Am Freitagmorgen kommt der Chat, dass auch die Immigration um 10:00 in Charlotteville im Office sein wird. Wow, das hatten wir nicht erwartet. Und so schaffen wir es tatsächlich nach nur 1 1/2 Stunden, noch am Freitag auszuchecken. Dabei füllen wir brav wieder die identischen Formulare aus, die wir schon einmal beim Einchecken ausgefüllt haben, wobei sich auch an der Anzahl der Durchschläge nichts geändert hat. Inzwischen haben sie von uns 10 Durchschläge der Crewlisten und 2 Originale. Ebenso sieht es mit all den anderen Dokumenten aus, nur zum Auschecken kommt nun noch ein neues Clearing-Dokument dazu, das für den Customs nur einfach ausgefüllt werden muss. Hä 🧐 🤔❓. Da scheint in dem Prozess noch irgendetwas nicht zu stimmen. Das muss ohne Frage noch zeitnah nachgearbeitet werden. Ein Formular ohne mehrfache Durchschläge ist ja nun wirklich ein Ding der Unmöglichkeit.
In unseren Planungen haben wir zum Ein- und Auschecken immer je einen Tag veranschlagt. So hat allein Tobago schon unsere Ein- und Auschecktage bis St Vincent aufgefressen. Und nun stelle man sich nur mal vor, dass irgendwer auf die irrwitzige Idee kommt, die ARC künftig auf Tobago enden zu lassen. Dann könnte die ARC nur noch alle zwei Jahre stattfinden, um die Eincheckprozesse für alle Boote noch rechtzeitig vor der nächsten Regatta abzuschließen.
Am Ende muss man sagen, dass Tobago durch die Regelungen, die man sich hier für die Segler ausgedacht hat, im Grunde genommen als Segelrevier ausfällt. Seglerisch ist Tobago ohnehin schon so eine Nummer, denn halbwegs vernünftig kann man sich eh nur mit dem Wind und Strom, also vom Nordosten nach Südwesten bewegen. Und genau hier setzen die Tobagoer Regelungen noch ein I-Tüpfelchen drauf, wenn sie verlangen, dass man auch dort wieder auscheckt, wo man eingecheckt hat. Kommt man also in Charlotteville an, muss man dort auch wieder auschecken. Denn Tobago ist seglerisch zweigeteilt. Eingecheckt im Norden, darf man nur im Norden segeln, eingecheckt im Süden, also in Scarborough, darf man nur im Süden segeln. Und das gilt nur für Segler auf ihren Schiffen, denn zu Land darf man sich vollkommen frei bewegen. Und will man mit seinem Schiff doch vom Norden in den Süden oder gar vom Süden in den Norden, weil man gerne gegenan segelt, dann muss man auch zurück, denn ohne ein spezielles Transitdokument darf man nicht einfach vom Norden in den Süden oder umgekehrt. Dieser Blödsinn lässt Tobago zu einem seglerischen Zwischenstopp verkümmern und das Ganze gipfelt dann in der Tatsache, dass dieselben Mitarbeiter der Immigration abwechselnd in Charlotteville und Scarborough arbeiten. D.h. man muss zurück nach Charlotteville, um sich dort das Transitdokument zu holen, dass man einige Tage später derselben Mitarbeiterin in Scarborough vorlegt. Vielleicht haben sie hier auf Tobago ja deutsche Entwicklungshilfe in Sachen Bürokratie bekommen, verstehen muss man das alles nicht. In jedem Fall sind wir froh, nun einfach verschwinden zu können und auch ein gestempeltes Formular zu haben, was wir auf Grenada in die Waagschale der dortigen Bürokratie werfen können. Mal sehen, wie sich das auf Grenada alles so anlässt.
Castara Bay, Tobago
Nach dem Check-Out haben wir 24h zur Ausreise, deswegen segeln wir noch am Nachmittag »inkognito« in die Castara Bay, um abzuwarten. Die Nacht von Samstag auf Sonntag sollte uns noch die ruhigste Überfahrt bescheren und so können wir auch noch mal einen Blick in die Castara Bay werfen, die nur 1,5 sm südlich der Englishman’s Bay liegt. Wir sind gespannt, ob es dort etwas ruhiger ist, oder der Schwell dort auch so ungehindert um die Ecke läuft. Groß ist der Landvorsprung jedenfalls nicht, der die Castara Bay zu einer geschützten Ankerbucht machen soll.
Doch noch etwas macht die Castara Bay für uns besonders. Sie wird bis auf weiteres unser südlichster Punkt bleiben, den wir in den nächsten Jahren anlaufen werden. Natürlich nur, wenn es bei unseren bisherigen Plänen bleibt und wir nicht doch noch einem Hurricane nach Trinidad ausweichen müssen 🫢.
Da wir in der »richtigen« Richtung segeln, sind die knapp 13 Seemeilen ein Genuss. Ein Genuss, den wir gleich doppelt genießen können, denn unter Land stampft sich wie wir gestern ein Segler unter Motor in Richtung Charlotteville voran und draußen versucht sich ein anderer Segler beim Aufkreuzen. Um ehrlich zu sein, wird der Motorfahrer wohl schon mit seinem Abendbrot lange fertig sein, bevor der Segler überhaupt daran denken kann, sich vor Charlotteville eine Mooring zu schnappen. Und beiden ist das Extra-Money sicher, denn wer Freitag nach 4 pm kommt, zahlt Montag gleich mal doppelt 🥳.
Auch die Castara Bay ist fast vollständig mit Moorings für Fischerboote belegt und die schaukeln schon mal recht munter in den Wellen. Wir brauchen zwei Anläufe, um einen Ankerplatz zu finden, der wenigstens halbwegs passt. Zur Not geht das so mal und wenn man inkognito unterwegs ist, ist das auch ok, aber »gut liegen« geht definitiv anders. Insgesamt liegen wir zu weit draußen, aber ein »weiter drinnen« gibt es nicht. Erstens ist der Bogen der Bucht ohnehin sehr flach und zweitens ist kein Platz für Ankerlieger zwischen den Moorings.
In dieser Nacht schlafen wir »quer«, weil die PINCOYA wie eine Große rollt. Kaum mal 30 Sekunden ist Ruhe, bevor es wieder losgeht. Wir hatten das schon schlimmer, was den Ankerplatz in der Castara Bay aber auch nicht besser macht. So bestätigt sich das, was wir uns schon gedacht haben. Im Norden Tobagos geht nur die Man-of-War Bay, alles andere geht nur nach tagelanger Windstille, was allerdings den Guiana-Strom auch nicht aufhält.
Am nächsten Morgen erleben wir ein ungewöhnliches Fischereispektakel. Vom Strand aus wird im freien Teil der Bucht ein riesig langes Netz ausgelegt und in einem großen Bogen wieder zurück zum Strand geführt. Wir sind mit der PINCOYA fast im Weg, denn das Netz wird nur 2 m neben uns entlanggeführt.
Auf dem Strand beginnen nun immer mehr Helfer das Netz wieder einzuholen. Meter für Meter ziehen sie den großen Bogen immer mehr zusammen. Das ist Schwerstarbeit und immer mehr Touristen packen mit an. Am Ende ziehen auf jeder Seite bestimmt 20 Leute mit aller Kraft und holen einen Meter nach dem anderen ein.
Lange passiert nichts und wir sind schon fast enttäuscht, dass wir mit unseren Ferngläsern nichts zu sehen bekommen. Aber dann kommt auf den letzten Metern Leben ins Treiben. Das merken auch die Seevögel. Unzählige kleine Fische werden mit dem Netz auf den Strand gezogen und es scheint sogar ein kleinerer Rochen dabei zu sein. Den bugsieren die Fischer aber gekonnt wieder ins Wasser, der Rest wird in Eimern gesammelt und kurz darauf steigt am Strand der Rauch des ersten BBQs auf.
Währenddessen rollen wir in dem Schwell so vor uns hin. Es ist warm, sehr warm, und immer wieder regnet es nicht zu knapp. Das zwingt die Luftfeuchtigkeit in ungeahnte Höhen, was die Kerntemperatur des Schiffsjungen in den Garbereich eines Rinderschmorbratens steigen lässt. Auch die Capitana ist schon längst »well done«. Das Rollen in dieser feuchten Schwüle ist wirklich schwer zu ertragen. Unter normalen Bedingungen ist es ja schon keine Freude, aber solche Bedingungen haben eher etwas von Achtsamkeitsübungen, um den schwarzen Gürtel irgendeiner fernöstlichen Gelassenheit zu erlangen.
Zum Abkühlen setzen wir uns in den Regen auf’s Vorschiff. So geht es. Unsere Körpertemperaturen fallen wieder auf 36,5°. Da sich die Sonne nicht blicken lässt, müssen wir unseren Batterien noch einmal mit dem Generator etwas auf die Sprünge helfen. Das ewig trübe und wolkige Wetter ist wirklich nichts für unsere Energiewende. Hier bräuchten wir ein mobiles Wasserkraftwerk 😂. Seit Barbados kröpeln wir mit viel zu wenigen Ah dahin. Hoffentlich wird das auf Grenada mal entspannter. Insgesamt ist es zwar noch nicht so schlimm wie im Winter in Deutschland, aber man bekommt schon Zweifel, ob die Energiewende überall auf der Welt überhaupt so einfach funktionieren kann.
Um fünf Uhr nachmittags reicht es uns. Die Geduld ist bis auf den letzten Tropfen aufgebraucht. Wir ziehen unseren Start um eine Stunde vor. Zu früh dürfen wir allerdings auch nicht starten, weil wir in Grenada Tageslicht brauchen, um gut durch die Riffe zu kommen. Vor uns liegt eine hoffentlich entspannte Nacht. Sobald wir aus dem Einflussbereich der Insel kommen, sollten auch die Wellen gleichmäßiger werden.
Castara Bay, Tobago, unser zunächst mal südlichster Punkt
11° 16′ 44,8″ N, 060° 41′ 54,0″ W