BYC, Büdelsdorf im Kielkanal -> Cuxhaven -> Bremerhaven
Distanz: 109,3 sm Gesamtdistanz 2024: 109,3 sm
Um 5:00 klingelt der Wecker. Vor uns liegen rund 35 sm Kielkanal. Gestern haben wir noch einmal nachgerechnet. Um 12:00 kentert die Tide vor Brunsbüttel. Wenn wir halbwegs zügig schleusen können, dann sind wir zum Kaffee in Cuxhaven.
So starten wir um 6:00. Fünf Wintermonate in Büdelsdorf liegen nun hinter uns. Fünf Monate, die zu häufig zu nass und zu kalt waren, um wirklich etwas auf der PINCOYA zu schaffen.
Doch nun geht’s erst einmal los. Noch nicht so richtig, aber schon mal bis Bremerhaven. Dort geht die Arbeit dann weiter und hoffentlich können wir dann dort auch ohne neue Probleme drei weitere große Themen von unserer ToDo-Liste streichen. Das ausgeschlagene Ruder, das Dauerthema des »schlabbernden Kutterstags« und das neue Seeventil für den Wassermacher. Der Rest ist Beiwerk, aber nicht minder wichtig.
Eigentlich war es uns ja schon klar, aber dennoch sind wir etwas enttäuscht. Bei 2000 Umdrehungen machen wir gerade mal 5,5 kn. Es wird wirklich Zeit, dass wir aus dem Wasser kommen. Die Schraube sitzt voller Seepocken und auch auf dem Unterwasserschiff haben es sich sicher Heerscharen von Seepocken und Muscheln zwischen den flauschigen Algen des Kielkanals bequem gemacht. Im Süßwasser des Kanals werden die Salzwasserseepocken zwar kaum überlebt haben, aber auch tote Seepocken fallen ja nicht einfach ab. Vielleicht verlieren wir aber noch etwas von dem neuen Süßwasserbewuchs des Kanals, wenn wir erst einmal wieder in der Nordsee sind. Die langen Algen-Barthaare waren nicht zu übersehen. Dennoch passen die 5 kn Fahrt immer noch ausreichend gut zu unserer Gesamtkalkulation. Wir werden rechtzeitig in Brunsbüttel ankommen, um das ablaufende Wasser auf der Elbe zu erwischen.
Der Kielkanal selbst ist unspektakulär. Da wir etwas langsam sind, werden wir überholt. Aber an der ein oder anderen Weiche revanchieren wir uns und liegen dann in der Verkehrsgruppe mal wieder kurz vorn. Das Wetter ist genial. Wir hätten es nicht besser treffen können. Schon kurz, nachdem die Sonne halbwegs über den Horizont guckt, wärmt sie uns, wie sie uns schon lange nicht mehr gewärmt hat. Durchs Cockpit wabert ein zarter Duft von Sonnencreme. Die Reste unseres Karibik-Abenteuers riechen verdammt vielversprechend nach Sommer.
Auch in Brunsbüttel ist wenig los, wir können direkt in die Schleuse einfahren.
Und wenige Minuten später hat uns das Salzwasser wieder. Flott geht es mit der Tide in Richtung Cuxhaven. Allerdings ist das Wetter inzwischen wieder etwas norddeutscher geworden. Dunkle Wolkenwände drohen von Süden, aber es bleibt trocken. Doch ohne Sonne ist es merklich kühler.
Was anfänglich als guter Segelwind vorhergesagt war, entpuppt sich leider als zu westlich. Knapp und knirsch kriegen wir die eine oder andere Segelmeile hin, aber der Wind ist launisch und dreht immer wieder zu weit auf Westsüdwest.
In Cuxhaven ist ordentlich was los. Auch hier ist am Samstag »Anschippern«. Fast alle Plätze sind belegt, der Rest ist »rot« und nur wenige sind »grün«. Aber wir sind früh dran und finden eine »grüne Box«. Auf dem grünen Schild ist irgendetwas gekritzelt, so richtig entziffern können wir es nicht. Also fragen wir unseren Nachbarn. Der telefoniert und versichert uns, dass die Box bis wenigstens morgen frei ist. Das passt. Doch um 18:00, wir kochen gerade, wird es laut hinter uns. Der Liegeplatzinhaber ist doch zurück. Da würde bis 16:00 drauf stehen, wieso wir da nun liegen? Eine Diskussion ersparen wir uns. Wenn jemand schon einen Sinn darin sieht, auf ein grünes Boxenschild auch noch eine Uhrzeit zu schreiben, die man noch nicht einmal richtig lesen kann, wenn man schon in der Box liegt, dann steht ein halbwegs vernünftiges Gespräch ohnehin schon unter keinem guten Stern.
Inzwischen sind alle Boxen belegt und es kommen immer noch weitere Transitschiffe an. Nun mit der Tide aus Holland. Cuxhaven liegt strategisch, hat aber definitiv zu wenig freie Plätze dafür. Auch viele der roten Boxen sind inzwischen von den Transitseglern belegt, weil nichts anderes mehr frei ist. So gehen wir einfach an den Steg gegenüber für Boote ab 15 m, was allerdings prompt den Hafenmeister auf den Plan ruft. Wenn nicht hier, wo dann? Eben haben wir noch in einer grünen Box gelegen und nun droht unser Abendessen schon wieder auszufallen. Der Hafenmeister weiß auch keinen Rat, die Marina ist einfach zu klein, und so lässt er uns mit den Worten “aber wenn dann doch noch ein Großer kommt …” einfach dort liegen.
Mit einer großen Portion Nudeln geht unser erster Segeltag, der doch eher nur ein Seetag war, zu Ende.
Bremerhaven ruft
Ab Cuxhaven geht es ruhig weiter. Hier brauchen wir auch wieder das ablaufende Hochwasser. So gegen 11:00 soll der Tidenstrom zu unseren Gunsten kentern. Das Ding mit einer genauen Berechnung der Tide und des Stroms scheint schwierig zu sein. Je nach App und Navi-Software differieren die Angaben erheblich. Vor einigen Jahren haben wir dazu schon einmal Imray angeschrieben, weil die Tidenzeiten auf deren WebPage und in deren App teilweise um mehr als eine Stunde abwichen. We are working on this unpleasant technical issue, war die Antwort. So richtig gelöst scheint die Sache auch heute und auch bei anderen immer noch nicht zu sein.
So nehmen wir den Mittelwert aus den verschiedenen Tidenkalendern und beschließen um 10:30 zu starten, um die Tide noch etwas zu “pushen”.
Inzwischen sind wir wieder etwas eingespielter und in großer Erwartung eines wenigstens kleinen Segelwindes sind wir schnell fertig. Noch im Hafen setzen wir das Groß und es geht gemächlich los.
Manchmal segelt es, manchmal auch eher nicht. Der Wind vergnügt sich im einstellen Knotenbereich, wartet aber dann doch ab und zu mit einer segelbaren Windrichtung auf. Die Sonne scheint wieder genauso schön und warm wie gestern. Das trübe Wetter von gestern Abend hat sich nach Norden verzogen. Es geht ruhig voran, erst gegen 16:00 wollen wir mit dem dann wieder auflaufenden Wasser an den Nordersänden nach Süden in Richtung Bremerhaven abbiegen. Und schon bald riecht es auch schon wieder nach Sonnencreme im Cockpit.
Doch Bremen Rescue hat alle Hände voll zu tun. Bis zum Mittag rufen nicht weniger als vier Segler um Hilfe. Einen Motorausfall auf dem Weg nach Helgoland bei 8 kn Wind aus Südost zu haben, grenzt für einen Segler zwar nicht unbedingt an einen Seenotfall, ist aber ärgerlich genug, weil man unter Segeln nun wirklich zu spät zum Feierabendbier kommt. Das Angebot von Bremen Rescue, den Notfallkandidaten nach Cuxhaven zu schleppen, wird mit der Frage beantwortet, ob es denn nicht auch Helgoland sein könne 😂. Das Wochenende steht ja vor der Tür und es wäre ärgerlich, die Verabredung zum Sundowner zu verpassen.
Und dem armen Kerl, der etwas spät und bei schon ablaufendem Wasser versucht hat, noch schnell durch einen Priel zu fahren, müssen sie erklären, dass auch die DGzRS wenigstens etwas Wasser unter dem Kiel braucht, um ihm noch schwimmend zu Hilfe zu kommen. Da bleibt nur das Warten auf das nächste Hochwasser, aber das kommt ja glücklicherweise recht zuverlässig in einigen Stunden zurück.
Die vorhergesagte Mittagsflaute kommt dann ebenfalls recht pünktlich, doch der Tidenstrom nimmt uns in die richtige Richtung mit. Da abzusehen war, dass wir keine Rauschefahrt machen werden, haben wir schon mal vorsorglich bei der Schleuse Neuer Hafen in Bremerhaven angerufen. Die ist nämlich nur bis 22:00 besetzt. Doch auch das ist kein Problem, die Schleuse kann die ganze Nacht auch von der Kaiserschleuse aus fernbedient werden. Wir können also so ankommen, wie es passt. Im Jaich tobt an diesem Samstag zwar auch das Anschippern, doch wenn wir an den Stegen der Marina keinen Platz mehr finden, können wir für eine Nacht auch ans Kai gehen. Hinter der Schleuse macht der Tidenhub ja keinen Ärger.
Als wir nördlich der Nordersände dann endlich nach Süden abbiegen können, kommt tatsächlich ein leichter Ostwind auf. Das auflaufende Wasser lässt zwar noch etwas auf sich warten, aber es segelt. Bis zum Wurster Arm nehmen dann aber beide zu und wir rauschen nur so unserem Ziel entgegen. Allerdings drohen im Süden einige dunkle Regenwolken. Wir kommen zwar lange recht glimpflich davon, aber mit einer dicken schwarzen Regenwolke dreht der Wind dann abrupt über Süd auf Südwest. So findet der Segelspaß in der Tegler Rinne schon wieder ein Ende, dafür nimmt uns aber das auflaufende Wasser ganz wunderbar mit.
Die Einfahrt nach Bremerhaven zieht sich. Wenn man an den Nordersänden nach Süden abbiegt, hat man immer noch 30 sm vor sich. Wir sind die einzigen im Wurster Fahrwasser und in der Tegler Rinne. Nur im Hauptfahrtwasser sehen wir noch zwei Mitstreiter. Die sind nicht nur schneller, weil sie wohl ein neu gestrichenes Unterwasserschiff haben, sondern auch, weil es dort ganz offensichtlich noch schöner strömt. Aber das merken wir erst, als sich die Fahrwasser vereinigen und auch wir plötzlich einen Knoten mehr Fahrt machen.
Ein Tidenstrom, der einen mitnimmt, ist eine feine Sache. Unsere Ankunftszeit an der Schleuse reduziert sich von 0:30 auf 21:00. Und um 20:45 fahren wir nach 5 Jahren wieder in die Schleuse des Neuen Hafens ein. Am 02. Juni 2019 und vor 17.600 sm sind wir von hier aus »nach Süden« gestartet.
Stationen:
03.05. Büdelsdorf, BYC -> Cuxhaven 53,2 sm:
53° 52′ 32,0″ N, 008° 42′ 20,6″ E
04.05. Cuxhaven -> Bremerhaven, Im Jaich 56,1 sm:
53° 32′ 56,8″ N, 008° 34′ 08,4″ E