Traigh Bail Aonghais Bay, Islay Island -> Loch Spelve, Isle of Mull
Distanz: 40,0 sm Gesamtdistanz: 7.649,3 sm
Heute ist schon unser 100ster Fahrtag in diesem Jahr, so viel und so lange waren wir noch nie unterwegs. Doch der beginnt wieder einmal grautrüb und der Regen scheint nicht weit zu sein. Von dem Sommerwetter von gestern ist nichts mehr übrig geblieben, es ist unglaublich, wie schnell schlechtes Wetter alles um einen herum verändern kann. Doch das ist heute morgen erst einmal egal, denn die spannende Frage ist ja, ob die Ankerwinde nun beim ersten echten Ankermanöver wieder zickt oder mal einfach das tut, weshalb sie an Bord ist. Der Test gestern war ja schon mal ok, aber nun stressen wir unsere Winde mal extra etwas. Ohne dass Astrid die PINCOYA mit dem Motor etwas voranschiebt, hole ich nach und nach die gesamte Kette ein und ziehe so die PINCOYA nach vorn. Und was sollen wir sagen, alles klappt bestens, ohne dass auch nur einmal die Sicherung rausfliegt. Nur zum Ausbrechen des Ankers muss Astrid mit dem Motor etwas nachhelfen, der sitzt einfach zu fest im Grund.
Da haben wir nun wohl endlich wirklich mal die echte Ursache für all die Probleme gefunden, die uns schon so lange Sorgen machen. Das erleichtert uns schon sehr, denn in Schottland sind die allermeisten Ankerplätze doch recht tief. Zwischen 10 und 15 m Ankertiefe ist dort wohl eher Standard. Im Loch Spelve auf der Isle of Mull geht das heute gleich schon los. Dort gibt es nur Ankerplätze um die 10m plus Tide. Zum Ufer hin wird es zwar auch flacher, aber die Ufer sind steil und etwas Abstand zum Ufer lässt einen ja dann doch ruhiger schlafen.
Vor uns liegen 40 sm, und auch wenn das Wetter zu wünschen übrig lässt, der Wind ist ganz passabel und soll es bis zum Nachmittag auch bleiben. Es ist ein kommodes und leichtes Segeln, und als es zu nieseln beginnt, gehen wir rein. Das Fahrwasser ist breit, um uns herum ist viel Platz und es fährt einfach so.
Draußen passiert wenig bis gar nichts, so sortieren wir Photos, schreiben an den Blogs herum, lesen und planen die nächsten Etappen. Es fühlt sich wie ein grautrüber Ankertag an, nur dass wir eben segeln. Ab und an checken wir draußen mal die Lage, aber durch die großen Fenster können wir ja auch alles gut sehen. Weiter draußen ist eh kaum jemand unterwegs, voller wird es erst zwischen den Inseln. Schnell sind wir nicht, aber noch ist es lange hell genug.
8 sm vor der Einfahrt zum Loch Spelve verlässt uns der Wind. Das war vorhergesagt, aber so ernst hätte der Wind die Vorhersage ja nun auch nicht nehmen müssen. Also motoren wir, denn im Dunkeln wollen wir nicht ins Loch Spelve einfahren. Wenn überhaupt, sind dort nur die Fisch- und Muschelfarmen beleuchtet. Die Einfahrt schon mal gar nicht und die ist ziemlich eng. Außerdem ist noch gar nicht ausgemacht, wo wir denn unseren Anker fallen lassen können, sehr üppig sind die Ankerbereiche nicht. Da würden wir gerne wenigstens noch etwas sehen.
Kurz vor der Dämmerung fahren fahren wir als Letzte in die Einfahrt. Vor uns sind schon vier Locals hier reingefahren, es ist Samstag. Astrid hat für die Einfahrt die Kartenschnipsel der Antares Charts von Bob Bradfield am Start. Das sind Kartenschnipsel besonders kniffeliger Ein- und Durchfahrten oder von Ankerspots. Die sind als Ergänzung der Seekarten sehr gut, weil sie im Detail genauer sind. Wendy & Peter von der Henry hatte uns die Karten wärmstens empfohlen und so haben wir sie uns besorgt. Die Einfahrt ist wirklich eng, zumal wir bei Niedrigwasser reinfahren. Aber mit Bob ist das kein Problem und die Tiefenangaben in den Antares Charts stimmen auch eher mit unserem Echolot überein, als iSailor oder Navionics.
Zwei der vor uns reingefahrenen Locals körseln noch durch das Loch. Immer an den Ufern entlang, auf der Suche nach einem Plätzchen, das noch fürs Ankern passt. Am Ende verziehen sich beide aber in den nördlichen Teil, wo es auch Gästemoorings gibt. Die Sache mit dem Gästemoorings ist ok und vielleicht auch einfacher, aber wir mögen es lieber, doch etwas abseits auf eigene Faust zu liegen. Die in den Seekarten verzeichnete 9 m-Stelle finden wir nicht, obwohl ja fast noch Springniedrigwasser ist. Es gibt sie im Übrigen auch bei Bob nicht. Im 15m Bereich liegt ein altes Dampfschiff. Wahrscheinlich ist es gar kein Dampfschiff mehr, aber es sieht ziemlich alt aus. Aus der Messe scheint uns ein warmes Licht anheimelnd entgegen, dort sitzt eine ganze Gruppe schon beim Dinner. Wir drehen in der Dämmerung eine Runde. In »erträglicher« Entfernung zum Ufer spielt sich alles zwischen 10 und 12 m ab. Wir lassen unseren Anker dann bei 11 m fallen. Wir könnten auch noch großzügiger rangehen und locker bis 20 m ankern, wenigstens wenn wir mit unserer Formel rechnen 😂, doch obwohl nun die Ankerwinde wieder zu funktionieren scheint, wollen wir es nicht gleich übertreiben.
Es ist trüb und nieselt. Als wir den Motor ausstellen, umgibt uns sofort eine nahezu unendliche Stille. Wir sind hier allein mit dem Dampfschiff und langsam senkt sich die Dämmerung über uns. Es ist windstill, kein Hauch kommt in das Loch Spelve. Nachdem der letzte Schimmer des Tages verglimmt ist, umgibt uns das vollkommen undurchdringliche Schwarz der Nacht. Keine Sterne, kein Licht an den Ufern und auch die gelben Bojen zur Abgrenzung der Muschelfarmen sind unbeleuchtet und verlieren sich rückstandslos in diesem Schwarz. Nur aus der Messe des Dampfschiffes leuchtet es zu uns herüber. Gerne würden wir uns dort nun einfach an den gedeckten Tisch setzen, zu Abend essen und etwas quatschen 😇.
Das Dunkel ist fast vollkommen, es erinnert uns tatsächlich an das Erlebnis des »Dialogs im Dunkeln« in Hamburg. Es ist so still, dass die Ohren beginnen, sich mit sich selbst zu beschäftigen, weil es einfach nichts zu hören gibt. Sie brummen aus langer Weile einfach irgendwie vor sich hin. Immer mal wieder gehen wir raus und lauschen oder versuchen, irgendwo etwas zu erkennen.
Wie friedlich kann die Welt nur sein.
Im Loch Spelve
Zum Morgenniedrigwasser liegt eine dicke Robbe bäuchlings auf einem algenbewachsenen Felsen. Es ist schon interessant, was bei Niedrigwasser alles so zum Vorschein kommt. Der neue Tag beginnt ebenso grautrüb, wie der alte geendet hat.
Irgendwann bricht das Dampfschiff auf und wir bleiben allein zurück. Einige Hobby-Ornithologen bewegen sich vollkommen unauffällig am Ufer. Wir können nur eine Möwe entdecken, aber sie haben auch Teleobjektive dabei, an deren Ende die Kamera verschwindend klein wirkt.
Am Ufer der kleinen Bucht stehen zwei verfallende Häuser. Das werden wohl mal die Häuser gewesen sein, wo man direkt frische Muscheln aus der Muschelfarm kaufen konnte. So hatte es der Cruising Guide empfohlen, aber danach sieht es nun nicht mehr aus. Die Slippe der alten Muschelfarm ist noch nicht erreichbar, denn davor ist alles steinig und algig trocken gefallen. Das Wetter ist eh nicht besonders toll, da warten wir noch gerne, bis wieder etwas mehr Wasser aufgelaufen ist.
Zwei Stunden vor Hochwasser sieht es besser aus und wir machen unser Dinghy klar. Es herrscht eher ein schottisches Wanderwetter, aber wir müssen das mit unserer irisch-schottischen Assimilation ja irgendwann mal ernsthaft angehen, sonst werden wir nie wie echte Schotten ein Röckchen oder die Iren Shorts bei 13°-warmem Nieselregen tragen können und für immer ein leichtes Opfer für den Kältetod bleiben. Also los.
Da wir keinen Hiking Trail finden, wahrscheinlich gibt es auch gar keinen, denn außer den Ornithologen haben wir mal abgesehen von den Schafen noch niemanden überhaupt hier herumlaufen gesehen, gehen wir die Straße entlang. Die Capitana bestimmt die Richtung. Das ist einfach, denn in der einen Richtung gibt es vielleicht etwas und in der anderen gesichert nichts. Also nehmen wir die »eine«.
Lange wandern wir auf der Straße durch die natürlichste aller Naturen, das einzig Unnatürliche ist die Straße selbst. Nach endloser Zeit und einigen Kilometern treffen wir auf zwei Gehöfte.
Dort laufen auf einer Wiese einträchtig unzählige Hirsche, mehrere Longhorns und einige Fasaninnen herum.
An dem Denkmal eines sich um die schottisch-gälische Poesie verdient gemachten Mullensers, wie die Einwohner der Isle of Mull ja vielleicht heißen, wenden wir in der Hoffnung, dass auf unserem Rückweg vielleicht ein Auto kommt, das wir anhalten und um einen »Lift« bis zur nächsten Bucht bitten können. Aber es ist Sonntag und am späten Sonntagnachmittag fährt kein einziges Auto mehr in unsere Richtung.
Zurück auf der PINCOYA gibt es erst einmal einen Berg Nudeln mit Sahnesoße, denn so viel sportliches Wandern erfordert den spontanen Nachschub von vielen Kalorien und Kohlehydraten.
09. + 10.09. Loch Spelve
56° 23′ 32,2″ N, 005° 45′ 07,7″ W