Lillesand lässt uns nicht los


Aus aktuellem Anlass ziehen wir diesen Blog mal vor, denn dieses Jahr ist wirklich der Wurm drin.
Seit unserer Überfahrt von Peterhead bläst es ja ohne Ende aus Ost bis Nordost. Mal in Orkanstärke, mal als normaler Sturm und ganz selten auch mal weniger. Wenn wir das kleine Wetterfenster für die Überfahrt nicht genutzt hätten, würden wir immer noch in Peterhead feststecken. Und das auf unabsehbare Zeit, denn ohne grundsätzliche Wetteränderung ginge es von Peterhead aus noch viel weniger weiter, als es nun hier in Südnorwegen weitergehen kann.

„Ein Versuch, um etwas weiter in den Norden zu kommen.“

„Ein Versuch, um etwas weiter in den Norden zu kommen.“

Gestern haben wir es versucht und wollten nach Norden aufkreuzen. Wenigstens Grimstad sollte es sein. Luftlinie sind das noch nicht einmal 10 sm. Ein Traum wäre Arendal gewesen. Das wären nur noch einmal 8 sm mehr gewesen. Zusammen also keine 20 sm Luftlinie. Normalerweise ein Lacher, aber unter diesen Bedingungen eher zum Heulen.

„Den sehen und passieren wir nicht nur einmal 🙄“

„Den sehen und passieren wir nicht nur einmal 🙄“


Die Vorhersagen stimmen leider nur bedingt. Gestern waren knapp 20 kn vorhergesagt, in Böen mal 24. Doch es schien leider nur Böen zu geben und manchmal auch noch etwas mehr. Das alles als wahrer Wind, und wenn man dann hart am Wind aufkreuzen muss, dann zerren an den Segeln gleich noch einmal ein paar Knoten mehr herum.
Eine harte Nummer, zumal der Strom vor der Küste mit ca. 2 kn nach Südwesten setzt. Kein leichtes Unterfangen, dagegen aufzukreuzen. Die Wellen waren mit rund zwei Metern und einer sehr kurzen Abfolge das nächste Problem. Immer wieder wurden wir hart ausgebremst, nicht selten runter bis auf 2 kn Fahrt. Die PINCOYA hat nicht nur einmal hart übergeholt und auch das Sülbord ins Wasser gesteckt, wenn uns in solchen Momenten eine Bö von knapp 30 kn traf.

„Danach haben wir aufgehört, Photos zu machen und uns lieber festgehalten.“

„Danach haben wir aufgehört, Photos zu machen und uns lieber festgehalten.“

Und dann haben wir 2 oder 3x richtig in einer Welle gesteckt. Also nicht nur mal einen Platsch abbekommen, sondern richtig den Bug in die Welle gesteckt, so dass es die Welle fast bis auf den Decksalon geschafft hat. Das waren richtig harte Schläge und bei einem dieser Schläge hat sich unser Anker gelöst. Den hatten wir nicht, wie sonst üblich, noch zusätzlich mit einem Spanner gesichert. Ein Fehler, aber wir dachten, dass es schlau ist, den Anker für alle Fälle schnellstmöglich einsatzbereit zu haben. Das hatten wir seit Farsund so gemacht, weil unsere Durchfahrten in den engen Fahrwassern und dann noch genau gegenan auch schon etwas grenzwertig waren.

Doch so hat uns eine der Wellen den Anker gegen die festgeknallte Ankerwinde einfach um einen halben Meter rausgezogen. Und das war mit Sicherheit der Moment, als der Bruch des Wasserstags von heute schon einmal vorbereitet wurde. Gestern haben wir abgebrochen, weil es einfach zu heftig wurde und es keine Chance auf ein auch nur halbwegs vernünftiges Vorankommen mehr gab.

„Wir sind zurück ...“

„Wir sind zurück …“


Und heute? Ja heute sollte es eigentlich etwas ruhiger als gestern sein.

„Versuch zwei, um etwas weiter in den Norden zu kommen.“

„Versuch zwei, um etwas weiter in den Norden zu kommen.“

„Das Schneetreiben lässt die Bilder etwas unscharf erscheinen. “

„Das Schneetreiben lässt die Bilder etwas unscharf erscheinen. “

„Nicht wirklich gemütlich.“

„Nicht wirklich gemütlich.“

Also noch ein Versuch, gegenan nach Grimstad oder Arendal zu kommen. Doch die Bedingungen waren identisch. Wieder dieser Wind um die 25 kn, die Wellen und der brutale Strom, der jeden Kreuzschlag versaut. Und zur Krönung begann es heute auch noch bei 0° zu schneien. Phantastische Bedingungen! Und wieder haben wir uns voangekämpft und wieder haben wir nicht nur einmal mit dem Bug in einer Welle gesteckt.

„Die Ausfahrt wie im Nebel, doch es ist ja nur Schnee“

„Die Ausfahrt wie im Nebel, doch es ist ja nur Schnee“

„Lillesand lassen wir verschneit zurück.“

„Lillesand lassen wir verschneit zurück.“

„Die beiden Eisseebären in ihren neuen Jacken. Ohne die neuen, norwegischen Jacken ginge es gar nicht.“

„Die beiden Eisseebären in ihren neuen Jacken. Ohne die neuen, norwegischen Jacken ginge es gar nicht.“

Doch plötzlich war die Reling etwas lockerer, als sie sonst so ist. Ein Blick nach vorn hat sofort Klarheit gebracht, der Busspriet hob und senkte sich mit jeder Bö. Das konnte nur heißen, dass das Wasserstag gebrochen ist, was die Last der Genua aufnimmst. Das Ding wird ja auch Stampfstab genannt und das offensichtlich nicht umsonst. Also sofort Genua weg, Abbruch, Wende und mehr oder weniger vor dem Wind zurück. So war erst einmal keine große Last mehr auf dem Bugspriet und wir konnten uns alles ansehen. Das Wasserstag ist direkt unterhalb des Bugspriets gebrochen. Ob es nur der Bolzen ist oder der Spanner gebrochen ist, konnten wir noch nicht untersuchen. Inzwischen sind wir zwar sicher auf unserem alten Ankerplatz vor Lillesand zurück, aber es schneit und bläst noch ohne Ende. Die genaue Inspektion heben wir uns für später auf, wenn es wieder etwas freundlicher geworden ist. Draußen haben wir noch das Wasserstag so weit gesichert, dass es nicht herunterklappen kann und den Mast zusätzlich mit dem Spifall stabilisiert.

„Wieder zurück, aber dennoch glücklich. Es hätte auch anders kommen können.“

„Wieder zurück, aber dennoch glücklich. Es hätte auch anders kommen können.“


Wie gesagt, dieses Jahr ist wirklich der Wurm drin. Hätten wir es nicht gleich bemerkt und sofort reagiert, hätte uns wohlmöglich eine dieser brutalen Böen den Bugspriet herausgebrochen. Glücklicherweise haben wir ihn so stark konstruiert, dass er auch noch ohne Wasserstag wenigstens etwas gehalten hat. Sonst hätten wir unter Umständen den Mast verloren und uns von seinen Resten in dieser hässlichen See auch noch trennen müssen. Das wäre der worst case gewesen und das nun schon zum zweiten Mal in diesem Jahr.

„Auf unserem winterlichen Ankerplatz. Wieso nicht Marina? Die ist geschlossen, kein Wasser und kein Strom, also genauso wie vor Anker, nur vor Anker liegen wir besser.“

„Auf unserem winterlichen Ankerplatz. Wieso nicht Marina? Die ist geschlossen, kein Wasser und kein Strom, also genauso wie vor Anker, nur vor Anker liegen wir besser.“


Und nun?
Nun wir haben nach zwei Anläufen gelernt, dass es unter diesen Bedingungen unmöglich ist, auch nur 10 sm gegenan aufzukreuzen. Ohne Gegenstrom hätte es sicher geklappt, aber so ist es eben unmöglich. Auch so etwas kann man ja mal lernen. 😂

Und zweitens müssen wir nun erst einmal reparieren. Das können wir wahrscheinlich sogar mit Bordmittel machen, denn wir haben noch viele Meter 6mm Dyneema und auch noch drei Ersatzwantenspanner. Damit werden wir ein solides Wasserstag hinbekommen.

Und drittens werden wir nun auf einen Wetterumschwung warten, gegen einen Nordost oder Ost ist hier kein Ankommen.


„Abends doch noch schnell ausgebaut.“

„Abends doch noch schnell ausgebaut.“

„So viel zu Vorhersage und Wirklichkeit. Der Leuchtturm Torungen hat mal nachgemessen.“

„So viel zu Vorhersage und Wirklichkeit. Der Leuchtturm Torungen hat mal nachgemessen.“

auf dem Anchorage in Lillesand
58° 15′ 18,1″ N, 008° 23′ 51,8″ E