Bis vor den Caledonian Canal


Kerrera Marina -> via Loch Creran -> Corpach, Loch Eil
Distanz: 9,8 + 23,9 sm Gesamtdistanz 2023: 7.766,6 sm

Erst wollten wir noch einen Tag in Kerrera bleiben, um noch einmal zu waschen. Aber heute ist Triathlon mit anschließender Party auf Kerrera und alles ist schon morgens um 9:00 brechend voll. Aus dem einen Tag würden also zwei werden und wir könnten erst Montag weiter. Noch ist das Wetter unfassbar gut. Die Triathleten haben Glück. Ein strahlend blauer Himmel hat uns heute morgen überrascht, etwas ungläubig haben wir das Trommeln des Regens auf dem Deck schon fast vermisst. Die Nacht war auch schon sternenklar und so haben wir in der Früh nur 5,8 °. Aus den Highlands werden die ersten Nachtfröste gemeldet und das nicht nur vom Ben Nevis.

„Die Triathleten bereiten sich vor ...“

„Die Triathleten bereiten sich vor …“

„Ein unglaubliches Wetter ...“

„Ein unglaubliches Wetter …“

„... überall BLAU!“

„… überall BLAU!“

Unser Butan entscheidet sich etwas widerwillig, uns doch noch einen Gutenmorgenkaffee zu kochen. Hoffentlich kommen wir ohne Propan bis Deutschland aus. Doch unseren zweiten Gutenmorgenkaffee nehmen wir dann schon in der Sonne auf dem Decksalon sitzend. So ein Wetterwunder muss gefeiert werden, es soll sogar bis zum Nachmittag durchhalten. Fast leicht bekleidet sitzt die Capitana nur mit Hoody und Jeans auf dem Decksalon, der Schiffsjunge versucht es mit schottischer Herbstbekleidung in T-Shirt, Jeans und Mütze. Es ist schon noch etwas frisch. Noch nie habe ich auf meinen Armen bemerkt, dass Gänsehaut auch Schatten werfen kann 😳.

„Noch nie ist ein Gutenmorgenkaffee so schnell kalt geworden wie hier.“

„Noch nie ist ein Gutenmorgenkaffee so schnell kalt geworden wie hier.“

Die Sonne knabbert inzwischen an den zweistelligen Temperaturen, unser schottischer Nachbar sitzt mit seinem Kaffee in Bermudas und mit nacktem Oberkörper im Cockpit und grüßt strahlend zu uns herüber. »What a beautiful morning, isn’t it?« Die Wikinger scheinen doch das ein oder andere Gen zu dem schottischen Wärmeempfinden beigesteuert zu haben. Unsere Anpassung findet bisher wohl eher im Verborgenen und von uns selbst noch vollkommen unbemerkt statt.


„von der Kerrera Marina -> ins Loch Creran“

„von der Kerrera Marina -> ins Loch Creran“

Die nächsten Tage soll es noch einmal dicke kommen und danach wollen wir in den Caledonian Canal. Dass wir für den Canal vielleicht doch etwas schöneres Wetter abpassen könnten, haben wir uns inzwischen abgeschminkt. In erster Linie geht es nur noch um einen Transit mit Etappen, der hoffentlich halbwegs passabel wird. Wenn wir dann aus dem Kanal kommen, ist es schon Anfang Oktober. Die Serie der Tiefs reißt einfach nicht ab. Dazwischen ein Wetterfenster von 2,5 Tagen für die Überfahrt zu finden, wird schwierig werden. Da wartet eine harte Etappe auf uns und wir müssen viel Geduld haben.
Unser Ziel heute ist aber erst einmal das Loch Creran. Loch Creran ist eher unspektakulär, eignet sich aber gut als Versteck für Starkwind aus Südwest. Denn die Stunden des Sommerwetters sind gezählt, im Südwesten sehen wir schon die nächste Front.


„Oban in der Sonne“

„Oban in der Sonne“

Ganz schmusig legen wir von der Mooring ab und motoren wieder in Richtung Norden. Es ist windstill und wir erleben die schottische Inselwelt noch einmal kurz auf ganz andere Weise. So wie sie auf den Bildern der Reiseführern zu sehen ist. Das ist schon toll.
Doch als unser Anker im Loch Creran fällt, ist das alles schon wieder Geschichte.

„Für ein paar Stunden ein Bilderbuch-Schottland.“

„Für ein paar Stunden ein Bilderbuch-Schottland.“

„So hatten wir uns das Wetter eigentlich vorgestellt.“

„So hatten wir uns das Wetter eigentlich vorgestellt.“

„Die Wetterkorrektur bis zum Abend. 🥺“

„Die Wetterkorrektur bis zum Abend. 🥺“


Kurz bevor abends der Regen beginnt, bringen wir noch schnell unsere neuen, provisorischen Seitenteile an den Start. In der Nacht regnet es durchgehend, weht aber nur moderat mit 15 bis 20 kn. Als Zwischenstopp und Schlechtwetterversteck ist Loch Creran bestens geeignet, aber ob man hier auch Urlaubstage verbringen möchte, stellt sich dann wohl doch erst heraus, wenn das Wetter etwas besser ist. So warten wir ab und machen endlich mal die letzten beiden Irland-Blogs fertig.

„Er fällt, wie's ihm gefällt!“

„Er fällt, wie's ihm gefällt!“

Am Sonntag regnet es sich ein und nachmittags machen wir die PINCOYA sturmklar. Inzwischen ist das ja eine Routine, die schon fast zum Alltag gehört. Auf jeden Fall müssen die flexiblen Solarzellen rein und alles, was zu sehr flattern kann und zu viel Angriffsfläche bietet, wird zusätzlich fest verschnürt und runtergebunden. Mit den Seitenteilen haben wir ja nun mehr Schutz im Cockpit, aber mal sehen, ob die dünne Plane das nächste Tief durchhält. Das Bimini lassen wir aufgebaut, spannen es aber noch zusätzlich ab. Dann noch schnell 10m Kette raus, 50 m sollten bei 10 bis 13 m Wassertiefe reichen. Wahrscheinlich ist hier der Ankergrund auch wieder ton- oder lehmartig und unser Anker sitzt wie einbetoniert.


Um 20:00 geht der Spaß dann los. 20 bis 25 kn Wind mit Böen bis 37. Inzwischen nehmen wir solche Ankernächte recht gelassen. Der Druck fiel den halben Tag schon rekordverdächtig und fällt immer noch. Eine Rate von 6,5 hPa in 3 Stunden und das über Stunden haben wir auch noch nicht gehabt. In Irland haben uns noch 5 hPa wach gehalten. So schnell kann man sich an das Wetter gewöhnen. Zumindest an die Kapriolen, nicht an das Wetter selbst. 😂

Dann kommen die ersten 40er Drücker, in der Spitze sehen wir 42,5. Wir haben Hochwasser und die 50m Kette puffern die Einschläge gut weg. Gegen 21:00 ist die Talsohle des Drucks erreicht und kurz darauf beginnt der Druck wieder verhalten zu steigen. Das Maximum an Wind ist dann eine Stunde später durch. Es ist erstaunlich, wie gut man das alles mit der simplen Baro-App verfolgen kann. Ein Hilfsmittel, das wir ja erst kurz nutzen, aber schon nach wenigen Monaten nicht mehr missen möchten. Ein Barometer hatten wir ja schon immer an Bord, aber irgendeinen echten Nutzen bringt erst ein Barograph, denn wir haben nie jede Stunde den Druckverlauf protokolliert, was ja auch hinreichend unmöglich ist, denn man ist ja nicht immer an Bord. Mit einem ausrangierten iPhone ist das nun quasi kostenlos und vor allem vollkommen problemlos möglich.
Nach dem Frontdurchgang pendelt sich der Wind bei rund 25 kn ein und nur noch wenige Böen sorgen für Unruhe. So haben wir eine vergleichsweise ruhige Nacht.


Gleich morgens geht dann die nächste Front durch, es schüttet wie blöde. Der Wind nagt aber nur verhalten an der 30er Marke. Doch diese Front ist schnell durch, denn sie muss sich auch beeilen, da ihr die nächste schon im Nacken sitzt.

„Zwischen den Fronten schnell ein paar Ausnahmen.“

„Zwischen den Fronten schnell ein paar Ausnahmen.“

„Hinter der Front ist vor der Front....“

„Hinter der Front ist vor der Front….“

Nach einer kleinen Pause geht es um 22:00 noch einmal richtig los. Wie wir in diesem Rhythmus ein Wetterfenster von 2,5 Tagen für die Passage über die Nordsee nach Norwegen finden sollen, ist uns ein Rätsel. Die Phasen zwischen den Tiefs sind aktuell einfach zu kurz.


Am Montag kommt dann die Zusage für unseren Winterliegeplatz in Flensburg und wir entscheiden uns nach einigem Hin und Her für Flensburg. Die Abfolge der Tiefs ist dabei nicht ganz unschuldig, wir wollen einfach nicht noch einmal die Abhängigkeit »Nordsee« haben. Das, was noch vor uns liegt, reicht vollkommen aus.


Bis Corpach bzw. Port Williams
Aus unserem Sightseeing-Trip durch den Caledonian Canal ist inzwischen ja ein »Halbwegs ruhig durchkommen und dann mal sehen« geworden. Die ganze Nacht bläst und schüttet es. Der Spaß hält sich in engen Grenzen, es geht nur noch darum, halbwegs gut weiterzukommen.

Morgens bucht Astrid unsere Kanalpassage für den nächsten Tag und wir nutzen eine kurze Regenpause, um Anker auf zu gehen. Die letzten Starkwindtage haben unseren Anker so tief eingegraben, dass wir ihn nur mit viel Motorschub ausbrechen können. Ein Hoch auf den schottischen Lehmboden, es gibt keinen besseren Ankergrund!

„Gestatten, Agnes, das erst Sturmtief mit Namen in diesem Jahr.“

„Gestatten, Agnes, das erst Sturmtief mit Namen in diesem Jahr.“

Die nächsten Tiefs stehen schon Schlange, wir hoffen, dass wir im Caledonia Canal halbwegs geschützt sind und ruhiger vorankommen. Seit 36 Stunden bläst es nun wenigstens mit 20 kn. Doch besonders der ständige Regen ist ein Problem. In der PINCOYA ist alles klamm und nass, wir kriegen einfach nichts mehr trocken. Wie auch? So langsam reicht es.


In den letzten Tagen haben wir mal in den Blogs der Atanga gestöbert und fragen uns ganz ehrlich, ob die Atanga auf den Fidschis nun besser dran ist als wir hier. Das Wetter dort ist zwar definitiv wärmer, aber nicht unproblematischer. Wie von Schottland zeigt das Internet von den Fidschis ja immer nur die schönsten Schönwetterbilder. Die Blogs lesen sich allerdings anders. Dazu kommt noch diese weit verbreitete Südsee-Kleptomanie, wo immer irgendein lokaler Insel-Fürst bestochen werden muss und man ständig irgendetwas kaufen muss, was man eigentlich gar nicht braucht, um überhaupt einen Fuß auf die heilige Paradies-Insel setzen zu dürfen. Ähnliches hatten wir schon bei der Infinity gelesen und waren uns sicher, dass wir so etwas gar nicht brauchen, egal, wie schön so ein Paradies ist. Bzw. sein könnte, denn der Schiffsjunge weiß, dass er mit dieser Mentalität nicht wirklich umgehen kann. Das Wetter in Schottland und Irland ist in diesem Sommer wirklich mehr als schrecklich, das steht vollkommen außer Frage, aber die selbstverständliche Freundlichkeit, vollkommen bedingungslose Hilfsbereitschaft und spontane Gastfreundschaft der Iren und Schotten macht fast jedes Wetter wieder wett. So sind wir uns sehr sicher, dass es für uns so vielleicht doch besser passt und wir gar nicht tauschen wollen. Auch wenn das Wetter teilweise arg an unserem Gemüt herumkaut.


„Es geht noch trocken los ...“

„Es geht noch trocken los …“

„Die Schotten heizen ihre Kamine lieber schon mal an.“

„Die Schotten heizen ihre Kamine lieber schon mal an.“

Den Ausgang aus dem Loch Creran machen wir noch im Trockenen. Kurz hinter den Engstellen zwischen Lismore und Shuna Island beginnt es zu schütten, wie es bisher wohl nur der biblische Noah erlebt hat. Noch nie hat unser Radar 365° um uns herum nichts als Regen angezeigt.

„Agnes streckt ihre Fühler aus.“

„Agnes streckt ihre Fühler aus.“

„Biblischer Regen“

„Biblischer Regen“

„Ohne Worte...“

„Ohne Worte…“

Die Sicht geht unter eine Meile. Teilweise ist nirgends mehr ein Ufer zu sehen. Ein Ende des Regens ist nicht abzusehen. Ab den Engstellen ist das Loch Linnhe glücklicherweise wieder weitläufig, so können wir uns in dem Decksalon verkriechen. Die Engstelle bei Corran sehen wir nur auf dem Radar, erst eine Seemeile vorher schält sie sich widerwillig aus dem Regengrau.

„Vor Corran reißt es etwas auf.“

„Vor Corran reißt es etwas auf.“

„Die Engstelle bei Corran“

„Die Engstelle bei Corran“

„Ohne heißen Tee ist man ein leichtes Opfer des Kältetods.“

„Ohne heißen Tee ist man ein leichtes Opfer des Kältetods.“

Obwohl wir Halftide haben und kurz vor Spring sind, sind die Races und Eddies an der Engstelle von Corran nur schwach. Da hatten wir mehr erwartet. Ganz langsam geht’s in Richtung Fort Williams. Der Regen hat dann doch ein Einsehen und zieht auf Höhe von Corran ab.

„Aber gut, im Westen wird's schon wieder heller. “

„Aber gut, im Westen wird's schon wieder heller. “

Am Ende von Loch Linnhe drehen wir noch eine Runde vor der Schleuse, um mal einen Blick in den Eingang zum Caledonian Canal zu werfen. Über Funk erreichen wir niemanden mehr und auch am Telefon sitzt nur ein Anrufbeantworter. Dann werden wir uns gleich morgen zur ersten Schleusung anmelden. Mal sehen, was uns im Caledonian Canal so erwartet.

„Es gibt nicht nur eine »Graue Stadt am Meer«  ...“

„Es gibt nicht nur eine »Graue Stadt am Meer« …“

„Manchmal weht's auch etwas doller durch den Fjord. Sieht aus wie inner Karibik, ist nur etwas grüner und kälter.“

„Manchmal weht's auch etwas doller durch den Fjord. Sieht aus wie inner Karibik, ist nur etwas grüner und kälter.“

Unser Anker fällt gegenüber des Corpach Sealock. Hier strömt es zwar munter hin und her, aber der Ankerplatz ist bestens geschützt. Besser als vor Fort Williams, wo es ungebremst im Loch Linnhe heraufbläst. Und später reißt es sogar auf, vielleicht ist das ja ein gutes Zeichen für den Kanal.

„Oh, Schottland in Farbe! Wer hätte das gedacht?“

„Oh, Schottland in Farbe! Wer hätte das gedacht?“


Stationen:
23. -> 25.09. Loch Creran
56° 31′ 43,5″ N, 005° 24′ 05,5″ W

26.09. Corpach anchorage, Loch Eil
56° 50′ 10,6″ N, 005° 07′ 54,6″ W