Ría de Arousa, Playa de Barraña -> Porto Santo, Madeira (P)
bisher: 725,1 sm – to go: 0 sm – Gesamtdistanz 2024: 2.118,1 sm
Tag 5, der Rest vom Mittwoch den 04.09.
Kurz vor 15:00 werden wir zweistellig. Die 99 sm fühlen sich nach »Gleich-sind-wir-da!« an und irgendwie stellt man sich sofort auf’s Ankommen ein. Auf einem 35 sm Tagestörn scheinen 99 sm in unerreichbarer Ferne zu liegen, und nun dies 😂. Von dem strahlenden Madeira-Wetter ist allerdings nicht viel übrig, es hat sich wieder zugezogen und der Atlantik ist unverändert ruppig. Es bläst konstant mit 20 kn, anders geht es wohl gerade nicht.
Vor uns liegt noch eine Nacht und im Morgengrauen werden wir ankommen, sofern wir den Schnitt halten können. Wir freuen uns auf Porto Santo und darauf, dort einfach mal etwas zu bleiben. Solange es nicht von Ost über Süd bis Südwest bläst, sollte es kein Problem sein, einfach vor dem Hafen zu ankern. Doch vor Porto Santo müssen wir das Wetter schon etwas im Auge behalten. Es gibt eben Windrichtungen, bei denen man doch lieber das Weite suchen sollte.
Schon bei unserem ersten Besuch 2021 hat uns Porto Santo gut gefallen. Das klare, warme Wasser und die Wärme waren ein Traum. Vielleicht ist und bleibt Porto Santo auch deshalb immer ein besonderes Ziel, weil es das Ziel unserer ersten echten Offshore-Etappe war. Und der Umstand, dass Heiligenhafen der Heimathafen unserer dicken Erna ist, macht Porto Santo ja eh besonders.
Zwischendurch lese ich noch einmal unseren Blog »472 Seemeilen nach Madeira« vom 19.09.2021, unserer ersten echten Offshore-Etappe überhaupt. Vieles hört sich ziemlich ähnlich an, nur dass uns wohl diesmal kein Abflauen des Windes zum Ende hin vergönnt sein wird. Aber inzwischen sind wir schon etwas routinierter. Seit 2021 haben wir recht viele Seemeilen im Atlantik hinter uns gelassen, haben viel erlebt und auch gelernt und eben Routine gesammelt. Wir wissen heute, was unsere dicke Erna alles so wegstecken kann, wie unbeirrt sie auch unter widrigen Bedingungen läuft und worauf wir uns verlassen können. Damals war alles neu. Auch jeder Gedanke und jede Sorge, die einem ganz zwangsläufig auf einer ersten Offshore-Etappe kommen. Dennoch ist vieles von heute noch genauso wie damals. Der wilde Ritt durch die Wellen, die unendliche Faszination, die das leuchtende Blau des Atlantiks ausübt, die grandiosen Sternennächte, die unendliche Weite, die Ruhe trotz aller Unruhe und noch so vieles mehr. Es ist schon faszinierend, grenzenlos unter Segeln über den Atlantik zu reisen, doch es ist ebenso wunderbar, sein Ziel dann vor der Nase zu haben. Mit Wind und Wetter sein Ziel vollkommen eigenständig zu erreichen, hat etwas absolut Großes.
Stunde für Stunde jagen wir nun unverändert durch diese letzte Nacht. Die Nacht ist sternenklar und warm. Zum ersten Mal fragen wir uns, ob eine kurze Hose auch nachts ausreichen könnte. Wir haben die Kälte des Nordens und vor allem das kalte Atlantikwasser hinter uns gelassen. Ich bin gespannt, was morgen unser Badeentchen dazu sagen wird.
In jedem Fall müssen wir in dieser Nacht wieder besser aufpassen und regelmäßig Ausschau halten. Wir kommen in den Einzugsbereich der madeirischen Fischer und Fischer kommen bei dem Geschaukel doch manchmal ganz aus Versehen an den Ausschalter ihres AIS. Doch unter diesen Bedingungen geht man gerne mal raus, auch wenn wir weiterhin sehr ruppig mit 6 bis 7 kn durch die Wellen dreschen. Ein wilder Ritt, der uns nun schon seit 72 Stunden durchschleudert.
Um 23:59 loggen wir unser 4. Etmal mit 153 sm. 49,7 sm to go.
Das ist das dritte 150er Etmal in Folge. Ein wirklich heißer Ritt. 459 sm in drei Tagen, das ist ein Schnitt von 6,4 kn, den wir seit 72 Stunden halten.
Tag 6, Dienstag, der 05.09.
Um 4:00 überlegen wir uns, wie wir die Halse angehen. Ohne erneute Halse würden wir direkt an Porto Santo vorbeifahren. Die Wellen liegen im Mittel bei 3 m, d.h. es sind immer mal wieder deutlich größere und auch sich brechende Wellen dabei. Der Wind liegt meist über 20 kn und nur selten darunter. Normalerweise fahren wir bei so starkem Wind eine Q-Wende anstatt einer Halse. Doch es ist stockfinster und wir haben echt Angst, in einer Q-Wende stumpf in so einen sich brechenden Klopfer hineinzustechen. Doch bis zum Morgengrauen können wir auch nicht warten, wir sind viel zu schnell und müssten dann zurückkreuzen.
Nun ist nicht nur der Wind ein Problem beim Halsen, sondern auch die Wellen können Ärger machen. Wenn uns im Moment der Halse einer dieser dicken Burschen auf die Seite legt, schlägt das Groß in 20 kn Wind einfach unkontrolliert um. Das wäre saublöd und auch nicht gerade ungefährlich. Dennoch schätzen wir das Risiko einer Halse kleiner ein als das einer Q-Wende, die naturgemäß auch länger dauert und zwei sehr unangenehme Amwindkurse rund um den Wendepunkt selbst hat. Also Halse.
Die Halse fährt Astrid mit dem Autopiloten, während ich das Groß mache. Die Halse mit dem Autopiloten zu fahren, hat den Vorteil, dass der Autopilot im Stockfinsteren einfach zuverlässiger und stumpf den Kurs hält, den man eintippt. Dafür ist er langsamer als ein menschlicher Rudergänger, der im richtigen Augenblick einfach mal beherzt umlegen kann. Sollte uns während der Halse eine achterliche Welle blöd treffen, würde der Autopilot auch versuchen diese auszusteuern, obwohl wir ja eigentlich rum wollen. Das könnte durchaus kontraproduktiv sein.
Doch am Ende passt alles und wir fahren unter echt widrigen Bedingungen ein supertolle Starkwindhalse. Dann geht es auf Kurs Porto Santo. Die Wellen laufen nun wieder deutlich mehr von Steuerbord ein, aber immer noch ziemlich achterlich. Das ist eigentlich der bessere Kurs, vorher kamen sie genau von hinten. Insgesamt rauschen wir nun gleichmäßiger dahin, doch einige der schäumenden Brecher kommen nun doch ziemlich seitlich rein. Immer wieder legen uns diese finsteren Burschen recht brutal auf die Seite. Was bisher genau von achtern an uns vorbeischäumte oder vom Gummiboot abgehalten wurde, klatscht nun seitlich in uns hinein. Doch ein Ende ist absehbar, das ist ja auch schon mal was.
Dann plötzlich ein richtiger Einschlag. Eine Welle kracht aus dem Nichts etwas über dem Sülbord in die Fenster der Steuerbordseite. Glücklicherweise wohl noch etwas unterhalb, sehen können wir nichts, es ist immer noch stockfinster und wir müssen es nehmen, wie es kommt. Die Fenster halten, aber es war ein fieser Schlag. Der schwere Deckel des Druckkochtopfs hinterlässt eine hässliche Narbe im Holz auf der Backbordseite neben dem Bad. Viel können wir an unserem Kurs nicht ändern, wir hätten vielleicht doch eine Stunde vorher halsen sollen. Der Wind frischt ungeplant auf 24 kn auf. Muss das zum Ende nun wirklich noch sein?
Und wir schreiben tatsächlich Geschichte! Was gestern noch ironisch gemeint war, ist heute schon die nackte und nasse Wahrheit. 15 sm vor Porto Santo beginnt es zu regnen. Es ist zum wahnsinnig werden, was haben wir nur verbrochen, können wir dieses norddeutsche Scheißwetter denn nirgends hinter uns lassen? Wenn die Überfahrt nicht schon so heftig gewesen wäre, würden wir ja gleich weiter in den Süden fahren, aber wir sehnen uns inzwischen tatsächlich nach etwas Ruhe. Für etwas Ruhe würden wir auch etwas Regen in Kauf nehmen.
Es dämmert und als der Wind auf 15 kn abnimmt, rollen wir etwas Genua aus. Diese unverschämte Kritik lässt sich der Wind aber nicht gefallen und dreht sofort wieder auf 25 kn auf. So jagen wir mit 7,5 kn Fahrt Porto Santo im Regen entgegen.
Die Wellen sind wirklich heftig, wir sind gespannt, wie es auf dem Ankerplatz vor dem Hafen aussieht. Auf AIS können wir schon sehen, dass wenigstens ein Franzose draußen liegt. Wir würden gerne wieder direkt vor den Strand und direkt vor die Mole, dort ist es am ruhigsten. Mal sehen, ob dort noch etwas frei ist.
Auf den letzten Seemeilen düst der Wind noch einmal richtig um die Insel. Wir sind uns nicht ganz sicher, wie sich die Wellen verhalten, wenn es vor Porto Santo von mehreren tausend Metern plötzlich runter auf unter einhundert Meter verspringt. Inzwischen ist es so hell, dass wir fiese Brecher sehen könnten, aber nichts Schlimmes ist auf unserem Kurs voraus zu sehen. So bügeln wir einfach um die vorgelagerte Insel Ilhéu de Cima. Zwischen Porto Santo und der Ilhéu de Cima düst es noch einmal richtig, doch dann sind wir da.
Um 9:15 fällt unser Anker direkt vor dem Baixa da Morena westlich der Hafenmole. Geschafft! Es war ein unglaublicher Ritt und der Starkwind hat uns drei Rekord-Etmale in Folge beschert. So etwas hatten wir auch nicht nicht!
So richtig gerne hätte es der Schiffsjunge gehabt, wenn wir vor 8:00 angekommen wären, dann hätten wir für die Tage noch eine hübsche 4 vorn stehen gehabt. Doch das ist Kosmetik, so haben wir die 725,1 sm in 5 Tagen, 1 Stunde und 15 Minuten geschafft. Inclusive zweier Ankermanöver 😂!
Das sind trotz des verhaltenen Starts 6,0 kn im Schnitt über 121 (!) Stunden.
Gemütlich war’s nicht immer, aber so eine Rauschefahrt ist schon berauschend. Besonders im Rückblick 😂!
Und im Nachhinein …
Zudem haben wir ganz offensichtlich sehr großes Glück gehabt. Orca-Glück! Nachdem am 28.08. ja schon eine Orca-Attacke direkt vor dem Ría de Arousa erfolgt war und wir am 31.08. mit etwas gemischten Gefühlen gestartet sind, kam es am 02.09. zu 3 weiteren Attacken direkt vor und sogar in dem Ría de Arousa. Nur 3 sm von unserem letzten Ankerplatz entfernt, direkt vor unserer Lieblingsinsel, der Isla de Arousa, und direkt auf der Route, auf der wir gesegelt sind. Puuh ….
Und was sagt nun das Badeentchen?
Es sagt 22° Wassertemperatur! In sprachlosen Worten: zwei zwei! Ist das nicht wunderbar?
nun vor Porto Santo
34° 40′ 18,0″ N, 014° 53′ 42,0″ W