Teelin Bay -> Arranmore
Distanz: 42,5 sm Gesamtdistanz 2023: 7.471,6 sm
Unser Wecker klingelt um 5:00. Sonnenaufgang ist um 6:30. Wir wollen mit der ersten Dämmerung los, denn der Südost soll nicht allzu lange halten. In der Nacht hat der Wind schon mal eingesetzt und noch wehen vielversprechende 13 bis 18 kn durch die Teelin Bay. Pünktlich zu unserem Aufbruch beginnt es zu regnen. Die Ankerwinde zickt wieder herum und die Sicherung fliegt gleich zweimal raus. Es wird Zeit, dass wir den neuen Motor in Lough Swilly bekommen. Meine nicht ganz regendichte Jacke bestätigt, dass sie nicht ganz regendicht ist 🥺. Zu viel Wetteroptimismus wird meist gleich bestraft 🧐.
Die Sicht ist schlecht, aber noch kann man von »Sicht« sprechen. Vorsichtig fahren wir aus der Teelin Bay heraus, in der Einfahrt liegen jede Menge Lobster Pots, und auch anderes Fischerzeugs baumelt an Bojen und Kanistern im Wasser herum. Im Regen können wir viele nur erahnen, aber seitdem wir hier reingefahren sind, wissen wir, dass in der Einfahrt wohl ein besonders guter Fanggrund sein muss. Hinter den Regenschleiern sehen wir die Klippen und die alte Coast Guard Station, wo wir gestern noch herumgelaufen sind. Draußen erwischen uns sofort die Wellen. Es ist ein einziges Durcheinander. Die Klippen verlieren sich in Richtung Westen recht schnell in einem feuchten Regengrau. Es ist nicht nur kalt, es ist kackenkalt!
Schnell wird der Regen stärker, von der spektakulären Küste ist nichts mehr zu sehen. Regen und Dunst haben nicht nur uns verschluckt, sondern auch das Highlight der irischen Steilküsten. Um uns nicht nur auf die elektronischen Seekarten zu verlassen, schalten wir den Radar an. Und ja, da ist sie noch, die Steilküste. Erfreulicherweise in sicherer Entfernung. Die Wellen werden höher und die PINCOYA holt immer wieder ordentlich über.
Boah nee, gemütlich ist das echt nicht! Was haben wir nur verbrochen, dass es nun schon wieder so ist. Wir versuchen, uns an das bisschen Sonne von gestern zu erinnern, doch das hilft auch nicht wirklich. Es schüttet. Alles trieft und tropft. Der Regen platscht genau von Achtern ins Cockpit. Ungünstiger geht’s kaum.
Von dem Wild Atlantic Way sehen wir zwar nichts, aber immer wieder haut uns die ein oder andere querlaufende Welle recht wild auf die Seite. Die Temperatur steigert sich von 12,5 auf 12,8°. Die Capitana bemerkt trocken, dass das nun wohl die Warmfront sein müsse. Das würde auch den Regen erklären. Einen kleinen Probelauf der Heizung lehnt die Capitana allerdings kategorisch ab. Schließlich ist immer noch August, wenn auch der 31ste, aber August ist eben August und eine Heizung ist etwas für den Winter. Auf den vorsichtigen Hinweis des Schiffsjungen, dass immer irgendwo Winter sei und man auch im August ganz kläglich erfrieren könnte, geht die Capitana nicht ein. Da bleibt nur die Hoffnung, dass der Kältetod wirklich ein sanft daherkommender Tod ist, von dem man nicht viel spürt und der einen einfach so mit hinübernimmt. An den Füßen des Schiffsjungen scheint’s schon zu beginnen, die sind kaum noch zu spüren. Ohne Decksalon würden wir hilflos auf dem kalten Opferaltar des irischen Hochsommers liegen. Das empfinden wir beide allerdings nun doch als etwas verfrüht, also schnell in den Decksalon und wenigstens die Türen zu. Dort ist es windstill und regnet nicht und es sind immerhin 15°, auch ohne Heizung.
Die Klippen ziehen spektakulär an uns vorüber, noch nie haben wir solch ein spektakuläres Grau gesehen.
Dann steht eine Halse an. Ich versuche, die Capitana davon zu überzeugen, dass man auch alleine halsen kann. Die Sicht beträgt eine üppige Seemeile, wenn nicht etwas weniger. Vielleicht fahren wir auch einfach geradeaus weiter, bis es aufhört zu regnen. Voraus kommt erst einmal eine ganze Weile nichts und dann kommt Grönland. Aber Grönland ist auch keine Lösung, so halsen wir doch lieber mal.
Als wir vor Rathlin O’Birne auf Kurs Nord gehen, haben wir 20 bis 24 kn. Die Böen halten sich netterweise etwas zurück. So geht es gleichmäßig durch den Regen. Manchmal können wir die Steilküste erahnen, oder sind das schon erste Wahnvorstellungen durch den herannahenden … Ach was, wir justieren die Segel und verziehen uns in den Decksalon. Radarbild und elektronische Seekarte passen zusammen. Das ist ja auch schon mal was. AIS-Signale gibt es keine, mal abgesehen von den Leuchttürmen, die hier immer rumstehen. Kein anderer kommt auf die Idee, bei solch einem Wetter hier draußen herumzufahren. Nach der Kursänderung platscht der Regen wenigstens nicht mehr direkt von achtern ins Cockpit, sondern kommt nun seitlich rein. So bleibt es unter der Sprayhood auch wieder halbwegs trocken. Auch die Wellen laufen nach dem Kap etwas sortierter ein. Die PINCOYA beginnt angenehmer zu laufen und im Westen wird es auch schon wieder etwas heller, – wenn man genau hinsieht.
Irgendwo aus dem Dunst kommt das Internet zu uns, wer hätte das gedacht. Gegen Mittag soll es besser werden, aber bis dahin dauert es noch etwas. Auf halber Strecke nach Arranmore hört der Regen auf und wir können unser Ziel in der Ferne erahnen. Wir werden den nördlichen Weg um Arranmore herum nehmen, von Süden kann man zwar auch rein, aber das heben wir uns mal für etwas besseres Wetter auf.
Langsam wird auch der Wind etwas schwächer und einige Stückchen blauer Himmel sind zu sehen. Auf Höhe des Arranmore Lighthouse kommt dann tatsächlich die Sonne raus. Wir müssen nun im Norden der Insel ums Eck und hart an den Wind.
Hinter Arranmore sind die Wellen wie ausgeschaltet. Es ist ein ruhiger Kreuzkurs. Die Tide läuft zwar noch etwas gegen uns, aber wir nehmen uns mal die Zeit, denn ohne die Wellen, mit 15 kn Wind und zusammen mit der Sonne ist es ein wunderbares Segeln. Wenn einem so etwas nach so einem Segeltag angeboten wird, dann muss man es auch dankbar annehmen.
Die letzten 1,5 sm zu unserem Ankerplatz motoren wir. Es reicht noch für einen Tee im Cockpit, dann zieht es sich schon wieder zu.
Als der Dauerregen erneut beginnt, ist es windstill. Der Regen fällt senkrecht herunter. So können wir unsere Segelsachen unter dem Rainimi trocknen. Das ist ja auch schon mal was.
Am Tag danach …
Inzwischen ist es September und wir sind noch lange nicht in Schottland. Die Zeit rinnt uns wetterbedingt wie feiner Sand durch die Finger. Da ist es nicht immer ganz einfach, entspannt zu bleiben. Und mal ganz abgesehen davon, wir bräuchten wirklich mal dringend einige trockene Tage. Nicht nur für’s Gemüt, auch die Nässe lässt sich schon lange nicht mehr so einfach aus dem Schiff lüften. Dabei ist es noch gar nicht wirklich kalt. Fällt die Temperatur erst einmal wieder unter 10 Grad, haben wir auch noch das Kondenswasserproblem. Zusätzlich wird all das, was irgendwann einmal mit Salzwasser in Berührung gekommen ist, immer wieder klamm, auch wenn es sich zwischendurch schon mal trocken anfühlte. Vieles müsste dringend mal durchgewaschen werden, aber die nächste Waschmaschine liegt erst in Schottland auf unserem Weg. Für irgendwelche Umwege in Irland, nur um zu waschen, ist einfach keine Zeit mehr.
Doch all das sind ja Luxusprobleme, unsere Ankerwinde macht uns immer größere Sorgen. Als es morgens aufhört zu regnen, widme ich mich zuerst noch einmal den Kontakten. Gestern hat’s auch noch am Massepol des Motors gefunkt. Da gibt es wohl Kontaktschwierigkeiten. Ein Ankermanöver im Dunkeln hat ja auch so seine Vorteile, wenn’s funkt 😳. Doch die Hoffnung schwindet, dass nun diese Aktion den Durchbruch bringt, aber sie klammert sich bereitwillig daran.
Tour de Arranmore
Während der Regen noch auf’s Deck trommelt und wir unseren zweiten Gutenmorgenkaffee in der Koje nehmen, beschließen wir, sobald es trocken ist und die Ankerwinde genügend Aufmerksamkeit bekommen hat, um auch morgen noch einmal den Anker aufzuholen, zum Arranmore Lighthouse aufzubrechen. Maps3D findet spontan heraus, dass es bis zum Leuchtturm rund 6 km sind, und eine Überprüfung in Google Maps gibt ihr leider auch noch recht. Nun sind 12 km keine unmögliche Entfernung, aber eine Strecke, die zu Fuß doch schon an der Grenze von Spaß liegt. Als wir losziehen, ist es ja auch schon Mittag, der Regen hat zwar aufgehört, aber über Arranmore hängt eine dicke graue Wolke, die überhaupt keine Anstalten macht, auch nur etwas weiterzuziehen. Es scheint ihr über der Insel ausnehmend gut zu gefallen.
Zudem soll es schon allein auf dem Hinweg 165 m hoch, aber auch 110 m wieder runter gehen. Zurück dasselbe Spiel nur umgekehrt. Schließlich müssen wir auf die andere Seite der Insel und dazwischen liegt eine moorige Hochebene, auf der zwar fleißig Torf abgebaut wird, um den Whiskey noch etwas rauchiger zu machen, was die Hochebene aber bisher nur unwesentlich flacher gemacht hat, weil das Zeug ja nachwächst. Deswegen hängt wahrscheinlich auch die graue Wolke hier ab, um dafür zu sorgen, dass das Hochmoor nicht austrocknet.
Nun sind unsere Klappräder keine Mountainbikes, aber runter war es bisher immer toll. Also kramen wir unsere Räder aus der Backskiste, denn erfahrungsgemäß holen wir den Mehraufwand spätestens auf den Downhill-Strecken schnell wieder rein. Es ist Niedrigwasser und die kleine Slippe am Ankerplatz erweist sich als ziemlich ungeeignet, denn dort liegt nun eine Stufe von etwa einem Meter frei. Also geht’s in die »City« zum public Slipway. Das mit dem niedrigsten Niedrigwasser zur Springzeit ist ernst gemeint, so rollern wir unser Dinghy halb durch die Bucht, nachdem wir die Räder einzeln zu Pier geschleppt haben. Tide kann manchmal echt nervig sein. Doch nach dem Niedrigwasser kommt es ja meist auch wieder zu einem Hochwasser, auf dem Rückweg werden wir es einfacher haben.
Der Paddeltbootverleih belächelt unsere Räder und selbstverständlich können wir unser Dinghy neben den Kajaks parken. Die 165 Höhenmeter sind mühselig. Oft müssen wir schieben und werden aus überholenden Autos belächelt, bekommen aber auch immer wieder anfeuernde Zurufe.
Viel zu lange plätschert uns der kleine Bach entgegen, aber dann wird er zu einem Rinnsal, das plötzlich doch seine Flussrichtung ändert. Geschafft! Nun sind wir die Könige und sausen dem Leuchtturm entgegen.
Als wir ankommen, bemerken wir, dass sich die große graue Wolke doch etwas bewegt hat und nun die Sonne freigibt. Volltreffer! An dieser Stelle von Arranmore ist nicht nur der Leuchtturm das Highlight, das eigentliche Highlight sind die Lighthouse Steps.
Das Lighthouse ist hübsch, aber die Steps sind eine echte Attraktion. Als wir in Google Maps die Bilder gesehen haben, war sofort klar, dass wir dorthin müssen. Mit uns sind nur wenige Besucher hier, aber keiner macht irgendwelche Anstalten, in Richtung der Steps zu gehen bzw. sie zu suchen. Es gibt kein Schild oder irgendeinen Hinweis, man muss schon wissen, dass sie dort irgendwo in den Klippen sind. Doch wir werden offensichtlich beobachtet und nachdem wir hinter der Kante der Klippen verschwunden sind und nicht wieder zum Vorschein kommen, kommen nach und nach auch die anderen zu den Lighthouse Steps.
Die Steps sind der absolute Oberhammer. Die Stufen und das Geländer sind zwar schon etwas in die Jahre gekommen, aber es ist perfekt, wenn man sich etwas vorsieht. Während ich noch Aufnahmen am Rand der Nachbarschlucht mache, verschwindet die Capitana schon mal auf der Treppe.
Wir gehen zusammen fast ganz runter, den Rest gehe ich allein, schließlich ist ja immer noch mehr oder weniger Niedrigwasser, da geht noch was. Das Wetter ist ruhig, zumindest vergleichsweise zu dem, was sonst hier los ist, aber wie man allen Ernstes hier eine Anlegestelle bauen konnte und warum ausgerechnet dort, ist uns ein Rätsel. Vielleicht wollte sich der Leuchtturmwärter den Weg über die Insel ersparen, doch ob das hier dann angenehmer war, wagen wir zu bezweifeln. In jedem Fall war es ein Abenteuer, das steht außer Frage.
Doch egal, die Steps sind der Hammer. Immer wieder krachen Wellen in die Schlucht und einmal muss ich tatsächlich schnell wieder hoch, da habe ich mich wohl doch etwas weit vorgewagt.
Nach den Lighthouse Steps gehen wir noch einmal auf die andere Seite des Leuchtturms. Die Klippen dort haben wir gestern im Dunst und Gegenlicht nur erahnen können.
Der Rückweg ist dann angenehmer als der Hinweg, denn die 110 m, die es nun hoch geht, gehen vergleichsweise moderat hoch. Danach geht es nur noch runter. Für diesen Teil nehmen wir eine kleine Nebenstraße, die eher ein Nebenschotterweg ist.
Doch es geht ja nur noch runter, da unterbrechen wir unseren Downhill-Ritt auch mal gerne, um unser tägliches Pfund Brombeeren zu futtern. Wir haben beide in unserem ganzen Leben bestimmt noch nie so viele Brombeeren gefuttert wie allein in diesem Jahr.
Der Rest vergeht als angenehme Schussfahrt mit einigen kleinen Unterbrechungen, um die Aussicht zu genießen oder noch ein kleines Brombeer-Tasting einzuschieben. Und kaum ist an Bord wieder alles verstaut, ist die dicke graue Wolke auch schon wieder zurück und es beginnt zu dröppeln. Glück gehabt!
vor Arranmore
54° 59′ 34,0″ N, 008° 29′ 37,9″ W