Velas – São Jorge


Horta, Faial -> Velas, São Jorge Distanz: 28,9 sm Gesamtdistanz: 5.846,8 sm

„Da fahren wir mal lieber, Horta ist etwas überfüllt“

„Da fahren wir mal lieber, Horta ist etwas überfüllt“

Auf dem Ankerplatz vor Horta ist es ziemlich bumpy, der Nordost drückt die Wellen in die Ankerbucht. Außerdem wird es zusehends voller. So langsam finden wir das Ganze hier überhaupt nicht mehr gemütlich, zudem werden die Ankermanöver, die die Neuankömmlinge so hinlegen, immer abenteuerlicher. Sicher ist das ein Stück weit auch der Platznot geschuldet, denn die Marina bügelt jede Anfrage nach einem Marinaplatz ab und verweist unter der Maßgabe »but please anchor as close as you can« auf den Ankerbereich.

Das alles ist uns etwas zu viel, etwas zu dicht und etwas zu ruppig. Deswegen beschließen wir, nach Velas auf São Jorge zu segeln. Vor der Marina von Velas gibt es einen kleinen, aber auch etwas schwierigen Ankerbereich. Dort ankert man auf einem schmalen Streifen auf wenigstens 10 m Tiefe. Der Ankergrund soll steinig und abschüssig sein, was die Sache nicht einfacher macht. Das sind keine gute Voraussetzungen, auch deswegen hoffen wir, dass dort weniger los ist. Zumal der Herdentrieb die meisten ja doch eher nach Horta zieht. Also checken wir aus und bereiten alles für unseren Aufbruch vor. Es bläst kräftig aus Nordost, nach Velas werden wir wieder ordentlich kreuzen müssen.
Der Deutsche neben uns hat nach zwei Tagen doch irgendwie noch einen Marinaplatz ergattert, bekommt nun aber seinen Anker nicht mehr raus. Das kann ja heiter werden, bei uns sprießen die Sorgen, dass es uns ähnlich ergehen könnte. Was dann? Fast täglich ergeht es irgendeinem der Ankerlieger so. Selbst helfen können wir uns kaum. Wenn wir unseren Anker auch nicht hoch kriegen, brauchen wir einen Taucher, denn ohne einen solchen Versuch wollen wir unser Ankergeschirr nicht aufgeben und für noch mehr Schrott im Hafenbecken sorgen.
Während wir alles für unseren Aufbruch vorbereiten, beobachten wir die verzweifelten Versuche des Deutschen, seinen Anker doch noch irgendwie freizubekommen. Vom Dinghy aus können sie ihn wohl durch ein Rohr oder einen Eimer ohne Boden sehen. So wie wir das mitbekommen, hat er sich wohl zwischen einigen Steinen oder hinter einem alten Mooringblock verhakt. Ein klassischer Fall, den man meist mit einer Trippleine lösen kann. Wieso haben wir Deppen bloß unsere Trippleine abgemacht?


Dann versuchen wir unser Glück. Ankern vor Horta hat schon etwas von einem Lotteriespiel. Bei sechs Richtigen gibt’s den Anker zurück! 😂 Es ist windig, Astrid muss uns mit Motor etwas vorschieben. Dann haben wir ihn kurzstag, aber er will trotzdem nicht hoch. Die letzten Tage war einiger Wind, vielleicht hat er sich nur ordentlich eingegraben. Über die Kopfhörer können wir gut alle Manöver besprechen. Noch etwas schieben, einen halben Meter Kette kann ich noch einholen. Dann geht wieder nichts mehr. Noch mal und … dann bricht er aus. Was für ein Glück! Wir sind ziemlich erleichtert. So ein Gezatter brauchen wir nicht noch einmal! Es lebe Horta! Während ich den Rest einhole, körselt Astrid schon mal durch die anderen Ankerlieger. Ja, es ist eben eng, da bleibt nicht viel Platz für schulmäßige Manöver.


„Blick zurück auf Horta I“

„Blick zurück auf Horta I“

Dann ist alles verstaut und noch im nördlichen Becken, dem Becken für die Fähren, setzen wir die Segel. Das Groß im ersten Reff und die Genua zunächst auch mal dezent im ersten Reff. Wir wollen erst gucken, wie es draußen so aussieht. Ausreffen können wir immer noch.

„Blick zurück auf Horta II“

„Blick zurück auf Horta II“

Das brauchen wir aber gar nicht, denn es geht gleich flott auf die Kreuz. Es ist ein schönes Segeln, auch wenn wir zwischen den Inseln aufgrund des Stroms und des zickigen Windes nicht die schönsten Wendewinkel hinlegen. Aber wir sind erst einmal aus diesem Gewusel vor Horta raus.

„Es geht gleich ordentlich los. Voraus Pico, wie immer versteckt sich der Pico auf Pico in den Wolken.“

„Es geht gleich ordentlich los. Voraus Pico, wie immer versteckt sich der Pico auf Pico in den Wolken.“

„Noch etwas Faial.“

„Noch etwas Faial.“

Zwischen den Inseln ist der Wind schwierig. Besonders, wenn man hart am Wind segelt. Immer wieder lassen üppige Dreher die Segel back stehen und peu á peu wird der Wind auch schwächer. Und plötzlich ist er dann ganz weg. Von jetzt auf gleich, einfach weg. Gestartet sind wir mit 18 kn aus Nordost, nun haben wir nur noch 2 kn aus irgendwo. Innerhalb von 20 Minuten liegt die See bleiern um uns herum, wieder so, als ob sie mit Frischhaltefolie abgedeckt wurde. Also motoren wir in Richtung Velas, wenn wir uns hier treiben lassen, sind wir in zwei Stunden zurück in Horta. Das wollen wir ja nun auch nicht. Dann plötzlich ein Südost! Das passt, schnell setzen wie wieder die Segel und der Südost lässt uns haargenau bis kurz vor Velas segeln. Was wollen wir mehr? Zur Begrüßung schwimmt dann noch eine ziemlich große Horde Delphine vor uns entlang. Leider mit etwas viel Abstand. Sie springen und machen einigen Alarm. Es sind mindestens 30 oder 40 Tiere. Eine so große Truppe haben wir auch noch nicht gesehen.

„Faial mit Horta und der Halbinsel Monte da Guia.“

„Faial mit Horta und der Halbinsel Monte da Guia.“

„Voraus Velas auf São Jorge“

„Voraus Velas auf São Jorge“

„Die Delphin-Horde“

„Die Delphin-Horde“


„São Jorge zeigt sich bedeckt.“

„São Jorge zeigt sich bedeckt.“

Vor Velas ist der Anchorage wie erwartet leer. Nur ein Holländer liegt dort und der Franzose, der kurz vor uns hier angekommen ist, hat auch schon seinen Anker fallen gelassen. Wir brauchen drei Versuche, damit unser Anker richtig sitzt. Und am nächsten Morgen sogar noch einen vierten, da sich der Nordwind vor Velas hinter den steilen Bergen hart in einen Südwind umkehrt und wir den Felsen doch etwas zu nahe kommen. Wenigstens für unseren Geschmack, in den nächsten Tagen sehen wir, dass es auch Segler gibt, die solche Befürchtungen nicht umtreiben.

„Abend auf dem Anchorage vor Velas“

„Abend auf dem Anchorage vor Velas“

Und dann beginnen sie zu quatschen. Es ist unglaublich. Kaum ist es dunkel, geht es los. Die Gelbschnabelsturmtaucher erzählen sich ihre Abenteuer des letzten Tages. Teilweise meint man, dass sie auf der Reling sitzen und palavern. Wer das noch nicht gehört hat, kann es sich beim besten Willen nicht vorstellen. Es wird gequasselt und gequatscht und das in einer erstaunlichen Lautstärke und mit einer faszinierenden Ausdauer und Hingabe.

„Die Marina in Velas“

„Die Marina in Velas“


Der Samstag steht dann voll im Zeichen der Frischwasserpumpe. Mit dem Provisorium wollen wir nicht auf die nächste Etappe gehen. Das zieht allerdings einen kleinen Rattenschwanz an Änderungen nach sich, denn wenn wir ernsthaft an diese Baustelle gehen, dann müssen wir auch ein anderes Problem beheben, das wir schon lange vor uns herschieben. Das Thermostat für die Warmwasserleitung ist defekt und wurde zudem von der Werft damals auch noch an der falschen Stelle in das System eingebaut. Es ist leider separat vom Boiler eingebaut worden, sodass durch einige Schläuche das Heißwasser immer mit Maximaltemperatur fließt. Und nun ist das Thermostat auch noch defekt, sodass dies nun auch noch in allen anderen Warmwasserleitungen der Fall ist.

Wenn wir die neue Frischwasserpumpe final einbauen, dann wollen wir auch gleich dieses Problem beseitigen. Ein neues Thermostat liegt schon seit Monaten an Bord und genügend Fittinge haben wir auch, um das ganze Zu- und Ablaufsystem am Boiler so umzubauen, dass das Thermostat dann direkt am Boilerauslass sitzt und nur noch temperiertes Wasser durch die Schläuche fließt.

„Das Einbauchaos!“

„Das Einbauchaos!“

Das »Wie« ist eigentlich kein Mysterium, aber der Einbau ist ein echter »Scheißjob« (sorry 🥺). Denn 2/3 der Montagen liegen mehr oder weniger hinter dem Motor, einer Stelle, an die man nur kommt, wenn man es schafft, sich halb auf den Motor zu legen. Wartungsfreundlich ist das Ganze nicht gerade und wenn man es geschafft hat, auf den Motor zu kriechen, was allein schon ein zirkusreifes Stückchen für Schlangenmenschen ist, dann geht ohne einen »Helfer außerhalb«, der einem alles anreicht, nichts mehr. Der ganze Spaß dauert mit kleinen Unterbrechungen etwa 8 Stunden! Dann sitzen die beiden »Kunstwerke« aus 25 T-Stücken, Doppelnippeln und Schlauchtüllen am Boiler und alle Zu- und Abläufe sind inklusive der neuen Frischwasserpumpe verschlaucht. Und dann … ja dann passiert das unglaublichste Wunder aller unglaublichen Wunder!!! Auf dieses Wunder hätten wir freiwillig keinen einzigen Cent gesetzt. Wir entlüften das System, geben Druck auf die Leitungen und … alles ist dicht!!! Einfach so und auf Anhieb. Ohne wenn und aber… An keiner Verschraubung und an keiner Schlauchtülle dröppelt es. Wir können es nicht glauben! Phantastisch! So etwas hatten wir noch nie 😎 🥳 und wahrscheinlich wird uns so etwas auch nie wieder gelingen 😩.

Als kleines Highlight bauen wir dann noch eine Kontrollleuchte ein, die leuchtet, wenn die Pumpe läuft. Schließlich haben wir die letzte ja wahrscheinlich dadurch geschreddert, dass wir nicht gehört haben, dass sie dauernd lief. So gibt es nun zusätzlich eine weithin gut sichtbare, rote LED. Wir sind recht stolz auf unsere (!) Erfindung, doch als wir am nächsten Tag auf Henry sind und Wendy und Peter besuchen und stolz von unserer (!) Erfindung berichten, zeigt Peter auf eine gelbe Kontrollleuchte und sagt: “Oh Martin, it’s standard. Wendy could you please let some water flow?” Und schon leuchtet es gelb und wir haben das beruhigende Gefühl, nun auch einen guten Standard erreicht zu haben.


„Henry“

„Henry“

Henry ist eine tolles Schiff. Eine Van de Stadt Samoa 47. Peter und Wendy haben sie selbst gebaut bzw. sich aus einem Puzzle aus tausend Teilen in Polen zusammenschweißen lassen. Peter kommt aus der Yachtbranche und weiß genau, was er haben will und wie es gemacht werden muss. Und so ist auf Henry auch jedes Detail durchdacht. Wir bekommen eine kleine Führung und staunen nur so, an was man alles noch so denken kann. Aber Henry hat eben auch 47 Füße und wir haben nur 37. Da ist man schon etwas eingeschränkter. Viele Lösungen sind aber nicht wirklich teuer, man muss nur nachdenken und die Zeit investieren, sie auch umzusetzen. Wie fast immer ist die Zeit der größte Faktor bei aller Bastelei. Die beiden haben sich zusammen mit ihrem Sohn für nächstes Jahr die Nordwestpassage vorgenommen. Eigentlich hatten wir uns für 2024 »irgendwo an der Ostküste« verabredet, als wir uns im letzten Jahr schon einmal auf Gran Canaria getroffen haben. Doch nun haben sich ja unsere Pläne schon wieder geändert und vor einigen Tagen bekamen wir eine Mail, dass die beiden auf Terceira sind und wie es mit einem Treffen in Velas aussieht.

So treffen wir sie vor Velas und verbringen dort gemeinsam einige Stunden und einen schönen langen Abend.
Wir bekommen unendlich viele Tipps für Irland und Schottland und am Ende können uns Wendy und Peter sogar auch noch »retten«. Seit der ersten Idee, wieder zurück nach Europa zu segeln, spukt bei uns auch die Idee »Irland« im Kopf herum. Nur konnten wir bisher noch nirgends eine irische Gastlandflagge 🇮🇪 auftreiben. Doch die beiden haben noch eine und schenken sie uns. Und so können wir nun auch wirklich unser Ziel Irland in Angriff nehmen.


„Azorenwetter mal so und ...“

„Azorenwetter mal so und …“

Die Wettervorhersagen für unser Weiterkommen sind eher mäßig. Und leider sind sich auch noch ECMWF und GFS sehr einig, dass sich südlich von uns ein unangenehmes Tief zusammenbraut. So viel Einigkeit ist ungut, denn so etwas riecht immer sehr danach, dass es auch wirklich so kommen könnte.

„... mal so!“

„… mal so!“

Aber noch ist das Wetter gut und wir können unsere Wäsche noch einmal nachtrocknen. Der Trockner der Marina hat sich gestern an den beiden Ladungen mehr als fünf Stunden abgemüht, doch irgendwie scheint ihm sein Job echt schwerzufallen. Der Wind und etwas Sonne erledigen nun den Rest, während wir die Opferanoden wechseln. Bevor wir länger in der nächsten Marina liegen, müssen wir sie wechseln. Diese Tauchgänge gehören zwar nicht zur Lieblingsbeschäftigung des Schiffsjungen, aber was sollen wir machen? Das Wetter ist ruhig und es geht auch recht schnell und vor allem problemlos. Inzwischen haben wir den Kompressor so eingestellt, dass der Wiederanlauf nur gegen 0,5 Bar erfolgen muss. Das ist zwar recht wenig und man merkt unter Wasser genau, wenn der Druck fällt, aber der Generator steigt so bei dem Anlaufstrom nicht mehr aus. Optimal ist das nicht, aber es reicht für das, was wir machen müssen.


Als es dann nachmittags den Anschein hat, dass sich die Sonne mal etwas länger zeigen möchte, sind wir nach 15 Minuten am Dinghy Dock der Marina. Ein kleiner Sonnenspaziergang durch Velas wäre schon toll. Doch wir haben unsere Rechnung ohne die Wolken gemacht, die sich schon wieder klammheimlich von Norden her über die Insel schieben. Kaum sind wir ausgestiegen, versteckt sich die Sonne auch schon wieder hinter neuen Wolken. Es ist zum Verzweifeln, es scheint wirklich so zu sein, das Wolken und Sonne irgendwie bemerken, wenn ich nach der Kamera greifen will. Falls Astrid mal vergessen hat sich einzucremen, muss sie nur sagen: »Kannst du mal bitte kurz ein paar Photos machen?« und von einer Sekunde zur anderen ist die Sonnenbrandgefahr für Stunden gebannt.

„São Jorge“

„São Jorge“

So schlendern wir durch das abgeschattete Velas. Velas ist hübsch. Die Häuser sind oft bunt und alles ist wirklich schön angelegt und sehr gepflegt. Liebe zum Detail steckt von der Fischauktionshalle, über den Clube de Naval, das Rathaus und der Kirche auch in jeder Gasse und in vielen privaten Häusern. Velas ist bunt, aber was ist all die Farbe, wenn sie nicht von der Sonne zum Leuchten gebracht wird.

„Auf unserem Spaziergang“

„Auf unserem Spaziergang“

„Balkone“

„Balkone“

„In Velas I“

„In Velas I“

Etwas enttäuscht tappen wir durch die sonnenlosen Gassen, auf der sonnenlosen Promenade entlang und werfen einen Blick auf die sonnenlose Vulkanküste. Das graue Trüb verschluckt all die Farben, es ist zum Heulen.

„Das Rathaus“

„Das Rathaus“

„In Velas II“

„In Velas II“

„Im Zentrum von Velas“

„Im Zentrum von Velas“

„Der Stadtgarten mit Musikpavillon“

„Der Stadtgarten mit Musikpavillon“

„Straßen in Velas“

„Straßen in Velas“

Doch auf dem Rückweg kommt dann doch noch einmal kurz die Sonne heraus. Und all die Sonnenphotos, die sich nun hier in diesem Blog finden, sind innerhalb von 25 Minuten entstanden, weil der Schiffsjunge noch einmal im Dauerlauf die Hälfte unseres bis dahin sonnenlosen Spaziergangs abgelaufen ist, während die Capitana geduldig wartete, weil sie weiß, dass ein paar schöne Sonnenphotos die Laune des Schiffsjungen durchaus heben können. Und als der Schiffsjunge vollkommen aus der Puste die Capitana wieder erreicht, beginnt es auch schon wieder zu stippern. Im schönsten Azorenregen fahren wir mit unserem schlappen Gummiboot wieder zurück zur PINCOYA.

Vor Anker vor Velas
38° 40′ 44,0″ N, 028° 12′ 00,7″ W