Tun doch auch nicht.
Unseren Nachtwachenrhythmus halten wir für diese Nacht nicht ein. Der Wind und die Wellen lassen einen eh nicht richtig schlafen und jeder von uns will den anderen auch nicht allein mit seiner Wache lassen.
Um 23:59 loggen wir unser 2. Etmal mit 138,8 sm. 800,0 sm to go. Es ist ein heftiger Ritt und er geht weiter.
p.s.
Wahrscheinlich hat das Senden unserer Trackpunkte heute zeitweise nicht geklappt. Der Garmin hatte Aussetzer, das sollte er nun aber alles nachgeholt haben. Kein Grund zur Sorge, uns geht es prima, auch wenn inzwischen die Augen ziemlich quietschen.
Unsere Position am 10.06. um 23:59
41° 55′ 54,9″ N, 021° 04′ 05,8″ W