Corpach anchorage -> Banavie
Distanz: 2,0 sm Gesamtdistanz 2023: 7.768,6 sm
Gleich früh um 9:00 rufen wir das Corpach Sealock an. Nicht ganz ohne Eigennutz, denn wir wollen möglichst schnell rein. Vor uns liegt nicht nur die Seeschleuse, gleich dahinter kommt noch vor den 8 Schleusen des Neptune’s Staircase eine weitere Doppelschleuse. Wir werden also in insgesamt 11 Schleusen hochgehoben und das dauert so seine Zeit. Die Strecke ist eher übersichtlich, am Ende werden wir nur zwei Seemeilen gefahren sein. Doch mit etwas Glück könnten wir am Vormittag noch ohne Regen schleusen. Von Südwesten kommt nämlich nun »Agnes« immer näher, der erste benannte Sturm in diesem Herbst. Uns hatten schon die unbenannten gereicht, aber wenn die Stürme einen Namen bekommen, ist mit ihnen nicht mehr zu spaßen. Im Kanal wird der Wind hoffentlich nicht unser Problem sein, aber »Agnes« dürfte etwas mehr Regen dabei haben. Und da wir für die Schleusen das Rainimi weggenommen haben, würden wir ohne Schutz wie die begossenen Pudel im Regen stehen. Segeln im Regen ist ja schon doof, aber Schleusen im Regen, und dann gleich noch elfmal, ist richtig blöd.
Uns antwortet eine Dame, alles kein Problem, wir sollten mal gleich rüberkommen, sie würde die Seeschleuse für uns öffnen. Kurz nach 11:00 ist Niedrigwasser, so fahren wir um 9:30 schon ziemlich weit unten in die Seeschleuse ein. Man ist auf die Wurfkünste der Freizeitsegler vorbereitet und wirft uns lieber Leinen herunter 😂. Dann geht hinter uns das Tor zum Atlantik zu. Seit 2019 segeln wir nun schon auf dem Atlantik. Fast etwas wehmütig verabschieden wir uns nun nach fünf Jahren wieder. Hoffentlich nur für eine kurze Zeit, denn es gibt ja schon wieder neue Pläne.
Die Verwirbelungen in der Schleuse halten sich in Grenzen, da haben wir schon anderes in Finnland erlebt. Es ist Nachsaison und so ist kaum etwas im Kanal und in den Schleusen los. Es bleibt Zeit für einen kleinen Chitchat. Wir bekommen die Unterlagen für den Kanal und einen Schlüssel für die Sanitärgebäude. Wir sind die einzigen heute, mittags kommt noch ein Passagierschiff runter. Das war’s dann. Alles geht vollkommen gelassen ab, wir müssten uns auch nicht beeilen, denn die Schleusendame muss auch erst einmal ihre »Jungs« zur Doppelschleuse schicken.
Leinen in den Schleusen
Wir hatten schon lange Leinen bereitgelegt, aber auch in der Doppelschleuse wirft man uns Leinen herunter. In manchen Schleusen haben die Lockkeeper so eine Art Bootshaken, um die bootseigenen Leinen hochzuziehen. Die Empfehlung, 15m lange Leinen bereit zu haben, ist ernst gemeint. Je nachdem, wo man in der Schleuse liegt, ist der ein oder andere Meter dann doch recht hilfreich. Leinen von der Schleuse gibt es eigentlich nur, wenn hochgeschleust wird und bei mehreren Stufen nur in der ersten Kammer. Danach wird auf die eigenen Leinen gewechselt. Eigene Leinen werden mit einem Auge oder Palstek über den Haken auf der Schleusenmauer gelegt. Nicht auf Slipp, das hakt in der einen wie auch anderen Richtung nur unnötig. Unsere Leinen hat immer einer der Lockkeeper über die Haken gelegt. Er gibt einem auch die Leinen wieder zurück. Bei einer Zweier-Crew steigt in den Stairs immer einer nach der ersten Stufe aus und führt die Bugleine oben von der Schleusenmauer aus. Das natürlich nur, wenn es hoch geht. Wenn es runter geht, steigt derjenige, der die Bugleine führt natürlich gleich aus, sollte aber nicht vergessen, wieder an Bord zu gehen, bevor es in der letzten Kammer runtergeht. Wenn die Bugleine von der Scheusenmauer aus geführt wird, wird sie auf der Bugklampe belegt und das lose Ende mit an Land genommen. Die Verwirbelungen können beim Hochschleusen erheblich sein. Das Runterschleusen ist absolut ruhig. Ist die Crew größer, wird auch die Heckleine von einem Crew-Mitglied geführt. Ist man Einhand unterwegs, sollte man das vorher ankündigen, dann wird noch zusätzlich für eine helfende Hand gesorgt.
Bevor eine Schleusung losgeht, fragen die beiden »Jungs« immer noch einmal nach, ob wir bereit sind. So viel Umsicht haben wir wirklich nicht erwartet. In der Hauptsaison muss das sicher alles mehr zack zack gehen, aber nun hat man eben Zeit. Nach der ersten Schleusenkammer der Doppelschleuse steigt die Capitana als »Frontfrau« aus. Ich bleibe auf der PINCOYA, um in die nächste Kammer zu fahren. Die Bugleine führt Astrid und die Heckleine nimmt einer der Jungs. Dann sind wir schon in der zweiten Kammer und los geht’s. Vor uns liegt nun noch Neptune’s Staircase mit acht Stufen bzw. Kammern. »See you at Neptune’s, so long.« Die Jungs fahren schon mal los und auch wir tuckern weiter.
Unterwegs winken und grüßen die Spaziergänger am Kanal herüber. Ein Pärchen ruft: »What a beautiful day, but you know, if you can’t see the Ben« und er zeigt auf ein graues Nichts im Südwesten: »it will rain and if you can see the Ben it will rain later.« Das Wetter in Schottland ist gar nicht so kompliziert.
🙂
Direkt vor Neptune’s Staircase sind noch zwei Drehbrücken, eine für den Autoverkehr und eine für den Harry Potter Express. Und wir haben Glück, denn bevor wir durchfahren dürfen, muss erst einmal der Harry Potter Express über die Eisenbahnbrücke fahren. Schon früh hören wir, wie er heranschnauft. Und dann dampft er live und in Farbe direkt vor uns über die Brücke.
An Neptune’s Stairs erwarten uns nicht nur die Jungs, sondern auch gleich zwei Busladungen mit Touristen aus aller Welt. Vielleicht hat man uns schon angekündigt, denn viele Schiffe, die schleusen, gibt es ja in der Nachsaison nicht mehr. Wir werden mit einem großen Hallo empfangen und durch die Hälfte der Kammern begleitet. Irgendwann treibt der Reiseleiter unser Empfangskomitee allerdings zur Eile, denn das nächste Highlight Schottlands wartet schon im Regen. Nach der ersten Kammer steigt die Capitana wieder aus und ist so der direkte »Ansprechpartner« für all die Fragen nach dem Woher und Wohin und »Wie das denn alles überhaupt?«.
Alle acht Kammern der Neptune’s Staircase nehmen wir problemlos und vollkommen entspannt. Die letzten Kammern plaudern wir noch etwas mit den Jungs. Sie geben uns diverse Tipps für die Weiterfahrt. Teilweise ist ihr schottischer Dialekt etwas schwierig, aber sie geben sich echt Mühe mit uns. Dass es auch ganz anders gehen kann, hören wir, wenn sie mit Locals sprechen oder als sich über Funk das Passagierschiff anmeldet. Dann verstehen wir nur noch Fragmente, die wir uns kaum mal zu einem sinnvollen Satz zusammenreimen können.
Hinter den Neptune’s Staircase machen wir an dem Ponton direkt hinter den Schleusen fest. So viel Aktion reicht auch schon mal für einen Tag. Zu Fuß gehen wir noch einmal die Neptune’s Stairs herunter und schauen uns noch einmal alles in Ruhe an.
Selbst im Kanal bei Banavie haben wir für den Abend und die Nacht noch eine »gelbe« Sturmwarnung. Draußen ist alles »orange«. Der Druck fällt mit 7,5 hPa in 3 Stunden. Heute Morgen hatten wir noch 1010 hPa, abends sind davon nur noch 985 hPa übrig. Ein neuer Rekord für uns. Wir drehen die PINCOYA mit dem Bug nach Westen, also in die Richtung aus der wir gekommen sind. So liegen wir besser und vor allem strömungsgünstiger. Für Stunden schüttet es wie aus Eimern, aber der Wind hält sich doch in Grenzen. Glück gehabt.
Banavie -> Laggan
Distanz: 14,6 sm Gesamtdistanz 2023: 7.783,2 sm
Um 9:00 brechen wir auf. Vorher haben wir uns noch bei dem Corpach Sealock für die Weiterfahrt angemeldet. Vor der nächsten Schleuse, dem Gairlochy Lock kommt noch eine Drehbrücke, die von der Schleuse aus bedient wird. Entgegen der Wettervorhersage ist es trocken. Bisher haben wir echt Glück. Die May Bridge ist schon geöffnet, als wir ankommen, so geht’s gleich weiter zum Gairlochy Lock.
Vor dem Gairlochy Lock müssen wir allerdings warten. Aus dem schottischen Dialekt des Lockkeepers verstehen wir nur, dass noch Techniker mit irgendetwas beschäftigt sind. So machen wir an dem Ponton vor der Schleuse fest und trinken Tee. Denn Abwarten und Tee trinken passen ja gut zusammen.
Zweimal werden wir noch per Funk um etwas Geduld gebeten, dann kommt der Lockkeeper persönlich zu uns. Erst glauben wir, dass es das nun für heute war und wir wegen des technischen Problems nun hier die Nacht verbringen müssen. Doch er ist nur gekommen, um uns alles zu erklären. Die Schleuse bekommt nämlich gerade neue Tore und die Techniker arbeiten noch am oberen Tor. Er bedankt sich für unsere Geduld und versichert uns, dass es um 13:00 bestimmt weitergeht.
Um 12:45 kommt der Anruf und es kann weitergehen. Das Gairlochy Lock vor dem Loch Lochy ist eine Kombination aus Schleuse, Brücke, Schleuse. Hinter der zweiten Schleuse geht es in das Loch Lochy.
Nachdem wir im Loch Lochy aus der Abdeckung kommen, merken wir, wie kräftig der Wind doch auch durch die Lochs pfeifen kann. Wir setzen Segel und sausen mit gut 20 kn Rückenwind durch das Loch Lochy. Im Loch Lochy kommt uns einer der beiden einzigen Segler entgegen, die wir überhaupt im Kanal treffen. Er fährt gegenan, das ist kein Vergnügen bei dem Wind und er versucht, sich auch dicht am Ufer entlang zu drücken.
Bis auf zwei kurze Schauer hatten wir bisher echtes Wetterglück, wenigstens wenn wir unterwegs waren. Hoffentlich bleibt das so. Das Lock Laggan am Ende des Loch Lochy ist das letzte Lock mit dem es hoch geht.
Dann sind wir auf Höhe des Loch Oich, dem höchsten Loch in dem Caledonian Canal. Es liegt 32 m über dem Meeresspiegel. Hier ist eine der Charter Basen von Le Boat. Im Kanal kann man Motorboote chartern und das ganz offensichtlich auch ohne Führerschein und jegliche Erfahrung. So ist es bis zum Einbruch der Nacht noch ein wenig abenteuerlich. Mehrere Charterboote versuchen an- und abzulegen, was nicht immer gelingt. Die Charterboote haben offensichtlich nicht ohne Grund drei wulstige Scheuerleisten aus Gummi und beidseitig sechs Fender fest montiert. Es mutet nicht nur so an wie beim Auto Scooter, es geht auch so zu. Wir verstehen nur Bruchstücke der Unterhaltungen der Crews, obwohl sie eigentlich laut genug geführt werden. Die Nerven liegen blank und die Kommunikation zwischen dem Steuermann und seiner Crew ist wohl auch nicht immer ganz stubenrein und geht definitiv weit über unseren Wortschatz hinaus. Doch die Message kommt unmissverständlich rüber.
Es ist ja auch wirklich schwierig, wenn man rechtwinklig in den Schwimmponton einschlägt, um längsseits festzumachen. Und zusätzlich die gerade noch Halt findende Bugfrau die Lassotechnik von Lucky Luke noch nicht vollkommen beherrscht. Im letzten Moment können wir noch einen Schaden an der PINCOYA verhindern, in dem wir zwei Fender zwischen uns und einen der Kamikazefahrer werfen. Auf meinen Ruf: »Stopp, be careful!« ruft Captain McPower: »I am!« Und gibt Gas. Kurz darauf kommt ein Fischer, dessen Anlegemanöver nur bedingt besser klappt. Normalerweise kann er sicher über die Heckleine aufstoppen, sofern er sie um einen soliden Poller auf einer Pier wirft. So aber hebt er hinter uns den kleinen, unschuldigen Schwimmsteg um einen halben Meter aus dem Wasser. Glücklicherweise bemerkt er seinen Fehler noch rechtzeitig, sonst wären wir mit ihm und dem Schwimmsteg rückwärts ins Loch Oich gefahren. Ein Hoch auf das Nachtfahrverbot im Caledonian Canal, das sichert nach Einbruch der Dunkelheit dann doch eine ruhige Nacht.
Doch die ganze Nacht schüttet und stürmt es wie blöde. Vielleicht stürmt es besonders, weil wir nun an der höchsten Stelle des Kanals sind. Um 23:00 bringen wir im Schüttregen noch eine zweite Spring aus. Leider werden wir auf den Ponton gedrückt, ein Härtetest für die Fender. Das Wetter ist furchtbar, nichts zum Weiterfahren. Mal sehen …
Laggan -> Invergarry Castle, Castle Bay, Loch Oich
Distanz: 3,1 sm Gesamtdistanz 2023: 7.786,3 sm
Am nächsten Morgen bereiten wir im strömenden Regen alles zum Ablegen vor, obwohl wir uns nicht ganz sicher sind, ob das nun die allerbeste Idee ist. Die meisten Charterboote sind schon in der Schleuse verschwunden, so besteht erst einmal keine weitere Gefahr, bis vielleicht am Abend die nächste Chaostruppe kommt.
Dann ein Sonnenloch. Fast unbemerkt hat es aufgehört zu regnen und für einen Augenblick reißt sogar die Wolkendecke auf. Das ist unsere Gelegenheit.
Das Stück Kanal bis zum Lock Oich ist mit großem Abstand der schönste Teil des Kanals, den wir bisher durchfahren haben. Die Laggan Bridge öffnet sofort, als wir ankommen, es hat auch Vorteile, allein unterwegs zu sein. Das Loch Oich ist das flachste Loch von den drei Lochs des Kanals.
Es ist eng betonnt und wir fahren nur bis in die Castle Bay am Invergarry Castle. Am Invergarry Castle gibt es zwar auch einen Schwimmsteg, aber wir beschließen spontan zu ankern. Vor Anker liegt man einfach besser, Wind und Regen kommen dann von vorn und im Cockpit ist Ruhe.
Das Invergarry Castle ist eine Ruine, die hübsch durch das herbstliche Laub der Bäume schaut. Das Loch Oich gefällt uns bisher am besten. Pünktlich zu unserem Ankermanöver sausen einige 35er Böen über das Loch. Der Regen steht in den Startlöchern. Auf 14 m stecken wir einfach mal schnell 55 m Kette und schon ist Ruhe. Einen kleinen Spaziergang nehmen wir uns für den unwahrscheinlichen Fall einer kleinen Regenpause fest vor. Aber dazu kommt es dann doch nicht mehr.
Stationen:
27.09. Banavie, Caledonian Canal (P)
56° 50′ 55,9″ N, 005° 05′ 24,1″ W
28.09. Laggan, Caledonian Canal (P)
57° 01′ 39,2″ N, 004° 49′ 28,8″ W
29.09. Invergarry Castle, Castle Bay, Loch Oich, Caledonian Canal (A)
57° 03′ 55,7″ N, 004° 46′ 42,5″ W