Wie immer, wollen wir uns für jeden Schleusengang brav anmelden und versuchen, den Schleusenwärter per Funk oder Telefon zu erreichen. Auf unsere Bitte geschleust zu werden, bekommen wir die Antwort:“ Das weiß ich doch, ich hab Euch doch schon längst gesehen und die anderen wissen auch schon Bescheid, seit ihr in Lauenburg eingefahren seid. Fahrt man einfach weiter, passt schon.“ Wir grinsen uns an: typisch norddeutsch und unkompliziert! Und irgendwie hat er recht, es ist albern sich auf einer Strecke anzumelden, auf der man mittags schon sehen kann, wer abends zu Besuch kommt.
Da wir wussten, dass wir Ostern hier durchfahren, haben wir etwas vorgesorgt. Jeder Schleusenwärter bekommt einen Osterhasen und ein Osterei. Dadurch kommen wir zwar etwas langsamer voran, aber es geht ja nichts über einen kleinen Klönschnack am Ostersonntag.
Und nun steht das Finale an: Unser letzter Reisetag mit Ostsee-Überfahrt nach Neustadt. Zuvor sind aber noch die restlichen 5 Schleusen zu durchfahren, jeweils mit Talfahrten zwischen 1,5 m und 4,2 m, denn wir haben wieder einmal den höchsten Kanalpunkt erreicht. Die Donnerschleuse macht übrigens ihrem Namen keine Ehre, hier geht’s genauso gemütlich ab, wie in all den anderen Schleusen des Elbe-Lübeck-Kanals. Ab und zu grüßen Osterspaziergänger vom Deich mit einem fröhlichen „Frohe Ostern“ und die Sonne drängelt sich etwas durch die Wolken. Wir fühlen uns schon fast wie zuhause und fahren glücklich und zufrieden durch die restlichen 4 Schleusen (13 → 16).
Bald erreichen wir den magischen Kilometer „0“ des Elbe-Lübeck-Kanals und fahren in die Trave ein. Wir sind auf „Lübeck zu Wasser“ gespannt, leider macht uns aber das Wetter einen Strich durch die Rechnung. Es ist bedeckt und es droht immer wieder zu regnen, so dass wir nur einen etwas trüben Eindruck von Lübeck bekommen. Wir entscheiden uns auf dem Stadtgraben durch Lübeck zu fahren. Die Brücken sollen laut Karte hoch genug sein. Kaum sind wir auf dem Stadtgraben, taucht auch schon die erste Brücke vor uns auf. Upps, die sieht aber doch irgendwie sehr flach aus. Martin baut sicherheitshalber unsere Funkantenne ab, die auf einem provisorischem Minimast steht. Gute Idee, damit passen wir unter der Brücke hindurch. In großen Bögen geht es weiter durch Lübeck. Sehr schön, bei besserem Wetter sollten wir noch einmal wiederkommen. Zu Ehren Lübecks essen wir nun noch schnell die Marzipan-Ostereier auf. Denn ein altes Lübecker Sprichwort besagt: „Isst Du Marzipan in Lübecks Mauern, wirst Du 100 Jahre überdauern!“
Dann kommt auch schon die definitiv letzte Brücke in Sicht. Eine alte rostige Eisenbahnbrücke. Sie sieht flach aus, aber nicht so flach, wie die erste Brücke. Ganz sicher. Martin peilt und stellt siegessicher fest, das passt schon! Langsam fahren wir unter der Brücke hindurch. Die Antenne kommt näher und es macht „klack, klack, klack, krrack, ..ck, ..ck“. Ich stoppe sofort auf und bleibe unter der Brücke stehen, aber es ist schon zu spät. Unsere schöne Funkantenne hat Ihr Leben ausgehaucht und an ihrem gebrochenem Genick hängen die oberen 15 cm des Antennenstabes matt und lustlos herunter. Mist! Der Rest, den Martin murmelt, ist nicht jugendfrei….Nun ja, kaputt ist kaputt, es ist, wie es ist und es kommt ja bekanntlich auch, wie es kommt. Dann kann ich auch weiterfahren, so gebe ich wieder Gas.
Trotz des letzten Malheurs geht es jetzt mit großen Schritten auf unsere letzte Etappe zu. Die erste Seekarte wird herausgekramt und findet ihren Weg ins Cockpit. Ein erster Segler kommt uns entgegen und wir passieren auch schon die ersten echten, großen Seeschiffe. Uff! Wir atmen tief durch, hier sind wir wieder in unserem vertrauten Element. Wir fahren in Travemünde an der Passat vorbei und dann ist es passiert! Die PINCOYA hat zum ersten Mal Salzwasser unter dem Kiel.
Auf der Ostsee treibt uns zur Begrüßung eine dicke, bedrohliche Gewitterwolke unter Deck. Letztendlich hat sie aber ein Einsehen und wir bleiben während der zweistündigen Überfahrt nach Neustadt trocken. Unsere Überführungsfahrt nähert sich nun wirklich langsam ihrem Ende. Neustadt kommt in Sicht. Am Nachmittag um 16h sind wir da und machen in der Ancora Marina fest. Geschafft! 932 km bzw 503 sm liegen hinter uns. In 8 Tagen haben wir die PINCOYA von Wiesbaden am Rhein bis in die Ostsee nach Neustadt überführt! In den 15 Schleusen haben wir einige Nerven zurückgelassen, aber nun ist es geschafft.
Hier in Neustadt wird die PINCOYA bei Peter Wrede von ihrer Osmose geheilt. Das wird wohl ca. 4 Wochen dauern. Dann steht die letzte Etappe nach Heiligehafen / Ortmühle an. Unserem Heimathafen. Und diese Strecke werden wir dann aber unter Segeln fahren, der Motor hat nun lange genug gebrummt.