Egal, wie man es dreht und wendet, das Wetter spielt nicht mit. Man kann es verrückt nennen oder als den Beweis für den Klimawandel nehmen. An beidem ist sicher etwas dran, ungewöhnlich und nervig ist es in jedem Fall. Grundsätzlich ist auf den Kanaren ja nun schon die Zeit, in der es mal aus Süden wehen kann. Das war Ende 22 nicht anders. Doch der Schiffsausrüster in Santa Cruz findet es dennoch recht merkwürdig, dass es nun so oft und für Tage aus Süden weht.
Und vor allem holen die Tiefs dieses Jahr sehr weit nach Süden aus und entstehen praktisch am laufenden Band südwestlich der Kanaren auf halber Höhe zu Cabo Verde. Mal ist so etwas ja ok, aber in dieser Häufigkeit und Dauer ist es schon irgendwie anders als sonst. Er ärgert sich etwas, nicht mehr vorgesorgt zu haben, denn er hätte allein in den letzten zwei Wochen noch unzählige weitere Ruckdämpfer verkaufen können. Nun ist schon seit Tagen alles ausverkauft und von Teneriffa ist auch kein Nachschub zu bekommen. Nur der Großhändler in Barcelona hat noch welche. Doch die Zeiten sind schwierig, erst Weihnachten, dann Neujahr und dann obendrein noch der Zoll, wer weiß, wann dann die neue Lieferung ankommt. Wir bekommen in Los Llanos den letzten Federdämpfer. Los Llanos ist zu weit für Segler aus Santa Cruz. Aber dann ist auch dort das Regal leer.
In der Marina ist es wirklich unruhig. Sie haben zwar in der Einfahrt dieses »Gate«, doch was zu viel ist, ist zu viel. Teilweise hackt es regelrecht aus Süden und die Wellen laufen ungehindert in das große Hafenbecken. Das Gate hält zwar viel ab, aber eben nicht alles. Die große »Kabbelei« bleibt draußen, ohne Frage, doch der lange Schwell lässt es im Becken der Marina immer noch heftig schwappen. Es reißt die Schiffe brutal hin und her und schon, wenn man nur über den Steg geht, wird man immer wieder voll aus dem Takt geschubst. Unachtsame drohen schlicht vom Steg zu stolpern. Es ist schlau, sich in der Mitte zu halten.
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Und an dieser Stelle sollte nun eigentlich ein kleines Video kommen, aber das haben wir nicht mehr fertig bekommen. Doch wenn es ruhig genug ist, haben wir ja genug Zeit, das auf unserer Überfahrt zu machen…
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Einige Festmacher brechen und zig dieser Gummi-Ruckdämpfer quittieren ihren Dienst. Auch wir büßen gleich noch einen weiteren ein. Sie sind dem Gerucke schlicht und ergreifend nicht gewachsen und reißen einfach auseinander. Nur die Ruckdämpfer mit Feder halten tapfer durch, sind aber auch für ein Tröpfchen Öl oder etwas Fett ganz dankbar. Leider haben wir in Puerto del Rosario nur welche mit einer 7 mm-Feder bekommen. Für unsere dicke Erna wären 10mm sicher passender. In Los Llanos haben wir dann den letzten 10er bekommen, der macht schon noch eine bessere Figur. Für das Geschwappe liegen wir dennoch recht gut und fast alle harten Schläge werden im wahrsten Sinne des Wortes gut abgefedert. Trotzdem ist es auf der PINCOYA ziemlich unruhig. So unruhig, dass man schon mit seinem Gutenmorgenkaffee aufpassen muss. Ein unerwarteter Ruck reicht vollkommen aus, sein T-Shirt vollzuplörren. So heftig hatten wir es in einer Marina auch noch nicht. Mal abgesehen von den echten Sturmlagen, die wir ja schon aushalten mussten. Doch in Santa Cruz ist es eigentlich gar nicht stürmisch, hier drückt nur ein Südwind um die 20 Knoten die Wellen direkt in den Hafen. Das reicht aber schon völlig aus, der Hafen ist sehr empfänglich für etwas Unruhe aus Süd.
Und am Samstag erwischt es dann sogar die Fähre von »Fred. Olsen«. Die liegt wie immer quer an der hinteren Kaimauer. Eine kleine Fähre war schlauer, sie hat längsseits an der langen Außenmole festgemacht. Dort liegt nun auch der Schlepper, denn auf seinem Platz neben dem Gate zur Marina, war es selbst ihm dann doch zu ruppig. Und mittags kommt »Fred. Olsen« nicht mehr weg.
Die Katamaran-Fähre schafft es einfach nicht, in den Wind zu drehen, um rauszufahren. Also bleibt sie, macht wieder fest und die Crew geht Kaffee trinken. Am Flughafen messen sie im Schnitt 25 Knoten mit Böen bis 40. Der Flughafen liegt zwar etwas weiter im Süden, doch seine Wettermeldungen geben einen guten Hinweis, was wirklich los ist.
Auch in der Marina herrscht an diesem Wochenende einige Aufregung. Die Marineros bringen Autoreifen als Fenderergänzung und Spanngurte, um die Fingerstecke zu sichern, an denen schwere Stahlyachten liegen. Alles kracht, knackt und quietscht. Für Stunden ist es wie beim Rodeoreiten und in der darauffolgenden Nacht schläft wohl niemand so richtig entspannt auf seinem Schiff. Alle paar Stunden justieren auch wir unsere Festmacher, um unserer dicke Erna nicht zu viel Spiel zu lassen. Man muss aufpassen, nicht seine Finger irgendwo dazwischen zu bekommen. Immer wieder müssen wir das Spiel aus unseren Festmachern nehmen, damit unsere dicke Erna für den nächsten Ruck nicht zu viel Schwung holen kann. Wieso wir das immer wieder machen müssen, ist schon etwas merkwürdig. Doch nach einigen Stunden des Hin- und Herruckens ist immer wieder zu viel Lose in den Festmachern. So versuchen wir, sie etwas enger an die Leine zu nehmen. Doch der Erfolg ist oft mäßig, denn auch der ganze Schwimmsteg ist ja munter in Bewegung und auch alle anderen Yachten reißen und rucken ziemlich arhythmisch an ihm herum. Unser Nachjustieren hilft zwar etwas, aber nur temporär, um das Gröbste abzumildern.
Sieht man mal von den Charterbuden ab, wollen etwa Zweidrittel der Segler über den Atlantik in die Karibik oder nach Südamerika. Davon haben die meisten Cabo Verde in ihren Plan eingebaut. Alle warten. Das gemeinsame Thema »Wetter« wird nur durch die schwappende Unruhe in der Marina überdeckt, wenn diese zu heftig wird. Doch die Frage, wann ein guter Zeitpunkt sein könnte, um aufzubrechen, schwappt beständiger durch die Marina als der Schwell.
Bricht einer doch auf, werden alle anderen nervös und fragen sich, warum der nun die Situation anders einschätzt und ob man vielleicht selbst doch zu blöde ist oder der andere schlicht die Nerven verloren hat. Im Marina Office gibt man sich die Klinke zum Verlängern in die Hand. Auch wir verlängern. Ein Blick auf die Wettervorhersagen reicht.
Wenn es mal nicht aus Süden weht, dann kommt es ziemlich heftig aus Ost und sogar manchmal aus Nordost. Das würde zwar von der Richtung her dann passen, aber wir wollen es diesmal entspannter angehen. Auf der anderen Seite wartet niemand auf uns und so können wir auch einfach mal abwarten.
Doch auch uns liegt diese Warterei genauso wenig wie allen anderen. Vielleicht sind wir etwas entspannter, weil wir nicht das erste Mal rübersegeln. Doch so ein Warten ist immer saublöd, egal wie oft man schon über den Atlantik gesegelt ist. Manchmal passt es für zwei Tage, doch es reicht immer nicht, um weit genug in den Süden voranzukommen, bevor das nächste Tief wieder alles über den Haufen wirft.
So machen wir aus der Not eine Tugend und verlängern bis zum 25ten. Ab dem 15ten Tag gibt es 10% und einen Mietwagen bekommen wir für sage uns schreibe 22 € pro Tag. Die Calima-Lage hält zwar noch an und macht alles recht diesig und dunstig, doch insgesamt passt das Wetter für einige Inseltouren.
Marina La Palma, in Santa Cruz
28° 40′ 43,8″ N, 017° 46′ 02,0″ W