Santa Cruz, La Palma -> Ostküste La Gomera, mal sehen
bisher: 57,5 sm – Gesamtdistanz 2024: 2.780.0 sm
Die Tage 0 unserer Überfahrt
Unsere Zeit in der Marina La Palma läuft am ersten Weihnachtstag ebenso aus wie unsere Geduld. Eigentlich sollte man ja nun meinen, dass wir inzwischen genug Erfahrung haben, um einigermaßen gelassen den richtigen Zeitpunkt zu einem geplanten Aufbruch einzuschätzen können. Doch es ist wahrscheinlich egal, wieviel Erfahrung man hat, am Ende gewinnt doch immer die Ungeduld, denn die futtert sich mit jedem Tag Wartezeit immer mehr Gewicht an, um es dann in die Waagschale zu werfen.
So brechen wir um 16:00 aus Santa Cruz auf. Auch so ein Kompromiss, den wir nur durch ein langes Mittagsschläfchen aufrecht erhalten können. Danach sammeln wir alle Ruckdämpfer ein und beginnen, die PINCOYA aus ihrem Spinnennetz von Festmachern zu befreien. Dann noch eine Tasse Tee mit Mike. Es ist ein seltenes Glück, so wunderbare Menschen zufällig als Nachbarn zu haben und Freundschaft zu schließen. Bis in die Karibik haben wir denselben Weg, auch wenn Mike mit Marie und der White Malkin Antigua als Ziel haben. Doch es besteht kein Zweifel, irgendwann werden sich unsere Kurslinien wieder kreuzen. Früher oder später passiert so etwas immer, denn die Welt ist ja gar nicht so groß, wie es scheint.
Also los. Um 16:00 senkt sich das Gate der Marina und die PINCOYA schaukelt das erste Mal wieder in den Wellen und nicht nur in der Marina. Ob unsere Entscheidung aufzubrechen wirklich so schlau war, können wir in den ersten Stunden bis kurz vor Mitternacht mit einem klaren und sehr entschiedenen »Nein« beantworten. Als wir aus der Abdeckung von La Palma kommen, schnappt uns die Düse zwischen den kanarischen Inseln und zeigt uns, dass Wettervorhersagen hier nicht viel zu sagen haben. In schneller Folge probieren wir verschiedene Reffvarianten durch, bis wir bei der Sturmfock und dem zweiten Reff im Groß landen. Das ist nicht mehr viel Tuch, doch hart am Wind braucht man auch gar nicht so viel Zeug, wenn es mit 20 bis 25 kn bläst.
Vollkommen bekloppt sind allerdings die Wellen. Es bläst von Südwest und natürlich laufen so auch die Windwellen nach Nordosten. Und allein sie würden mit ihrer Hässlichkeit eigentlich schon vollkommen ausreichen. Doch darunter liegt ein teilweise noch erheblicher Schwell aus Nordost, der sich in den letzten Tagen nördlich der Kanaren aufgebaut hat und sich nun zwischen den Inseln nach Süden durchdrängeln will. Wir haben so eine bekloppte Kombination schon einmal auf der Biskaya vor Arcachon gehabt. Immer wieder krängen wir mit den nicht ganz kleinen Windwellen schon erheblich, rutschen dann aber noch seitlich auf den Flanken des gegenläufigen alten Schwells herunter. Das alles passiert unvorhersehbar asynchron und so bleibt einem ab und zu echt das Herz stehen. In diesen Momenten holt die PINCOYA unglaublich weit über und teilweise schwappt es einfach über das mittige Süllbord. Es ist zum 🤮, aber glücklicherweise bleibt es beim 🤢!
Erst lange nach Sonnenuntergang und so langsam in Richtung La Gomera beruhigt sich das Ganze und auch unsere Mägen trauen sich wieder an ein Stück Knäckebrot und eine Tasse Tee heran. Und über uns breitet sich wieder dieser unbeschreibliche Sternenhimmel aus, an dem man sich nicht sattsehen kann. Der Mond ist abnehmend und taucht erst, kurz bevor wir unseren Ankerplatz erreichen, als dünne Sichel über dem östlichen Horizont auf. Ohne ihn ist es schon ziemlich finster. Wenn wir in der Nacht einen Ankerplatz anlaufen, freuen wir uns eigentlich immer, wenn er etwas kräftiger leuchtet. Von dem Nordosten La Gomeras bis in den Osten haben wir uns drei mögliche Ankerplatz ausgeguckt. Für den Südostwind passen sie alle, auch wenn der Wind immer etwas um die Inseln herumdreht. Entscheidend sind die Wellen und so fahren wir ziemlich dicht unter der Küste entlang, um abschätzen zu können, wie es in der einen oder anderen Ankerbucht schwappt. Kurz vor San Sebastián haben wir schon die Segel eingeholt. Vorher haben wir zwar noch etwas ausgerefft, aber je mehr wir um die Ecke kommen, desto mehr kommen wir auch in die Abdeckung der Insel.
Nachts Entfernungen richtig einzuschätzen, ist schwierig. Alles sieht irgendwie immer viel zu dicht aus. Doch bis auf einen Felsvorsprung stimmen die Karten. Warum der es trotz vieler Beschwerden und trotz eindeutiger Satellitenbilder noch nicht in die Seekarten geschafft hat, ist uns ein Rätsel. Der Felsen ist schon ein echter Brocken und gut auf dem Radar zu sehen, doch all das hat noch nicht gereicht, um ihm bei iSailor, Navionics oder auch OpenCPN einen Eintrag in den Verlauf der Küstenlinie zu gönnen. Sei’s drum, wir beschließen, dahinter und nördlich von Punta Gaviota zu ankern. Die stockfinstere Nacht ist heimtückisch, die Felsen scheinen doch näher zu sein, als wir Mut haben, noch näher heranzufahren. Doch wir haben es ja. 🙂 Genügend Ankerkette. So fällt unser Anker 3:45 bei Niedrigwasser auf 11m und wir lassen es mal bei 50 m Kette gut sein.
Die zweite Hälfte der Nacht hat uns mit der ersten etwas versöhnt, obwohl wir auch ohne das Theater der ersten Hälfte gut hätten auskommen können.
Punta Gaviota auf La Gomera
Als wir aufwachen und mal nachsehen, wie es draußen nun mit etwas Tageslicht aussieht, erinnert uns die Bucht nördlich des Punta Gaviota sofort an die Baia d’Abra auf Madeira. Die braunen Schichten der steilen Vulkanfelsen leuchten in der Morgensonne. Es ist weitgehend ruhig, nur etwas Schwell hat uns durch den Rest der Nacht geschaukelt. Der Südwest, der sich um die Insel dreht und über den Tag noch einmal kräftig zunimmt, bleibt weitgehend draußen.
Unseren Ankerplatz haben wir in der letzten Nacht gut getroffen, wir müssen nicht noch einmal umlegen. Nur wenige Chartersegler schnuppern tagsüber mal kurz am »Vor-Anker-liegen«, aber keiner bleibt für mehr als einige Stunden.
Es ist ruhig. Eigentlich erstaunlich ruhig. Das hatten wir so nicht erwartet. Doch bei diesem Wetter scheint die nordöstliche Seite des Punta Gaviota recht gut zu passen. Erst gegen Abend nimmt der Wind deutlich ab und unsere Nacht ist so ruhig, wie es sonst nur mal in einem skandinavischen Fjord ist.
Da das Netz in der Bucht nur schwach ist, ziehen wir unseren Router in den Mast.
So geht es. Die Wettervorhersagen sind konstant, auch wenn es nun doch teilweise etwas stärker wehen soll. Doch das ist gar nicht schlecht, denn wenn wir schnell bis auf Höhe von Cabo Verde kommen, dann passt es insgesamt besser als in Schleichfahrt.
Also geht es nun am Freitag, den 27.12.2024, tatsächlich los. Es ist nun auch gut, denn gewartet haben wir lange genug. Das nächste Abenteuer kann beginnen.
In Warteposition vor Anker nordöstlich Punta Gaviota auf La Gomera
28° 02′ 30,2″ N, 017° 09′ 58,6″ W