Die Suche nach Mama Lambanana
Nach dem Dinner im Royal Mersey Yacht Club und dem Annual OCC Meeting am Samstagvormittag ist es mal wieder an der Zeit, ein kleines Sightseeing-Fenster zu öffnen. Leonards Lambanana, also Gelb, muss seine Mama finden und Theodoras Tröti ist auch schon ganz aufgeregt, Gelb dabei zu helfen. Also lassen wir den Lunch ausfallen. Heute Abend kommt ja eh noch das Award Dinner, so werden wir schon nicht verhungern.
Einen Teil der OCC-Mitglieder hat nun auch schon das Lambanana-Fieber erfasst und wir werden es bis Sonntagabend wie das Olympische Feuer durch Liverpool tragen. Auf der Sightseeing Map von Liverpool ist natürlich der aktuelle Standort von Mama Lambanana eingezeichnet. Also geht’s zielstrebig los. Und wer sich bis jetzt fragt, was es mit Lambanana auf sich hat, kann die ganze Story mal HIER nachlesen.
Das Wetter ist ebenso phantastisch wie ungewöhnlich für Liverpool. Bella und Bertie, die beiden Liver Birds, lächeln. Bella über den Hafen in Richtung Meer, Bertie über die Stadt. Wir schlängeln uns durch die Touristenmassen.
Mama Lambanana steht etwas abseits der großen Touristenströme. Und als hätten wir es bestellt, dieses Jahr ist Mama Lambanana in Gelb und Blau gestrichen. In den Farben von Gelb und Tröti. Das passt perfekt!
Dass dies natürlich eigentlich die Farben der Ukraine sind, die Solidarität bekunden, ist klar. Doch bei aller Solidarität und Unterstützung für diesen einen kleinen Moment sind es nun mal die Farben von Gelb und Tröti 😂. First mission accomplished! Nun haben wir etwas frei und genießen die Sonne an der Waterfront. Doch dort treffen wir auch noch viele Verwandte von Gelb, das »große Hallo« nimmt kein Ende.
Der Sonntag danach
Nach dem Award Dinner sind wir erst gegen 1:30 wieder zurück in unserem Hotel. Der Samstag war toll, aber anstrengend. Zurück zu unserem Hotel gehen wir in der Nacht durch eine riesige Party. Wer auch immer sich fragt, wie eine richtige Saturday Night Party geht, sollte mal nach Liverpool kommen. Die Straßen, Pubs, Bars, Restaurants und Discos sind voll und alles geht irgendwie ineinander über. In unserem »formal dress« fallen wir nicht weiter auf, everything is possible und alles passt. So ist das in Britain. In dem bunten Getummel outen wir uns vielleicht nur durch unsere Winterjacken. Alle anderen sind bei 8° eher hochsommerlich und die Damen äußerst knapp gekleidet. Wie zwei Steine fallen wir im Hotel ins Bett und schlafen freshly awarded sofort ein. Nach unserer Acceptance Speech und den vielen vielen Gesprächen sind wir ziemlich geschafft. Wir sind nun zwar wieder drin im Englischen, aber es war doch schon so eine Art Senkrechtstart. Das ist anstrengend für Nicht-Native-Speaker.
Da es in unserem Hotel kein Frühstück gibt, frühstücken wir am Sonntag mal außer Haus. Zwischen Vegi-, Halal-, französischen und continental Breakfast finden wir auch ein original English Breakfast. Wir genießen die Vielfalt und schalten den letzten Tag mal einen Gang runter.
Noch einmal recherchieren wir, wie man nun die Maut für die Mersey Gateway Bridge bezahlen kann. Seit Freitag ist das noch offen. Und dass wir die Maut bezahlen sollten, steht außer Frage, denn alle Kommentare in Google Maps sind eindeutig. Europcar wird die Penalty Charge durchreichen und dann wird es doppelt teuer. Über die Hot-Line erreichen wir allerdings niemanden und bleiben immer in der Warteschleife stecken. Und das Kennzeichen unseres Mietwagen wollen wir nun auch nicht in der App mit einer unserer Kreditkarten verknüpfen. Also beschließen wir, nach unserem Besuch im Port Sunlight Village am Merseyflow Walk-in Centre in Runcorn zu stoppen.
Das Port Sunlight Village
Das Port Sunlight Village ist ein neoklassisches Arbeiterdorf, das Ende des 19ten Jahrhunderts von den Lever Brothers begründet und gebaut wurde. Bis Anfang des 20ten Jahrhunderts entstanden hier rund 800 Häuser und es lebten bis zu die 3.500 Menschen in diesem Dorf. Die beiden Lever Brüder waren mit ihrer Seifenfabrik reich geworden, suchten ein Grundstück zur Erweiterung der Produktion, aber auch nach Arbeitern. Es war damals recht populär, etwas für seine Arbeiter zu tun, wohl auch, um überhaupt noch genügend Beschäftigte zu bekommen.
Der Ursprung des Namens »Port Sunlight« liegt allerdings nicht in dem phantastischen, britischen Wetter, das zu jener Zeit in ganz Britain herrschte, sondern leitet sich aus dem Hauptprodukt der Lever Brothers, der Seife »Sunlight« ab.
Dadurch, dass die Lever Brüder ihr Firmenimperium, das später dann zu Unilever wurde, nun so dicht bei Liverpool ausbauten, wird man schnell dazu verleitet, statt »Lever« dann doch »Liver« zu lesen. Doch »liver« kommt aus dem Altenglischen und bedeutet »matschig«, also genau das Gegenteil von »sonnenlichter« Reinheit, zu der die Seife »Sunlight« verhelfen sollte. 😂
Das Dorf selbst ist phantastisch. Ziemlich erstaunt laufen wir durch die Straßen und Gassen. Es ist unglaublich, was damals möglich war. Der Reichtum, den einzelne Menschen schon damals erreichen konnten, ist unfassbar. So unfassbar wie heute. Man fragt sich unwillkürlich, wie die Kehrseite der Medaille aussah. Höchstwahrscheinlich ebenso wie heute. Genügend exzentrische Beispiele mit all ihren negativen Auswüchsen hat unsere Zeit ja als Anschauungsobjekte auch zu bieten.
Die Maut
Dann geht’s erst einmal zum Merseyflow Walk-in Center. Da man in Großbritannien recht serviceorientiert ist, ist selbstverständlich auch das Walk-in Center am Sonntag geöffnet. Die Sache mit der Maut ist in 2 Minuten erledigt, obwohl wir eigentlich schon überfällig sind und 20 £ Penalty Charge drohen. Allerdings müssen wir nun noch einmal über die Brücke und im Voraus können wir nicht zahlen. Aber die nette Lady am Counter gibt uns den Tipp, einfach die Ansagen des Telefoncomputers zweimal durchlaufen zu lassen, ohne etwas zu tun. Dann würde sich sofort ein Mitarbeiter melden und wir könnten die Maut per Telefon zahlen.
Und was sollen wir sagen, abends läuft es wie geschmiert und wir umgehen die Warteschleife im Rekordtempo und können unsere zweite Maut direkt bezahlen.
Das Yellow Submarine
Einen Programmpunkt haben wir aber noch. Das Yellow Submarine! Leider steht es nun nicht mehr an den Docks, sondern wurde vor dem John-Lennon-Airport wieder aufgestellt. Yellow und Tröti müssen selbstverständlich zu einem Photo Shooting vor das Yellow Submarine. Das versteht sich von selbst, denn das Yellow Submarine gehört neben den Beatles und Lambanana zu den drei großen Attraktionen Liverpools.
Pub-Ausklang
Abends wollten wir eigentlich unseren Liverpool Aufenthalt im »The Philharmonic« ausklingen lassen. Der Pub The Philharmonic ist wohl einer der legendärsten Pubs in ganz Great Britain. Ein absolutes Highlight, nicht nur wegen des museums-verdächtigen Männerklos. Dies können übrigens auch Frau bestaunen. Wenn sie an der Bar fragen, geht einer der Bar-Keeper nachsehen, ob gerade frei ist und dann gibt es eine kleine Sightseeing-Runde der besonderen Art. 😂 Doch im The Philharmonic waren wir schon mehrmals und deswegen gehen wir ins O’Neills mitten in der Stadt an der Hanover Street. Der Absacker im Philharmonics fällt dann aus, weil wir im O’Neills hängen bleiben. Es ist brechend voll, denn gerade spielt noch Liverpool und gewinnt auch. Klopps letzte Saison. Der »Jürgen« ist eine Legende in Liverpool, egal wie gerade die Saison läuft.
Einen letzten Platz ergattern wir gleich neben der Bar und sind sofort mittendrin. Das Guinness vom Fass schmeckt so unglaublich lecker, dass wir gleich noch eins probieren müssen. Irgendwie scheinen wir in der Ecke der Mitarbeiter gelandet zu sein, egal ob im oder außer Dienst jeder scheint hier jeden zu kennen.
Nach dem Spiel wird es ruhiger. Wir fragen, ob wir mal ein kleines Photo Shooting mit Gelb und Tröti an der Bar machen können. Deutsche – Klopp hat gerade wieder einen Sieg eingefahren – und dann noch mit Lambanana und einem kleinen blauen Elefanten in einem Liverpooler Pub … mehr geht nicht. Im Handumdrehen sind wir der Bunte Hund im Pub. 😂. Was für ein Ausklang für unser Liverpool-Abenteuer!
Back home
So langsam haben wir uns an den Linksverkehr gewöhnt. Doch der Blickwinkel als Fahrer aus der Perspektive eines Beifahrers ist immer noch etwas gewöhnungsbedürftig. Dennoch spulen wir routiniert »große« und »kleine« Kurven ab und nehmen die Kreisel wie sie kommen. Die Briten lieben Kreisel und finden in der Vielfalt ihrer Gestaltungsmöglichkeiten ganz offensichtlich eine tiefe Befriedigung. Teilweise sind die Roundabouts auf den ersten Blick gar nicht als solche zu erkennen, doch dann geht die wilde Fahrt im Uhrzeigersinn schon los und die Gefahr kommt wie immer von der anderen Seite. Die Fahrspuren sind ausgefahren, für einige Schlaglöcher würde in Deutschland das THW anrücken müssen. In England, dem Land der Landrover, haben es Teslas wirklich schwer, und nicht nur einmal droht unser Fiat 500 von einem Schlagloch verschluckt zu werden.
Die Abgabe unseres Mietwagens funktioniert problemlos. Der Kleine, den wir bekommen haben, ist ein Scar Face. Gezeichnet von unzähligen kontinentalen Fahrern, die in seinem Lack ihre Spuren hinterlassen haben. Bei der Übernahme haben wir ein 360° Video gedreht, weil das einfacher war, als unzählige Fotos zu machen. Doch den Video-Beweis brauchen wir nicht. Schon im Shuttle klopft der Abnahmebericht an die Tür meiner Mailbox. Keine neuen Schäden. Nun, das war eigentlich auch vorauszusehen, denn es gab ohnehin keine Ecke mehr, die neu beschädigt werden konnte. Nur der Verlust irgendwelcher Karosserieteile, so wie bei Boing, hätte wohl noch Aufsehen erregt.
Auf mysteriöse Weise wiegt unser Koffer in Britain dann glatte 2 Kilo mehr als in Deutschland. Obwohl exakt dasselbe drin ist wie auf dem Hinflug. Das kostet 14,50 £ extra. Bzw. soll es kosten. Die nette Dame am Counter ist diese Szenen gewohnt. Sie guckt zur Seite wie ein Kassierer bei Edeka, wenn man seine PIN eingibt. Immer wieder ziehen sich Fluggäste vor ihren Augen immer mehr aus ihren Koffern übereinander an, solange bis eben das Gewicht auf der Waage stimmt. Das Gewicht des Koffers, nicht das des Fluggastes 😇. Absolut niemand hat sich bisher vor ihren strengen Augen ausgezogen, alle mummeln sich nur immer weiter ein. Es ist warm. Das merken wir erst jetzt. Blöd, dass sich die Fenster des Airports nicht öffnen lassen!
Meine Umhängetasche, die unbedingt als Ryanair-kompatibles Kabinengepäck durchgehen muss, bringen wir mit einem meiner Gürtel auf Form. Sie passt nun perfekt in den Kontrollständer beim Bording. Und so viel Mühe wird dann auch spontan belohnt, denn niemand schert sich um die Größe des Handgepäcks, der Flieger hat ohnehin schon 45 Minuten Verspätung.
Aber damit nicht genug. Kaum wird die vollbesetzte Boing 737 – immerhin nicht das Modell, das schon mal Türen, Verkleidungsteile oder Räder verliert – rückwärts in Abflugposition geschoben, occurs a minor technical issue 😳. Upps … Nicht nur der Captain beginnt zu schwitzen. Es ist irgendetwas mit den Motoren. In jedem Fall etwas, was funktionstüchtig für den Flug schon recht hilfreich wäre. Fast eine Stunde stehen wir vollbesetzt auf einem Warteplatz, während ein Techniker sein Bestes gibt, einen Reboot der Boing durchzuführen, damit der Fehler nicht mehr auftritt. Die Boing hat nicht nur Windows, sondern fliegt wohl offensichtlich auch noch damit. Irgendwann gelingt es dem Techniker, die Fehlermeldung wegzuklicken.
»Sind sie wirklich sicher, dass sie einen Neustart ausführen wollen? Dann klicken Sie auf “Start”! Diese Fehlermeldung wurde Ihnen präsentiert von Krombacher, einer Perle der Natur!«.
Der Techniker ist sich sicher und klickt »Start«. Er bleibt ja auch in Manchester. Reboot tut gut und schon geht’s los. Es gibt wenige Flieger, in den gleichzeitig so viele Deos versagen. Übrigens entlädt sich Flugangst unter anderem in nicht enden wollenden Redeschwällen, rhythmischen Lauten, die besser nicht weiter kommentiert werden sollten, oder Klopfdarbietungen, die an psychedelische Percussion Sessions zur Selbstfindung erinnern.
Erleichtert sehe ich nach einer Stunde die östliche Küste der Nordsee. Unscharf erkenne ich das Ortsschild von Büsum. Immerhin wäre das nun schon mal geschafft, wenigstens fallen wir nicht mehr in die kalte Nordsee. Am Ende landen wir mit 2 1/2 Stunden Verspätung in Berlin-Brandenburg. Dass dieser Flughafen im 21ten Jahrhundert entwickelt und gebaut wurde, wird dem Fluggast geschickt vorenthalten. Alle Wege zu Bus, S-Bahn oder auch nur zur Gepäckausgabe sind auf dem Hintergrund von sportlichen Aspekten entwickelt worden. Man soll sich mehr bewegen! Deutschland trägt sich ja schließlich auch mit dem Gedanken, eine der nächsten Olympischen Spiele auszurichten. Rollbänder, also diese Rolltreppen, die keine Treppen sind, waren zum Zeitpunkt der Planung noch vollkommen unbekannt. Man setzt in Berlin voll auf den durchtrainierten Flugtouristen. Die Gepäckausgabe und der Ausgang beim Zoll wurden bewusst diametral angeordnet, um jede Effizienz der kurzen Wege gleich im Keim zu ersticken.
Die S-Bahnen fahren im 20-Minutentakt. Ohne zu murren, nehmen wir die nächste nach der erst möglichen. So ein moderner Flughafen entschleunigt wirklich, es ist beeindruckend, an was die Planer alles gedacht haben. An der Grünbergallee finden wir Henriette unversehrt wieder. In 3,5 Tagen haben wir 113,75 € an Parkgebühren gespart. Selbst auf dem Netto-Parkplatz hätte man uns noch abgezockt. Da war der Grünstreifen schon ein echter Schnapper.
Nun nur noch 300 km Autobahn und schon sind wir wieder zuhause.