Loch Spelve, Isle of Mull -> Loch Aline
Distanz: 19,6 sm Gesamtdistanz 2023: 7.668,9 sm
Heute soll’s ins Loch Aline gehen. Das liegt auf der Nordseite des Sound of Mull und ist damit sozusagen Festland. Zumindest aus Sicht der Isle of Mull. Die größere Insel gewinnt eben. Für uns wäre es schon gut, wenn der Wind wenigstens halbwegs zur Tide passen würde. Mit der Tide ist ein Timing einfacher hinzukriegen als mit dem Wind. Der zieht doch immer recht individuell um die Inseln.
Wir starten mit Niedrigwasser, damit uns die auflaufende Tide mit nach Norden nimmt und auch im Sound of Mull etwas unterstützt. Mit der Tide klappt das auch recht gut, obwohl sie nicht gerade Rekorde bricht.
Der Wind vergnügt sich dagegen irgendwie zwischen 0 und 20 kn aus allerlei Richtungen. Lauthals beschweren sollte man sich allerdings lieber nicht, denn dann gibt’s mit dem nächsten Schauer gleich richtig einen auf die Mütze. Abergläubisch sind wir zwar nicht, doch es gibt da eine verdächtige Verkettung von Ereignissen. Vielleicht liegt es aber auch nur an der Frequenz der Schauer, da gibt es unwillkürlich immer wieder verdächtige Treffer 😂. Da der Wind mehr oder weniger aus Westen kommt, zieht er es vor, sich bei Tobermory in den Sound of Mull einzufädeln und uns dort munter entgegen zu blasen.
So müssen wir kreuzen, was im Regen hinreichend ungemütlich und auch ziemlich kalt ist. Die Berufsschiffahrt hat offensichtlich echt Mitleid und weicht uns nicht nur einmal frühzeitig und deutlich aus. So kommen wir mit unserem letzten Schlag genau vor der Einfahrt zum Loch Aline an.
Auch hier ist die Einfahrt eng und zusammen mit der Fähre kann man nicht rein oder raus fahren. Doch sie fährt, kurz bevor wir ganz da sind, los, so können wir problemlos einfahren. Loch Aline ist sehr geschützt und schon am Eingang sehen wir den Windsack am Fähranleger schlapp herunterbaumeln. Unser Plan, unter Segel reinzufahren, gelingt so nicht ganz, aber schön hat es bestimmt ausgesehen und am Ende zählt ja auch der Wille 😇.
Im Loch Aline gibt es mehrere Small Craft Mooringfelder. Wir fahren bis ganz nach hinten durch. Dort ist das Loch Aline am schönsten. Am Ende des Lochs steht etwas versteckt ein Castle und etwas offener ein herrschaftliches Gutshaus. Lovely. Es hat einen Uhrturm, das ist schon richtig cool. So ein Uhrturm hat schon was. Er steht etwas versteckt schräg dahinter, macht aber den Unterschied zur eben normalen Gutshäusern..
Wir lassen unseren Anker auf Höhe des zweiten kleinen Mooringfeldes fallen. Auch hier ist die Stille überwältigend, nachdem wir den Motor ausgestellt haben. Unglaublich ruhig senkt sich die Nacht über uns. So viel Stille sind wir gar nicht mehr gewohnt. Inzwischen ist es windstill und sternenklar und wir merken, wie eine ungewohnt schneidige Kälte durch die Ritzen des Niedergangs zieht. Mit uns liegen hier noch zwei weitere Segler, der Rest sind Dauerlieger.
Morgens sind es draußen nur noch 6,5°. In der PINCOYA haben wir immerhin noch 14. Es ist Zeit, von der Bug- in die Mittelkoje umzuziehen. Die ist deutlich wärmer, auch weil wir sie im letzten Jahr nach unten isoliert haben. Das macht es nachts schon entscheidend kuscheliger.
Trotz der Kälte folgt der Morgen seinen Regeln, die sich seit unserer Rückkehr nach Irland immer mehr eingeschliffen haben. In der Regel schreibe ich während unseres Gutenmorgenkaffees etwas an den Blogs herum oder sortiere Photos, während Astrid Reiseführer liest, Wettervorhersagen checkt und Pläne schmiedet. Und der zweite Gutenmorgenkaffee kündigt sich fast immer mit den Worten von Astrid an: “So, wie sieht es bei dir mit Kaffee aus? Ich habe einen Plan!”
So einfach wollen wir uns nämlich nicht geschlagen geben. Bevor sich das reine, segeltechnische Weiterkommen immer mehr in den Vordergrund gedrängelt hat, hatten wir ja schon die blauäugige Vorstellung, Irland und Schottland zu bereisen. Also so wie Touristen eben, mit Sightseeing und so. Und obwohl wir diese Hoffnung ja nun schon längst begraben haben und es sich in erster Linie nur noch darum dreht, irgendwie mit dem nächsten, halbwegs passenden Wetterfenster voranzukommen, versuchen wir immer noch, dem Segelalltag an der ein oder anderen Stelle einige urlaubsverdächtige Momente abzutrotzen. Das ist nicht immer ganz einfach, denn als ich diese Zeilen etwa eine Woche später schreibe, schüttet es schon seit mehr als 12 Stunden durchgehend wie aus Eimern und es soll noch wenigstens weitere 72 Stunden so oder so ähnlich weitergehen. Da ist man schon froh, mit einem Schiff unterwegs zu sein, das schwimmt wie ein Arche. Obwohl die Momente mit gutem Wetter jedes Mal sofort die Schönheit dieses Segelreviers aufblitzen lassen, sind es eben doch nur wenige Momente. Das ist jammerschade und eine echte Herausforderung für den Optimismus. Und jeder, dem nicht eine Überportion unverbesserlicher Optimismus in die Wiege gelegt wurde, tut sich hier wohl doch eher schwer damit, sein Gemüt immer und immer wieder liebevoll aufzupäppeln.
Doch wir haben ja einen Plan. Gleich heute nutzen wir den noch regenfreien Nachmittag zu einem Spaziergang um das Loch herum und morgen fahren wir weiter. Vielleicht in jedem Fall, denn das Sturmtief, das sich schon wieder westlich von Irland zusammenbraut, wird zu uns kommen. So könnte es auch ein toller Plan sein, unsere Abfahrt um einen Tag zu verschieben. Ein zweiter Gutenmorgenkaffee hilft bei dieser Entscheidung nicht, aber in jedem Fall wird es währenddessen draußen etwas wärmer.
Das Castle und das Gutshaus am Loch Aline
Am frühen Nachmittag ist die Sonne dann so weit herumgewandert, dass sie von Süden in das Loch Aline scheint. Außerdem hat sie es geschafft die Kälte zu vertreiben. Hinter dem kleinen Mooringfeld, auf dessen Höhe wir vor Anker liegen, gibt es eine schmale Slippe für die Dauerlieger. In einem Holzverschlag dahinter stehen ihre Dinghys. Wir ziehen unser Dinghy neben der Slippe aufs Grüne. Es ist ein schöner Spaziergang und auch in Schottland ist für eine Brombeerversorgung im Überfluss gesorgt 😋.
Richtig knuffig ist das kleine Bootshaus, hier hätten wir mal mit unserem Dinghy anlanden sollen. Das wäre standesgemäß nach Gutsherrenart gewesen 😂. Das eigentliche Castle verbirgt sich hinter hohen Bäumen und ist von unserem Ankerplatz nur zu erkennen, wenn man weiß, wohin man gucken muss.
Wir drehen die Runde ums das Ende des Lochs, doch ins Castle kommen wir nicht, das Tor ist geschlossen und es sieht nicht danach aus, dass man sich hier auf neugierige Touristen freut. Also gehen wir zurück, das Gutshaus gefällt uns ohnehin besser. Da das Tor der Einfahrt offen steht, schlendern wir mal nach alter Gutsherrinnen- und Gutsherrenart durch den riesigen Garten die Auffahrt hinauf. Vielleicht umgibt uns tatsächlich etwas von dieser selbstverständlichen Art eines natürlichen Adels, zumindest winken uns die beiden Monteure aus dem herannahenden Werkstattauto eines Elektrobetriebs nahezu euphorisch zu. Und wie selbstverständlich, als ob sie nie etwas anderes gemacht hätte, formt die Capitana ihre rechte Hand zu diesem Adelsgruß, den jeder von der winkenden Queen Elisabeth noch gut in Erinnerung hat.
Hernach schreiten wir gemessenen Schrittes weiter bis vor das Gutshaus. Es ist ein herrlicher Bau, nur vielleicht doch etwas groß für einen Alterssitz. Es ist keine Menschenseele zu sehen. Nur das kleine rote Auto der Tochter des Butlers steht davor. So machen wir einige Photos und schreiten wieder die Auffahrt herunter.
Zurück auf der PINCOYA überprüfen wir, ob es sinnvoll ist, an unseren Plänen von morgen festzuhalten. Doch ehrlich gesagt, ist es das nicht, denn wieder einmal möchte das Tiefdruckgebiet ziemlich unangenehm nah an der Isle of Mull entlang schrabbeln. Es muss sich mit seinem Kern nur etwas weiter in Richtung Tobermory bewegen, dann gibt’s auch in dem Loch Na Droma Buidhe südlich der kleinen Insel Oronsay ordentlich einen auf die Mütze. Das sind keine guten Aussichten, zumal der Schwell von West stumpf in das Loch Na Droma Buidhe einlaufen wird und man das übrige Wetter eh vergessen kann. Also beschließen wir, im Loch Aline zu bleiben und abzuwarten.
Der nächste Tag beginnt wieder kalt. 7 sommerliche Grad draußen, erfrischende 10 drinnen. Eigentlich brauchen wir ja gar kein Thermometer, denn kalt ist, wenn sich die Streichfähigkeit von Nutella der einer Blockschokolade annähert. Bisher mussten wir noch keine Angst haben, dass das Messer direkt im Nutellaglas abbricht, aber wir sind auf dem besten Weg, dass es dort wie Excalibur stecken bleibt. Seit 3 Wochen stellen wir auch die Butter nicht mehr in den Kühlschrank, in kleinen Stückchen auf dem Frühstücksbrot verteilt, kann man jedoch partielle Erfolge beim Schmieren tatsächlich noch erreichen, bevor das Frühstücksei ganz kalt geworden ist. Auf die Vorbereitung kommt es eben an, einfach so frühstücken kann ja jeder. Es hilft eben doch, langfristiger zu denken.
Den ganzen Tag bleibt es ruhig, obwohl unser Barometer fällt und fällt. Kein gutes Zeichen, doch eigentlich sind wir guter Dinge, denn nach und nach kommen noch weitere Segler ins Loch Aline. Da es relativ ruhig ist und auch gerade nicht regnet, nutzen wir die Gelegenheit, das Bimini, das wir seit Irland ausschließlich nur noch als Rainimi brauchen, noch einmal zu optimieren. Die Durchführungen der Backstagen passen doch nicht so richtig, da muss noch mal ein kleiner Ausgleichsschnitt angebracht werden.
Ansonsten vergeht der Tag unspektakulär und erst gegen 22:00 frischt es auf. Das Tief zieht wie geplant schnell durch. Gegen 4:00 ist schon wieder das Gröbste durch. Zwischendrin sorgen ein ordentlicher Grundwind und Böen bis 35 kn auf dem kleinen Loch Aline für Windwellen, die sich sehen lassen können. Schwell aus dem Sound of Mull kommt nicht herein, dazu ist die Einfahrt zu schmal. Insgesamt liegen wir gut, obwohl sich unsere Kette streckt. Besser wäre es gewesen, etwas weiter im Loch zu ankern, denn das Maximum erreicht uns leider zum Niedrigwasser aus Süd. Aber der Ankergrund besteht aus solidem schottischen Matschelehm, am nächsten Morgen will unser Anker gar nicht mehr raus, so gut gefällt es ihm dort drin.
11. bis 13.09. Loch Aline
56° 33′ 21,3″ N, 005° 45′ 07,5″ W