Schon in der Nacht zum Donnerstag geht es los. Etwas verfrüht, so war das nicht geplant. Am Abend haben wir noch bei einem wunderbaren und vor allem wunderbar langen Sundowner im Cockpit gesessen und nun schon wieder das. Die Tiefs auf dem Atlantik sind eigenwillig und kommen nicht immer wie geplant zu Besuch.
Es bläst mit rund 20 kn aus Südwest. Auch das war anders vorhergesagt, denn der Donnerstag sollte uns eigentlich mit fünfzehn gemütlichen Knötchen in unser Versteck bei Roundstone bringen. 🙄 Da schon jetzt immer wieder recht kräftige Böen dabei sind, binden wir lieber das erste Reff ins Groß. Mit dem Südwest werden wir zwar einen Vorwindkurs haben, deswegen ist auch das Groß unsere erste Wahl, aber wenn es so »ungeplant« weitergeht, wollen wir lieber für mehr gerüstet sein. Zudem liegt das Innenfahrwasser bei Roundstone vor uns, das von der Natur recht hübsch mit einigen Felsen garniert wurde. Auch dafür ist das Groß angenehmer als die Genua, da kann man einfach mehr sehen.
Als Ziel haben wir uns die Cloonile Bay östlich der Roundstone Bay ausgeguckt. In der Roundstone Bay kann man zwar auch ankern, die ist aber nach Süden offen und so gänzlich ungeeignet für das, was da kommen soll. Und auch mit der Gorteen Bay sieht das nicht viel anders aus, denn die Wellen sollen mit rund 4,5 m von Westen her einlaufen. Der Eingang zur Cloonile Bay liegt etwas verschränkt östlich der Roundstone Bay und sollte so recht geschützt sein. Und in der Coonile Bay wollen wir dann gleich in die erste kleine westliche Ausbuchtung hinter Inishnee. Vor dieser Bucht liegt eine Barre und viel von dem Eingang fällt bei Niedrigwasser zusätzlich noch trocken, was diese Bucht noch etwas mehr schützen sollte. Allerdings kommt man dort auch nur bei Hochwasser rein und ist dann bei Niedrigwasser mehr oder weniger gefangen. Doch das soll uns nicht stören, denn das Tief, das uns besuchen möchte, ist auch nicht gerade von der angenehmsten Sorte.
Natürlich haben wir auch Alternativen. Es ist immer gut, einen Plan B zu haben, falls Plan A nicht funktioniert. Etwas weiter im Norden der Cloonile Bay gibt es noch eine weitere Bucht, die wir auch nehmen könnten. Und wenn alle Stricke reißen, werden wir auch in der Bertraghboy Bay, von der die Cloonile Bay abgeht, ein Plätzchen finden. Diese Plätze sind zwar alle nicht so optimal wie der »Ententeich«, in dem wir ankern wollen, aber ausreichend Schutz werden wir dort auch finden. Es gibt nicht viele Ankerplätze, die auch für große Winddrehungen gut sind, deswegen hoffen wir, dass es hinter Inishnee passt.
Inishmore, Kilmurvey Bay -> Cloonile Bay, Inishnee Distanz: 20,0 sm Gesamtdistanz 2023: 7.199.9 sm
Der Wind legt langsam aber stetig zu, deswegen brechen wir auch gleich mal ohne Frühstück auf. In der Kilmurvey Bay auf Inishmore liegen wir zwar zurzeit mit dem Südwind noch gut, aber wenn der Wind dreht und die Wellen von Westen einlaufen, dann wird’s auch dort recht ungemütlich.
Das Innenfahrwasser haben wir schnell erreicht und genau rechtzeitig nimmt der Wind zu, die Sicht wird schlechter und einige Böen knapp unter 30 kn machen uns das Leben schwer. Trotz GPS und elektronischer Seekarten ist es schwierig, die verschiedenen Inseln zuzuordnen. Alle sehen irgendwie gleich aus, und ist nun dieser kleine graue Pinökel die Landmarke auf der Dingsbums-Insel oder doch der da? Aber wenn das die ist, dann müsste die da ja die sein und wir müssten dort rein. Äh, aber halt, so passt das nicht. Man kann sich ziemlich lange die Augen aus dem Kopf glotzen und Rätsel raten. Vorsichtig fummeln wir uns immer weiter rein, wobei »vorsichtig« bei dem Wind gar nicht so einfach ist. Doch glücklicherweise ist das Innenfahrwasser hier doch etwas weitläufiger als hinter manch einer Schäre in Schweden oder Norwegen. Erst nach und nach lösen sich die Rätsel auf und wir können die einzelnen Inseln richtig zuordnen. Besonders fies sind allerdings die Felsen, die knapp unter Wasser liegen und sich nur durch einige brechende Wellen verraten. Da wir bei Hochwasser ankommen, verstecken sich leider viele Gefahren unter Wasser.
Kurz vor der Einfahrt in die Bertraghboy Bay nehmen wir das Groß bei knapp 30 kn Wind runter. Das macht einen unglaublichen Radau! Da tun einem das Segel und hinterher auch die eigenen, natürlich unbehandschuhten Finger leid.
Zwischen den Inseln liegen überall die Bojen der Lobster Pots. Seit sich die britischen Fischer mit dem Brexit selbst ins Knie geschossen haben, haben sich die Preise für Lobster fast verdoppelt. Lobster sind nun in Irland wieder ein lohnendes Geschäft, das man sich nicht entgehen lässt. Denn Irland kann schneller und vor allem unkomplizierter in die EU liefern, was den Lobstern zwar nicht gefällt, aber ihrer Frische auf dem Markt zu Gute kommt.
Vorsichtig fummeln wir uns unter Motor entlang der Südküste von Inishnee und um Oghly Island herum. Hinter Oghly Island, einem ganz kleinen Inselchen am Eingang der Cloonile Bay, steuern wir die erste westliche Bucht an. Die können wir nur in den Stunden um Hochwasser herum anlaufen, weil in der Einfahrt eine Barre liegt.
Zur Springzeit bleibt bei Niedrigwasser nicht mehr wirklich viel Wasser über der Barre stehen, zur Nippzeit ist es zwar etwas mehr, aber auch nicht genug, um bei Niedrigwasser einzufahren. Gut 1 1/2 Stunden vor Hochwasser fahren wir ein, auf der Barre haben wir noch gute 3,2 m. Das hat schon mal gepasst. In der Bucht drehen wir eine kleine »Erkundungsrunde«, die Wassertiefe fällt im südlich Bereich wieder auf 5,0 m. 20 cm wird das Wasser noch steigen und bei einem Tidenhub von aktuell 2,0 m passt die ganze Sache in der Mitte der Bucht schon mal ganz gut. Gut, dass wir Nippzeit haben, zur Springzeit würde es wesentlich enger werden, denn die Tiefenangaben erscheinen uns doch recht »optimistisch« zu sein. Da müssen wir noch einmal genau nachrechnen, aber nun erst mal Anker rein und glücklich sein.
In der kleinen Bucht hinter Inishnee liegen wir gut. Hier weht es nun nur noch mit 18 kn, auch wenn mal einige größere Böen dabei sind. Von dem Hack vor den Inseln ist hier nichts mehr zu spüren. Noch weht es genau aus Südost, mit dem Niedrigwasser wird es bald ruhiger, denn dann fallen große Bereiche zwischen Inishnee und Oghly Island trocken.
Kaum sitzt unser Anker, beginnt es auch schon zu schütten. Das Wort »regnen« kann man in Irland getrost aus seinem Sprachschatz streichen, denn normalen Regen gibt’s hier nicht, es schüttet immer gleich. Ähnlich ist das wohl mit dem Wind. Entweder volle Pulle oder garnichts. Heute haben wir aber Glück gehabt, denn nun kann uns das Wetter mal. Alles um uns herum versinkt in einem trüben Regengrau.
Später rechnen wir noch einmal genau nach und googeln noch einmal die Tidentabellen. Es bleibt dabei, die Tiefenangaben in der Karte sind etwa um 1,7 m zu optimistisch. Schon zur Nippzeit haben wir bei Niedrigwasser »nur« 3,4, was laut Karte eigentlich das niedrigste Niedrigwasser sein soll. Nun ja, bislang haben die Karten ja grundsätzlich gestimmt, zumindest mit dem Küstenverlauf, den Inseln und den Felsen, doch bei den Tiefenangaben muss man wohl doch etwas vorsichtig sein.
Grundsätzlich ist es hinter Inishnee und in der Cloonile Bay wirklich hübsch. Hier gibt es außer einigen verstreuten Häusern absolut nichts als Natur. Auch wenn die Natur im Augenblick etwas nass ist, – uns gefällt’s. Als der Regen abends nachlässt, ziehen dunstige Nebelschleier um die malerische Ruine im Norden der Bucht. Das hat schon richtig was Mystisches.
Das eigentliche Tief lässt sich allerdings Zeit. Was das Starkwind-Intermezzo auf unserer Überfahrt am Donnerstag nun wieder sollte, wissen wir nicht. Die Wettervorhersagen gleichen machmal echt Ü-Eiern, Spiel, Spaß und Spannung und immer für eine Überraschung gut. Erst am Freitagabend geht es dann richtig los. Der Wind dreht und selbst auf unserem Ententeich pendelt er sich bei 25 kn ein. Das Tief zieht nur langsam weiter und bleibt uns so mit seinem Mistwetter bis zum Sonntag früh erhalten. Erst am Sonntag wird es wieder etwas angenehmer. So haben wir genügend Zeit, um bei den Blogs, Bildern und Videos wieder aufzuholen. Ansonsten schüttet und stürmt es und wir müssen keinen Gedanken daran verschwenden, einen kleinen Landausflug zu machen.
Erstaunlich ist allerdings die »Badefreudigkeit« der Iren. Etwas irritiert messen wir nach. Es bleibt bei den 16°, die wir schon vor Inishmore gemessen haben. Dennoch wird vor zwei Häusern am Ufer der Bucht immer wieder leidenschaftlich geplantscht. Ja »geplantscht«! Die irische Badefreude scheint der karibischen Badefreude in nichts nachzustehen. Und das nicht nur von den Kids, auch Mami und Papi springen gleich mit rein. In unserer Seekarte und auch in allen Revierführern steht nichts von heißen Quellen in Irland, die Iren müssen einfach härter sein als wir. Gleich morgen werde ich mal meinen Fuß ins Wasser halten, um zu prüfen, ob sich die 16° auch wirklich wie »sweet sixteen« anfühlen. Aber erst morgen, heute muss ich noch schnell etwas an den Blogs herumschreiben.
Als es Sonntag aufklart, beschließen wir, nach dem Frühstück einen kleinen Spaziergang über Inishnee und entlang der Cloonile Bay zu machen. Von unserer Ankerbucht aus kommen wir nicht an Land, aber in der nächsten Bucht ist eine Slippe, auf der wir unser Gummiboot gut hochziehen können.
Doch kaum ist alles fertig und kaum sind wir die ersten 200m gefahren, beginnt unser Außenborder zu stottern und bleibt stehen. Mit Müh und Not überreden wir ihn noch einmal anzuspringen und uns zur PINCOYA zurückzubringen. Ohne verlässlichen Außenborder bei ablaufenden Wasser in einer Bucht herumzutreiben, zählt nicht gerade zu den Dingen, auf die wir besonders scharf sind.
Lange Rede kurzer Sinn. Der halbe Sonntag vergeht nun damit, den Außenborder auseinanderzunehmen, zu reinigen und wieder zusammenzusetzen. Den eigentlichen Übeltäter können wir nur bedingt reinigen. Der Vergaser ist total verrottet. Ein nächstes Opfer der Salzluft. Astrid sucht schon mal Ersatz, während der Schiffsjunge das, was sich noch reinigen lässt, möglichst gründlich säubert. Aber an den Kern des ganzen Übels, den Düsenkram im Vergaser selbst und den Topf mit Schwimmer, kommen wir nicht mehr ran. Alles ist so miteinander verrostet, dass sich keine Schraube mehr bewegt. Und ein Versuch mit Gewalt würde das direkte Ende aller Außenborderfreuden bedeuten. Wenn der Vergaser innen auch nur etwas ähnlich vergammelt ist wie außen, dann ist es eh schon ein Wunder, dass der Motor überhaupt noch läuft. Wieder so ein »Nach-10-Jahren-ist-alles-hin-Ding«, auch der Außenborder ist mit seinen 13 Jahren ja schon überfällig.
Nach einigen Testfahrten und kleinen Sicherheitsrunden um die PINCOYA herum scheint der kleine Honda wieder zu laufen. Nicht schön, aber schön genug, um uns in die Nachbarbucht zu bringen.
Es ist schon spät, als wir zum zweiten Mal zu unserem Sonntagsspaziergang aufbrechen, aber den wollen wir uns nun auch nicht von all den Widrigkeiten nehmen lassen, die uns dieses Jahr so ereilen.
In der nördlichen Bucht der Cloonile Bay finden wir die Slippe und ziehen unser Gummiboot hoch.
Ab und zu scheint die Sonne und wir machen uns auf den kleinen Rundwanderweg um Inishnee herum, den »Mystic Trail«. Ok »Rundwanderweg« weckt hier vielleicht doch Vorstellungen, die dieser »Mystic Trail« für echte Kilometerfresser gar nicht so recht erfüllen kann. Aber für uns ist er gut und mein Knie ist mir auch dankbar, dass ich mich altersgerecht verhalte. Auf Inishnee sind die Steinmauern, die in Irland einfach alles einfassen, was irgendwie in Mauern eingefasst werden kann, vollkommen mit wilden Brombeeren überwuchert. Und die sind gerade reif. Auf wenigen Metern kann man Hände voll Brombeeren pflücken. So stopfen wir uns jeder auf dem Spaziergang mindestens ein Kilo Brombeeren in die Figur. Wir nehmen nur die dicken, glänzenden und fast überreifen. Herrlich!
Auch deswegen kommen wir nur langsam voran. Es ist ein hübscher kleiner Spaziergang, der unser für den Dauersturmregen etwas entschädigt. Es ist wirklich schade, dass wir so viel Zeit mit all diesem schlechten Wetter verplempern müssen.
Erst spät sind wir wieder an der Slippe. Der Außenborder springt etwas widerwillig an, aber nach einigem Gestotter läuft er einigermaßen rund. Einen neuen Vergaser brauchen wir in jedem Fall, mal sehen, wie wir den nun wieder in oder nach Irland kriegen.
10. -> 13.08. Cloonile Bay, Inishnee
53° 23′ 20,4″ N, 009° 53′ 47,2″ W