Camaret-sur-Mer – Porto Santo – Tag 1 bis 3 –


Camaret-sur-Mer (F) -> Ziel: Porto Santo, Madeira (P)
bisher: 243,8 sm – to go: 849,1 sm – Gesamtdistanz 2024: 1.156,9 sm

Tag 1, Samstag 17.08.
Schon in der Nacht dreht der Wind auf Nord und auf AIS sehen wir am Morgen, dass der Aufbruch in Richtung Süden schon seit Stunden läuft. Wir hatten auch überlegt, ob es vielleicht Sinn machen könnte, schon in der Nacht zu starten, doch das wollten wir uns dann doch nicht antun. Wenn man knapp 1.100 sm vor dem Bug hat, ist es ziemlich egal, ob man einige Stunden früher oder später startet. Noch dazu war die Nacht kalt und feucht, da lockt einen bei 14° auch nichts aus der warmen Koje.

„Morgenstimmung vor Camaret-sur-Mer“

„Morgenstimmung vor Camaret-sur-Mer“

„Die Sonne geht auf.“

„Die Sonne geht auf.“

„Start in den Tag 1 -> bis 3“

„Start in den Tag 1 -> bis 3“

Als wir um 8:30 starten, ist der Nordwind immer noch sehr schwach und unstet. Nachdem wir die Bucht von Camaret-sur-Mer hinter uns haben, versuchen wir es mit dem Parasailor. Das geht so leidlich, dennoch werden wir links und rechts überholt. Nur ein Norweger versucht es auch noch unter Segeln.

„Der lassen Camaret-sur-Mer hinter uns.“

„Der lassen Camaret-sur-Mer hinter uns.“

Es gibt kaum etwas Blöderes, als wenn es gleich zu Beginn nicht richtig läuft. Dann liegt die Gesamtstrecke noch vor einem und man rechnet sein Vorankommen unwillkürlich hoch. Und das Ergebnis kann dann gar nicht anders, als niederschmetternd sein. Natürlich weiß man, dass das Blödsinn ist, doch man macht es trotzdem und ganz automatisch, egal was der Kopf dazu so sagt.

„Die Felsen vor der Bucht vorn Camaret-sur-Mer“

„Die Felsen vor der Bucht vorn Camaret-sur-Mer“

„Der Leuchtturm am Pointe du Toulinguet“

„Der Leuchtturm am Pointe du Toulinguet“

„Nichts geht mehr.“

„Nichts geht mehr.“

Als unser Parasailor nur noch schlapp herunterhängt, geben auch wir auf. Eine Aussicht, unter Segeln außen um die Île de Sein herumzukommen, gibt es nicht mehr. So nehmen auch wir den südlichen Weg durch das Raz de Sein, zwischen der Île de Sein und dem Cap du Raz. Und natürlich kommen wir dort nun zu dem denkbar schlechtesten Zeitpunkt an, der Gegenstrom ist maximal. So hatten wir den Start wirklich nicht geplant. Hoffen wir mal, dass es nicht so verkorkst weitergeht.

„Und wieder einmal zeigt sich das Raz de Sein trüb und grau.“

„Und wieder einmal zeigt sich das Raz de Sein trüb und grau.“


Hinter dem Cap du Raz kommt ein mäßiger Westnordwest auf. Da das nicht mehr mit dem Parasailor funktioniert, holen wir ihn ganz ein und versuchen es konventionell. Es beginnt zu laufen, nicht schnell, aber ausreichend, um den Frust unseres mäßigen Starts verfliegen zu lassen.

„Hinter dem Raz de Sein geht es auf die Biskaya“

„Hinter dem Raz de Sein geht es auf die Biskaya“

Außerdem beginnt ein beeindruckend hoher Altlantikschwell uns sanft zu heben und zu senken. Die Frequenz des Schwells ist wirklich lang, so merken wir kaum, wie beständig es im Takt des Atlantiks immer wieder hoch und runter geht. Wir schwingen uns im wahrsten Sinne des Wortes ein. Es ist wunderbar, wieder hier zu sein und all die Seemeilen noch vor sich zu haben. Wir haben uns auf diese Etappe sehr gefreut, nun ist es soweit.

„Dies ist der lange Atlantikschwell, er ist soooo lang, dass man es gar nicht sehen kann. 😂“

„Dies ist der lange Atlantikschwell, er ist soooo lang, dass man es gar nicht sehen kann. 😂“

Und als die Île de Sein am Horizont hinter uns verschwindet, kommt ganz unvermittelt dieses ruhige Gefühl des Langfahrtsegelns auf. Wir müssen nichts tun, einfach nur weiterfahren. Kein Ankommen wird unsere nächsten 9 Tage stören. Wir sind gespannt, wie wir vorankommen. Einige Ungewissheiten hält das Wetter auf der Biskaya ja schon noch für uns bereit. Mal sehen, wie wir die nehmen können.

„Dann geht kurz mal gar nichts mehr, aber der Wind kommt wieder.“

„Dann geht kurz mal gar nichts mehr, aber der Wind kommt wieder.“


Schon am späten Nachmittag sind die ersten, nervigen Seemeilen wieder vergessen. Es läuft nun mit einem leichten, aber konstanten Nordwest recht gut. Und so kommen wir auch besser durch die Nacht, als wir eigentlich gedacht hatten. Der Nordwest bleibt uns mit wenigen Höhen und einigen Tiefen treu.

Doch mich plagen seit den Tagen vor Camaret-sur-Mer immer heftigere Zahnschmerzen. Erste Anzeichen hatte ich ja schon in Bremerhaven, doch der Zahnarzt zuhause konnte nichts finden. Dann war es auch eine ganze Zeit besser, aber nun sind sie wieder da und es ist schlimmer als zuvor.

Dieser Mist überschattet schon meine Möglichkeiten, die Seele nun einfach mal baumeln zu lassen und den Atlantik zu genießen. Wir müssen mal sehen, ob wir nicht doch noch einen portugiesischen oder spanischen Zahnarzt aufsuchen müssen. Ich habe inzwischen Zweifel, ob sich das noch bis zu unserem Heimaturlaub Ende Oktober aufschieben lässt.

„Die erste Abendstimmung auf der Biskaya.“

„Die erste Abendstimmung auf der Biskaya.“

Aber dennoch nimmt uns der Wind und der ewige Rhythmus des Atlantiks ganz ruhig unter seine Fittiche. Es ist eine schöne Nacht, auch wenn der Vollmond nur ab und zu mal durch die Wolken blinzelt. In den Rhythmus unserer Nachtwachen finden wir so fast automatisch und die Capitana wird schlafend ganz sanft in ihren Geburtstag geschaukelt.

In den 15 Stunden unseres ersten Seetages ersegeln wir uns 66,2 sm. Das ist nicht eben viel, entspricht aber einem Etmal von etwa 106 sm. Trotz des ganzen Theaters am Vormittag ist es am Ende doch noch recht gut gelaufen. 1.022,4 sm to go.


Tag 2, Sonntag 18.08.
Um 2:00 beginnt die Capitana ihre Geburtstagswache. Die Hundewache ist nicht gerade ein Geschenk, aber die anderen Wachen sind eigentlich auch nicht besser. Irgendwann werden wir unseren nächtlichen Dreistundenrhythmus aber wieder so verinnerlicht haben, dass wir einfach vollkommen selbstverständlich darin leben. Das erscheint Menschen mit einem geregelten Tag-Nacht-Rhythmus zwar immer ziemlich unwahrscheinlich, doch das liegt wohl eher nur daran, dass der normale Alltag gar nichts anderes kennt.

Leider kommt der Geburtstag der Capitana erst einmal etwas zu kurz, aber mein Zahn fordert zum Wachwechsel doch mehr Aufmerksamkeit, als ich eigentlich aushalten kann. Vielleicht gibt es in A Coruña ja auch einen guten Zahnarzt, der mich von ihm befreien kann.

Astrids Wache ist insgesamt ruhig, hat aber dann doch ein kleines Highlight. Gegen 3:30 werden wir dreistellig! Und nun sind es nur noch 999 sm bis Porto Santo. Das ist ja auch schon mal was.


In der ersten Nacht hat sich der Strom der Segler auf der Biskaya noch nicht ganz verlaufen, doch es ist schon ungewöhnlich, dass direkt um uns herum gleich vier weitere deutsche Schiffe nach Süden segeln. Die vier haben ganz offensichtlich A Coruña als Ziel und so kreuzen sich unsere Routen. Der Lillisol muss ich sogar noch ausweichen, sonst wäre es auf der riesigen Biskaya doch noch etwas eng geworden. Danach sehen wir niemanden mehr, weder am Horizont noch auf AIS.

„In deutscher Gesellschaft 😂“

„In deutscher Gesellschaft 😂“

Unsere erste Nacht ist ruhig und der Morgen kommt grau und trüb daher. Die Windvorhersage passte für die letzten Stunden ganz gut. Heute wird allerdings von Westen eine Hochdruckzelle über uns hinwegziehen. Das bedeutet Flaute, aber hoffentlich auch etwas Sonne. Die erste Nacht auf der Biskaya war nicht so kalt wie die Nächte im Englischen Kanal, aber die nächtlichen Temperaturen hier auf See sind immer noch weit von »schön warm« entfernt. Und 15 bis 17° sind auch nicht gerade ein sommerlicher Start in einen Tag im August. Nur gut, dass wir bei diesen Temperaturen nicht auch noch die ganze Zeit draußen sitzen müssen.

„Nicht unbedingt ein Geburtstagswetter“

„Nicht unbedingt ein Geburtstagswetter“


„Nach 55 Jahren der erste Geburtstag auf der Biskaya“

„Nach 55 Jahren der erste Geburtstag auf der Biskaya“

„Jippy, der springt gleich mal vor Freude!“

„Jippy, der springt gleich mal vor Freude!“

Insgesamt müssen wir uns am Sonntag etwas östlicher halten, um nicht Gefahr zu laufen, auf der Westseite der Hochdruckzelle in den Südwind zu kommen, aber auch um die dickste Flaute zu umfahren. Mal sehen, ob das gelingt. Gerne würden wir den Ostwind im Süden der Zelle erwischen. Doch die Auflösung der Vorhersage ist grob, da bleibt der Erfolg in unserem Maßstab und bei unserer Geschwindigkeit doch eher eine Glückssache.

Der Kern des Zwischenhochs hat eine Ausdehnung von gut 200 sm und zieht, sich langsam verändernd, von West nach Ost. Das ist ein recht großes Flautengebiet, das wir unbedingt in seiner ganzen Ausdehnung vermeiden müssen. Doch dieses Zwischenhoch sollte eigentlich auch groß genug sein, um mal großzügig etwas Sonne springen zu lassen. Wenigstens sagt man Hochdruckgebieten ja nach, dass sie Schönwetter bringen. Für ein Geburtstagswetter im August wäre das schon angemessen.

„Das Geburtstagswetter lässt immer noch auf sich warten.“

„Das Geburtstagswetter lässt immer noch auf sich warten.“

Doch auch das bleibt nur ein Wunsch, der Tag vergeht in einem undefinierbaren Einheitsgrau. So gibt es den Geburtstagskuchen im Decksalon, alles andere muss warten, bis wir in Porto Santo sind. Immerhin zeigt das Thermometer beeindruckende 22°, doch das Hoch selbst gibt sich nur durch seine Flaute und auf dem Barographen zu erkennen.

Um 14:00 müssen wir den Motor anwerfen, unter Segeln geht nichts mehr. Kurz darauf liegt die Biskaya bleiern um uns herum, kein Lüftchen regt sich mehr und nur noch der Atlantikschwell hebt und senkt uns in seinem ewigen Rhythmus.


Nachmittags holen wir Wetter, die Aussichten sind nicht besser geworden. Um den Südwest- bis Südwind im Westen der Hochdruckzelle zu vermeiden und um vielleicht noch etwas von dem Ost im Südosten des Hochs zu erwischen, müssen wir weiter nach Osten und Süden, als wir eigentlich geplant hatten. Und auch damit wird uns die Flaute noch voll erwischen. Ob unser Plan unter diesen Umständen noch aufgeht, die Orca-Gebiete vor Galizien weit genug im Norden und Westen zu umfahren, ist fraglich.

„Oben die untergehende Sonne, unten der aufgehende Mond. Da kann man schon mal durcheinander kommen...“

„Oben die untergehende Sonne, unten der aufgehende Mond. Da kann man schon mal durcheinander kommen…“

Stunden motoren wir über die absolut stille Biskaya, selbst der Atlantikschwell hat sich nun etwas gelegt. Die Biskaya liegt bleiern, wie mit Frischhaltefolie überspannt, um uns herum. Kein Lüftchen regt sich. Es ist trüb, die Sonne schafft es erst gegen 19:00 mal gerade, so die milchige Wolkenschicht zu durchdringen. Was ist das nur für ein Wetter und wann hört das endlich wieder auf?

Wenn wir nicht Gefahr laufen würden, voll in den Südwest zu kommen, der dann genau gegenan kommt, würden wir uns wohl einfach treiben lassen und abwarten. So ist es aber besser, dass wir uns aus diesem Gebiet verdrücken.
Vielleicht haben wir doch mit unserer Abfahrt die falsche Entscheidung getroffen. Uns wieder alles zu schön geredet und nicht richtig eingeschätzt. Inzwischen motoren wir seit 8 Stunden und noch nicht einmal ein Hauch eines Lüftchens regt sich. Das lässt schon einige Zweifel an der eigenen Entscheidung aufkommen. Hätte man das in diesem Ausmaß nicht auch vorher sehen können? Oder haben wir es einfach nicht sehen wollen, weil wir weiter wollten?

Um 23:59 loggen wir unser 1. Etmal mit 120,0 sm. 911 sm to go.
Ein peinliches Etmal, es enthält 50 Motormeilen und 10,2 Motorstunden.
Und ein Ende dieser Quälerei ist nicht abzusehen.


Tag 3, Montag 19.08.
Kaum habe ich den Tageswechsel im Logbuch eingetragen und die 2 kn Wind aus Nord notiert, dreht der Wind auf Ost und frischt auf 4,5 kn auf. Voll und bei beschert uns das 5 bis 6 kn in den Segeln, also Segel raus und Motor aus. Wir machen 3,5 kn Fahrt in Richtung Südsüdwest. Das passt. Der aufkommende Wind fiel übrigens exakt mit dem ersten leichten Fallen des Barometers zusammen. Da hatten wir den Kern der Hochdruckzelle wohl gerade hinter uns.

„Es geht trüb in unseren dritten Tag“

„Es geht trüb in unseren dritten Tag“

Heute Nacht ist es ist schwer und dauert lange, bis ich meinen Zahn wieder für die Nacht beruhigt habe. Tagsüber ging es recht gut, aber pünktlich zu meiner Freiwache wird es wieder extrem. Ich weiß nicht warum, aber mit Wasser spülen hilft und vielleicht hat das andauernde Putzen dann doch noch einen Rest erwischt. Wenigstens ist nun wieder weitgehend Ruhe und ich kann erst einmal schlafen.

Die Nacht vergeht wunderbar unspektakulär. Die PINCOYA segelt einfach vor sich hin. Mal schneller, mal langsamer. Wir müssen uns um nichts kümmern, es fährt einfach. Der Morgen kommt dann aufgelockerter daher und es entwickelt sich ein wunderbarer Sommertag. Und mit einem Mal bemerken wir, dass die Biskaya nicht mehr grau ist, sondern wieder in diesem phantastischen Blaublau leuchtet. Wir scheinen so langsam wirklich wieder in den Süden zu kommen.

„Doch der Atlantik hat endlich wieder dieses unglaubliche Blau.“

„Doch der Atlantik hat endlich wieder dieses unglaubliche Blau.“

Der Wind passt nicht ganz zur Vorhersage, aber diesmal soll es uns recht sein. Insgesamt kommt er für uns günstiger rein. Wir scheinen wirklich den Südosten der Hochdruckzelle erwischt zu haben. Wenn es so weitergeht, könnten wir es doch noch recht elegant um die Nordwestecke der Iberischen Halbinsel schaffen.

„Frankreich geht, Spanien kommt. Vielleicht schon ein Zeichen, aber wir wissen es noch nicht.“

„Frankreich geht, Spanien kommt. Vielleicht schon ein Zeichen, aber wir wissen es noch nicht.“

Unsere Position am 19. August 12:00
45° 00′ 13,7″ N, 007° 42′ 47,4″ W