Busy in Kilrush


Das Paket mit dem neuen Radardom holen wir gleich am Mittwoch von Breeda aus dem Office ab. Und schon am Nachmittag bringt UPS das große Paket mit unserem neuen Gummiboot. Das Wetter ist durchwachsen und es sieht nicht danach aus, dass sich das in den nächsten Tagen ändern wird. Da das Paket mit dem Gummiboot schlicht zu groß und zu schwer ist, um es unter Deck zu bekommen, brauchen wir eine Regenpause, um es auf den Steg zu bugsieren und auszupacken. Da ist etwas Spontanität gefragt. Doch am späten Nachmittag können wir dann dem Regen ein Schnippchen schlagen. Die Regenpause reicht aber nur, um das neue Gummiboot noch schnell auf das Vorschiff zu legen. Dort liegt es dann so zusammengefaltet, wie es aus der Kiste kam, im Regen. Der Aufbau und die Probefahrt müssen noch warten.

„Unsere Pakete kommen nach und nach an.“

„Unsere Pakete kommen nach und nach an.“


Seitdem wir im Juni hier abgereist sind, war das irische Wetter ein einziges Desaster. Normalerweise ist das umgekehrt, aber das sagen wir keinem 😇! Egal, mit wem wir sprechen – und jedes Gespräch in Irland beginnt ja eben immer mit dem Wetter -, immer fallen die Worte »awful, terrible, horrible und dreadful«, und das häufiger als ein Amen durch die Kirche schallt! Die wettererprobten Iren sind ja einiges gewohnt, aber der Juli war wohl selbst den Iren zu viel. Dieser Sommer ist echt außergewöhnlich, nur leider nicht auf die Weise, wie wir es gerne hätten. Der Rat der irischen Insider ist: »Don’t plan, take the opportunity, be spontaneous and fast. And never ever talk about BBQ, the rain will start immediately.«

Diese irischen Ratschläge beherzigen wir bei unseren Vorbereitungen und ignorieren selbst schwärzeste Wolkenwände, die im Westen heranziehen. Und was sollen wir sagen, es hilft. Nicht immer ☔️, aber doch manchmal 😎.

„Unser neues Gummiboot! Auch so eine Farboffensive, grau kann ja jeder 😂😎“

„Unser neues Gummiboot! Auch so eine Farboffensive, grau kann ja jeder 😂😎“

Zuerst bauen wir das neue Gummiboot auf. Und das machen wir diesmal, bevor wir das alte abbauen. Auch im Alter lernt man ja doch manchmal noch etwas dazu 🙂. Und unser neues Gummiboot hält nicht nur die Luft, es hält auch, was es verspricht. Obwohl es nur 10 cm länger ist, wirkt es viel größer. Den Raumgewinn durch das andere Design nehmen wir gerne. Der Hochdruckboden ist superklasse und macht es unglaublich stabil. So etwas kannten wir bisher nur von RIBs. Hinsichtlich der Fahreigenschaften haben die Gummiboot-Designer zwar in den letzten 13 Jahre noch keine Wunder vollbracht, aber der Hochdruckboden scheint den 3D Tender »leichter« fahren zu lassen. Der Spiegel ist allerdings etwas niedrig gelungen, doch da müssen wir mal sehen, wie das mit dem Außenborder passt, das können wir zur Not auch noch ändern. Obwohl der 3D Tender Fastcat 280 auch etwas breiter ist, können wir ihn wie bisher am Heck fahren. Durch die achterlich dickeren Schläuche wirkt es allerdings wuchtiger, speziell am Heck der PINCOYA. Aber daran gewöhnen wir uns schon noch. In jedem Fall ist das neue Gummiboot leichter. Es wiegt 8 kg weniger, was immerhin ein Viertel weniger gegenüber der unserer alten Gummiflutsche ist. Das macht sich sofort bemerkbar und der Capitana entfährt ein spontanes: »Boah, wat is dat denn einfach!« als wir unser »oranges Rettungsboot« am Heck stauen. Und nun sind wir mal gespannt, wie es sich im Alltag so bewährt. Da wir viel ankern, muss es ja schon einiges aushalten und auch leisten. Nun müssen wir nur noch die Räder umbauen und dann sind wir bereit, um zu neuen Ufern aufzubrechen. Aber da beginnt es schon wieder zu regnen und das mit den Rädern vertagen wir auf später.

„Nicht nur die Probefahrt macht einen großen Unterschied.“

„Nicht nur die Probefahrt macht einen großen Unterschied.“

Als der Regen ein kleines Einsehen hat, dass es so nun auch nicht geht, montieren wir noch schnell den Radar. Doch leider sitzt die Anschlußbuchse für das Radarkabel am Halo20 nicht mehr dort, wo sie noch am 3G gesessen hat. So müssen wir etwas basteln und der Regen hält sich freundlicherweise noch etwas zurück. Zudem füllt der Adapter, den man braucht, um das alte Kabel weiterzuverwenden, den Kabelkanal unterhalb des Radardoms fast vollständig aus. Doch das alles sind nur Kleinigkeiten und schon kurz danach sehen wir wieder ein vernünftiges Radarbild auf unserem Plotter.

„Der neue Radar funktioniert auf Anhieb, hoffentlich etwas länger als der alte ...“

„Der neue Radar funktioniert auf Anhieb, hoffentlich etwas länger als der alte …“

Erleichterung! Eine weitere Baustelle schließt sich. Es macht schon ein gutes Gefühl, wieder einen funktionierenden Radar zu haben. Und das nicht nur wegen des irischen Wetters, sondern auch wegen der Seekarten für die irische Westküste. Oftmals stammen die Daten noch aus der viktorianischen Zeit und da werden wir nun mal schauen, ob die Briten 1852 auch wirklich richtig gemessen haben. Neben all den vielen Wetterratschlägen haben wir nämlich auch den Rat bekommen, lieber den See- und Landzeichen zu vertrauen und uns nicht allzu sehr zu wundern, wenn die PINCOYA auf der elektronischen Seekarte mal etwas »neben der Spur« segelt. 😳.


… und das Wetter?
Nun ja … Es sieht wirklich nicht danach aus, dass wir aus Kilrush trocken oder gar mit etwas Sonne weiterkommen. Es stürmt immer wieder richtig und jedes Mal schüttet es dazu wie aus Eimern. Jede Regen- und Sturmpause versuchen wir zu nutzen, um mit unseren Vorbereitungen voranzukommen, aber von diesen Pausen gibt es nicht allzu viele. Es ist wie verhext, ein Tief nach dem anderen zieht wie auf die Perlenschnur gezogen von Westen heran. 6 Beaufort aus West und Nordwest sind mehr oder weniger Standard. Über Stunden gibt’s aber auch mal mehr. Den gesamten Sonntag steigt unser Windrad aus, weil der Wind zu stark ist. Stehende 7 Beaufort mit kräftigen Böen als Sahnehäubchen sind einfach zu viel für das Ladegerät.
Was ist das nur für ein Sommer? Der Regen fliegt immer wieder waagerecht durch die Marina. Die Höchsttemperaturen liegen bei 17° und bei den Tiefsttemperaturen haben wir letzte Nacht schon die 9° gesehen. Niall und Joseph versichern uns zwar, dass Frost in Irland nahezu unbekannt ist und niemand hier sein Schiff einwintert, aber wir sind uns unsicher, Gott sei Dank haben wir ja noch August. Die Meldungen von den Hitzerekorden im Mittelmeer und den Vorkehrungen Deutschlands für einen Hitzekollaps muten wie aus einem Science Fiction Roman an. Obwohl ein Zusammenhang ja wohl kaum zu leugnen ist. Das Wetter steht Kopf, vielleicht wacht ja der ein oder andere Leugner der globalen Erwärmung doch endlich mal auf.
Die Iren sind ja einiges an Wetter gewohnt und wirklich nicht sehr zimperlich, aber selbst sie sind etwas sprachlos über diesen Sommer. Bis Mitte Juni war es ungewöhnlich warm und sonnig und seitdem jagt ein Herbststurm nach dem anderen über die Insel. Wir hoffen sehr, dass sich irgendwann wenigstens einige kleine Wetterfenster auftun, mit denen wir halbwegs günstig weitersegeln können.

„Oben der mittlere Wind und unten die Böen. So oder so ähnlich sieht es alle paar Tage aus. “

„Oben der mittlere Wind und unten die Böen. So oder so ähnlich sieht es alle paar Tage aus. “

Gestern sah es noch danach aus, dass wir vielleicht Mittwoch eine Wetterpause bekommen würden, die reicht, um etwas weiter in den Norden nach Inishmore zu kommen. Dort wollten wir dann das Tief abwettern, dass mit über 40 kn über uns herfallen soll. Doch heute sieht es schon wieder ganz anders aus. Das Wetterfenster am Mittwoch oder Donnerstag gibt es nicht mehr und das fiese Tief soll noch etwas stärker direkt in den Englischen Kanal ziehen. Da kriegen wir zwar nicht mehr die volle Breitseite, aber 25 bis 30 Knoten aus Nord zählen nun auch nicht gerade zu den idealsten Bedingungen, um nach Norden voranzukommen.

„Obwohl die Marina in Kilrush optimal geschützt ist, bläst es doch ganz ordentlich herein.“

„Obwohl die Marina in Kilrush optimal geschützt ist, bläst es doch ganz ordentlich herein.“

In jedem Fall werden wir nur in kleinen Steps vorankommen können. Wir werden auf der Hut sein müssen und ein Versteck sollten wir immer in der Hinterhand haben. Von Melissa und James haben wir einige Tipps bekommen, wo wir uns im Westen von Irland auch bei Sturm verstecken können, aber für die einzelnen Etappen brauchen wir Wetterglück. Das steht außer Frage.

„Herbststimmung“

„Herbststimmung“


In den Regenpausen montieren wir noch die neue Gasdruckfeder für den Kicker. So schön eine Dirk auch für das Bergen des Großsegels ist, so störend ist sie beim Segeln. Es ist schon gut, wenn der Baum wieder ordentlich nach oben »gekickt« wird. Und der Außenborder bekommt auch noch eine Generalpflege all seiner beweglichen Teile. Das Salzwasser hat auch ihm zugesetzt, er ist ja auch schon 13. Und als am Wochenende draußen gar nichts mehr geht, montieren wir noch schnell ein 3-Wege-Umschaltventil für unseren Wassermacher, denn die Geschichte mit dem Überlauf des Tagestanks in den Haupttank funktioniert bei Lage und Geschaukel nur begrenzt.

„Die Kleinigkeiten, die zu reparieren sind, reißen nicht ab.“

„Die Kleinigkeiten, die zu reparieren sind, reißen nicht ab.“

„Die letzte Fahrt unseres alten Gummiboots. Wir dürfen es in der Werft abgeben.“

„Die letzte Fahrt unseres alten Gummiboots. Wir dürfen es in der Werft abgeben.“

Dann sind wir bis auf das neue Großfall fertig. Viele Kleinigkeiten haben wir auch noch einfach so nebenbei erledigt, doch bisher war wirklich kein passendes Wetter, um das neue Großfall wirklich »neu« einzuziehen. Denn wir wollen das Großfall nicht nur tauschen, sondern das alte als Backup behalten. Das macht die ganze Sache dann doch schon etwas komplizierter.

„Nun noch die Räder...“

„Nun noch die Räder…“


Die Community
Im krassesten Gegensatz zu dem hässlichen Wetter stehen allerdings unsere »Nachbarschaftsbeziehungen« am Steg. Noch nie sind wir so herzlich und so schnell in die Community der Locals aufgenommen worden. Am Donnerstag werden wir von Niall und Joseph eingeladen. Die beiden liegen mit ihrer HR 352 gegenüber am Steg. Ihre Aurelia ist schon 42 und trägt am Heck noch ihren alten Heimathafen Flensburg. Gleich am ersten Tag kommen wir ins Gespräch. Die Chemie stimmt. Niall ist nicht unbedingt der Techniker, das ist der Part von Joseph, und auf der Aurelia gibt es einiges zu tun, denn die Dame ist ja immerhin schon 13 Jahre älter als unsere dicke Erna. Niall ist Musiker und hat einen Shop für Musikinstrumente. Speziell für irische Musik mit einer über 100-jährigen Tradition. Waltons Music
Wir gehen zusammen zu Scrotty’s am Square. Ein toller Abend und wir lernen viel von der irischen Geschichte. Das justiert auch durchaus den Blick auf die aktuellen, politischen Geschehnisse. Joseph wie auch Niall behaupten zwar, dass sie absolut dialektfrei Englisch sprechen und geben uns auch einige Beispiele für irische Dialekte, die nicht Gälisch, sondern immer noch Englisch sein sollen, doch am Ende des Abends sind wir redlich geschafft. Es ist anstrengend, auch einer dialektfreien Fremdsprache einen ganzen Abend zu folgen. Da werden wir noch etwas mehr Routine bekommen müssen.

„Irisches Wetter, nichts Neues im Westen ... 🥺“

„Irisches Wetter, nichts Neues im Westen … 🥺“

Am nächsten Tag kommt eine Boreal 47 rein. Natürlich steht der Schiffsjunge gleich mit großen Kulleraugen davor und begutachtet das Schiff, das wir uns nie werden leisten können. Das bleibt natürlich nicht unbemerkt und James kommt an Deck. Nach einem kurzen Hin und Her und Woher und Wohin werden wir schon wieder eingeladen, um uns einige Tipps für die irische Westküste zu geben. Wow, und endlich können wir mal eine Boreal von innen sehen. Da werden gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen, was sind schon die Photos im Internet zu einer realen Schiffsbesichtigung. James und Melissa sind Iren, leben aber in der USA. Und richtige Iren sind eben nur richtige Iren, wenn es sie jedes Jahr in den irischen Sommer zieht 😂, um sich abzukühlen. Als erstes sehen wir uns am Samstag natürlich die Boreal an und dann bekommen wir noch jede Menge Tipps für die irdische Westküste. Astrid ist mit ihren Vorbereitungen und Planungen ja schon viel weiter als ich und ihr sagen all die Ortsnamen schon etwas, die Melissa und James erwähnen. Nach und nach finden immer mehr neue POIs den Weg in unsere Seekarte. Es wird schwierig, all die Empfehlungen noch dieses Jahr zu besuchen. Da werden wir wohl nächstes Jahr noch einmal wieder kommen müssen 🙂.

„Einkäufe, an der Westküste Irlands sind die Einkaufsmöglichkeiten »per Schiff« nicht so reich gesät.“

„Einkäufe, an der Westküste Irlands sind die Einkaufsmöglichkeiten »per Schiff« nicht so reich gesät.“

Auf dem übernächsten Platz neben uns liegen Fiona und Trevor mit ihrer Supernova, einer Bavaria 36. Die beiden haben sie auch gerade erst gekauft, weil es eben ohne Schiff nicht geht. Sie haben weltweite Segelerfahrung auf einer Super Marabu und nun sind sie eben wieder zuhause. Von der ersten Minute an haben wir einen tollen Kontakt. Mich mögen die beiden Hunde, weil ich so ein Hundeversteher bin 😂. Astrid hat da nicht ganz so gute Karten, mich kommen sie auch schon mal auf der PINCOYA besuchen. Vollkommen selbstverständlich fährt uns Trevor zu Aldi und holt uns eine Stunde später mit vollen Einkaufstaschen auch wieder ab. »That’s no question, that’s why we’re here.«
Als wir uns von Niall und Joseph verabschieden, sagen sie uns, dass wir sie jederzeit anrufen können, wenn wir irgendwo in Irland ein Problem haben. Sie würden sofort kommen. Wir sind uns absolut sicher, dass sie das auch genauso meinen. James und Melissa rufen gleich noch mal ihren Cousin an, damit der sich nicht wundert, wenn wir an ihrer Mooring in der Little Killary Bay liegen. Ein gutes Versteck, wenn es mal richtig stürmt!
Und Fiona und Trevor freuen sich, wenn wir wiederkommen, dann könnten sie uns auch mal Irland mit dem Auto zeigen.

„Doch manchmal ist auch das Wetter recht freundlich ...“

„Doch manchmal ist auch das Wetter recht freundlich …“

Wie toll und herzlich kann es nur sein? Mal ganz abgesehen von Breeda und Simon und dem herzlichen Empfang in der Kilrush Marina. Etwas nachdenklich fragt man sich dann schon, wie offen wir eigentlich selbst so in der Welt unterwegs sind. Reisen tut wirklich gut, da gibt es immer ein paar Punkte, um mal innezuhalten und nachzudenken.

In der Kilrush Marina 52° 38′ 03,6″ N, 009° 29′ 41,2″ W