Horta, Faial I


Das Gefühl, nun nach 24 Tagen auf See angekommen zu sein, sackt nur langsam und wird real. Uns geht es nicht allein so. Gestern sind wir von den Engländern, die knapp eine Stunde vor uns in Horta angekommen sind, mit einer kleinen La Ola begrüßt worden. Auf der Suche nach einem passenden Ankerplatz jubelte es plötzlich neben uns. Es waren die Engländer, die wir schon seit 24h auf AIS verfolgt hatten, so wie sie uns, und die nun uns und unser Ankommen begrüßten.

„Horta und die Marina“

„Horta und die Marina“

Jeden Tag kommen weitere Schiffe an. Nur wenige fahren wieder. Auf dem Ankerplatz wird es zusehends voller und wir bekommen über Funk mit, dass es in der Marina keine Plätze mehr gibt. Die Momente des Ankommens sind ehrlich. Jeder Crew sieht man die Erleichterung und die Freude darüber an, nun angekommen zu sein. Da ist noch nicht wieder diese Coolness, die am nächsten Tag vor dem Marina Office schon wieder alles so selbstverständlich darstellt, als ob man gerade einen kleinen Spaziergang gemacht hat, und die gemeisterten Windstärken ebenso schnell wachsen lässt, wie die Fische eines Anglers. Aber alles war vollkommen problemlos und selbstverständlich und einfach nur wunderbar.

„Man liegt innen wie außen wenigstens im Dreierpäckchen“

„Man liegt innen wie außen wenigstens im Dreierpäckchen“

„Die Glücklichen, die noch einen Platz innen bekommen haben.“

„Die Glücklichen, die noch einen Platz innen bekommen haben.“


Vollkommen merkwürdig sind unsere ersten Schritte an Land. Der Gang zum Einklarieren ist etwas eierig und im Marina Office müssen wir uns schon etwas zusammennehmen. Nicht schwankende, geschlossene Räume geraten nach so einer Zeit auf See doch recht schnell schon mal in Bewegung. Das Einklarierungsprozedere ist wunderbar entspannt. Was war das teilweise nur für ein Theater in der Karibik. Aber die Portugiesen sind ja sowieso recht tiefenentspannt. Nachdem wir mehr als eine halbe Stunde gewartet haben und nun dran sind, sieht der Portofficer auf seine Uhr und sagt, nein, das würde er vor der Mittagspause in 15 Minuten unter keinen Umständen mehr schaffen. Ob wir denn nicht noch etwas anderes zu tun hätten, um 14 Uhr wäre er wieder da, und dann könne es auch gleich wieder losgehen. In der Karibik darf oft nur der Skipper allein als erster und einziger den geweihten Boden der Authorities betreten, maximal in Begleitung eines Fahrers, der aber unter allen Umständen im Dinghy bleiben muss. Das geht dort wahrscheinlich wegen des unablässigen Stroms von illegal einwandernden Yachties auch gar nicht anders, denn anders würde man dem Andrang von Flüchtlingen aus den preiswerten Konsumgesellschaften ja nie Herr werden. Und hier dürfen wir nun erst einmal einkaufen gehen, weil eben Mittag ist. Also fragen wir, ob er uns denn noch schnell sagen kann, wo wir einen MEO-Shop finden, um eine Datenkarte für’s Internet zu kaufen. Einen Stadtplan hat er leider nicht, also beginnt er uns einen kleinen Plan zu zeichnen. Kreuzung hier, grünes Haus dort, Straße ganz runter, dann links, hier die Kirche, gar nicht zu verfehlen, und dort die Post und gleich darunter ist der MEO-Shop. Ein, zwei, drei Querstraßen, vielleicht auch vier, da ist er sich nicht ganz sicher. Sorry! Inzwischen ist es nach 13:00, aber er wiederholt lieber alles noch einmal, damit wir den Shop auch finden. – Portugal! Meine Güte, wie erfrischend ist das nur wieder?

„Fast jeder Quadratmeter ist bemalt.“

„Fast jeder Quadratmeter ist bemalt.“

„Auf dem Weg zum MEO-Shop“

„Auf dem Weg zum MEO-Shop“

Den MEO-Shop finden wir und eine Datenkarte bekommen wir so problemlos wie immer. 40 € für einen Monat Highspeed unlimited. Da müssen wir mal sehen, wie wir in Deutschland ähnliches hinkriegen. Als wir zurück zum Einklarieren kommen, stehen wir wieder hinten in der Schlange. Nach 40 Minuten zeigt sich, dass uns der Computer noch vom letzten Jahr kennt. Aber erst einmal fragt der Officer, ob wir denn nun auch die Datenkarte bekommen haben. Gut, dann mal zum Einklarieren. Da der Computer uns noch kennt, sind wir nach 5 Minuten schon wieder entlassen und können rüber zum GNR. Die beiden Grenzer erkundigen sich erst einmal, wie unsere Überfahrt war und korrigieren den Einklarierungsbogen, denn der Computer hat uns nun von Terceira kommen lassen, wo wir letztes Jahr waren. Aber das ist nicht schlimm und ist schnell per Hand korrigiert. Und es ist auch nicht so schlimm, dass der Zoll leider noch nicht vom Mittag zurück ist. Aber zu verzollen hätten wir ja bestimmt sowieso nichts, dann ist das auch ok so, und wenn die was von uns wollten, würden sie schon kommen, wir wären ja auf dem Ankerplatz. – Zack fliegen die Stempel auf das Papier und er erklärt uns noch, wo wir den großen Supermarkt finden, denn wir müssten ja nun bestimmt noch etwas einkaufen. – Wie unkompliziert und freundlich kann das alles nur sein?

„Hübsche Häuser“

„Hübsche Häuser“


Wenn man das letzte Mal in der Karibik einkaufen war, dann muss man sich wirklich wirklich wirklich total zusammenreißen, um beim Continente nicht augenblicklich in einen Kaufrausch zu verfallen, in dessen Sog sich problemlos mehrere Einkaufswagen in Rekordzeit füllen lassen. Wie in Trance tappen wir durch die Regale und glotzen fassungslos die Preisschilder an. Und das Angebot! Wahnsinn! Hier kann man zwischen verschiedenen Dingen auswählen und braucht für einfache Grundnahrungsmittel keine goldene Kreditkarte mit erweitertem Verfügungsrahmen! Es gibt vor allem normales Gemüse und Obst, von dem nicht schon die Hälfte einen fortgeschrittenen Kompostierungszustand erreicht hat und von Fliegen bewacht wird. Etwas überfordert füllen wir einen kleinen Einkaufswagen, gleich morgen kommen wir noch einmal mit unserem Einkaufstrolli.


Die Marina von Horta ist dem Andrang überhaupt nicht gewachsen. Es gibt einige Schwimmstege, aber die sind weitgehend mit Booten von Locals belegt. Der Rest drängelt sich irgendwie im Dreier- oder Viererpäckchen an den Steinmolen.

„Die Marina Horta am Office“

„Die Marina Horta am Office“

Das ist in der Zeit, in der wir in Horta sind, recht ungemütlich, denn der Nordostwind drückt den Schwell in die Hafenbucht. Da möchte man lieber nicht innen im Päckchen liegen und von zwei oder drei anderen gegen die Steinwand gedrückt werden. Es ist rappeltvoll und auf dem Ankerplatz drängelt sich der Rest der Seglergemeinde mit Abständen unter 30 m. Bei einer Wassertiefe von 7 bis 9 m und den entsprechenden Kettenlängen ist das nicht eben viel. Mit einer stoischen Geduld schlängeln sich die Fischer, die Lotsen, einige mittlere Arbeitsschiffe und der kleine Schlepper durch die Ankernden. Teilweise könnte man mit einem großen beherzten Schritt umsteigen. Selbst der Frachter São Jorge wendet noch zwischen der äußeren Frachtmole und den letzten verzweifelten Ankerliegern. Es ist eng, sehr eng, aber irgendwie geht’s immer. Erstaunlich.

„Diesel-Hamsterkäufe, so kommt man auch ganz ohne Segeln über den Atlantik. Vorn zwei Fässer und hinten noch einmal 20 20-Liter Kanister. Das ist echter Segelsport! 😂“

„Diesel-Hamsterkäufe, so kommt man auch ganz ohne Segeln über den Atlantik. Vorn zwei Fässer und hinten noch einmal 20 20-Liter Kanister. Das ist echter Segelsport! 😂“

Als Ankerlieger liegt man zwar eng beieinander, aber komfortabler als an der Mole, doch man hat als Ankerlieger noch zwei andere Probleme. Erstens kommt da recht schnell die Sorge auf, ob man seinen Anker wieder hochbekommt. Weil es so eng ist, haben wir auch noch unsere Trippleine abgemacht. Nun kommt bei uns die Befürchtung auf, dass das vielleicht doch nicht die allerbeste Idee war. Denn jeden Tag bekommen wir mit, dass schon wieder irgendwer da vorn oder nebenan seinen Anker nicht mehr selbst aufnehmen kann. Das macht kein besonders gutes Gefühl.

„An der Marina I“

„An der Marina I“

„An der Marina II“

„An der Marina II“

Das nächste Problem ist das Anlanden mit dem Dinghy. Es gibt nämlich kein Dinghy Dock, sondern nur die ein oder andere Rettungsleiter an der Mole. Das ist nicht nur umkomfortabel, sondern auch problematisch, weil man irgendwie zwischen die Päckchenlieger muss. In der inneren Marina könnte man an die Schwimmstege, aber die sind nur über Gates betretbar. Wir finden ein Eckchen mit einer alten Steintreppe und einem Ring, um unser Dinghy festzubinden. Wenn man die Stellen einmal kennt, geht es, aber bis man eine passable Möglichkeit gefunden hat, an der man auch seine Einkäufe ins Dinghy laden kann, dauert es etwas. Die Marina ist einfach zu klein und der Andrang zu groß, um da auch noch Platz mit einem Dinghy Dock zu verschwenden.


Den ersten Tag in Horta lassen wir erst einmal so vergehen. Wir kochen uns etwas Leckeres und genießen das Flair von Horta bei einem Glas Rosé. Die notwendigen Reparaturen und die Sorge, ob wir unseren Anker wiedersehen, vertagen wir mal auf morgen oder übermorgen oder wann auch immer.

23. -> 25.06 Horta, Faial
38° 31′ 45,1″ N, 028° 37′ 27,2″ W