Nun haben wir gerade unsere Überfahrtblogs bebildert und es fehlen nur noch die Blogs von Horta und Velas, da drängelt sich aber erst einmal etwas Aktuelles in den Vordergrund, denn für die Azoren-Blogs bleibt nun eh noch genug Zeit. So überspringen wir mal leichtfüßig die bisherigen Azoren, um uns erst einmal unserer Planung zu widmen, der gerade die Luft ausgegangen ist.
Dass ihr die Luft ausgehen könnte, hatte sich schon in den letzten Tagen abgezeichnet. Doch bis Donnerstag früh dachten wir noch, dass wir, wenn wir nur schnell genug sind, dem herannahenden Tief noch entkommen können. Nun sind ja Vorhersagen ab dem vierten Tag eh eher eine Glaubensfrage als in Stein gemeißelt. Doch wenn sich ECMWF und GFS weitgehend einig sind, dann ist solche Einigkeit doch eher verdächtig.
In den Bildern seht ihr unsere geplante Route und das prognostizierte Vorankommen. Da kann man ganz gut abschätzen, was uns am Montag und Dienstag noch erwischt hätte.
Dieses Jahr sind die Gesamtkonstellationen der Hochs und Tiefs ohnehin schon etwas außergewöhnlich bis merkwürdig. Was wohl auch nicht zuletzt dem zunehmend spürbar werdenden Klimawandel zuzuschreiben ist. Das was bisher als verlässlich angenommen wurde, scheint nur noch eingeschränkt zu gelten. Dort, wo früher einmal das Azorenhoch unumstößlich über Monate regierte, bildet sich nun ein Tief mit einem Kerndruck, den man sonst eigentlich nur vom Herbst und Winter aus dem Nordatlantik kennt. ECMWF sagt diesem Tief in seiner letzten Hochrechnung einen Kerndruck von 977 mBar voraus. GFS treibt es zwar nicht ganz so weit, doch das, was sich dort zusammenbraut, kann durchaus recht unangenehm werden.
Aktuell liegen wir auf Terceira vor Praia da Vitória vor Anker. Dem einzigen Ankerplatz auf den Azoren, auf dem man so einen Spaß überhaupt vor Anker abwettern kann. Terceira sollte ja wieder unser Absprunghafen nach Festlandeuropa sein, nur mit dem Absprung hapert es nun etwas. Denn mit so einem Tief im Nacken wollen wir nicht aufbrechen. Es sieht zwar alles danach aus, dass dieses Tief noch ein oder zwei Ehrenrunden über den Azoren dreht, doch auch wenn uns sein Kern auf unserer Fahrt in den Norden nicht einholt, seine Ausläufer und sein Windfeld werden uns erwischen. Und wenn es dann doch nach Norden zieht, was zur Zeit ja auch keiner so recht vorhersagen kann, weil auch der Jetstream ziemlich fragmentiert ist, dann würden wir so richtig einen auf die Mütze bekommen. Das sind keine guten Aussichten, und dieses Risiko wollen wir ohne Not nicht eingehen. Wenn einen so etwas draußen erwischt, weil man eben schon draußen ist und diese Entwicklung nicht absehbar war, dann muss man auch damit klarkommen. Doch die beste Sturmtaktik ist eben die, einen Sturm zu vermeiden. Also bleiben wir zunächst auf Terceira und werden erst später nach Norden fahren.
»Nach Norden« ist bei uns inzwischen auch nicht mehr ganz so vage, wie es sich anhört. Denn als Ziel haben wir uns nun Irland ausgesucht. Upps, Irland, denkt nun der ein oder die andere. Wollten die denn nicht nach Hause? Ja, aber für Irland gibt es im Wesentlichen einen großen und einige kleine Gründe. Der große Grund ist der, dass wir nicht schon im Juni unsere Segelsaison 2023 beenden wollen. Das wäre unweigerlich der Fall, wenn wir direkt nach Deutschland durchfahren würden. Und einer der kleineren Gründe ist der, dass wir eh schon immer mal rund Irland segeln wollten. Deswegen haben wir mal flugs im OCC-Netzwerk gegraben und den Portofficer Simon McGibney gefunden, der zudem auch noch die Kilrush Marina betreibt. Zwei Mails später hatten wir »für einige Wochen im Sommer« einen Marinaplatz, ohne dass wir ein wirklich fixes Datum angeben konnten. Und nun müssen wir nur noch hinkommen. Für irische und englische Verhältnisse ist die Kilrush Marina preiswert, zumal wir als OCC-Members auch noch einen Discount bekommen. Zudem ist die Marina über eine Schleuse abgeschlossen, liegt ziemlich weit drinnen und wir können vom nahen Shannon-Airport preiswert mit Ryanair nach Hamburg fliegen. Was wollen wir mehr?
Und wenn wir dann irgendwann Ende Juli zurückkommen, segeln wir noch etwas um Irland herum, fahren nach Schottland und durch den Caledonian Canal, winken Nessi zu, kreuzen die herbstliche Nordsee, machen vielleicht noch eine Stippvisite in Norwegen, die Blindleia hat uns damals richtig gut gefallen, und entern nach 5 Jahren wieder einmal die heimischen Gewässer der Ostsee.
Doch nun warten wir hier auf Terceira erst einmal ab, wie und wann es weitergehen kann.
Die neuen Vorhersagen bestätigen die alten, so können wir wohl davon ausgehen, dass unsere Entscheidung richtig war. Mit etwas Glück bleibt der ganze Mist etwas weiter östlich, so dass wir es nicht so dicke abbekommen. Mal abwarten …
vor Anker vor Praia da Vitória
38° 43′ 47,9″ N, 027° 03′ 17,6″ W