Cloonile Bay, Inishnee -> Bunowen Bay Distanz: 13,7 sm Gesamtdistanz 2023: 7.213,6 sm
Um halb sechs Uhr klingelt unser Wecker. Das Wasser läuft schon wieder ab. Es wird Zeit, ab und an müssen wir unser Frühstück ja dann doch den Gezeiten opfern. Auf unserem »Ententeich« weht es nur mit 5 kn, alles sieht nach einem ruhigen Segeltag aus. Die Capitana peilt die Lage, wir frühstücken unterwegs, zack, im Westen wird’s schließlich auch schon wieder heller.
Über der Barre stehen noch 3,1 m. In einem weiten Bogen fahren wir aus der Cloonile Bay in die Bertraghboy Bay. Auf der Fischfarm wird schon gearbeitet. Es ist ein ruhiger, noch etwas dunstiger Morgen. Wir setzen die Segel und lassen uns von dem leichten Wind aus der Bucht ziehen. Vor uns liegen nur etwas mehr als 10 Seemeilen, da können wir es ruhig angehen lassen. Besonders bei so einem Start in aller Herrgottsfrühe. Draußen erwarten uns zwar 12 bis 14 kn Wind, das ablaufende Wasser nimmt uns allerdings etwas Fahrt. So ist die Gelegenheit günstig, endlich mal wieder zu angeln. Eine alte irische Weisheit besagt ja, dass nur der frühe Angler den Fisch fängt. Und kaum haben wir die Angel draußen, haben wir auch schon einen recht großen Burschen. Er ist braun und glänzt etwas golden. So einen hatten wir noch nie. Kurz darauf beißt noch eine Makrele. Das Abendessen ist gesichert. Später finden wir heraus, dass der unbekannte Bursche ein »Köhler« ist bzw. hier in Irland Pollock oder Pollack heißt. Ein leckerer Speisefisch, der den Unwissenden wegen seines weißen, festen Fleisches auch gern mal als Seelachs verkauft wird.
Als Ziel haben wir uns heute die Bunowen Bay ausgesucht. An der Westküste ist es nicht immer so ruhig wie heute und für viele Ankerplätze muss das Wetter passen. Die Westküste heißt nicht umsonst The Wild Atlantic Way. Am Ende der Bunowen Bay steht das Bunowen Castle und die Angaben im Cruising Guide passen prima. Mit Burg und Strand in Linie kommen wir perfekt bis vor den kleinen Fischerhafen in der Bunowen Bay.
Neben dem Mooringfeld für kleine Boote und direkt vor dem Strand lassen wir unseren Anker fallen.
Die Bucht erinnert uns sofort an Dänemark. Alles sieht nach Urlaub und Ferien aus, nur viel viel kleiner und ruhiger als in den großen Ferienhaussiedlungen in Dänemark. Auch hier wird fröhlich gebadet, vielleicht sollten wir es doch mal versuchen? Und vielleicht fühlen sich die 16° ja am Ende gar nicht wie 16° an.
Es ist hübsch in der Bunowen Bay und wir genießen erst einmal die Aussicht aus dem Cockpit. Das malerische Bunowen Castle kann man leider nicht besuchen, da es heute in Privatbesitz ist. Ganz früher hat hier einmal der berüchtigte O’Flaherty Clan sein Unwesen getrieben und Angst und Schrecken bis nach Galway verbreitet. Die Dame des Hause, Miss Grace O’Malley, war schon als Pirate-Queen bekannt, als sie sich den Haudegen Donal O’Flaherty zum Mann nahm, um mit ihm drei ebenso unrühmliche Nachkommen zu zeugen. Nachdem ihr Gatte in einer Schlacht starb, zog sich die Pirate-Queen auf Clare Island zurück und die Besitzer von Bunowen Castle wechselten. Heute steht das Castle leer und verfällt, aber der Geist der O’Flahertys soll die Burg nie verlassen haben.
Am Nachmittag machen wir unser Gummiboot klar und fahren unbehelligt für eine kleine Sightseeing-Runde zum Strand. Am Hafen gibt es ein Räucherhaus, in dem nach alter irischer Tradition Fisch geräuchert wird. Da wollen wir auf jeden Fall hin. Es ist schon gut, dass die Iren inzwischen ihre Sitten geändert haben und sehr gastfreundlich geworden sind. Das scheint in früheren Zeiten noch nicht ganz so gewesen zu sein. Da musste man zum richtigen Clan gehören, um nicht gleich seinen Kopf zu verlieren.
Kaum haben wir unser Gummiboot zwischen den Strandnixen und Sonnenhungrigen hochgezogen – ja, die Sonne scheint tatsächlich -, werden wir auch schon von einer Dame im Liegestuhl angesprochen. Wir seien hier ja wohl neu, ob wir denn einige Tipps und Empfehlungen gebrauchen könnten. Sie wohne gleich in dem ersten Haus dort hinter dem Strand und könne uns alles erzählen. Na klar, also los, all recommendations are welcome. Und so erzählt sie uns nicht nur von der Burg und der Pirate-Queen und dem, was man hier im »Ort« so alles hat, eben die Räucherei, aber auch ein Café mit eben Kaffee und Kuchen. Einkaufen könnte man in einem kleinen Supermarkt im übernächsten Dorf oder eben in Clifden. Einen Bus gibt es nicht, den braucht man auch gar nicht, einfach Daumen raus, gestern hätten sie auch schon jemanden mitgenommen. Ansonsten würden sie morgen oder übermorgen eh einkaufen fahren, nur falls wir länger bleiben. Wow. Etwas sprachlos erfahren wir noch einige weitere dörfliche und private Details.
Und bei so viel Herzlichkeit traue ich mich auch, einfach mal zu fragen. Es gibt in Irland nämlich ein echtes Problem für Segler, die viel ankern und eher selten in Marinas liegen. Wobei sich das mit den Marinas ja ohnehin weitgehend erledigt, je weiter man in den Norden kommt. Das Problem, das jeden Ankerlieger plagt, ist nämlich das Müllproblem. Man wird seinen Müll in Irland ums Verrecken nicht los, weil es in Irland keine öffentlichen Mülltonnen gibt. Auf Inishmore haben wir das Problem etwas »zwielichtig« in den Müllcontainern des Sparmarktes am Hintereingang gelöst. Aber um unser nicht mehr ganz so reines Gewissen hinterher wieder reinzuwaschen, haben wir auch etwas mehr eingekauft, als eigentlich geplant war. Also frage ich, ob sie nicht auch noch einen Ratschlag hat, wo wir unseren Müll »artgerecht« entsorgen können. Oh das wäre gar kein Problem, es gibt zwar keine öffentlichen Tonnen, aber morgen wird hier z.B. Plastikmüll abgeholt und abends stellt jeder seine Recycling-Tonne an die Straße. Natürlich könnten wir unseren Müll mit in ihre Tonne tun. Es ist gleich das erste Haus dort. Aber wir sollten abends auch noch mal Hallo sagen, wenn wir unseren Müll bringen.
Upps …, wie hilfsbereit und freundlich kann die Welt nur sein. Auf unserem Spaziergang kommen wir anschließend nur etwa 50 m weiter und schon werden wir wieder angesprochen. Wir seien doch wohl die von dem Schiff da. Und schon verquatschen wir die nächste halbe Stunde. Wir scheinen ein echtes »Ereignis« hier zu sein und erfahren später, dass sich jedes Jahr wohl nur maximal 5 Schiffe in die Bunowen Bay »verirren«. An den O’Flahertys kann es nicht mehr liegen und es ist wirklich hübsch hier. Am Ende schaffen wir es dann doch noch bis zur Räucherei, bevor sie schließt. Dort bekommen wir einen kleinen Vortrag, wie man hier welchen Fisch zu welcher Jahreszeit räuchert und wo der aus Irland genau herkommt. And by the way, ihr seid ja doch wohl die von dem Schiff da. Woher und wohin … 😂 das Interesse ist groß.
Danach drehen wir tatsächlich noch eine kleine Runde an den Ufern entlang.
Als wir zurück zum Strand kommen, kommt uns die Tochter entgegen und zeigt uns das Haus, wo um sieben Uhr die Mülltonnen rausgestellt werden und ermahnt uns noch einmal, auch wirklich noch hoch zum Haus zu kommen.
Und dann passiert es. Das Kreischen der plantschenden Kinder klingt uns noch in den Ohren. Ein Horde von Jugendlichen springt inzwischen mit Begeisterung von der Kaimauer des kleinen Hafens. Da können wir nicht mehr anders und …
Um kurz nach sieben packen wir nicht unsere sieben Sachen, sondern unseren Müll der letzten Woche ein und fahren wieder zum Strand. Die Mülltonnen stehen schon an der Straße, allerdings natürlich nur die für Recycling-Müll. Kaum stehen wir daneben, werden wir schon ins Haus gerufen. Restmüll ist nächste Woche, hinter dem Haus stehen die Mülltonnen. Astrid soll schon mal reinkommen und ich bringe unseren Restmüll in die grauen Tonnen.
Vor dem Haus steht ein Maserati. Wir werden wie alte Bekannte empfangen. Es ist das Sommerhaus, in dem die große Familie mit Kindern und Enkelkindern zusammenkommt. Die Herzlichkeit und die Selbstverständlichkeit, mit der wir empfangen werden, macht uns schon etwas sprachlos. Unwillkürlich fragt man sich, wie dieselbe Situation wohl in Deutschland gelaufen wäre. Die Offenheit und Herzlichkeit der Iren, aber auch das ehrliche Interesse an dem Woher und Wohin hat uns ja seit unserem ersten Ankerplatz in der Scraggane Bay schon immer wieder überrascht. Ohne Frage ist das ein Ding der irischen Mentalität, aber es ist eben auch etwas anderes, ob in einem Jahr mal 5 versprengte Segler um die Ecke kommen oder ständig hunderte von Ankerliegern vor dem Strand liegen. Auch deswegen mögen wir den Norden. Man kann ja gegen das Wetter sagen, was man will. Doch die wenigen Segler, die hier trotzdem aufkreuzen, werden so herzlich empfangen, dass das das Wetter allemal wieder wett macht.
Nach einer Stunde machen wir uns wieder auf den Weg. Am Strand treffen wir noch zwei französische Pärchen. Beide sind mit historischen VW-Campingbussen unterwegs. Egal ob zu Wasser oder an Land, die Franzosen sind echt reisefreudig. Und wenn man zu Wasser oder auch an Land als ausländische Gäste fast allein unterwegs ist, kommt man schnell ins Gespräch. Unsere Wege werden sich entlang der Küste noch mehrmals kreuzen, die alten VW-Busse sind nicht zu übersehen.
Zurück auf der PINCOYA gibt es dann noch spät den Pollack und die Makrele. Der Pollack ist richtig lecker, davon können wir ruhig noch mal einen fangen.
in der Bunowen Bay
53° 24′ 25,4″ N, 010° 06′ 57,8″ W