Es ist affenkalt! Die niedrigen Temperaturen machen uns weiter zu schaffen. Gegen 7 Uhr geht’s kurz raus aus der Koje, um die Dieselheizung anzustellen, und dann geht’s schnell wieder unter die Decke. Sobald es etwas wärmer ist, werden Kaffee und Tee für den Tag gekocht und das Frühstück gemacht. Das Campingaz schwächelt bei diesen Temperaturen. Das Butan aus den blauen Flaschen mag bei niedrigen Temperaturen nicht mehr so recht vergasen und aus dem Brenner kommt nur ein müdes Flämmchen.
Aber es hilft nichts, wir wollen heute schliesslich noch über die Elbe und rein in den Elbe-Lübeck-Kanal. Bevor wir dort aber ankommen, erwartet uns mittags noch das vielleicht größte Highlight unserer Reise. Das Schiffshebewerk Scharnebeck (9) wird uns nämlich 38m (!!!) tiefer absetzen, als wir einfahren. Das Ganze passiert nach dem Fahrstuhl-Prinzip: Wir fahren in eine riesige Badewanne und machen normal längsseits fest. Und nach kurzer Zeit wird das gesamte Becken, das an monströsen Drahtseilen in einer gigantischen Stahl-Beton-Konstruktion aufgehängt ist, auf das Niveau der Elbe herabgelassen. Die Dimensionen sind überwältigend und die Kräfte, die dort am Werk sind, müssen gewaltig sein. Jedesmal ein Schauspiel, das immer etliche neugierige Zuschauer anzieht. Wir fühlen uns mit unserem Schiff in diesem Hebewerk winzig klein, sind aber andererseits absolut begeistert. So muss Schleusen sein! Kein Stress, man liegt längsseits, kann aussteigen und den Blick von oben auf die Landschaft unter einem und das gesamte Bauwerk genießen. Wenn es nach uns ginge, dann sollten nur noch Schiffshebewerke gebaut werden.
Das Ausfahren aus der Badewanne ist der Start in eine neue Welt. Wir nähern uns der Elbe, die wir eine kurzes Stück bis Lauenburg stromaufwärts fahren müssen.
Als wir nach kurzer Fahrt auf die Elbe abbiegen, erwischt uns ein starker Gegenstrom. Die Elbe führt Hochwasser. Was uns auf dem Rhein munter vorwärts geschoben hat, kämpft hier gegen uns. Bis Lauenburg sind es nur knapp 3,5 km und wir benötigen eine geschlagene Stunde. Unendlich langsam kämpfen wir uns unter Vollast gegen den Strom voran. Zum Glück stört hier keine Großschiffahrt, so dass wir unbehelligt in der Fahrwassermitte Richtung Lauenburg brummen können. Dort angekommen, stehen wir vor dem nächsten Problem. Es ist Hochwasser! Wo zum Teufel ist hier die richtige Einfahrt? Vor uns ist alles überflutet. Rechts und links nur Wasser und gegen uns der Strom. Wir halten die PINCOYA in der Mitte der Elbe und versuchen Anhaltspunkte für die Einfahrt in den Elbe-Lübeck-Kanal zu finden. Der Revierführer Elbe hilft wenig, die Karte ist ein Witz. Martin und ich diskutieren die Fürs und Widers des einen oder anderen Kurses und wir zittern uns ganz langsam gegen den Elbstrom in die Kanaleinfahrt hinein. Gemeinsam überlegen wir anhand der See- und noch herausschauenden Straßenzeichen, wo normalerweise Wasser sein sollte und wo sonst die Uferstrasse ist. So tasten wir uns bis zur ersten Schleuse des Elbe-Lübeck-Kanals in Lauenburg vor.
Die Schleuse Lauenburg (10) ist mit einem Hub von 3m schon fast niedlich. Wir müssen nicht umhängen, und alles geht deutlich entspannter vonstatten. Im Übrigen sind alle Schleusenwärter des Elbe-Lübeck-Kanals ausgesprochen freundlich und hilfsbereit. Und dies sogar, obwohl sie ja Feiertagsdienst haben und sicher lieber zu Ostern bei ihren Familien wären. Das passt ganz wunderbar zu der schönen Landschaft, durch die wir nun gleich fahren werden. Hinter der Schleuse entpuppt sich der Kanal als ein wunderschöner, naturbelassener Wasserweg, mit Schilf am Ufer und vielen verschiedenen Enten- und Gänse-Arten. Ein echtes Idyll! Wir genießen die Fahrt trotz der bitterkalten Temperaturen und der Tatsache, dass die Sonne erst am Nachmittag ein einziges, schüchternes wärmendes Strählchen zu uns schickt. Die nächste der insgesamt 7 Schleusen des Elbe-Lübeck-Kanals ist die Schleuse Wietzeeze (11). Die schaffen wir gerade noch, bevor wir vor der Donnerschleuse (12) festmachen, um die Nacht zu verbringen (9).