Camaret-sur-Mer – Porto Santo – Tag 3 und 4 –


Camaret-sur-Mer (F) -> (Ziel Porto Santo, Madeira (P)) -> Zwischenstopp: Punta do Alba, Cabo Finisterre (E)
bisher: 438,1 sm – to go: 683,4 sm – Gesamtdistanz 2024: 1.351,2 sm

Tag 3, Montag 19.08.
Der Montagnachmittag entwickelt sich als wunderbarer Sommersegeltag. Es ist warm, die Sonne scheint und wir haben den Ost im Süden der Hochdruckzelle wirklich gut getroffen. Doch weit vor uns sieht es nicht mehr ganz so toll aus. Auch deswegen holen wir neues Wetter und siehe da, vor der galicischen Nordküste gibt es gar keinen Ostwind mehr. Der Ausläufer des Tiefs, der hinter der Hochdruckzelle mit seinem Südwestwind über die Biskaya streichen soll, kommt wesentlich weiter nach Süden herunter und wischt den Ostwind, mit dem wir eigentlich um die nordwestliche Ecke der Iberischen Halbinsel wollten, einfach weg. Es wird früh über Süd auf Südwest drehen und wir werden schon weit nördlich der galicischen Nordküste den Wind gegenan haben. Außerdem soll es dauern, bis der Wind dann mit dem sich wieder ausdehnenden Azorenhoch weiter auf Nord dreht. Wir werden kreuzen müssen, um vor Galicien ums Eck zu kommen.

„Endlich etwas Hochdruckwetter mit einem hübschen Segelwind. “

„Endlich etwas Hochdruckwetter mit einem hübschen Segelwind. “

Dann beginnt der Wind ganz langsam zu drehen und wir segeln in einem weiten Bogen immer hart am Wind immer weiter nach Westen. Als aus unserem westlichen Kurs ein nordwestlicher wird, ist es Zeit zu wenden. Doch wir haben einen Wendewinkel von 140° (!) und kriegen gerade mal einen Südkurs hin. Von unserer aktuellen Position aus ist das ein Kurs nach Cedeira, noch nicht einmal A Coruña können wir anhalten. Wäre es nur der Wind, würden wir ums Eck kommen, aber gerade scheint uns so ein saublöder Strom ganz übel mitzuspielen.

„Das sieht zwar toll aus, kündigt aber die Veränderung schon an.“

„Das sieht zwar toll aus, kündigt aber die Veränderung schon an.“

In den Revierführern steht, dass der Strom im Norden von Galicien ziemlich unberechenbar ist und der Gezeitenstrom durch starken Wind sogar umgekehrt werden kann. Da haben wir wohl eine recht unangenehme Variante dieses Stroms erwischt und damit beginnt ein Kampf, der bis zum Morgen andauern soll und alles andere als angenehm ist.

„Sonnenstrahlen auf breiter Front.“

„Sonnenstrahlen auf breiter Front.“


Besonders unangenehm sind die Westkurse, mit denen wir versuchen, mehr Raum zur galicischen Küste zu gewinnen. Es ist unendlich ruppig und die Wellen sind schlicht chaotisch. Ein riesiges Durcheinander schwappt hier herum. Immer wieder kracht die PINCOYA so heftig in die steilen Wellen, dass die Gläser in den Schapps scheppern. Die arme PINCOYA tut einem richtig leid, sie muss wieder einmal echt viel aushalten. Auf den Südkursen stampf sie zwar nicht so in den Wellen, aber wir laufen genau quer zu den großen Wellen und werden immer wieder so auf die Seite gelegt, dass alles herumfliegt, was nicht sicher verstaut ist. Wir selbst hangeln uns wie Klammeräffchen durchs Schiff, können aber den ein oder anderen blauen Fleck auch nicht vermeiden, wenn wir trotz aller Vorsicht doch recht unsanft umgeschubst werden. Der sicherste Platz ist noch die Sitzecke im Salon, vorausgesetzt man verkeilt sich dort richtig. Es ist schon wieder so ein Luv-Kampf, von dem wir gehofft hatten, ihn nun eigentlich hinter uns gelassen zu haben.
Glücklicherweise ist wenig Großschifffahrt unterwegs, so können wir recht unbehelligt versuchen, unsere Kurse hinzubekommen und uns den Platz nehmen, den wir brauchen.

Um 23:59 loggen wir unser 2. Etmal mit 117,4 sm. 808,0 sm to go.


Tag 4, Dienstag 20.08.

„Tag 3 1/2 und Tag 4. Oben rechts ein richtig schlechter Wendewinkel...“

„Tag 3 1/2 und Tag 4. Oben rechts ein richtig schlechter Wendewinkel…“

Dadurch, dass die PINCOYA immer wieder so heftig in die Wellen kracht, ist es laut im Schiff. An Schlaf ist nicht groß zu denken. Mühselig kreuzen wir uns voran. Um 2:00 haben wir von dem ruppigen Gegenan so sehr die Nase voll, dass wir eine Wende versuchen. Mit einem Wendewinkel von 150° fahren wir aber fast wieder auf gleichem Kurs zurück. Es ist zum Schreien! Also gleich wieder rum und weiter gegenan nach Nordwesten. So geht es jedenfalls nicht, entweder der Wind dreht endlich mal über West auf Nordwest oder der verfluchte Strom besinnt sich auf etwas, dass uns nicht vollkommen zurückwirft.

Stunde für Stunde geht’s so weiter nach Westnordwest. Mal deutet der Wind eine kleine Drehung nach Norden an, doch dann geht es doch wieder in der anderen Richtung weiter. Es beginnt zu regnen. Aus dem feinen Nieselregen wird schnell ein Nieselschüttregen. Alles trieft und tropft und wir krachen weiter durch die chaotische See. So ist Segeln wirklich ein hartes Stück Arbeit, das auch ziemlich an unseren Nerven und unserer Gelassenheit herumkaut.

Um 5:00 der nächste Versuch einer Wende. Wir können nicht einschätzen, ob sich der Strom nun geändert hat, hoffen aber, dass er das ja vielleicht doch nach einigen Stunden mal macht. Inzwischen haben wir 15 kn im Mittel, was hart am Wind rund 20 kn in den Segeln bedeutet. Wir reffen nach der Wende ein, ungerefft legen uns die nun wieder quer einlaufenden Wellen einfach zu sehr auf die Seite. Die Sicht ist miserabel. Von der Großschifffahrt sehen wir nur die dicken Pötte, die uns unter 2 sm passieren. Der Nieselregen ist auf dem besten Weg, einem echten Nebel Konkurrenz zu machen, aber die Luft ist warm. Doch was hilft warme Luft, wenn man kalt geduscht wird? Auch nach dieser Wende kriegen wir maximal einen Südkurs hin. Es ist zum Mäuse melken, wir brauchen die Winddrehung, sonst geht hier nichts.


Seit unserem Start haben wir uns in die LuckGrib-App eingearbeitet. Es ist wirklich ein absolut tolles Tool, nur eine Schnittstelle zur Übernahme unserer eigenen Position würden wir uns noch wünschen. Doch das geht auch händisch und so wissen wir immer genau, wo wir in dem Grib-File zu welcher Zeit gerade sind. Ab unserer Wende erwarten wir die Winddrehung quasi minütlich und um 5:50 kommt sie. Endlich!

Mit der Drehung reffen wir das Groß und die Genua wieder aus und die PINCOYA beginnt zu rennen. Quer zu den Wellen ist dies zwar nun ein unglaublicher Eiertanz, aber endlich geht es in die richtige Richtung. Unser Plan, weit rauszugehen, bis hinter das Verkehrstrennungsgebiet, hat nicht funktioniert. Wir haben es schlicht und ergreifend nicht geschafft. Und nun bleiben wir auch innen, noch einmal 35 sm gegenan, nur um an unserem Plan festzuhalten, brauchen wir wirklich nicht. Nun soll es erst einmal hell werden, dann werden wir sehen, wie es um uns herum aussieht.

„So langsam lassen wir das trübe Regenwetter hinter uns.“

„So langsam lassen wir das trübe Regenwetter hinter uns.“

Ab 7:00 beginnt es nicht nur zu dämmern, sondern auch zu wehen. Und es hört auf zu regnen. Mit achterlichem Wind sind zwar 21 kn wahrer Wind nicht so schlimm, doch als wir beständig über 8 kn in diesen Wellen fahren, reffen wir doch mal ein. So einen Regattamodus brauchen wir nicht, zumal wir in der Nacht schon Nerven genug gelassen haben.

Am Vormittag zeigen sich dann die ersten Wolkenlücken. Es ist zwar nicht viel ruhiger geworden, aber wir holen abwechselnd Schlaf nach. Bis dahin haben wir uns mit 15-minütigen Schlafphasen zufrieden gegeben, ohne dass einer von uns wirklich seine Freiwache hatte. Wir müssen nun die Zeit nutzen, um wieder fit zu werden, weniger Wind wird es in den nächsten drei Tagen in keinem Fall geben.

„Kontrollgang nach der Nacht.“

„Kontrollgang nach der Nacht.“

Dann kommt die Sonne raus und wir sausen mit 6 bis 7 kn durch die chaotischen Wellen. Die PINCOYA macht sich wieder einmal wunderbar. Bei einem »kleinen Rundgang« checken wir alles nach dieser Nacht. Aber alles ist bestens, obwohl unsere dicke Erna schon wieder einiges wegstecken musste.

„Nun sehen wir sie auch wieder ...“

„Nun sehen wir sie auch wieder …“

„Galicien zeigt sich im Osten.“

„Galicien zeigt sich im Osten.“

Eigentlich wollten wir ja nun relativ »Orca-sicher« westlich des Verkehrstrennungsgebietes auf Kurs Süd sein, was ja im Grunde genommen auch nur unsere Theorie ist. Nun nehmen wir doch die Innenbahn. 2020 haben wir vor den Rias den ersten Orca-Angriff live mitbekommen. Wir lagen nur 5 sm entfernt, östlich der Illas Cíes vor Anker. Es ist schon erstaunlich und erschreckend, wie sich die ganze Sache entwickelt hat und welchen Einfluss das auf uns und auch die anderen Segler genommen hat.


„Es geht gut voran ...“

„Es geht gut voran …“

Um 12:00 beruhigt es sich etwas, doch vielleicht ist es auch nur die Gewöhnung. Dann dreht der Wind ganz auf Nord und sogar noch etwas darüber hinaus. Da wir nun direkt vor dem Wind segeln, steht die Genua nicht mehr. Also rollen wir sie weg und reffen das Groß aus. Das wird wohl nun unsere Beseglung für die nächsten 36 bis 48 Stunden bleiben. Noch liegt der Wind bei rund 15 kn, doch er soll bis Morgenmittag stetig auf 25 kn zunehmen. Nur mit Groß sollte das vor dem Wind gehen, zur Not reffen wir halt wieder ein.


Am späten Nachmittag nimmt der Wind allerdings schon auf um die 20 kn zu. Wir rauschen nur so dahin. Doch die Wellen werden hässlich. Nur wenn wir so um die 7,5 Knoten laufen, sind wir gleich schnell und fahren etwas ruhiger. Ansonsten geigen wir nur so durch die Wellen. Da wir inzwischen spanisches Netz haben, holen wir uns noch einmal ausführlich Wetter. Die Vorhersage für die nächsten 48 Stunden ist nicht besser geworden. Wir werden bis zu 25 kn Wind bekommen, in Böen sollen lustige 30er dabei sein und die Wellen lassen sich das auch nicht zweimal sagen und spielen mit 2,4 bis 2,8 m mit. Puuh … das hört sich nicht wirklich gemütlich an.

Radio Finisterre gibt seinen Boletín Meteorológico über Funk. Wir verstehen nicht alles, aber mit den Zahlen geht’s noch. Viento veinticuatro nudos passt ziemlich genau zu den Vorhersagen, die wir als Grib-Files haben. Noch einmal sehen wir uns die Grib-Files an und auch in Windy können wir nun online nochmal schnell die anderen Modelle checken. Müssen wir uns das die nächsten 36 Stunden antun? Wie das sein wird, können wir gerade schon ganz gut einschätzen, denn unsere Windanzeige zeigt gerade 22 kn. Also so wie jetzt, nur etwas mehr.

„Unsere Begleiter.“

„Unsere Begleiter.“

Der Entschluss fällt einstimmig. Nein, wir müssen uns das nicht antun. Soll es doch hier draußen blasen, wie es will, wir verdrücken uns hinter das Cabo Finisterre. Als wir den Kurs ändern, ist es 19:15 und bis zum Cabo sind es noch 19 sm. Das schaffen wir nicht mehr im Hellen, aber wir waren schon einmal dort und wissen, dass wir vor dem Praia da Langosteira auch in der Nacht den Anker ganz unproblematisch fallen lassen können.

„Ein typisches Bild 😂, immer zu langsam am Auslöser ... 🙄“

„Ein typisches Bild 😂, immer zu langsam am Auslöser … 🙄“

„Der nächste Abend kommt.“

„Der nächste Abend kommt.“

Und 10 sm vor dem Cabo weht ein warmer Wind diesen phantastischen Eukalyptus-Duft zu uns herüber. Den hatten wir schon ganz vergessen und plötzlich werden die Erinnerungen aus 2020 wach, als wir 8 Wochen in den Rias waren. Etwas skeptisch ist die Capitana noch wegen der Orcas in Küstennähe. Doch als wir auf den letzten Meilen von Delphinen begleitet werden, entspannt sich auch die Capitana. Wo Delphine sind, sind keine Orcas. Doch es kommt noch besser. Plötzlich taucht keine 100 m neben uns ein Blauwal auf. Er ist gut doppelt so lang wie die PINCOYA. Ganz langsam schwimmt er an uns vorbei, doch bis wir begriffen haben, was wir für ein großes Glück haben, so etwas erleben zu dürfen, ist auch schon keine Zeit mehr, ein Photo zu machen. Wie konsterniert schauen wir ihm hinterher und sehen immer wieder seinen Blas. Doch dort bläst nicht nur einer, etwas weiter daneben schwimmt wenigstens noch einer, wenn nicht zwei.

„Cabo Finisterre im Abenddunst“

„Cabo Finisterre im Abenddunst“

In der letzten Dämmerung runden wir das Cabo Finisterre und kreuzen uns bis zu unserem Ankerplatz voran. Die Wetteraussichten für ein ruhiges Vorankommen in den nächsten Tagen sind mäßig, aber warum gleich weiter? Die Rias haben uns 2020 so gut gefallen, da legen wir vielleicht doch einfach einen kleinen Zwischenstopp ein. Zeit genug haben wir und im Orca-Heimatrevier sind wir nun ohnehin, dann können wir auch etwas bleiben.

„Noch einmal Cabo Finisterre“

„Noch einmal Cabo Finisterre“

„Die letzten Meilen segeln wir im Mondlicht.“

„Die letzten Meilen segeln wir im Mondlicht.“

Vor dem Punta do Alba, Cabo Finisterre
42° 55′ 24,8″ N, 009° 14′ 52,7″ W