Kilrush


Als wir vor einer Woche unsere Rückflüge nach Deutschland buchten, haben wir uns schon etwas geärgert, dass es keinen früheren passenden Flug gab. Natürlich hatten wir für Kilrush eine ToDo-Liste, aber so lang war die nun auch wieder nicht, dass wir damit gleich eine ganze Woche füllen konnten. Und nun? Nun ist die Woche um und wir haben nicht das Gefühl, dass uns irgendwann auch nur etwas langweilig war.
Als erstes muss sich wohl Amazon gewundert haben, denn nach Monaten hagelte es plötzlich wieder Bestellungen auf unserem Account. Wenn man fast 10 Monate dort unterwegs ist, wo einem zuerst wegen der nicht vorhandenen Auswahl und dann wegen der Preise für die notgedrungenen Kompromisse die Tränen in die Augen schießen, dann landet alles, was irgendwie aufgeschoben werden kann, auf der Shopping-List für den nächsten Heimaturlaub. Mit wenigen Klicks ist diese Liste auch schon abgearbeitet.

„Mittendrin für die nächsten Wochen“

„Mittendrin für die nächsten Wochen“

Und dann kommen die Spezialitäten von der ToDo-List. Wir brauchen eine neue Masteinheit für den Wind bzw. wenigstens ein neues Lager für das Anemometer. Sofern es so etwas überhaupt gibt. Unser Windmesser hat ein mechanisches Problem, wahrscheinlich ist es noch der Wüstenstaub aus der Sahara, den wir auf den Kanaren geschluckt haben. Den braunen Staub sind wir ja bis heute nie wieder richtig los geworden. Segel und Tampen verraten immer noch, wo wir waren. Da haben die Sturzregenspülungen in der Karibik auch nicht viel geholfen. So fragen wir dort an, wo wir damals all den B&G-Kram gekauft haben und schildern auch gleich noch unser Radarproblem. Als Herr Enßlin von On Yacht antwortet, sind wir heilfroh, noch etwas Zeit bis zu unserem Rückflug zu haben. Es gibt nämlich eine 5-Jahres-Garantie von B&G und wir haben nun noch genau 2 Monate. Etwas später im Winterlager wäre das nichts mehr geworden. Nun aber mal schnell. Der Radardom muss zurück und dann bekommen wir einen neuen Halo20. Den zwar nicht umsonst, aber um einiges unter dem Katalogpreis. Und ein Lager für den Windmesser gibt es auch. Glück gehabt.

„Ungeplante Demontage ...“

„Ungeplante Demontage …“

Der Radardom ist schnell demontiert, aber wie nun versenden?!? Unterm Arm können wir den schlecht bei Ryanair mitnehmen. Die Security würde ‘ne Krise bekommen! Also fragen wir Breeda, ob sie vielleicht etwas Verpackungsmaterial hätte, damit wir den Dom nach Deutschland schicken können. Und diese kleine Frage löst eine Lawine von Hilfsbereitschaft aus, die kaum größer sein könnte. Erst wird das Office und dann das Lager durchstöbert, ob sich dort ein passender Karton findet. Als dort nichts zu finden ist, ruft Breeda in der Werft an und fragt dort. Ja, da würde sich sicher etwas finden lassen. Also wird das Office abgeschlossen und Breeda fährt mich mitsamt Radardom in die Werft. Dort angekommen, kramt eine Mitarbeiterin einige Kartons hervor, doch keiner passt so richtig. Also wird Simon mobilisiert, um zu helfen. Er kommt und ich finde mich 10 Minuten später zwischen 7 alten Kartons und etlichem Verpackungsmaterial wieder. Er drückt mir noch einen Cutter und zwei Rollen Packband in die Hand. So bastele ich mir einen passenden Karton und verpacke den Radardom. Ich soll nur Bescheid sagen, wenn ich fertig bin, dann fährt er mich zurück oder gleich zur Post. Ich wähle zurück, weil ich die Adresse von On Yacht nicht dabei habe. Als ich die dann habe und wir mit dem Karton zur Post loszuckeln wollen, stoppt uns Breeda. Natürlich fährt sie uns zur Post, anders geht das ja schon mal gar nicht! Also wird das Büro wieder geschlossen und wir werden zur Post gefahren.

„Verpackt!“

„Verpackt!“

Es ist unglaublich, – unglaublich nett eben. So oder so ähnlich erleben wir das hier in Irland, seitdem wir angekommen sind. Nicht nur, dass man ehrlich daran interessiert ist, wo wir herkommen und was wir erlebt haben, man ist unendlich hilfsbereit. Unser Nachbar bietet uns selbstverständlich an, uns zum Supermarkt zu fahren, wann immer wir wollen, damit wir unsere Einkäufe leichter in die Marina bekommen. Und mit ganz vielen Kleinigkeiten ist das ständig so. So viel ehrliche Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit haben wir noch nie erlebt. Und das alles vollkommen unaufdringlich und absolut selbstverständlich. Wie oft hören wir: My pleasure, that goes without saying.


Als unser Radardom dann verschickt ist und sich ein Problem zu lösen scheint, dass wir eigentlich erst im Winter angehen wollten, geht es an die Bestellung eines neuen Dinghys. Unser altes Gummiboot ist nun wirklich durch, wir brauchen dringend Ersatz. Wir wissen inzwischen auch genau, welches wir haben wollen, aber in Deutschland sind die Sommerferien ausgebrochen und der einzige Händler für 3D Tender macht gerade Urlaub. Irgendwie scheinen 3D Tender sowieso nur in Frankreich eine echte Popularität zu genießen, dort gibt es neben UShip etliche Distributoren, wobei allerdings die meisten nur die wirklich großen Ribs anbieten. Einzig UShip bietet als maritimer Online-Shop auch die kleinen Dinghys an. Wir suchen uns dumm und dämlich, um eine Alternative zu finden, bis wir auf die Idee kommen, einfach mal direkt bei 3D den Verkaufsprozess anzustoßen. Auf der Webpage von 3D sieht das für uns eher nach einer Händleroption aus. Nun sind die Franzosen ja auch nicht gerade die größten WebPage-Designer unter der Sonne, da ist es manchmal schon recht schwierig, aus den Inhalten schlau zu werden. Aber bei 3D kann man schon mal Englisch als Zweitsprache wählen, was für Frankreich ja schon fast ein Alleinstellungsmerkmal ist. Und … der Kaufprozess geht smooth durch. Wir registrieren uns, packen das Dinghy in den Warenkorb, landen bei PayPal und schon wird unsere Bestellung bestätigt. Hmm … das ging jetzt wirklich ziemlich glatt, vielleicht zu glatt, wer weiß das schon. Doch vielleicht ist es wirklich so einfach und 3D Tender hat einen echt funktionierenden Direktvertrieb. Das würde auch erklären, warum es kaum Händler gibt. Und nun soll der 3D Tender Fastcat 280 ohne extra Frachtkosten zu uns nach Hause kommen. Einfach so und in ein paar Tagen. Das wäre schon der Hammer, mal sehen, ob die Geschichte auch so einfach zu Ende geht, wie sie nun begonnen hat. Und der 3D Tender Fastcat 280 kostet inkl. der deutschen MwSt. sogar noch 450 € weniger als in der Karibik duty free. Außerdem bekommen wir ihn in orange/white, da müssen wir am Dinghy-Dock zwischen all den grauen Dinghys gar nicht mehr so lange suchen 😂 👍.

Kleiner zeitlicher Vorgriff auf den Shannon Airport:
Als wir gerade aus dem Bus steigen, brummt mein Handy. Eine SMS aus Frankreich, unser Dinghy ist schon unterwegs zu uns und für Donnerstag zur Auslieferung eingeplant. Wow … Was wollen wir mehr? Super!


„Die Hauptstraße zum Hafen“

„Die Hauptstraße zum Hafen“

Da es erst zum Wochenende deutlich ungemütlicher werden soll, nutzen wir die Sonnentage auch für einige kleine und größere Spaziergänge. Wir sind ja keine Wanderer, doch in den 6 Wochen unserer Überfahrten hatten wir eher wenig Bewegung. Auf 11,50 m ist der Auslauf, den man hat, eben nicht wirklich groß. Deswegen nehmen wir auch das nette Angebot unseres Nachbarn nicht wahr, sondern laufen zu SuperValu, Aldi und Tesco. Zum Glück finden wir bei Aldi die englische Variante der Rahmmandel-Schoki. Deutschland ist ja für seine Brotkultur berühmt und jeder weiß, dass Deutsche im Ausland schon etwas unter dem Pappenbrot leiden, das es in erstaunlich vielen schlechten Varianten überall gibt. Doch es gibt ein ähnliches Problem mit Schoki. Schoki ist fast überall unverschämt teuer und ebenso schlecht. Ein Geschmacksdesaster aus Traubenzucker, Milchpulver und einem Hauch von Kakao, um etwas Farbe von Schoki vorzugaukeln. Nun ist die Rahmmandel von Aldi sicher nicht die beste Schoki, die man sich so vorstellen kann, aber im Vergleich zu z.B. Dairy Milk und allem, was man als Schoki-Plagiat in der Karibik bekommen kann, knallt die Rahmmandel einen sofort und ohne Umwege in den siebten Schoki-Himmel. Deswegen plündern wir Aldi. Für jeden Tag 250g, das sollte reichen. 😎🥳😎

„Das Denkmal am Square“

„Das Denkmal am Square“


An unterschiedlichen Tagen drehen wir verschiedene Runden durch Kilrush. Doch irgendwie landen wir jedes Mal wieder bei Crotty’s. Das mag daran liegen, dass Kilrush nicht wirklich groß ist und alle Wege irgendwie zu Crotty’s führen, so wie es damals schon mit Rom der Fall war. Crotty’s ist der Pub am Square, dem unangefochtenen Zentrum von Kilrush.

„Crotty's“

„Crotty's“

„Bei Crotty's“

„Bei Crotty's“

Und Crotty’s ist Kult, wie es nicht irischer kultig sein könnte. Erstens verkörpern die Iren im wahrsten Sinne des Wortes das Motto “everything is possible” und zweitens ist die Pub-Culture schon irgendwie eine nationale Institution. Die frisch frisierte Omi mit Rollator manövriert gezielt durch den Pub zu einem Sofa und der tätowierte Barkeeper mit Armen, wie der Schiffsjunge Oberschenkel hat, trägt ihr geduldig das Pint hinterher. Dickbäuchige Iren diskutieren an der Bar mit Unterstützung mehrerer Guinness die Weltlage. Ein Pärchen bestellt Muscheln und ein Glas Weißwein. Der Rest der Gäste ist ein vollständiger Mix, der kaum bunter sein könnte. In echten Pubs stehen ja immer Sessel und Sofa, oft erinnert das schon eher an ein Wohnzimmer. Es macht Spaß, sich dort hinzulümmeln und das Geschehen um sich herum zu beobachten. Aber es macht auch einen riesigen Unterschied, wenn man die Landessprache kann, da fühlt man sich schon irgendwie heimischer.

„In Kilrush“

„In Kilrush“

„Auf dem Weg ... In Irland gibt es doch auch Wälder.“

„Auf dem Weg … In Irland gibt es doch auch Wälder.“

Etwas außerhalb von Kilrush gibt es den Walled Garden der Vandeleurs. Die Vandeleurs waren eine Gutsherren-Dynastie, die Kilrush mit viel Gutem und einem wirtschaftlichen Aufschwung geprägt hat. Doch die letzte Generation der Vandeleurs in Kilrush ist während der Hungersnot durch Vertreibung der Landbevölkerung absolut in Ungnade gefallen. Wohl auch in diesem Zuge ist damals das alte Gutshaus in Flammen aufgegangen, aber nach Jahrzehnten des Verfalls hat man begonnen, den alten Gutsherrengarten wiederzubeleben. Eben den Walled Garden, der so heißt, weil er von einer Mauer umgeben ist. Der ist nun kein so spektakuläres Ausflugsziel wie einige der britischen Schlossgärten, aber eben doch das Ausflugsziel in Kilrush.

„Der Walled Garden“

„Der Walled Garden“

„Gartenpause“

„Gartenpause“

Wir wandeln durch den Garten und sitzen etwas in dem Cafe, dort, wo einmal das Guthaus gestanden haben muss. Danach gehen wir herunter zum Meer ins Cappa Village, dem alten Dorf an der ursprünglichen Pier, in dem heute noch die Lotsenstation ist und das Lotsenboot an der alten Pier liegt. Mehrmals kommen wir ins Gespräch. Natürlich sieht man uns an, dass wir keine Locals sind und die Offenheit, mit der man uns anspricht, ist schon erstaunlich. Aber ins Gespräch zu kommen ist auch einfach, denn jedes Gespräch beginnt mit dem Wetter.

„Auf dem Weg nach Cappa Village“

„Auf dem Weg nach Cappa Village“

„Cappa Village“

„Cappa Village“

In der Kilrush Marina
52° 38′ 03,6″ N, 009° 29′ 41,2″ W