Saint Martin – Açores – Tag 17 bis 19 –


Saint Martin, Karibik -> Ziel Açores; bisher: 2.040,0 sm Gesamtdistanz 2023: 5.333,9 sm

„Tag 17 bis 19“

„Tag 17 bis 19“


Tag 17, Montag, 15.05.2023
Kurz vor 3:00 segeln wir unsere 5.000ste Seemeile dieses Jahr. In 5 1/2 Monaten 5.000 sm! Das ist wohl eine Rekordmarke, die wir so schnell nicht mehr brechen werden. Immerhin 909 sm pro Monat. Obwohl -, wenn wir Anfang / Mitte Juni europäisches Festland erreichen, sollten wir diesen Rekord wohl noch einmal toppen. 
Die nächsten 1.200 sm stehen ja schon vor der Tür und außerdem ist die Segelsaison 23 ja auch noch lange nicht zu Ende 😎.

„Ganz vorsichtig schaut sie mal durch die Wolken.“

„Ganz vorsichtig schaut sie mal durch die Wolken.“


Am Morgen setzen wir den Parasailor. Mit den konventionellen Segeln schleichen wir mehr dahin, als dass wir segeln. Vor dem Wind geht mit diesen Segeln und mit so einem Hauch von Wind nicht mehr viel. Selbst der Parasailor steht nur unwillig und droht immer wieder in sich zusammenzufallen. Doch wir fahren, wenigstens etwas. In den nächsten 24h soll es ordentlich zulegen. Aus der Konvergenzzone soll sich ein Tief entwickeln und für Wind sorgen. Aber so weit ist es noch lange nicht, jetzt geht es erst einmal darum, überhaupt etwas voranzukommen.

„Das steht er wieder. Unser Lieblingssegel für solche Winde.“

„Das steht er wieder. Unser Lieblingssegel für solche Winde.“

Obwohl der Parasailor im Laufe des Tages etwas stabiler steht, bleibt es insgesamt dennoch recht mau. Nach einer neuen Wettervorhersage beschließen wir, ihn auch über Nacht stehen zu lassen. Wir bereiten alles vor, um ihn schnell herunterzubekommen, falls es doch eine Überraschung gibt.


Ansonsten passiert am 17ten Tag eigentlich nichts. Es plätschert so vor sich hin.

„Es ist schwierig, die portugiesischen Galeeren scharf zu bekommen. Husch husch und schon sind sie wieder weg.“

„Es ist schwierig, die portugiesischen Galeeren scharf zu bekommen. Husch husch und schon sind sie wieder weg.“

„Ein wunderbares Segeln.“

„Ein wunderbares Segeln.“

Unsere Nachtwache beginnen wir nun um 18:00, und damit beginnt auch eine wunderbare Nacht. Wir gleiten durch die Wellen und über uns leuchten Myriaden von Sternen. Das ist der große Vorteil, wenn es um Neumond ist. Das Licht des Mondes überdeckt nicht das Licht der vielen Sterne. Plötzlich sieht man einen Himmel über sich, der durchgehend weiß gepunktet ist. Deutlich hebt sich die Milchstraße ab. Und in dieser Nacht gibt es wieder dieses Spiegelbild als Meeresleuchten im Wasser.
Stundenlang kann man in solchen Nächten im Cockpit sitzen, in die Sterne gucken und seinen Gedanken nachhängen. Bei nächster Gelegenheit müssen wir das Bimini wegnehmen. Das ist natürlich auf den Azoren eigentlich kompletter Blödsinn, denn dort brauchen wir es ebenso dringend wie in der Karibik als Rainimi, aber dann hätte man vielleicht noch ein, zwei Nächte mit freiem Blick in den Sternenhimmel. Außerdem ist es inzwischen auch tagsüber recht »frisch« geworden, kalt wollen wir mal lieber noch nicht sagen, wir sind ja noch nicht wirklich im Norden, dennoch brauchen wir jeden Sonnenstrahl und da ist es blöd, die auch noch mit dem Bimini auszusperren.

Um 23:59 loggen wir unser 16. Etmal mit 112,0 sm. 517,0 sm to go.


Tag 18, Dienstag, 16.05.2023
Ein Ende unserer Überfahrt ist abzusehen. Ende der Woche sollten wir auf den Azoren sein. Die Wetterlage ist allerdings eindeutig gegen uns. Nachdem das Tief, das sich aus der Konvergenzzone entwickelt, uns etwas Wind gebracht hat, werden wir wohl um das Zentrum des Azorenhochs nicht herum kommen. Es soll ziemlich blöd von Südost nach Nordwest ziehen und sich uns damit voll in den Weg werfen. Eine Lösung dafür haben wir nicht, denn auch, wenn es erst flott in Richtung Ziel gehen wird, werden wir nach der Kernflaute unweigerlich Gegenwind bekommen. Mal sehen…


Über die Nacht legt der Wind deutlich zu. Astrid legt in ihrer Wache ab Nulluhr einen Schnitt von 6 Knoten hin. Und das auch noch in die richtige Richtung, das ist vielversprechend. Das Tief aus der Konvergenzzone soll demnächst mit Wind bis zu 35 kn um sich herum für ordentlich Dynamik sorgen. Wir werden versuchen, uns eher am nordwestlichen Rand zum Hoch zu halten, dort sollten es nicht mehr als 15 bis 20 kn werden.
Da das Tief ebenso schnell nach Norden abzieht, wie es sich weiterentwickelt, sollten wir eigentlich nicht allzu viel abbekommen. Mal sehen, ob wir den Parasailor stehen lassen können. Die Richtung würde dafür zumindest stimmen.

„Zur Abwechslung mal ein Mond zu Morgen.“

„Zur Abwechslung mal ein Mond zu Morgen.“


„Wolkenleuchten“

„Wolkenleuchten“

Um 5:30 wecke ich Astrid. Der Wind liegt bei 14 bis 16 kn und wir machen konstant eine Fahrt von 7 bis 8 Knoten. Etwas Strom ist auch dabei, aber vor uns prangt eine dicke Wolke, die schon ziemlich nach einem Squall aussieht, obwohl es die in diesen Breiten ja eigentlich nicht mehr geben soll. Doch lieber etwas Vorsicht und Vorbereitung, falls da doch einige Knötchen Wind mehr drinstecken. Sehen kann man das nur schwer. Doch wenigstens hängen unter der Wolke keine Regenstreifen.

„Flotte Fahrt ...“

„Flotte Fahrt …“

Die Wolke entpuppt sich als harmlos, aber wir liegen weiterhin dauerhaft bei über 7 kn Fahrt. Das ist grundsätzlich nicht schlimm, mehr als 18 kn True Wind hatten wir seit Mitternacht noch nicht. Den Parasailor haben wir schon bis 20 kn gefahren, danach wird es aber einfach schwierig, ihn zu bergen. 
Um 9:00 steht der Parasailor seit 24h. Das neue Wetter bestätigt, dass das Tief schnell abziehen soll und es gegen Mittag ruhiger wird. Also lassen wir ihn stehen. Einen gewissen Reiz hat so eine Rauschefahrt ja auch. Ab Mitternacht haben wir einen Schnitt von 7 kn herausgesegelt, das riecht schon mal nach einem tollen Etmal. Racingmodus! Bis zu 19 kn zerren an dem Parasailor und wir fahren minutenlang über 8 kn. Irre!!!

„Aus der Konvergenzzone hat sich ein Sturmtief entwickelt. Es zieht aber nach Norden.“

„Aus der Konvergenzzone hat sich ein Sturmtief entwickelt. Es zieht aber nach Norden.“


Gegen Mittag nimmt der Wind tatsächlich ab. Mit 10 bis 14 kn kommen wir wieder in die Komfortzone für den Parasailor. Der Vormittag war schon etwas heftig. Die neuen Wettervorhersagen sehen das Tief schon weit im Norden. Es hat sich rasant vertieft und zu einem echten Sturmtief mit über 50 kn Wind entwickelt. Nur gut, dass es sich von uns wegentwickelt hat, so etwas braucht man nicht wirklich.

„Wir kommen unserem Ziel näher...“

„Wir kommen unserem Ziel näher…“

Um 18:00 geht es mit dem Parasailor in die zweite Nacht. Der Wind bleibt etwas über der Vorhersage, aber die Richtung stimmt immer noch. Sie stimmt nicht nur mit der Vorhersage überein, sondern passt auch für uns 👍. Wie wir allerdings die Kernflaute des Azorenhochs umfahren sollen, ist uns ein Rätsel. Das wird uns wohl nicht gelingen.

Um 23:59 loggen wir unser 17. Etmal mit 151 sm. 371 sm to go.


Tag 19, Mittwoch, 17.05.2023
Nach Mitternacht dreht der Wind auf Südwest. Eigentlich sollte er noch nicht drehen, aber auch seine konstante Stärke am Mittwochabend waren eher Anzeichen dafür, dass das Hoch noch etwas weiter südöstlich liegt, als die Vorhersagen angibt. Für uns ist das gut. Vielleicht sind diesmal ja die +/- 100 bis 150 Seemeilen in der Genauigkeit der Vorhersage auf unserer Seite. 
Aber wer weiß, das Kleinräumige ist ja nicht die Stärke der Vorhersagen.

„Ein erstes Morgenglühen“

„Ein erstes Morgenglühen“

„Pastellfarben mit Mond.“

„Pastellfarben mit Mond.“

Um 8:00 kommen wir der Kernflaute des Azorenhochs verdächtig nahe. Oder sie uns, was wahrscheinlicher ist, denn wirklich schnell sind wir nicht mehr. Um 9:00 steht der Parasailor seit 48 h, aber was heißt »steht«? Es wird zusehends schwieriger, wenigstens etwas Fahrt im Schiff zu halten. Der Wind ist zwar nicht umlaufend, aber doch sehr wechselhaft in seinen Richtungen. Mal fahren wir tatsächlich in Richtung Horta, mal eher nach Südosten. Immerhin geht’s noch voran. Geduld ist gefragt. Wie es aussieht, zieht der Hochdruckkern nach Norden und vereinigt sich dort in einer Kernfusion mit dem anderen. Wir hoffen, südlich auf einen Ostwind zu treffen, mit dem wir dann wenigstens nach Horta aufkreuzen können. Doch bis der bei uns ist, wird es noch 24h dauern, oder die Vorhersagen liegen noch einmal zu unseren Gunsten daneben.

„Es dauert lange ...“

„Es dauert lange …“

„... bis die Sonne sich wirklich zeigt.“

„… bis die Sonne sich wirklich zeigt.“


Um 12:12 verplätschern wir unsere 2.000ste Seemeile auf dieser Überfahrt und um 13:00 stecken wir definitiv in der Kernflaute. Nichts geht mehr. Der Atlantik liegt bleiern um uns herum. Nach 52 h holen wir den Parasailor runter. Solange hatten wir ihn noch nie an einem Stück oben. Und nun ist guter Rat teuer. Was tun? Motoren? Und wenn ja, in welche Richtung? Treiben lassen? Der Strom würde uns noch weiter in die Kernflaute bringen. Am südlichen Rand des Kerns könnten wir mit östlichen oder nordöstlichen Winden aufkreuzen, mitten im Kern geht gar nichts.
Wir entscheiden uns für ein Mittelding. Erst motoren wir nach Südosten, in der Hoffnung, dort vielleicht etwas Wind am südlichen Rand des Hochdruckkerns zu finden, und ab Einbruch der Dunkelheit werden wir uns treiben lassen. Zum Beiliegen fehlt wieder einmal schlicht der Wind.

„Kernflaute voraus.“

„Kernflaute voraus.“

„Auch sie dümpeln nur noch ruhig dahin.“

„Auch sie dümpeln nur noch ruhig dahin.“

„Nicht wirklich viel Wind.“

„Nicht wirklich viel Wind.“

„Die Schönheit einer Kernflaute.“

„Die Schönheit einer Kernflaute.“

„Dann das Nichts.“

„Dann das Nichts.“

Gegen 18:00 machen wir die Reinhard-Leuchte an und schalten sowohl die Navigationsbeleuchtung als auch die Dreifarbenlaterne an. Die Prüfungsfrage nach einer korrekten Nachtbeleuchtung würde man damit wohl falsch beantworten, aber je mehr wir leuchten, desto besser werden wir gesehen. Doch leider drehen wir uns immer wieder quer zu dem Atlantikschwell, der zwar sehr lang, aber doch recht hoch ist. Das lässt uns unangenehm rollen. Allerdings weht ein Hauch von etwa 1 bis 2 kn aus Südwest und damit genau in dieselbe Richtung, in die auch der Schwell läuft. So setzen wir ein kleines Dreieck der Genua und machen den Windpiloten an. Und noch zusätzlich das Dampferlicht, das leuchtet so schön ins Vorsegel. Damit versemmeln wir zwar auch die nächste Prüfungsfrage noch gleich, aber wir werden noch besser gesehen. Der kleine Fetzen Genua hilft in der Tat. Nicht, dass wir so irgendwie vorankommen würden, aber es dreht die PINCOYA mit dem Heck zum Schwell und hält sie auch so.
Zusätzlich machen wir noch die AIS-Alarme von B&G und iSailor an. Und dann … »Gute Nacht!«

„Gleich Motor aus und ... Gute Nacht!“

„Gleich Motor aus und … Gute Nacht!“

„Ruhiger als manch ein Ankerplatz.“

„Ruhiger als manch ein Ankerplatz.“

Alle ein bis eineinhalb Stunden guckt mal einer von uns in die Runde und einmal werden wir auch tatsächlich vom AIS-Alarm geweckt. Der Frachter hat einen Tiefgang wie wir lang sind und ist gerade dabei, einen hübschen Bogen um uns herumzufahren. Sehr freundlich 👍 danke schön 😊! Und … »Gute Nacht!«

„Die Entwicklung.“

„Die Entwicklung.“

Um 23:59 loggen wir unser 18. Etmal mit 82,0 sm. 305,0 sm to go. Und dann wieder … »Gute Nacht!«
Ohne dem 20sten Tag vorgreifen zu wollen, wir schlafen 8 1/2 Stunden ganz wunderbar und nehmen gegen 2:30 das aktive Segeln wieder in Angriff.

Unsere Position am 17.05. um 23:59
36° 28′ 08,0″ N, 034° 29′ 58,9″ W