Nachdem mit den neuen Wettermodellen am Donnerstag dann doch die Vernunft gesiegt hat, überlegen wir, wie wir in Praia da Vitória am besten tanken können. Die Tanke ist gut 1,5 km entfernt und wir brauchen rund 120 l Diesel. D.h. sechs 20l-Kanister und dreimal laufen. So kann man auch seine Fitnesskilometer zusammenbekommen 🙄. Dazu kommen dann noch die Strecken mit unserem Gummiboot und die Zeit zum Tanken selbst, da ist ein Tag gut ausgefüllt.
Aber leider ist unsere Sackkarre inzwischen genauso in die Tage gekommen wie unser Gummiboot. Die Lager der Räder sind vollkommen ausgeschlagen. Ob die auf den gepflasterten, portugiesischen Fußwegen noch einmal 3 Touren mit gefüllten Kanistern durchhalten, ist wenigstens fraglich. Also beschließen wir, erst einmal einzukaufen und vorher beim China-Mann vorbeizugehen, um eventuell irgendetwas zu finden, mit dem wir uns behelfen könnten. Einen oder zwei China-Shops gibt es ja in jedem größerem Dorf ebenso zuverlässig wie in Deutschland eine Dönerbude.
Doch leider hat der China-Mann in Praia da Vitória keine Sackkarren, sondern nur einige große Reisetrolleys und recht fragil wirkende Marktroller. Die sehen nicht gerade danach aus, dass sie auch nur einmal den Weg zur Marina mit zwei 20 l-Kanistern schaffen werden. Aber der China-Mann hat ein großes Sortiment an Rädern aller Art! Davon könnten welche passen. Doch leider haben wir kein altes Rad als Muster dabei. Also gehen wir erst einmal zu Continente um einzukaufen, und beschließen, später noch einmal wiederzukommen, um nach passenden Rädern zu schauen, mit denen wir unsere alte Sackkarre vielleicht neu »besohlen« können. Doch auf dem Weg zum Einkaufen kommen wir an einer Art Baumarktgartencenter vorbei. Und wer Rasenmäher hat, der könnte eben auch Sackkarren haben. Also rein! Und tatsächlichen finden wir in der hintersten Ecke exakt so eine klappbare Sackkarre, wie wir sie schon haben. Dieses Modell ist wahrscheinlich einer der Verkaufsschlager des weltweiten China-Exports und wird in 1.234 verschiedenen Farbvarianten unter 4.321 verschiedenen Brandings in der internationalen Sackkarrenfabrik von Guangzhou hergestellt. Der Plan ist ebenso schnell gefasst, wie wir mit diesem »Einzelstück« an der Kasse sind. Mit den Rädern vom China-Mann reparieren wir die alte Sackkarre und zusammen mit der neuen Sackkarre müssen wir nur noch zweimal laufen. 👍 Das könnte den entscheidenen Time Slot für einen Mittagsschlaf bringen 🥱 😴.
Auf dem Rückweg treffen wir in der Marina die Engländer, mit denen wir taggleich in Horta angekommen sind. Sie wollten eigentlich auch am Freitag aufbrechen und über die Bretagne zurück nach England segeln. Die beiden haben aber auch ihren Start wegen des Tiefs verschoben, dass sich nun im Süden von uns zusammenbraut. Auch wenn so eine Wettersituation ja doch recht eindeutig ist, ist es dennoch ganz schön, wenn man Segler trifft, die unabhängig von einem selbst die Lage ähnlich einschätzen.
Der Freitag vergeht mit der Reparatur der alten Sackkarre und dem Tanken. Das Wetter ist phantastisch.
Im Südwesten vertieft sich zwar das Tief weiterhin munter, aber noch ist das alles weit weg. Nun hätte dieser Freitag eigentlich unser Starttag sein sollen. Die Sonne scheint und es weht ein leichter Segelwind. Das alles fühlt sich schon etwas surreal an. Doch alle Vorhersagen bleiben eindeutig. Auch vor Praia da Vitória werden wir ordentlich einen auf die Mütze bekommen. Die Frage ist nur, aus welcher Richtung der Wind genau weht, wenn er sein Maximum erreicht, und wie gut uns dann im Norden der Berg mit dem Jesus schützt.
Abends läuft ein Segler aus. Oranges Sturmsegel und alles auf Schwerwetter getrimmt. Warum man so etwas macht, wo doch alle Vorhersagen nun wirklich auf Sturm mit Böen bis 55 kn stehen, ist uns nicht ganz klar. Sie gehen Kurs Nordost, also Europa Festland. Da muss man schon sehr triftige Gründe haben, um so etwas zu machen.
Der Samstag vergeht dann mit einem Bastelverbot, wunderbarstem Sommerwetter, Kaffee und Kuchen und einem langen Spaziergang. Ich habe Geburtstag. Eigentlich wäre dies mein erster Geburtstag auf See gewesen, aber so gemütlich und sommerlich ist das auch ein wunderbarer Ersatz.
Es ist merkwürdig, bei so ruhigem Wetter auf den Sturm zu warten, der uns dazu gebracht hat, umzuplanen. Zudem scheint die Serie von Tiefdruckgebieten, die dieses Jahr die südliche Route in Richtung der Azoren bevorzugen, nicht abzureißen zu wollen. Es bleibt spannend, wie wir hier nach dem Sturmtief, dass uns nun am Dienstag treffen soll, elegant wegkommen. Doch das Wegkommen ist nur das eine. Da wir ja deutlich länger unterwegs sein werde, als die Vorhersagen das Wetter verlässlich prognostizieren können, stellt sich nach dem Wegkommen schon gleich die Frage, wie es dann weitergeht. Etwas Glück werden wir brauchen.
Da der Ruhemodus von meinem Geburtstag auch gleich noch auf den Sonntag überspringt, müssen wir am Montag nun wirklich einkaufen gehen. Wir wollen ganz gerne vorbereitet sein, wenn das Sturmtief durch ist, um möglichst gleich in seinem Rücken starten zu können.
So können wir unsere Einkäufe nicht noch länger vor uns herschieben, denn schon in der Nacht zum Montag verabschiedet sich das schöne Wetter klammheimlich und es wird windig und regnerisch. Doch wir haben Glück, unsere Einkäufe bleiben trocken. Erst 15 Minuten, nachdem wir alles unter Deck haben, beginnt es wieder zu pladdern. Diesmal vakuumieren wir konsequent alles, was wir nicht direkt im Verbrauch haben. Wir machen auch den Versuch, auch Brie und Camembert einzuschweißen. Mit Gouda-ähnlichem Käse geht das ja wunderbar und selbst, wenn man den dann nicht einfriert, hält sich vakuumierter Käse ja doch entscheidend länger. Aber »Versuch macht eben auch kluch« 😂 … Der Reifeprozess von Brie und Camembert lässt sich durch Vakuumieren weder stoppen noch verzögern und geht nahtlos in einen ekeligen Gammelprozess über. Das, was sich nach einer gewissen Zeit in dem verschweißten Beutel befindet und früher einmal Camembert gewesen sein soll, entsorgen wir auf halbem Weg nach Irland dann doch lieber, ohne noch eine Geschmacksprobe zu nehmen 🫢.
Montagabend fallen die ersten 20er Böen über uns her. Das ist nicht eben viel, aber der französische Katamaran beginnt schon mal zu rutschen. Da das Ganze mit eher östlichen Winden beginnt, liegen wir dem französischen Katamaran leider etwas im Weg. Uns bleibt nur die Hoffnung, dass der Wind schneller dreht als der Franzose rutscht.
Auf dem Katamaran ist eine junge Familie mit zwei kleinen Kindern. So fürchterlich viel Ankererfahrung scheinen die beiden nicht zu haben. Als der Wind später am Abend tatsächlich etwas auf Nord dreht, trennen uns je nach Drehung nur noch 25 bis 30 m. Begonnen haben wir unseren Tanz mit mehr als 60 m Abstand. Aber mit der Norddrehung sieht es nun danach aus, dass er knapp an uns vorbeiziehen wird. Doch der Franzose scheint das alles recht gelassen zu sehen oder hat schlicht keine Idee, was er machen kann. Wir wissen es nicht, zumindest schaut er immer wieder lange auf seine Ankerkette und scheint dann doch die Hypnosetechnik zu bevorzugen, statt etwas mehr Ankerkette zu stecken.
Wir lassen wie immer unseren Track auf der Seekarte einfach weiter laufen. Damit sieht man sehr schnell, ob man rutscht oder fest liegt. Seitdem wir unseren Anker eingefahren haben, liegen wir exakt auf unserem Kettenradius von 42 m. Eigentlich genießen wir das Ankern bei schlechtem Wetter und viel Wind. Das klingt vielleicht etwas merkwürdig, hat aber tatsächlich etwas Gemütliches, wenn man sich das richtige Plätzchen dafür ausgesucht hat. Vielleicht ist es so ähnlich wie in einem Haus an der Küste, wenn der Wind um die Ecken heult und der Regen an die Fenster klatscht. Doch wenn man von rutschenden Nachbarn bedrängt wird, hält sich die entspannte Gemütlichkeit dann doch in Grenzen.
Der Dienstag beginnt erstaunlich ruhig. Der Wind hat zwar auf Nordnordwest gedreht, doch die Böen haben nachgelassen. Die Drehung ist gut, nun liegt der Franzose hinter uns. Erst mittags geht es richtig los, wobei wir eigentlich mehr erwartet haben. Einige Böen knabbern an der 30-Knotenmarke, doch hinter dem Jesus-Berg liegen wir wirklich gut geschützt.
Ab Mitte der Einfahrt, also gut zwei- dreihundert Meter hinter uns, und auf der anderen Seite der Bucht sieht das allerdings etwas anders aus. Da die Molen vor Praia da Vitória etwas versetzt sind, laufen von Nordosten recht heftige Wellen in die Bucht. Doch direkt vor dem Strand von Praia da Vitória liegen wir gut in der Wellenabdeckung der Nordmole. Da der Katamaran immer noch rutscht, nun aber in Richtung Einfahrt unterwegs ist und sich unser Abstand beständig vergrößert, stecken wir mal 50 m Kette. Sicher ist sicher, damit liegen wir auch bei noch mehr Wind bestens.
Vor dem Strand in der Mitte der Bucht brechen sich die Wellen recht beeindruckend. Der Wind reißt die Schaumkronen von den Wellenköpfen und lässt die Gischt immer wieder malerisch nach hinten auswehen. Besonders die großen Brecher ziehen einen breiten und meterlangen Gischtschweif hinter sich her. Der Wind legt gar nicht so sehr zu, aber Stunde um Stunde werden die Wellen höher. Einige der Burschen sind wirklich hoch, doch nur ab und zu reflektiert mal ein etwas höherer Schwell bis zu uns auf unseren Ankerplatz. In der Marina scheint es unruhiger zu sein.
Die ganze letzte Woche wurde das Marinabecken fleißig ausgebaggert und der Sand LKW für LKW wieder in die Mitte der Bucht gefahren. Der Strand dort hatte schon wieder gut 50 bis 100m Breite erreicht. Doch das ist wohl eine echte Sisyphos-Arbeit, denn nach dem Dienstag ist der komplette Sand wieder zurück im nördlichen Teil und im Marinabecken. Da können sie gleich morgen wieder von vorn beginnen. Das ist ein kriesensicherer Dauerjob.
Irgendwann verhakt sich der Anker des französischen Katamarans. Die Ankerhypnose der letzten Stunden scheint Früchte zu tragen 😂! Insgesamt trifft uns das Tief auf Terceira aber nicht so hart wie vorhergesagt und wir beginnen mit unseren Vorbereitungen und dem Vorkochen. Die ersten Tage werden absehbar recht ungemütlich werden, da ist es gut, wenn man nur etwas warm machen muss.
Der Mittwoch beginnt dann ruhiger, aber die Wellen sind nach wie vor hoch. Außerdem hätten wir gerne noch etwas mehr West in dem Nordwind. Grundsätzlich würden wir schon gerne gleich morgen am Donnerstag starten. Dann sollten sich auch die Wellen noch etwas gelegt haben.
Doch die Gesamtwetterlage und auch deren vorhergesagte Entwicklung ist schon recht bescheiden. Es wird nicht so einfach werden, geradewegs nach Irland zu segeln. Was bis gestern noch nach einer halbwegs konstanten Wetterentwicklung mit einem nach Norden abziehenden Tief aussah, ist nun schon wieder ziemlich fragmentiert. Einzelne kleinere Tiefdruckentwicklungen sollen irgendwie im östlichen Atlantik herummeandern. Mal sehen, was das wird. Mit einer halbwegs konstanten Wetterlage hat das alles nicht viel zu tun. Dass unser Zurückkommen so vertrackt ist, hätten wir auch nicht gedacht. Das ECMWF-Modell macht da noch etwas mehr Hoffnung, aber die GFS-Vorhersage ist echt Grütze.
Nachmittags checken wir aus. Das Abendwetter sieht zwar etwas besser aus, aber optimal ist das alles nicht. Mal sehen, – wir werden eh rund 10 Tage unterwegs sein und wenn die ersten 4 Tage schon mal Grütze sind, dann werden sich ja vielleicht wenigstens die restlichen Tage von einer besseren Seite zeigen.
vor Anker vor Praia da Vitória
38° 43′ 47,9″ N, 027° 03′ 17,6″ W