La Gomera, Canaries (E) -> Port St. Charles, Barbados (Carib)
bisher: 2.901 sm – to go: 0,0 sm – Gesamtdistanz 2025: 2.958,5 sm
Tag 21, Donnerstag 16.01. ab Mittag
Vollkommen unerwartet entwickelt sich unser 21ter Tag noch zu einem Traumsegeltag mit Parasailor. Kurz nachdem wir uns am Morgen neues Wetter geholt haben, setzen wir ihn. Er steht sofort und zieht uns nun schon seit fast 12 Stunden in Richtung Barbados. Nicht spektakulär, aber konstant mit 4 bis 5 Knoten und vollkommen unaufgeregt. Was für eine Entschädigung, damit haben wir nach der letzen Nacht ganz bestimmt nicht gerechnet.
Genauso unspektakulär vergeht unser Tag. Abends stellt sich die Frage, ob wir einfach so weiterfahren oder den Parasailor doch wieder runternehmen sollten. Die Squall-Lage ist eigentlich recht entspannt, obwohl es Hinweise am Horizont gibt, dass es in der Nacht wieder Theater geben könnte. Kurz vor Sonnenuntergang beschließen wir dann, ihn doch runterzunehmen, obwohl eine weiterhin konstante Fahrt durch die Nacht schon recht verlockend ist. Doch am Horizont türmen sich immer mehr Wolken und im Süden sehen wir schon Regen. Ob uns das alles erreicht, ist fraglich, aber einen regennassen Parasailor bei 20 kn Wind durch die Luke ins Vorschiff zu stopfen, ist auch keine verlockende Aussicht. Also lieber konventionell weiter.
Um 22:30 knacken wir die 200, nun sind es nur noch 199 Seemeilen.
Um 23:59 loggen wir unser 20. Etmal mit 108 sm. 193 sm to go.
Heute um 15:00 haben wir übrigens die 2.724ste Seemeile der Saison 2025 in unserem Kielwasser gelassen. Eine Seemeile mehr als 2024 und das schon am 16. Januar 🥳. Der Vergleich ist natürlich etwas unfair, macht aber dennoch Spaß. 😂
Tag 22, Freitag 17.01.
Normalerweise schlafen wir auf Überfahrten immer in der Mittelkoje. In der Mittelkoje ist es am ruhigsten und man kann sich dort, je nachdem, auf welchem Bug wir gerade segeln, bestens auf die eine oder andere Seite rollen. Doch heute ist es dort einfach zu warm. Die letzten Tage war es schon grenzwertig. Aber heute hatten wir tagsüber 35° und nun sind es immer noch 28°. Und die Lüftungsmöglichkeiten der Mittelkoje sind begrenzt. Deswegen ziehen wir in die Bugkoje um, wo wir die Luke öffnen können. Um keine Überraschungsdusche zu erleben, reffen wir die Genua etwas ein. So geht’s und wir segeln immer noch ausreichend schnell.
Unsere vorletzte Nacht beginnt ruhig. Die Squalls lassen sich zunächst nicht blicken und es läuft einfach so vor sich hin. Das ändert sich allerdings in der zweiten Nachthälfte. Nur gut, dass wir den Parasailor doch noch weggenommen haben, denn nun beginnt schon wieder dasselbe Theater. Ein Squall nach dem nächsten überfällt uns im wahrsten Sinne des Wortes hinterrücks. Immer wieder zerren heftige Schauerböen an der Genua und der Wind dreht wild zwischen Südost und Nordnordost hin und her. Dabei schüttet es wie aus Eimern.
Die heftigen Winddreher sind noch am nervigsten. Eigentlich sind Squalls ja eher eine kurzlebige Angelegenheit bzw. schnell durch. Dennoch machen sie oft lange genug Alarm, so dass man sie auch nicht einfach so ignorieren und aussitzen kann. Also passen wir wenigstens unseren Kurs etwas an. Grundsätzlich ist dafür zwar eigentlich die Windsteuerung zuständig, doch die hält bei Drehern nur unseren Winkel zum Wind stabil. Aber ab und zu ist das von den Squalls veranstaltete Theater so groß, dass es doch besser ist, etwas mehr vor den Wind zu gehen und eher abzulaufen. Ein Patentrezept gibt es nicht, es ist die Gemengelage aus Wind und Wellen, die alles bestimmt. Ist der Squall etwas langlebiger, hat er meistens auch einige eigene, recht unangenehmene Wellen dabei. Die liegen dann über der eigentlichen Windwelle und dem grundsätzlichen Atlantikschwell, der ohnehin nach seinen eigenen Regeln herumschwappt. Das sind die passenden Zutaten für ein wunderbares Durcheinander. Und da das Segeln nur auf der einen Seite vom Wind bestimmt wird und die Wellen immer ein gehöriges Wort mitreden, ist es oft hilfreich, den Kurs doch etwas anzupassen. Meistens gehen wir einfach nur etwas mehr vor den Wind, um nicht auch noch im Regen an den Segel herumfummeln zu müssen. Diese Taktik des halbaktiven Aussitzens funktioniert recht gut, weil wir den Autopiloten auch von innen bedienen können.
Doch dann stellen sich auch immer gleich zwei neue Fragen. Wo pendelt sich der Wind nach dem Squall ein? Und wie lange haben wir noch bis zum nächsten? Je näher wir Barbados kommen, desto blöder ist dieses Hin und Her. Bleibt nur zu hoffen, dass es tagsüber wieder stabiler und gleichmäßiger wird.
Und es wird stabiler. Nach Sonnenaufgang lassen die Squalls nach und der Wind pendelt sich bei 17 bis 20 Knoten auf Ostnordost ein. So passt das. Später ist der Wind sogar so richtungsstabil, dass wir die Windfahnensteuerung wegnehmen und direkten Kompasskurs auf die Nordspitze von Barbados nehmen können. Zu viel rumeiern wollen wir nun auch nicht mehr, es soll nun mal geradewegs zum Ziel gehen.
Um 17:55 knacken wir die 100 sm, nun sind es nur noch 99,9 sm to go. Samstag im Morgengrauen werden wir ankommen. Und so langsam stellen auch wir uns auf’s Ankommen ein. Nur noch eine Nacht liegt vor uns und die darf vielleicht auch mal etwas freundlicher werden als die letzten. Vielleicht halten sich die Squalls ja auch mal zurück.
Der Tag geht flott, aber auch ziemlich »rollig« zu Ende. Wir freuen uns nun auf den Ankerplatz und auch darauf, nicht mehr nur wie ein Klammeräffchen durchs Schiff zu turnen. 17 bis 20 Knoten Wind lassen uns die letzten Meilen im Schnellverfahren fressen.
Um 23:59 loggen wir unser 21. Etmal mit 130 sm. 63 sm to go.
Endlich mal wieder ein vernünftiges Etmal. Eigentlich haben wir ja nur mit den letzten drei Etmalen geschwächelt. Drei Tage haben aber auch 72 Stunden und das sind viele Stunden, wenn es nur zäh läuft. Doch nun ist der Wind zurück und es soll über das Wochenende sogar noch deutlich mehr werden, aber das ist uns dann egal, dann sind wir erst einmal da.
Tag 23, Samstag 18.01.
Kurz nach Mitternacht empfangen wir die ersten Meldungen von irgendeiner französischen Insel. Das alles ist zwar noch etwas abgehackt, aber wir kommen der Sache näher! 😂 👍
Der Wind frischt auf und wir jagen durch unsere letzte Nacht. Er liegt nun konstant bei 17 kn mit langen Phasen über 20 kn. Wir lassen es laufen, weil wenigstens der Schiffsjunge für die Überfahrtszeit nicht unbedingt noch den 22sten Tag anbrechen will. Unsere Zielzeit liegt damit »vor 13:00 Bordzeit« und es sieht danach aus, dass wir das auch gut schaffen könnten. Zum Endspurt darf auch ruhig mal etwas Regattafeeling aufkeimen. Mit einer Geschwindigkeit von 6,5 kn bis 7 Knoten sind wir auf dem besten Weg, noch einmal an unsere 150er-Etmale aus den ersten Tagen anzuknüpfen.
Um 4:30 sehen wir die ersten Lichter von Barbados am Horizont. Mit einer GPS-basierten Navigation sind wir besser dran als die Segler früher und können sicher sein, dass es auch Barbados ist. Barbados wurde ja erst als letzte Karibikinsel überhaupt entdeckt und es gibt viele Berichte, dass einige Segler sie damals nicht so einfach wiedergefunden haben und schlicht daran vorbeigesegelt sind.
Wir sind gespannt, wie der Ankerplatz vor Port St. Charles so ist. Man ankert ja platt vor der Küste und das dürfte doch eher schaukelig werden, zumal es nun beständig mit fast 20 kn weht, es noch deutlich mehr werden soll und die Wellen jetzt schon nicht gerade klein sind.
Vielleicht sollten wir trotz des Regattabluts, dass nun so unerwartet in den Adern des Schiffsjungen fließt, doch kurz vor der Nordspitze noch etwas Segel wegnehmen, sonst dreschen wir noch mit 7 kn um die Ecke. Haben wir erst einmal die Nordspitze, sind es keine 10 sm mehr bis Port St. Charles und unser zweites Crossing in die Karibik ist geschafft.
So wie es nun aussieht, werden wir gegen Sonnenaufgang ankommen. Das wäre etwa 7:00 Ortszeit und 11:00 Bordzeit. Wir haben zwar noch einen dicken abnehmenden Mond und segeln mit ihm ja auch aus der Nacht, nur etwas Tageslicht ist schon schön, wenn man an unbekannten Orten ankommt. Insofern scheint alles zu passen.
Etwas merkwürdig finden wir allerdings, dass Barbados wohl voll auf eine elektronische Navigation umgestellt hat 😂. Nicht ein einziges der ohnehin spärlichen Leucht- oder Tonnenfeuer ist zu finden. Als wir die Nordspitze runden und es zu dämmern beginnt, sehen wir den Leuchtturm. Er steht da völlig unbeteiligt rum und ist ausgeschaltet 🧐. Wir haben drei verschiedene Seekarten von drei verschiedenen Anbietern und alle sind aktuell. Und alle Kartenvarianten bieten jeweils ein Potpourri von terrestrischen Navigationselementen, die durchaus auch eine Schnittmenge haben. Die einzige Schnittmenge, die vollständig fehlt, ist die zur Realität 😳! Mit den viel gepriesenen Papierseekarten wäre man hier vollkommen aufgeschmissen und müsste auf’s Tageslicht warten.
Leider ist der Mond im entscheidenden Moment auch keine richtige Hilfe. Er hat sich dezent hinter einigen karibischen Wolken zurückgezogen. Doch mit dem Radar hangeln wir uns um die Nordspitze und an der Küste entlang. Als es langsam dämmert, sehen wir dann auch etwas mehr von Barbados. Pünktlich im ersten Morgenlicht erreichen wir Port St. Charles. Etwa 15 bis 20 Segler liegen hier schon vor Anker, für uns und einen zweiten Deutschen, der zeitgleich mit uns hier ankommt, ist noch genügend Platz.
Um 6:53 Ortszeit bzw. 10:53 Bordzeit fällt unser Anker nach 2.901 Seemeile, 21 Tagen, 21 Stunden und 48 Minuten vor Barbados. Unsere zweite Überfahrt in die Karibik geht irgendwie überraschend und vollkommen unspektakulär zu Ende. Kein Tusch, keine Fanfare und kein großes Hallo. Wir sind einfach so da, sehen uns an, geben uns einen Ankommenskuss, nehmen uns in die Arme und können es noch gar nicht so richtig glauben, dass wir nun noch einmal in der Karibik, nun aber auf Barbados angekommen sind. Wir haben unser Ziel erreicht!
Es war eine flotte Überfahrt mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 5,5 kn über 526 Stunden 😂. Dass unsere Überfahrt immer locker und entspannt war, wäre gelogen. Aber sie war ein tolles Erlebnis mit vielen wunderbaren Momenten. Und …, das müssen wir nun auch noch einmal extra sagen, weil es für uns doch einen anderen Stellenwert hat, als vielleicht für andere Segler. Die PINCOYA ist die ganze Zeit ohne die kleinste technische Panne mit uns durch dick und dünn gerannt, als ob sie nie etwas anderes machen würde.
Das und alles andere macht Hunger auf mehr und wir freuen uns total auf unsere karibische Zeit, die nun vor uns liegt.
vor Port St. Charles, Speightstown, Barbados vor Anker
13° 15′ 35,2″ N, 059° 38′ 44,6″ W