Canaries (E) – Barbados (Carib) – Tag 10 bis 14 –


La Gomera, Canaries (E) -> Ziel: Barbados (Carib)
bisher: 1.807 sm – to go: 1.029 sm – Gesamtdistanz 2025: 1.864,5 sm

Tag 10, Sonntag 05.01. nachmittags
Bis zum Abend läuft es gut, dann flaut der Wind ab und die Wellen werden »wunderlich«. Es ist schwierig, einen vernünftigen Kurs zu finden. Wir haben keine Idee, wieso die Wellen nun in so unterschiedlichen Sets einlaufen. Mit erstaunlichen Höhen bringen sie die PINCOYA ins Rollen und schleudern speziell die Genua immer wieder aus ihrer mühsam erkämpfen Stellung. Zudem ist der Wind böig. Und mit schöner Regelmäßigkeit reißt eine Bö genau dann an den Segeln, wenn diese gerade maximal herumschlackern.

Es gelingt uns kaum, in dieses Durcheinander wenigstens etwas Geschick zu bekommen. Nicht dass dies alles in irgendeiner Art und Weise gefährlich wäre, es ist nur ziemlich nervig, wenn Wind und Wellen so destruktiv sind.


Nach einer Weile quält uns der Hunger und schon mittags haben wir beschlossen, dass es heute Zeit für einen ordentlichen Schlag Bratkartoffel ist. Doch das ist ein echter Balanceakt. Schon das Schälen ist so eine Sache, denn pummelige Kartoffeln rollen ganz wunderbar und versuchen, ihrem Schicksal als Bratkartoffel zu enden, immer wieder zu entkommen. Und der Herd schwenkt teilweise bis zu seinem Anschlagpunkt. Das ist zwar gut für die Pfanne, denn die bleibt so mehr oder weniger ruhig auf dem Herd stehen, aber der Schiffsjunge muss mit seinem Pfannenwender irgendwie mitschwingen. Das gelingt nicht immer und so entkommt die ein oder andere Bratkartoffel auch noch aus der Pfanne.

Am Ende ist es bei dem Geschaukel doch ganz gut, dass wir keine festkochenden Kartoffeln bekommen haben. Die leicht vorgekochten Bratkartoffeln werden nämlich zunehmend etwas strukturlos, doch so sind sie wie Kartoffelbrei auf dem Teller absolut sturmtauglich. Erst ab 34° Tellerneigung neigen sie dazu, ein erdrutschartiges Desaster anzurichten. So bekommen die spanischen Kartoffeln 5 🌟 für fortgeschrittene Seetauglichkeit, obwohl sie kulinarisch nur die drei Zustände roh, noch nicht gar und zerfallen kennen. Es ist schon wirklich schwierig, Broccoli auf den Punkt zu kochen, bei spanischen Kartoffeln einen unzerfallenen Garzustand zu treffen, ist ebenso unwahrscheinlich wie bei El Gordo den Hauptgewinn abzuräumen.


Dann geht’s in die Nachtwache. Inzwischen haben wir den Beginn auf 21:00 Bordzeit verschoben. Wir segeln dem Ende der Zeitzone UTC – 2 entgegen und erst um 21:00 Bordzeit beginnt es für den Abend zu dämmern.

Um 23:59 loggen wir unser 9. Etmal mit 141 sm. 1.419 sm to go.


Tag 11, Montag 06.01.
Irgendwann in der Nacht haben wir das Theater mit den Wellen satt, gehen etwas mehr an den Wind und nehmen die Genua hinzu. Dadurch sind wir schneller, haben einen besseren Winkel zu den Wellen, hängen aber dafür unseren direkten Kurs nach Barbados an den Nagel. Doch der Wind dreht und was eben noch gepasst hat, passt nun nicht mehr. Nun haben wir den Rocket Sea Mount direkt vor der Nase. Der erhebt sich aus über 5.000 m Tiefe bis auf 600 m unter den Meeresspiegel. Ein echter Brocken mit 4 1/2-tausend Metern, den wir nur ungerne direkt überfahren möchten. Manchmal will es einfach nicht passen. Erst blöde Wellen und blöder Wind und nun auch noch ein blöder Berg! Also Genua wieder weg und zurück auf den westlichen Kurs. Zudem haben wir seit Stunden etwa einen Knoten Gegenstrom. Wieso es den hier überhaupt gibt, wo in den Seekarten explizit ein westsetzender Strom eingezeichnet ist, ist uns nicht wirklich klar.


Um 5:00 morgens bleibt mir das Herz stehen. Gerade gucke ich im Cockpit auf unseren Kurs, da knallt es und Sekunden später zappelt irgendwas Kühlglitschiges über meine Füße. Ich bin barfuß, wie sich das für die Barfußroute auch gehört. Das macht den Schrecken aber eben nicht kleiner. Doch der Schrecken währt nicht lang, es dauert viel länger, den Fliegenden Fisch zu schnappen und wieder über Bord zu befördern. Die Burschen sind total glitschig und lassen vielleicht aus Panik, auch gleich noch viele ihrer Schuppen fallen. Nur über den Flügeln kann man sie halbwegs sicher greifen, ansonsten schwuppsen sie weg wie ein Stück Seife. Mein Zappelphilipp hat Glück im Unglück, für einige seiner Kollegen geht es nicht so gut aus. Er fliegt in hohem Bogen wieder über Bord, die anderen liegen weiter vorn auf Deck und unsere eiserne Regel, nicht das Cockpit zu verlassen, wenn der andere schläft, bedeutet für sie leider den sicheren Tod.


Um 6:30 feiern wir Bergfest, 1.390 sm liegen nun hinter uns und nur noch 1.390 sm noch vor uns. Von nun an gehts bergab. 😂 Doch dieses Bergfest wird wohl eher nur ein theoretisches Bergfest sein, denn bei den 1.390 sm wird es wohl nicht bleiben.

Als wir am Morgen Wetter holen, sehen wir, dass es unserer hübschen Hochdruckbrücke an den Kragen geht. Bis zum Wochenende wird sie von einer Serie von fetten Tiefs weit nach Süden abgedrängelt. Die Tiefs reichen zwar nicht bis zu uns herunter, drücken aber den Schwachwindbereich des verbleibenden Hochs so weit in den Süden, dass er sich nun vor den kleinen Antillen breit macht und sich uns damit in den Weg legt.

Wenn wir segeln wollen, müssen wir ihn möglichst gut im Süden umfahren. Flauten sind der maximale Mist. Bei viel Wind kann man reffen, gegen eine Flaute ist man machtlos.


Ansonsten vergeht der neunte Tag ganz entspannt, doch die Wellen lassen uns ständig recht heftig geigen. Unser Kurs vor dem Wind ist in den Wellen nicht wirklich optimal. Auf der Kirmes müsste man viel Geld für so eine geile Schiffsschaukel zahlen, hier bekommen wir den Schleudergang umsonst und dazu noch mit einer 24-Stunden-Garantie.

Um 23:59 loggen wir unser 10. Etmal mit 128 sm. 1.303 sm to go.


Tag 12, Dienstag 07.01.
Die Nacht ist nicht ungemütlich, aber es ist schwierig, dem unsteten Wind und den Wellen einen vernünftigen Kurs abzuringen. Es ist leichter gesagt als getan, einfach mal etwas mehr Süd zu machen. Der Punkt, den wir erreichen sollten, ist schnell gefunden. Doch auf welchem Bug wir ihn nun vor dem Wind am besten erreichen können, ist mit einem Wind, der ständig um bis zu 45° dreht, gar nicht so einfach. Mal Ost, mal Nordost oder auch mal wieder etwas Ostsüdost. Die Bandbreite ist erstaunlich und lässt uns immer wieder zielsicher dorthin segeln, wo wir gar nicht hinwollen. Da wir mit Windsteuerung segeln, müssen wir nicht bei jeder Drehung an den Segeln herumfummeln, doch mit Winddrehern auf Nordosten liegt die PINCOYA immer wieder ziemlich blöd den Wellen. Dann beginnt unsere Dame erbärmlich zu rollen, die Segel beginnen zu schlagen, der Vortrieb geht flöten und schon überlegt man doch wieder, was man ändern könnte, denn ohne rechten Vortrieb haben die Wellen ein noch leichteres Spiel. Und auf Dauer nervt diese Schiffsschaukel. Es ist anstrengend im Kopf. Nicht einmal im Salon kann man halbwegs ruhig sitzen. Also schiften oder vielleicht doch nicht. Oder höher ran oder abfallen und Genua weg. Aber reicht der Wind für ohne Genua, der genau jetzt gerade eine Schwächephase hat? Warum eigentlich gerade jetzt? Oder dreht der Wind schon wieder? Dann eben doch so. Das geht auch eine ganze Weile gut, aber eben nur eine Weile und schon wieder beginnt das Spiel von vorn.

In dieser Nacht wird uns nicht langweilig. Und ob unsere Strategie, mehr Süd zu machen, am Ende aufgeht, steht auch in den Sternen.

Apropos Sterne, gestern hatten wir Halbmond. Selbst Halbmondnächte sind schon sehr schön hell und das Licht des Monds glitzert fein silbern auf dem Wasser. Und in diesem Licht sehen selbst die blöden Wellen wunderschön aus.


Eingekeilt in der Salonecke versuche ich, unsere Bilder zu bearbeiten, die Panoramen unserer Ausflüge auf La Palma zu erstellen und etwas an unseren Blogs zu schreiben. Doch egal, wieviel Routine man hat, so eine Schiffsschaukel fordert die Konzentration echt heraus. Die eine Gehirnhälfte beschäftigt sich mit dem, was man eigentlich machen möchte bzw. tut wenigstens so, und die andere versucht den Körper dabei zu unterstützen, Halt zu finden, oder äugt auf den Kurs, um festzustellen, dass der nun gerade mal wieder alles andere als optimal ist. Das, was man eigentlich machen möchte, geht dadurch nur schleppend voran und immer wieder schweift die Konzentration ab und versucht zusammen mit der Motivation zu entkommen.


An diesem Tag haben wir Funkkontakt zu Mike von der White Malkin und zu Satoshi (218040480), einem deutschen Segler, den wir tatsächlich auch mal am Horizont sehen. Beiden hat Predictwind dieselbe Einschätzung der Wind- und Wettersituation geliefert, doch beide wollen eher auf einem direkt westlichen Kurs bleiben. Uns ist die Variante mit dem südlichen Schlenker lieber. Lieber etwas mehr Seemeilen machen, dafür aber unter Segeln.

Um 23:59 loggen wir unser 11. Etmal mit 126 sm. 1.209 sm to go.


Tag 13, Mittwoch 08.01.
Mehr oder weniger zielgerichtet schaukeln wir so durch die Nacht. Der Gegenstrom, den wir bisher nur ab und zu mal hatten, ist nun leider zu einem ständigen Begleiter geworden. Das kostet uns nicht nur rund einen Knoten Fahrt, sondern steilt auch die Wellen auf. Wir können uns nicht daran erinnern, dass das auf unserer letzten Überfahrt auch so war. Und wir hatten bisher auch noch nicht einen Squall. Noch nicht einmal ansatzweise. Das bedauern wir natürlich überhaupt nicht, denn auf das Theater mit den Squalls kann man sehr gut verzichten. Insgesamt ist dieses Mal schon einiges anders. Doch es ist ja auch erst unser zweites Crossing nach Westen, vielleicht ist auch das Spektrum der Varianten einfach nur viel größer, als man bzw. wir das gemeinhin so angenommen haben.


Nachdem wir neues Wetter geholt haben, justieren wir unsere Route. Viel hat sich zwar nicht verändert, nur unseren Weg durch die Windbereiche passen wir noch einmal an. Wenn man mit einem großen Maßstab arbeitet, werden die Distanzen schnell etwas grob. So machen wir etwas Feintuning auf Basis der Erfahrungen mit unseren Geschwindigkeiten und Kursen der letzten Tage. Das ist im Grunde genommen genau das, was ein Autorouting auch leisten soll, aber das mit dem eigenen Verständnis und zu Fuß zu tun, macht schon Spaß.

OpenCPN und Luckgrib spielen hier perfekt zusammen. Nicht mit einer echten Schnittstelle, aber in der Handhabung. Und beide passen ziemlich gut zu dem, wie wir uns Navigation vorstellen. Inzwischen navigieren wir auf dieser Überfahrt ausschließlich mit den beiden Apps und die iPads mit iSailor laufen nur noch so mit. Die kommen erst wieder mehr ins Spiel, wenn es wieder um die echte Kartennavigation geht, die es ja auf einer Überfahrt nicht so wirklich braucht.

Da uns der ständige Gegenstrom auf dem reinen Vorwindkurs zu viel Fahrt nimmt, versuchen wir es wieder mal mit Kreuzen vor dem Wind. So können wir die Genua wenigstens leidlich dazunehmen und mit 152° mal auf Steuerbord- und mal auf Backbordbug segeln. Den Parasailor verwerfen wir, die Wellen sind uns dafür einfach zu ruppig. Sowohl zum Setzen, als auch zum Segeln.


Unsere Energiebilanz
Da es in diesen Tagen eher wolkig ist, haben wir mal unsere Energiebilanz »unterwegs« überprüft, denn mit dem aktuellen Solareintrag kommen wir schlicht und ergreifen nicht hin.

Wir verbrauchen in Fahrt etwa 5,5 bis 6,2 A pro Stunde. Das sind in 24 Stunden 132 bis 150 Ah. Dies allerdings inkl. allem, also auch Kühlschrank, dem Laden der Notebooks, der 24h Navigation mit Autopilot & Co usw.. Nicht enthalten ist das Wassermachen, Brotbacken und das elektrischen Kochen von Teewasser oder Reis.

Unsere Solarzellen machen an einem guten, wenn auch wolkigen Tag mit Sonne und ohne viel Dunst und Saharastaub rund 1.200 bis 1.500 Wh, was bei 12,8V 94 bis 117 Ah entspricht. Allerdings auch mal weniger, wenn es wirklich bedeckt ist. Das ist insgesamt nicht schlecht, aber es bleibt ein nicht unbeträchtliches Gap von 15 Ah (132 – 117) im besten Fall und bis 56 Ah (150 – 94 ) im schlechtesten Fall. Sobald wir nicht auf einer Überfahrt sind, ist unsere Energiebilanz natürlich wesentlich ausgeglichener, da wir erstens nicht so viel für die Navigation und den Autopiloten verbrauchen und die Solarzellen auch nicht an einem Teil des Tages zwangsläufig von den Segeln abgeschattet werden oder wir schlicht in die falsche Richtung krängen. Doch sei’s drum, wir werden noch einmal mit zwei flexiblen Solarzellen aufrüsten müssen. Dann hätten wir 1/4 mehr, was unser Energie-Gap mit einen Eintrag von 1.600 Wh = 125 Ah bis 2.000 Wh = 156 Ah schon deutlich kleiner machen würde. Am manchen Überfahrtstagen könnte unsere Energiebilanz dann sogar mehr als ausgeglichen sein.

Aktuell kompensieren wir unser Energie-Gap mit dem Honda-Generator oder mal mit dem Motor, wenn der auch mal wieder laufen soll.


Kurz vor Sonnenuntergang beginnt ein unglaublich langer und hoher Schwell uns kaum merklich zu heben und zu senken. Der hat absolut nichts mit den mittleren Wellendurcheinander zu tun, sondern liegt sozusagen darunter und kommt als große Grundschwingung des Atlantiks auch aus der fast entgegengesetzten Richtung. Erst haben wir das gar nicht so bemerkt, denn man kann es nur sehen, wenn man im Cockpit sitzt und den Atlantik beobachtet. Dieser Schwell ist gewaltig und er hat sicher über vier Meter, aber seine Wogen liegen auch deutlich mehr als einhundert Meter auseinander.
Es ist fast majestätisch, so ruhig gehoben und gesenkt zu werden.

Um 23:59 loggen wir unser 12. Etmal mit 127 sm. 1.088 sm to go.


Tag 14, Donnerstag 09.01. bis Mittag
Durch die Nacht geht es ruhiger voran. Als es um 6:00 nicht mehr so recht läuft, halsen wir zum Wachwechsel und gehen auf unseren hoffentlich vorerst letzten Südwestkurs, um das Schwachwindgebiet im Süden zu umfahren.

Zunächst geht es ebenso ruhig weiter, bis uns unser erster Squall erwischt. Es ist stockdunkel. Der Mond ist schon untergegangen und die Sonne lässt noch auf sich warten. So haben wir auch nicht gesehen, wie er herangezogen ist. Doch mit einen Mal beginnt es, wie aus Eimern zu schütten, und es frischt auf. Der Regen ist nach zwanzig Minuten schnell wieder vorbei, aber der Wind bleibt bei uns.

So sausen wir nun mit 18 bis 24 kn Wind dem Morgen entgegen. Mal sehen, was uns hier draußen erwartet, wenn die Sonne alles wieder beleuchtet. Ich reffe lieber die Genua noch etwas mehr ein, wenn man gar nichts sehen kann, ist es besser, etwas vorsichtiger ranzugehen.

Als es dämmert, liegen einige Squalls hinter uns, doch dort, wo wir hinsegeln, sieht es gut aus. Der Wind, der mit den Squalls gekommen ist, bleibt bei uns. 16 bis 20 kn und die auch noch aus einer passenden Richtung. Das ist ein guter Start in den 14ten Tag.

Morgen Abend wollen wir an unserem südlichen Halsepunkt wieder auf Kurs Barbados gehen. Das neue Wetter passt, es sieht so aus, als ob unser Plan aufgehen könnte. Ingesamt bläst es zwar mit rund 5 Knoten zu viel, aber das hält uns auch in dem Gegenstrom, der eigentlich gar nicht da sein sollte, sehr gut auf Trapp.

Da sich die Wellen ein Angebot des Winds, um Alarm zu machen, nie entgehen lassen, geigen wir so durch den Vormittag. Squalls sind keine mehr in Sicht, mal sehen, wann der Wind abnimmt, aber zunächst sorgt er mal für ordentlich Fahrt.

Unsere Position am 9. Januar 12:00
13° 36′ 06,0″ N, 042° 02′ 30,0″ W