Zu unserem Rückflug starten wir früh in der Marina, um nicht zu sagen, sehr früh bzw. äußerst rechtzeitig früh. Ja sogar eigentlich wesentlich rechtzeitiger als rechtzeitig. Das hat auch einen Grund bzw. eigentlich eher zwei. Erstens müssen wir mit dem Bus zum Shannon Airport und in Ennis umsteigen und zweitens ist die Capitana immer etwas verspannt, wenn es darum geht, irgendwelche Busse oder Flieger zu erreichen. Als wir in Kilrush noch eine Stunde an der Bushaltestelle warten müssen, gesteht die Capitana, dass sie vielleicht doch etwas großzügig mit dem Zeitpuffer um sich geworfen hat. Aber sie legt auch gleich das Argument in die Waagschale, dass es eben auch wesentlich schöner ist, mit einer entspannten Capitana zum Flughafen zu fahren, als mit … nun ja, oder etwa nicht? Jeder Widerspruch verbietet sich an dieser Stellen von selbst, denn da hat die Capitana absolut recht und deswegen hat sich der Schiffsjunge für solche Planungen auch selbst ein Schweigegelübde auferlegt.
Der Bus kommt und wir zockeln die nächsten 50 Minuten durch die grünen Wiesen und Felder Irlands bis nach Ennis. Hier haben wir eigentlich noch einmal 50 Minuten Aufenthalt, aber direkt nebenan wartet noch der Bus nach Limerick, der auch über Shannon Airport fährt. Unser Flieger geht um 22:50. Es ist der letzte Flieger, der heute überhaupt noch von Shannon startet. Auf der Anzeige für das Gate steht: »wait, shop and relax«. Geschafft, dazu haben wir noch ausreichend Zeit und die Capitana beginnt sofort mit der dritten Empfehlung, denn »wir« sind ja nun da und der Flieger eben noch nicht. Nachdem wir einen Blick auf die Preise des Duty-Free-Angebots geworfen haben, verzichten wir auf das »shop« und verbringen die restliche Zeit bis 23:50 mit »wait«, denn unser Flieger hat Verspätung, was sich im Nachhinein als Glücksfall herausstellt, weil diese Verspätung unsere Wartezeit in Stansted verkürzt.
Als wir in Stansted landen, machen wir einen Fehler, den wir zukünftig zu dieser nachtschlafenden Zeit nicht mehr machen werden. Wir verlassen den Baggage-Claim-Bereich und versuchen, direkt in den Departure-Bereich zu wechseln. Aber der ist leider bis 2:00 komplett geschlossen und abgezäunt. Überall im Arrival-Bereich liegen und sitzen hunderte von Wartenden auf dem Boden. Viele schlafen neben oder auf ihren Koffern. Jedes Eckchen ist besetzt, von den Tischen und Stühlen der Bars und Coffee-Shops ist unter den Menschenmassen kaum noch etwas zu sehen. Alles ist verrammelt und verschlossen. Was nun, und vor allem, wohin nun? Wir sind etwas ratlos. Zwischen den Schlafenden sind nur schmale Gänge geblieben, über die die Neuankommenden den Flughafen versuchen zu verlassen oder Transitreisende wie wir ratlos herumlaufen, um doch noch ein Plätzchen zu finden. Hätten wir das vorher geahnt, wären wir im Baggage-Claim-Bereich geblieben. Dort gab es noch freie Sitzmöglichkeiten, weil alle Neuankömmlinge mit ihrem Gepäck gleich weiterziehen. Aber ein zurück gibt es nun nicht mehr. Das nächste Mal sind wir schlauer. Da wir uns nicht auch noch in den Dreck auf dem Fußboden setzen wollen, gehen wir raus und finden zwischen zwei Raucherbereichen ein freies und halbwegs erträgliches Plätzchen, wo wir noch eine Stunde stehend warten können. So hatten wir uns das nicht ganz vorgestellt.
Als um 2:00 der Departure-Bereich geöffnet wird, sind wir schlauer. Es geht zack rein und gleich flugs durch den Security-Check. Es hat sicher Vorteile, als erste in einen wiedereröffneten Bereich zu kommen. Zunächst kommen wir aber auch hier nicht viel weiter, denn kurz hinter dem Security-Check ist immer noch alles geschlossen und abgesperrt. Aber hier ist es noch so sauber, dass wir uns auf den Fußboden setzen können. Kurz vor 3:00 wird der Durchgang durch die Duty-Free-Shops geöffnet. Wir können weiter und finden tatsächlich eine freie Bank. Um 5:55 geht unser Flieger, wir müssen noch 3 Stunden warten. Ungemütlicher und umkomfortabler geht es kaum. Irgendwann öffnet der erste Coffee-Shop. Er bleibt bis 5:00 der erste und einzige und macht in dieser Zeit wahrscheinlich 80% seines Tagesgeschäfts.
Dann dürfen wir boarden und dieses bekloppte Theater von Ryanair um Priority oder eben Non-Priority gleicht sofort wieder verblüffend einer Satire aus der Intensivstation. Die Priority-Fluggäste müssen (!) unbedingt auf der rechten Seite eines schrabbeligen Metallständers vorbeigehen und die Non-Priorities dann später eben auf der linken. Regelbrüche werden nicht geduldet, Irrläufer müssen zurück und auf ihrer richtigen Seite durchgehen. 50 cm hinter dem Schrabbelständer dürfen dann beide Sorten von Fluggästen entweder rechts oder links zu den Damen der Ticketkontrolle. Aber nur, wenn der Hinwegweg auch wirklich der richtige war, sonst gibt es eine Strafrunde, wie beim Biathlon. Doch in Stansted haben die Priority-Gäste Glück, denn sie müssen nicht als erste raus in den Regen wie in Porto, sondern dürfen auf der Treppe zum Busausgang warten. Die Non-Priorities dahinter haben oben noch die Möglichkeit, sich wieder auf Bänke zu setzten. Dann geht es in den Bus. Erst die Priorities, denn wir sind ja schließlich beim Priority-Boarding, dann die Non-Priorities. Das führt allerdings dazu, dass die Non-Priorities auch als erste wieder aus dem Bus aussteigen, last in first out, wer hätte das gedacht? Diesen Umstand der größten Unordnung hat man allerdings bei Ryanair noch nicht bemerkt, sonst hätte man sicher vor dem Flieger noch einmal so einen schrabbeligen Metallständer aufgestellt, um in das Durcheinander der Gäste, die absolut keine Ahnung von priorisierter Ordnung haben, ein letztes Mal so etwas wie Ordnung zu bringen.
In Hamburg angekommen, stolpern wir quasi direkt am Ausgang in die Autovermietung, von der wir nun für 10 Tage ein Auto gemietet haben. Ja, eigentlich haben wir ja noch Henriette, unseren kleinen feuerroten Mini. Aber die unglücklichen Fügungen wären eben nicht unglücklich genug, wenn unser Mini nun auch einfach so einsatzbereit wäre. Er ist in Reparatur und wir bekommen ihn erst am 12ten wieder. Und da in Deutschland trotz des 49 Euro-Tickets, was ja eigentlich gar kein Ticket ist, sondern ein monatliches Abo, ein Mietwagen immer noch billiger ist, als das ganze Theater mit dem öffentlichen Verkehrsmitteln, haben wir eben einen Mietwagen genommen.
Gegen Mittag sind wir dann zuhause, die Augen quietschen inzwischen ziemlich, aber nun ist es geschafft.
Ach je, nun noch ein Resümee
Ein Resümee unseres Atlantik- und Karibik-Abenteuers ist ebenso schwer wie leicht. Das liegt auch daran, dass unsere Gefühle auch im Rückblick noch ziemlich gemischt sind. Die Frage, was das Schönste und Tollste war, ist nicht einfach mit einem Erlebnis zu beantworten. Wir sind immerhin innerhalb von 6 1/2 Monaten gut 7.100 Seemeilen gesegelt und wir haben zweimal den Atlantik überquert. Allein das hat eine Größenordnung, auf die wir selbst immer noch etwas erstaunt zurückblicken. Das fühlt sich tatsächlich etwas unwirklich an. Haben wir das wirklich gemacht?
Am Stück betrachtet, muten dieses Strecken unglaublich an. Wenn wir unsere Blogs noch einmal lesen, bricht die Zeit herunter, die einzelnen Erinnerungen werden wieder lebendig, wir sind schnell wieder mittendrin und alles erscheint gar nicht mehr so groß. In Summe sind die großartigen Erlebnisse einer echten Langfahrt wohl auch der eigentlich herausragende Punkt diesen Jahres. Es ist nicht der Punkt, es gemacht zu haben, auch nicht der Punkt, heile angekommen zu sein, oder die berechtigte Zufriedenheit, es tatsächlich geschafft zu haben, was ja durchaus nicht ganz so selbstverständlich ist. Es ist dieses unendliche Gefühl der Freiheit, einfach von einem Kontinent zum anderen zu segeln. Tage, Wochen, ja machmal auch etwas mehr. Einfach so, zu über 94% nur unter Segeln, über die schier unendlich anmutenden Weiten des Atlantiks, mit dem Wind und dem Wetter, das es gerade so gibt, und mit allen technischen Widrigkeiten, die wohl leider auch unvermeidbar sind.
Wir beide haben das zusammen gemacht und geschafft. Die Welt ist kleiner geworden, weil unsere Segelwelt größer geworden ist. Bis dieses Jahr standen echte Langschläge noch als die große Unbekannte vor uns, nun haben wir zusammen gleich mehrmals etwas mehr davon gesehen. Die Hinfahrt, die eigentlich mit Abstand einfacher sein sollte als die Rückfahrt, hat uns mit dem Bruch des mittleren Backbordwants gezeigt, wie schnell sich ein Blatt wenden kann. Doch andererseits haben wir uns selbst helfen können. Das lässt das Selbstvertrauen wachsen, wobei man nicht vergessen darf, mit welch fragiler Nussschale man eigentlich auf dem riesigen Atlantik unterwegs ist. Vor der Rückfahrt hatten wir den größten Respekt. Zusammengenommen waren wir für dieses Stück immerhin fast 34 Tage auf See. Das ist nicht eben wenig, gerade auch, weil das Wetter ja schon immer launischer wird, je weiter man wieder nach Norden kommt.
Blicken wir nun zurück, juckt es schon wieder, solche Distanzen noch einmal anzugehen. Und wenn es nach unseren Ideen geht, wird es auch nicht unsere letzte Atlantiküberquerung gewesen sein. Eher im Gegenteil, wir freuen uns schon auf den eher einfachen Teil, von den Kanaren wieder rüberzufahren. Auch um der Karibik noch einmal eine Chance zu geben, aber doch eher, um über die Karibik noch einmal unsere Nordamerikapläne aufleben zu lassen. Die Karibik wird also noch einmal ihre Chance bekommen, aber wir nehmen sie nicht als Ziel, sondern als Transit. Bisher können wir nur sagen, dass wir die Karibik absolut überbewertet sehen und wir den Hype um sie nicht so recht verstehen. Natürlich ist die Karibik für die Amerikaner und Kanadier genauso das warme Urlaubsziel, wie für die Europäer das Mittelmeer. Aber diese Überhöhung, die in Deutschland anscheinend zum guten Seglerton gehört, hat sich wohl doch jenseits des Realen etwas verselbständigt. Aber ganz vielleicht sind wir da ja auch nur etwas komisch 😂.
Aber nun ist die Segelsaison 2023 ja auch noch nicht zu Ende. Wenn wir Ende Juli zurück auf der PINCOYA sind, warten erst einmal Irland und Schottland auf uns, bevor es zurück in die Ostsee und dann in das Winterlager auf Fehmarn geht.