Weiter nach Porto Santo – Tag 1 bis 3 –


Ría de Arousa, Playa de Barraña -> Ziel: Porto Santo, Madeira (P)
bisher: 292,3 sm – to go: 403,0 sm – Gesamtdistanz 2024: 1.685,3 sm

„aus dem Ría de Arousa -> nach Porto Santo, Madeira - Tag 1 bis Tag 3 12:00“

„aus dem Ría de Arousa -> nach Porto Santo, Madeira – Tag 1 bis Tag 3 12:00“

Tag 1, Samstag 31.08.
Kurz vor Sonnenaufgang klingelt unser Wecker, wir wollen heute noch möglichst im Hellen bis hinter die Großschifffahrtslinie vor der iberischen Westküste kommen. Das wären 65 sm, was mit dem Wind, wenn auch knapp, zu schaffen sein sollte. Die Orcas machen uns schon einige Sorgen, aber vermeiden kann man sie eben nicht. Da hilft nur Glück, wie so oft, auch wenn einem das in den meisten Fällen nicht so klar ist, da man ja gerne glaubt, alles selbst zu kontrollieren.

„Escarabote im Morgendunst“

„Escarabote im Morgendunst“

„Noch einmal zwischen den Muschelfarmen hindurch“

„Noch einmal zwischen den Muschelfarmen hindurch“

Auf der Gesamtstrecke soll der Wind, bis auf 36 Stunden etwa auf halben Weg, ganz moderat sein. Wobei wir schon davon ausgehen, dass das Wetter insgesamt zunehmend freundlicher wird. Als wir aufbrechen, ist es grautrüb bei 16°. Hoffentlich ändert sich das schnell, sonst wird es draußen richtig kalt. Auch der Wind müsste sich noch etwas besinnen, er körselt im Ría de Arousa noch recht schwach vor sich hin.

„Das sieht etwas zu trüb für einen sonnigen Morgen aus.“

„Das sieht etwas zu trüb für einen sonnigen Morgen aus.“

„Dann hat uns der Seenebel ...“

„Dann hat uns der Seenebel …“

Am Ausgang des Rías ist der Nordwind allerdings ein glatter Südwind 😳 und es zieht sich zu. Es scheint wirklich schwer zu sein, den Wind hier nur mal 12 Stunden vorher korrekt vorherzusagen. Draußen sind es dann nur noch 14° und wir steuern direkt auf eine Nebelbank zu. Die dicken Mützen aus Norwegen sind ein Segen, allerdings zögern wir noch etwas, auch die Jacken aus Norwegen herauszukramen. Erst einmal müssen Sweatshirts und Steppwesten reichen. Eine normale Jeans als Segelhose ist grenzwertig. Kurz denke ich über die gefütterte Snowboard-Hose nach. Ein Blick auf das GPS bestätigt das unmöglich Erscheinende. Wir sind tatsächlich auf 42° 28’ N und 8° 58’ W und Norwegen soll unglaubliche 1.150 sm, also rund 2.100 km im Nordosten liegen. Dabei meldet Oslo heute sogar 20° und das auch noch bei Sonnenschein 🤨.

„Welchen Unterschied gibt es hier eigentlich zu einem Segeltag auf der Nordsee zu sehen? Stimmt, dort herrscht meist Westwind!“

„Welchen Unterschied gibt es hier eigentlich zu einem Segeltag auf der Nordsee zu sehen? Stimmt, dort herrscht meist Westwind!“

Sofern sich die Gesamtgemengelage doch noch irgendwann darauf besinnt, wieder den portugiesischen Nordwind einzuschalten, soll uns der Südwind zunächst mal egal sein. Ob wir nun mit einem Südwind oder einem Nordwind nach Westen segeln, um die hoffentlich nur küstennah aggressiven Orcas hinter uns zu lassen, ist uns wurscht.

„Flaute und dahinter die Hoffnung ...“

„Flaute und dahinter die Hoffnung …“

Erst gegen 13:30 kommen wir in die Flautenzone, hinter der wir uns den Nordwind erhoffen. Inzwischen sind wir gut 12 sm vor der Küste. Das ist schon wieder so ein Start, der das Herz nicht vor Freude höher schlagen lässt. Der Süd war ja noch ok, auch wenn er etwas ungeplant in unser Segelprogramm gekommen ist. Doch die Flaute ist schon wieder so ein ausgemachter Mist, den keiner braucht. Um 14:30 erreichen wir den Nordwind, der allerdings mit 9 kn nur halb so kräftig ist, wie in Aussicht gestellt, und nun aus Nordwest kommt. Aber wir können wenigstens wieder segeln und langsam nähern wir uns auch der Großschifffahrtslinie. Erste AIS-Signale tauchen auf, doch auf Kurs Porto Santo sind wir noch lange nicht. Für einen echten Vorwindkurs ist der Wind zu schwach, doch wir wollen ja auch noch etwas weiter raus.

„Stinkende Großschifffahrt. Man riecht sie, bevor man sie sehen kann.“

„Stinkende Großschifffahrt. Man riecht sie, bevor man sie sehen kann.“

Ganz langsam nimmt der Nordwest zu und dreht auch etwas mehr auf Nord. Es beginnt zu laufen und wir gehen in einem langgezogenen Bogen auf einen Südkurs. Nach der letzten Wettervorhersage haben wir unseren Kurs erst einmal östlich der Großschifffahrtslinie abgesetzt. Bis kurz vor Peniche sind wir so immer noch weit genug draußen, auch weil die portugiesische Küste bis Porto nach Osten verspringt. Denn morgen sollen wir eine Leichtwindphase bekommen, die einen Vorwindkurs sicherlich schwierig macht. Dann gehen wir in dieser Zeit etwas an den Wind und kreuzen erst dann die Großschifffahrtslinie nach Westen, um wieder weiter rauszukommen und in Tiefenbereichen von mehr als 1.000 m zu bleiben. So der Plan und nun läuft es erst einmal, denn der Nordwest ist nun plötzlich stärker als vorhergesagt und pendelt sich im Mittel knapp unter 20 kn ein. Das ist bestens, um nur mit dem Groß vor dem Wind zu segeln.

„Die Sonne guckt noch einmal unter den Wolken hervor.“

„Die Sonne guckt noch einmal unter den Wolken hervor.“

„Unser erster Sundowner zur See.“

„Unser erster Sundowner zur See.“

Da die Wellen bei dem Wind achterlich von steuerbord einlaufen, ist unser Kurs nicht immer wirklich gemütlich. Ab und zu legen uns einige Wellen ordentlich auf die Seite, aber wir kommen mit einem Schnitt von über 6 kn endlich mal gut voran. So geht es dann auch in eine mondlose Nacht. Hinsichtlich der Mondphase haben wir unsere Weiterfahrt nicht so richtig geplant. Nachtfahrten bei Vollmond sind ja immer ein echtes Erlebnis. Aber auch der Neumond hat seine Vorteile, denn ohne Mond ist es zwar stockfinster, aber man sieht den Sternenhimmel viel viel intensiver, als wenn ein heller Vollmond die Nacht beleuchtet. So sehen wir nun, wie sich die Milchstraße von Nordosten nach Südwesten erstreckt. An ihrem Ende liegt Porto Santo, wir müssen also nur noch der Milchstraße folgen.

Um 23:59 loggen wir nach 16 Std 91,2 sm. 595 sm to go.
Das entspricht hochgerechnet einem Etmal von 137,8 sm, also ein Schnitt von 5,7 kn. Das kann sich für den schwachen Anfang schon sehen lassen.


Tag 2, Sonntag 01.09.

Ab Mitternacht nimmt der Wind etwas ab. Es macht schon einen Unterschied, ob man mit 5 kn mehr oder weniger Wind segelt. So wird die Nacht ruhiger und wir können abwechselnd prima schlafen. Doch die Nacht ist kühl und wir gehen nur alle 20 min mal für einen kleinen Rundblick ins Cockpit. Da wir östlich außerhalb des Hauptfahrwassers segeln, kommt uns keine Großschifffahrt in die Quere.

„Endlich dämmert es wieder, die Nächte sind nun schon wieder genauso lang wie die Tage.“

„Endlich dämmert es wieder, die Nächte sind nun schon wieder genauso lang wie die Tage.“

Mit der Dämmerung luven wir an und pirschen uns nach Westen an das Hauptfahrwasser heran, um eine Lücke zu finden, durch die wir schlüpfen können. Wie auf einer Perlenschnur gezogen, fährt die Großschifffahrt hier nach Norden oder Süden. Doch sie neigt zur Haufenbildung. Oft kommt gleich ein ganzer Schwung und dadurch ergeben sich eben auch Lücken. Wahrscheinlich ist das wie auf den Autobahnen, unterschiedliche Geschwindigkeiten sorgen für Staus. Durch die Nordfahrer kommen wir ganz elegant, aber im Fahrwasser der Südfahrer verlässt uns der Wind und mit einem Mal scheint man es auf uns abgesehen zu haben. Gleich vier dicke Pötte möchten sich mit uns gleichzeitig treffen. So werfen wir den Motor an und suchen das Weite durch die Mitte. Gegen 14:00 haben wir die letzten Südfahrer hinter uns und sind nun endlich mal westlich des Hauptfahrwasser.

„Viel los! Wir schlüpfen da mal durch.“

„Viel los! Wir schlüpfen da mal durch.“

„Einer der Nordfahrer“

„Einer der Nordfahrer“

Der Tag ist angenehm, doch die neue Wettervorhersage kündigt ordentlich viel Wind an. Und aus den 36 Stunden in der Mitte ist leider der Rest unseres Trips geworden. Der Wind soll dann zwar aus der passenden Richtung kommen, aber etwas weniger könnte es doch schon sein. Wir werden versuchen, in einem Bogen etwas westlicher zu segeln, um mit etwas Glück im 20-kn-Bereich zu bleiben. Mal sehen, ob das gelingt, in jedem Fall würde es uns helfen, wenn wir möglichst schnell sind. Doch das werden wir mit einem 20er Nordnordwest in jedem Fall sein.

Doch unser zweiter Seetag vergeht erst einmal beschaulich und der Schiffsjunge bekommt einen langen Mittagsschlaf. Zwar segeln wir seit dem Morgengrauen hart am Wind, doch bei 5 bis 8 kn ist das durchaus angenehm, wenn auch nicht schnell genug. Aber wir segeln, das ist ja auch schon mal was, denn damit hatten wir so früh am Tag noch nicht wieder gerechnet. Etwas mehr dürfte es dennoch sein, aber ich fürchte, wir werden uns diesen ruhigen Tag schon morgen wieder herbeisehnen.

„Pastell-Wolken. Mal sehen, was sich hinter diesem Naturschauspiel verbirgt.“

„Pastell-Wolken. Mal sehen, was sich hinter diesem Naturschauspiel verbirgt.“

Die Front, die gegen 22:00 von Westen heranzieht, sieht wirklich bedrohlich aus. Einzig das Barometer bleibt konstant. Das ist schon eine ziemliche Beruhigung. Bisher hat es uns verlässlich angezeigt, wenn es heftig wurde. Nun dreht der Wind aber ganz auf West und nimmt auf 4 kn ab. Ist das die Ruhe vor dem Sturm?

„Die Front kommt ...“

„Die Front kommt …“

Ich habe Wache und Astrid schläft. Eine gewisse Anspannung kann ich nicht verleugnen. Ich erwarte die Drehung auf Nord eigentlich jede Minute. Die Frage ist nur, wie heftig sie wird. Laut Vorhersage soll sie moderat erfolgen, aber wenn man das draußen so sieht, kann man schon so sein Zweifel bekommen. Wenigstens scheinen keine Gewitter in der Front zu stecken. Kein Leuchten, kein Grollen und keine hohen Wolkentürme.
Und das, was nun mit 5 kn aus Westen heranweht, ist ziemlich warm. Um 22:00 hatten wir noch nie 22°.

„Diese Nacht ist schwärzer als schwarz.“

„Diese Nacht ist schwärzer als schwarz.“

Um 22:30 wecke ich Astrid, nun sollte es eigentlich gleich losgehen, aber nichts passiert, außer dass ein leichter Nieselregen einsetzt.

Um 23:59 loggen wir unser 1. Etmal mit 118,0 sm. 486,0 sm to go.


Tag 3, Montag 02.09.
Um 0:10 knallt aus dem Nichts eine 20er Bö in uns hinein. Hart am Wind mit ungerefften Segeln ist das schon etwas brutal. Während der West schlagartig auf Nord springt, drehen wir in Windeseile wir die Genua weg und fallen ab. Von 4 auf 20 Knoten ist schon so eine Nummer. Die Nacht ist im Nieselregen stockfinster. Dann läufts nur mit Groß bei 120° in die richtige Richtung. Von dem netten Übergang in der Vorhersage, der sich bis zum Morgen hinziehen sollte, ist keine Spur zu merken. Im Handumdrehen werden auch die Wellen höher, vor uns liegt eine unruhige Nacht.

Nachdem der Wind kaum noch mal unter 20 kn geht und uns erste 25er Böen gezeigt haben, dass noch mehr geht, reffen wir um 3:00 das Groß ein. Die ganze Geschichte scheint sich stärker zu entwickeln, als bisher vorhergesagt. Kurz darauf sehen wir die ersten 27er Böen. Das kann ja noch lustig werden. Ungerefft sind wir teilweise mit mehr als 8 kn durch die Nacht gestochen, jetzt sind es immer noch dauernde 7 kn Fahrt. Wenn der Wind noch zunimmt, müssen wir wohl noch das zweite Reff ins Groß binden. Hoffentlich spielen die Wellen nicht zu sehr verrückt. Sehen können wir erst etwas, wenn es wieder hell wird.

„Der Morgen kommt ruppig.“

„Der Morgen kommt ruppig.“

„Das sieht nicht nach Besserung aus.“

„Das sieht nicht nach Besserung aus.“

Bis zum Morgen geht es ungemütlich aber hinreichend gut. Die PINCOYA marschiert wacker durch das Wellenchaos. Im Morgengrauen sehen wir die Wellen. Sie sind nicht eben klein. Sie haben im Mittel 3 m, doch wenn sie übereinander laufen, ist auch deutlicher mehr drin. Das alles ist recht chaotisch, aber sie brechen nicht. Schön ist dennoch anders. Mit dem Morgengrauen nimmt der Wind bzw. nehmen die Starkwindphasen mit über 25 kn leider auch zu. Noch geht’s, wenn’s mehr wird, müssen wir noch einmal einreffen.

„Die Wellen können sich sehen lassen.“

„Die Wellen können sich sehen lassen.“

„Durchgeschaukelt und nur noch vereinzelter Gegenverkehr.“

„Durchgeschaukelt und nur noch vereinzelter Gegenverkehr.“

Um 11:30 holen wir neues Wetter. Seit Stunden segeln wir mit über 20 kn. Das sind 6 Beaufort und die Böen knabbern nicht selten an der 7. An der Gesamtlage hat sich nichts geändert, wir werden so, wie es die letzen 12 Stunden war, weiter bis Porto Santo reiten. Immerhin sind wir schnell, auch wenn es recht ungemütlich ist. Wenigstens für den Wachhabenden, denn der kann sich ja nicht in unsere tiefliegende Mittelkoje verdrücken.

„Upps, schon wieder so ein dicker Klopfer“

„Upps, schon wieder so ein dicker Klopfer“

Unsere Position am 02. September 12:00
38° 53′ 01,1″ N, 011° 50′ 54,8″ W