Ría de Arousa, Playa de Barraña -> Ziel: Porto Santo, Madeira (P)
bisher: 587,3 sm – to go: 121 sm – Gesamtdistanz 2024: 1.980,3 sm
Tag 3, der Rest vom Montag, den 02.09.
Nachmittags nimmt der Wind wieder zu. Eben hatten wir noch 20 kn als ganz gemütlich empfunden, nun sind es wieder 25 bis 27 kn. Also satte 6 Beaufort mit einem Hang zur 7. Man merkt das auch sofort an den Wellen, im Handumdrehen sind gleich wieder richtig dicke Klopfer dabei. Zum Ausgleich nehmen wir den Fetzen Genua wieder weg, den wir vorhin gesetzt hatten, um schön in Fahrt zu bleiben.
Der erste Blog ist nun auch raus. Das, was sonst so nebenbei geht, ist unter diesen Bedingungen schon eine Aufgabe. Wir haben uns noch nicht an dieses ruppige Dahinjagen gewöhnt. Es ist laut und die ständige Unruhe, das ewige Geschubse und Geschaukel, das Einschlagen hoher Wellen und das Heulen des Windes machen nicht nur körperlichen Stress, sondern auch im Kopf. Es hält einen in einer ständigen Anspannung. Die einfachsten Bewegungen an Bord sind ein Problem. Wenn man einmal nicht aufpasst, landet man ziemlich wahrscheinlich recht schmerzhaft in irgendeiner Ecke. Das bloße Sitzen und Schreiben gelingt nur, wenn man sich in der Sitzecke verkeilt hat. Seine Gedanken zu sammeln, um etwas aufzuschreiben, wird zu einer echten Aufgabe. Es fällt schwer, dranzubleiben und einen Absatz zu schreiben. Das Notebook steht zwar auf einer Antirutschmatte, aber der Körper ist ständig angespannt, um alle unvorhersehbaren Bewegungen noch rechtzeitig zu parieren. Und festhalten muss man das Notebook trotzdem, während man schreibt, und die Unterarme müssen auf der Tischkante liegen, um die Position zum Tippen über der Tastatur zu halten. Da kommt es zu ganz neuen Fingerübungen.
Doch der Kopf ist mit der Zeit irgendwie weich und matschig geschaukelt. Es ist schon erstaunlich, wie schwer es einem dann fällt, einfach mal an einem Gedanken dranzubleiben. Wir wissen ja aus eigener Erfahrung, dass sich das mit der Zeit bessert, aber wir wissen auch, das der Stress dieser Anspannung nie ganz aufhört. Als Fahrtensegler kann man sich darauf ja einrichten und es sich trotzdem immer noch möglichst so gemütlich machen, wie es eben geht. Doch wenn man dann daran denkt, dass die Regattaprofis genau in solchen Situationen ständig alles geben müssen, um noch mehr Speed zu machen, um den besseren Kurs zu finden und um immer alles herauszuholen, was geht, dann fehlt einem doch schon etwas die Vorstellung, wie man sich dazu unter solchen und noch härteren Bedingungen immer noch motivieren kann. Der Offshore-Regattasport ist wohl tatsächlich die härteste Sportart. Denn diesen Anspannungsstress müssen die Profis ja nicht nur kurz, sondern Wochen und manchmal sogar Monate durchhalten. Wenn man als kleiner Fahrtensegler mal über einige Zeit an etwas Wind geschnuppert hat, dann wird einem erst klar, was diese Spitzensportler leisten.
Alles in allem kommen wir aber gut voran. Mit Höhen und Tiefen, was mal mehr und mal weniger Wind bedeutet. Wobei weniger kaum mal kleiner 20 kn ist.
Um 21:30 feiert die Capitana unser Bergfest allein, während der Schiffsjunge schlummert. 350 sm sind geschafft und 349 liegen noch vor uns.
Um 23:59 loggen wir unser 2. Etmal mit 156 sm. 332 sm to go.
Dies ist wohl eins unserer besten Etmale und bedeutet einen Schnitt von 6,5 kn.
Tag 4, Dienstag, der 03.09.
Letzte Nacht hätten wir das noch nicht gesagt, aber im Grunde genommen ist die Nacht ruhig. Gegen 1:00 nimmt der Wind wieder zu und bläst uns mit einer satten 6, also so mit 25 bis 27 kn vor sich her. Wenn es so bleibt, sollten wir einreffen, aber die letzen Starkwindphasen haben nie wirklich lange gedauert, dann geht es wieder runter auf 20 bis 22 kn. Tagsüber kann man ja ganz gut sehen, ob eine verräterische Wolke aufzieht oder es eher eine Wolkenwand ist. In stockfinsterer Nacht bügelt man blind durch die chaotische See.
Diese Nacht ist wolkenverhangen, so geht das Nachtgrau des Himmels nahtlos in das Nachtgrau des Atlantiks über. Um uns herum leuchten nur die Schaumkronen der sich brechenden Wellen. Ein grandioses Meeresleuchten lässt sie mal hier und da aufleuchten und die PINCOYA zieht eine Glitzerspur durchs Wasser. Wir fallen noch 5° ab, gehen also noch etwas nach Westen. Die Wellen und der Wind passen dafür gerade recht gut. Morgen Mittag werden wir relativ dicht um den Monte Joséphine herumsegeln. Ein unterseeisches Bergmassiv, das sich immerhin um die 4.000 m über dem Meeresboden erhebt und dessen Spitze nur gerade mal 166 m unter der Wasseroberfläche liegt. Diesen Klotz wollen wir nördlich umfahren und danach möglichst direkten Kurs auf Porto Santo nehmen. Das passt auch ganz gut zu unserer Windstrategie, denn weiter westlich hat der Windpfeil nur noch zwei ganze Fiedern.
Der Morgen beginnt grautrüb, aber mild. Zum Mittag reißt es auf und nur noch dünne Schleierwolken hängen lustlos am Himmel herum. So könnte es bis Porto Santo bleiben, das wäre gut und endlich mal sommerlich. Das ist zwar noch nicht die Barfuß-, aber schon mal die T-Shirt-Route.
Allerdings hält der Sonnenschein nicht allzu lange, schnell sind wieder Wolken da und es zieht sich zu. Um 16:00 halsen wir hinter dem Monte Joséphine. Wir hatten uns hier den Wind schon nordöstlicher erhofft, aber zu allem Überfluss dreht er sogar noch etwas zurück. So ist nur ein Südkurs drin und die Wellen kommen nun genau von achtern. So richtig berauschend ist das nicht, aber für die nächsten 24 Stunden wird das wohl unser Kurs bleiben. Dann sollte es mit der nächsten Halse endlich man auf direkten Kurs Porto Santo gehen.
Die neue Wettervorhersage vom Mittag hat keine Überraschungen gebracht, so wie die letzten 36 Stunden waren, werden auch die nächsten 60 bis Porto Santo sein. Nachmittags nehmen allerdings die Wellen zu. Es sind nun wohl mehr 3 m. Die Burschen sehen schon bedrohlich aus, wenn sie so von achtern anrollen und die PINCOYA ihr Heck ganz gelassen hebt und die Rauschefahrt beginnt. Ganz so gelassen wie unsere dicke Erna sind wir dabei nicht mehr. Lieber schließen wir die Türen des Decksalons, auch wenn wir am Heck unser Gummiboot quer fahren. Es hat schon so einiges abgehalten. Bisher ist es im Cockpit trocken geblieben. Wahrscheinlich liegt die Wellenveränderung daran, dass uns im Norden das Starkwindgebiet im Nacken sitzt und seine Wellen vorausschickt. Der echte Starkwind soll zwar nicht bis zu uns herunterreichen, doch die Wellen laufen schnell. Vielleicht ist es aber auch die unterseeische Berglandschaft, die hier für sehr unterschiedliche Tiefen sorgt. Doch die Wellen brechen sich (meist) noch nicht. Das »meist in Klammern« füge ich noch schnell im Nachhinein ein, denn genau in dem Moment, als ich diesen Satz schreibe, werden wir von einer sich brechenden Welle schäumend überholt. Hm …
Nach einiger Zeit beruhigt sich das Ganze erst einmal, doch der Wind verharrt noch deutlich über 20 kn. Das macht die PINCOYA schnell und das ist nicht das Schlechteste in diesen Wellen.
Um 23:59 loggen wir unser 3. Etmal mit 150,0 sm. 191,0 sm to go.
Das zweite Mal in Folge ein 150er Etmal, das ist schon außergewöhnlich. Unsere dicke Erna lässt’s noch mal richtig krachen. 😂. Wenn wir den Schnitt halten können, sind wir Donnerstag früh in Porto Santo. Das wäre der Oberhammer!
Tag 5, Mittwoch, der 04.09.
Die Nacht vergeht extrem schaukelig. Der Wind liegt konstant um die 20 kn, eher etwas mehr als weniger. Es ist ein heißer Ritt. Etwas ruhiger wäre schon nicht schlecht. Es ist mild, aber vielleicht schreiben wir morgen auf Porto Santo auch Geschichte. In der Dämmerung zieht sich backbord voraus bis weit nach Süden eine Regenwolke. Wir könnten es mit unserem Wetterglück schaffen, Porto Santo nach 107 Jahren den ersten Regen im September zu bringen. Seit Generationen herrscht auf Porto Santo im September ein wüstenartiges Klima, doch nun kommen wir mit fruchtbarem Regen im Schlepptau.
Um 8:30, Astrid hat sich gerade noch einmal hingelegt, haben wir einen Einsteiger 🌊 😳. Ich bin gerade wieder im Decksalon, da erbricht sich eine Welle backbord direkt gegen die Bordwand, rauscht über den Decksalon und schafft es bis ins Cockpit. Eine Minute vorher habe ich noch das Photo von der Regenwolke gemacht und leider noch nicht wieder die Türen geschlossen. Ich glaube, die PINCOYA hat es noch nie so sehr auf die Seite gelegt. Gut, dass ich gerade wieder sitze und nicht herumstehe. Durch das offene Schiebeluk purzelt bis auf das iPad alles, was unter der Sprayhood liegt, an mir vorbei in die PINCOYA. Die Welle füllt das Cockpit und beginnt gurgelnd durch die Abflüsse zu verschwinden. Glück gehabt, die Richtung der Sturzflut war noch günstig und es war nicht so viel Wasser, dass die Salontüren hätten etwas abhalten müssen. In der PINCOYA räumt es nur den Tisch ab und der Parasailor purzelt von seiner Position oberhalb des Wassermachers. Auch ihn hatten wir noch nicht wieder festgeschnallt, nachdem wir das letzte Mal Wasser gemacht hatten. So etwas ist schon beeindruckend, aber fast noch beeindruckender ist unsere dicke Erna. Während wir noch etwas verdattert aus der Wäsche gucken, richtet sich unsere alte Dame wieder auf und der Autopilot steuert sie unbeirrt wieder auf Kurs. Wow, das hätte nun wirklich nicht noch sein müssen, lässt aber das Vertrauen in unsere dicke Erna noch einmal wachsen.
Der Rest des Vormittags vergeht in Rauschefahrt unter einem blauen Himmel und in einem ruppigen, aber strahlend blauen Atlantik. Ein rekordverdächtiges Finish liegt in der Luft.
Unsere Position am 04. September 12:00
34° 40′ 18,0″ N, 014° 53′ 42,0″ W