Und nun mal schnell ums Eck


Wir müssen mal Gas geben, wenn wir wirklich Ende August unsere Irlandtour abschließen und die schottische Etappe beginnen wollen. Vor uns liegt die nordwestliche Ecke Irlands und dort liegt Belmullet. Wir waren zwar beide noch nie dort, aber Belmullet haftet eine gewisse ehrfürchtige Nostalgie an. Damals, als die Wettervorhersagen noch nicht über den Mobilfunk oder via Satellite kamen, und schon gar nicht als Grib-Files zur Verfügung standen, klingelte für den Skipper der Wecker immer früh. Die Mitsegler durften noch weiterschlafen, mussten aber in jedem Fall ruhig sein, weil man nun versuchte, mit dem Weltempfänger den knatschenden Jingle des Deutschlandfunks auf den entsprechenden Frequenzen zu finden. Dann wurde mitgeschrieben. Die Vorhersagen, die Wetterlage und die Stationsmeldungen. Und da war sie. Eigentlich waren es ja zwei. Belmullet und Stornaway. Stationen mit Wetter, die jedem Ostseesegler die Ehrfurcht in die Glieder fahren ließen. Zumindest uns, die wir »nur« in Dänemark und Südschweden unterwegs waren und für die die Abenteuer von Arved Fuchs irgendwo auf Höhe dieser Stationsmeldungen begannen. Dort gab es echtes Wetter und diese Stationen lagen jenseits unseres Abenteuerhorizonts.

Und nun sind wir da und müssen genau dort ums Eck.


Nun aber mal los …
Killary Harbour -> Blacksod Quay, Blacksod Bay
Distanz: 48,0 sm Gesamtdistanz 2023: 7.319,1 sm

„von Killary Harbour -> in die Blacksod Bay“

„von Killary Harbour -> in die Blacksod Bay“

Inzwischen ist es ja kein Geheimnis mehr, dass dieser Sommer doch eher ein Herbst ist. Zumindest dort, wo wir gerade sind. Nun ist ein irischer Sommer eh nicht gerade mediterran angehaucht und kann schon mal gar nicht mit einer Rekordhitze jenseits der 30° aufwarten. Doch dafür hält sich die Waldbrandgefahr hier auch in sehr engen Grenzen, es ist sogar fast unmöglich, eine kleines Lagerfeuer zu entfachen. Da sind wir schon froh, dass wenigstens unser Butan in den Gasflaschen noch einen gasförmigen Zustand erreicht, damit wir kochen können.

„Still a bit wet.“

„Still a bit wet.“

Es nieselt, als wir aufbrechen. Ob die Windrichtung draußen wirklich passt, können wir hinten im Fjord nicht einschätzen. Wir hoffen auf einen West, der möglichst auch noch eine kleine Prise Süd enthält. Irgendetwas mit Nord können wir gar nicht gebrauchen. Als erstes müssen wir ums Achill Head, also Kurs Nordwest. Ein harter Anlieger wäre schon unangenehm genug, auf einen Kreuzkurs können wir gerade gar nicht, dann gehen wir entweder hinter Inishturk oder Clare Island wieder vor Anker und warten. Nach den letzten Sturmtagen wird die See noch ruppig genug sein, da müssen wir uns nicht noch zusätzlich quälen. Zumal das Aufkreuzen eh nur mit auflaufenden Wasser klappt, wenn uns der Gezeitenstrom nach Norden setzt.

„Die Wolken hängen in den Bergen fest“

„Die Wolken hängen in den Bergen fest“

Nach all den Tagen mit den Fallböen und dem brutalen Herumgeschleuder sitzt unser Anker wie einbetoniert in dem lehmigen Modderboden. Astrid muss mit viel Motorgewalt schieben, damit er kurzstag ausbricht. Auf halben Weg zum Ausgang kommen uns Zweifel, ob es wirklich bei den 15 angekündigten Knoten aus SW bleibt. Nun kennen wir zwar die Wirkung des Windkanals im Fjord und auch die Fallböen, aber das alte Mütterchen der Prozellankiste ist ja immer noch die Vorsicht. Also binden wir lieber wieder das erste Reffs ins Groß.

„Vorn wird's schon besser, aber hinten ... nun ja. Der Fjord ist ein Regenloch.“

„Vorn wird's schon besser, aber hinten … nun ja. Der Fjord ist ein Regenloch.“

Draußen erwarten uns dann tatsächlich 15 bis 20 kn aus Westsüdwest. Die Vorhersage stimmt also weitgehend und wir machen uns auf den Weg zum Achill Head. Das erste Reff im Groß schadet dabei nicht, denn immer wieder pushen uns einige Schauerböen. Hinter Inishturk und westlich von Clare Island wird es ruppig. Im Cruising Guide steht, dass man dort nach Starkwindlagen mit chaotischen Wellenbildern rechnen darf. Das können wir voll und ganz bestätigen. Die Wellen laufen in einer Art Schachbrettmuster von Südwest über West bis Nordwest ein. Zu einer Hauptrichtung können sich die Wellen leider nicht durchringen. Insgesamt ist das alles recht magenunfreundlich, vielleicht sind wir aber auch in letzter Zeit nur zu wenig gesegelt 😟.

„Kurz nach der Ausfahrt“

„Kurz nach der Ausfahrt“

„Achill Head“

„Achill Head“

Um Achill Head machen wir einen respektvollen Bogen, wenn der Cruising Guide schon mit den Kreuzseen recht hat, dann ist sicher auch etwas an der Geschichte von den Eddis und Overfalls dran. Und fast genau vor dem Kap passiert dann das Unglaubliche. Wir sind nicht die einzigen Bekloppten, die hier bei diesem Wetter und in diesem Sommer segeln. – Hä Sommer? Ja welcher Sommer eigentlich? – Seit Inishmore sehen wir das erste Mal wieder einen ebenso Bekloppten und der kommt uns sogar noch hart am Wind entgegen! Ein Franzose, die kennen wenig Hemmungen.

„Wir sind doch nicht allein!“

„Wir sind doch nicht allein!“

„Blacksod Point am Eingang zur Blacksod Bay. Dahinter wollen wir ankern.“

„Blacksod Point am Eingang zur Blacksod Bay. Dahinter wollen wir ankern.“

Ab dem Achill Head geht es dann auf einen Vorwindkurs. Unser erstes Etappenziel ist fast erreicht, auch wenn es noch einige Seemeilen sind. Dieser Kurs ist ruhiger und wir gehen erst einmal runter und räumen wieder etwas auf. Wenigstens liegen unsere Badelatschen nicht in der Spüle der Pantry, sie haben es aus dem Bad nur bis vor den Herd geschafft. Dort ist sozusagen der Sammelort für all das, was doch nicht so seefest verstaut wurde oder sich zwischendrin losrackelt. Der Rest ist easy Going and happy Sailing.

„Die Weite der Blacksod Bay.“

„Die Weite der Blacksod Bay.“

Zum späten Nachmittag fällt unser Anker in der hübschen Bucht am Blacksod Quay am südwestlichen Ende der Blacksod Bay. Es ist wirklich nett hier, eigentlich könnten wir uns hier sehr gut mal einige Tage entspannen. Auch das Wetter scheint mitzuspielen, fast sind wir versucht, im Cockpit zu essen. Eine ruhige Nacht wartet auf uns. Endlich mal wieder.

„Hinterm Blacksod Quay“

„Hinterm Blacksod Quay“

„Etwas Regen und dann wieder ...“

„Etwas Regen und dann wieder …“

„... etwas Sonne.“

„… etwas Sonne.“


Doch wir müssen weiter …
Blacksod Quay, Blacksod Bay -> Kilcummin, Killala Bay
Distanz: 59,4 sm Gesamtdistanz 2023: 7.378,5 sm

„von der Blacksod Bay -> in die Killala Bay“

„von der Blacksod Bay -> in die Killala Bay“

Und morgens die Überraschung. Da haben wir in der Nacht doch richtig gehört. Es war eine Ankerkette. Vor uns liegt ein kleiner Franzose. Inzwischen müssen wir ja vor den Franzosen echt den Hut ziehen. Die sind nicht nur zahlreich in den warmen Revieren unterwegs, sondern auch dort zahlenmäßig absolut überlegen, wo es echt ungemütlich ist. Kurz danach kommen die Engländer, die schreckt auch kein Wetter. Und dann kommt ganz lange erst einmal nichts. Deutsche sieht man eigentlich nur dort, wo es mediterran warm ist, bis dahin sind sie auf Transit in Richtung Süden. Klar gibt es immer einige merkwürdige Ausnahmen, wir sind ja hier auch unterwegs.

„Hmm... ob uns das erwischt?“

„Hmm… ob uns das erwischt?“

Obwohl es in der Bucht am Blacksod Quay eigentlich recht gemütlich ist, müssen wir weiter. Mit etwas Glück haben wir noch 2 Tage mit Südwest und schaffen es bis Killybegs. Killybegs muss es sein, weil wir dringend Diesel brauchen. Seit den Azoren mussten wir doch wirklich viel motoren. Auch in Killybegs gibt es zwar keine Schiffstanke, aber die brauchen wir ja eh nicht, weil wir 4 Kanister und 2 Sackkarren haben. Der Diesel ist zwar auch in Irland recht teuer, aber immer noch preiswerter als in UK oder gar Deutschland.

„In der Blacksod Bay“

„In der Blacksod Bay“

Um unseren Dieselvorrat nicht noch mehr zu schmälern, versuchen wir aus der Blacksod Bay herauszukreuzen. Schließlich haben wir ja auch ein Segelboot, da kann auch mal gesegelt werden 😂. Doch die Sache ist schwieriger als gedacht. Zunächst sind wir zwar noch guter Dinge, obwohl das Wasser noch aufläuft, aber dann kommen einige Schauerböen, und zeigen uns mal, wie schlecht Wendewinkel auf der Kreuz auch sein können 🙄.

„Im Vordergrund Duvillaun Island, da woll(t)en wir eigentlich rum.“

„Im Vordergrund Duvillaun Island, da woll(t)en wir eigentlich rum.“

Da noch kein Hochwasser ist, wollen wir eigentlich außen, also im Westen um Duvillaun Island herum, aber um der Quälerei ein Ende zu setzen, gehen wir dann doch durch die Innenpassage ins Innenfahrwasser. Es liegen ja noch fast 50 Seemeilen vor uns, da kann man sich nicht schon mit den ersten 10 einen halben Tag aufhalten.

„Stattdessen geht es durch den Duvillaun Sound.“

„Stattdessen geht es durch den Duvillaun Sound.“

„Der Black Rock, dort wohnte einmal der einsamste Leuchtturmwärter Irlands.“

„Der Black Rock, dort wohnte einmal der einsamste Leuchtturmwärter Irlands.“

Im Innenfahrwasser geht es mit raumen Wind weiter. Rauschefahrt! Es geht flott voran und die Wellen halten sich hinter den Inseln auch in Grenzen. Erstaunlich, wie ruhig die wenigen Felseninseln das Wasser dahinter dann doch machen. Endlich stimmt einmal alles! Und sogar die Sonne lässt sich blicken und versucht, wenigstens etwas Wärme zu verbreiten. Allerdings nur mit mäßigen Erfolg.

„Im Innenfahrwasser“

„Im Innenfahrwasser“

Seit Killary Harbour segeln wir nun schon in unserer Wintermontur. In vollem Seglerornat und mit Fleece-Strampler darunter. Dazu Neoprensocken in den Segelschuhen und selbstverständlich Fleece-Pulli, Schal und Mütze. Fehlt nur noch der Nasenwärmer! 🤔 Wir wissen noch nicht ganz, wie wir uns noch steigern könnten, aber es soll ja inzwischen auch beheizbare USB-Unterwäsche geben, die über eine Powerbar betrieben werden kann. Bisher haben wir darauf verzichtet, weil wir einen Kurzschluss und dessen unabsehbare Folgen gefürchtet haben 😳. Doch bei dem irischen Wetter müssen wir das wohl noch einmal überdenken. Bei Mistwetter gehen wir natürlich in den Decksalon, sobald das Fahrwasser halbwegs frei ist. Doch wann regnet es mit absoluter Sicherheit? Genau, an Engstellen, bei Segelmanövern aller Art und natürlich beim Ankern.

„The Stags voraus“

„The Stags voraus“

Die Küste ist flach und grün. Variationen in Grün. Es ist schon erstaunlich, wieviele verschiedene Grüntöne die Natur so drauf hat! 😂 Auf Höhe von Eagle Island wird es wieder etwas steilküstiger und dort hat auch das hübsche Innenfahrwasser ein Ende. Nicht nur die Küste wird schroffer, auch die Wellen laufen wieder vollkommen chaotisch übereinander. Diesmal sind wir aber auf einem Vorwindkurs, was die ganze Sache schon viel angenehmer macht.

„Er kämpft sich voran.“

„Er kämpft sich voran.“

Vor der Broad Haven Bay, an deren südlichen Ende Belmullet liegt, kommt uns ein Brite unter Motor entgegen. Angenehm kann das nicht sein. Und das ist nun schon der dritte Segler in 2 Tagen, der uns begegnet. Was ist hier nur mit einem Mal los? Kommen alle aus ihren Schlupflöchern, weil es einen Wetterumschwung in Richtung Sommer gibt?

„Fragen? Irisches Segelwetter!“

„Fragen? Irisches Segelwetter!“

So spektakulär die Küste ab The Stags auch ist, so unspektakulär geht’s voran. Immer geradeaus. Es ist nur jammerschade, dass das Wetter nicht mitspielt. Auch die spektakulärsten Felsformationen sind ziemlich unspektakulär, wenn sie in einem Einheitsgrau verpackt werden.

„Knapp entkommen!“

„Knapp entkommen!“

Schon die ganze Zeit auf unserem Weg zur Killala Bay glimmt so ein kleiner Hoffnungsschimmer in uns. Immerhin klingt »Killala« eher Hawaiianisch als Irisch, vielleicht erwartet uns dort ja auch ein ganz anderes Wetter.

„Downpatrick Head.“

„Downpatrick Head.“

Doch zunächst einmal biegt mit uns auch der Atlantikschwell um die Ecke am Kilcummin Head. Hinter der kleinen Mole von Kilcummin, dort wo auch einige Gästemoorings liegen, soll es bei einem Südwest allerdings schön ruhig sein. Ehrlich gesagt sind wir etwas skeptisch, schauen uns dann aber doch überrascht um, denn der Schwell läuft tatsächlich 200 m vor dem Ankerplatz aus. So ist es ruhig, doch das Wetter bleibt leider ziemlich irisch und ist nicht im mindesten hawaiianisch.

„Kilcummin am nordwestlichen Eingang zur Killala Bay.“

„Kilcummin am nordwestlichen Eingang zur Killala Bay.“

Es ist schön und gemütlich vor Kilcummin. Auch so ein Ort, wo man eigentlich länger bleiben könnte, zumal es eine geschützte Slippe gibt, wo man gut anlanden könnte, um einen kleinen Spaziergang zur Steilküste zu machen. Doch leider haben wir keine Zeit, denn wir haben nur noch morgen, um weiterzukommen. Dann dreht sich das ganze Wetter schon wieder auf Nordwest und damit wäre auch vor Kilcummin Schluss mit der Ruhe. Schade.


Dennoch vertrödeln wir den Vormittag …

„Bestes Wetter. Eine Überraschung, die allerdings nicht lange hält.“

„Bestes Wetter. Eine Überraschung, die allerdings nicht lange hält.“

„Kilcummin“

„Kilcummin“

Vor Kilcummin machen wir erst einmal Wasser. In der Bucht von Killybegs wollen wir das nicht machen. Erstens ist dort der große Fischereihafen und zweitens wird in der Bucht wegen des ganzen Regens und der immer wieder trocken fallenden Bereiche auch eher eine erdige Suppe stehen als klares Atlantikwasser. Die Solarzellen haben unsere Batterien zwar wieder gut geladen, aber für 2 x 3 Std Wassermachen in zwei Tagen, reicht das nun auch nicht. So bringen wir wieder den Generator an den Start, denn wir wollen möglichst viel Wasser machen, weil wir noch nicht so genau abschätzen können, wie lange wir uns in Killybegs verstecken müssen.

„Die Killala Bay“

„Die Killala Bay“


Kilcummin, Killala Bay -> Killybegs
Distanz: 35,8 sm Gesamtdistanz 2023: 7.414,3 sm

„aus der Killala Bay -> nach Killybegs“

„aus der Killala Bay -> nach Killybegs“

Am Nachmittag soll es kräftig auffrischen. Zu viel Zeit dürfen wir mit dem Wassermachen auch nicht vertrödeln. Als unsere Tanks gut gefüllt sind, brechen wir auf. Kaum kommen wir auch nur etwas aus der Abdeckung, erwischt uns schon ein hässlicher Atlantikschwell. Im Norden von uns liegt ein Starkwindgebiet, dass mit seinem Ausläufern erst noch auf uns einschwenken soll. Doch als Vorgeschmack bekommen wir jetzt schon mal die vorauslaufenden Wellen zu spüren. Wind und Wellen kommen genau von achtern. Es ist ein unglaubliches Gegeige. Nichts für schwache Mägen. Ein Härtetest! 18 kn Wind, das Groß ungerefft, es läuft, aber es ist ein Segeln zum Abgewöhnen.

„Quite rough!“

„Quite rough!“

Am frühen Nachmittag holt uns die Front ein. Die Temperatur fällt auf 14°. Bei nun stehenden 6 Beaufort fühlen sich die 14° wie 5° an. 🥶 Die Sicht ist schlecht. Immer wieder erwischen uns heftige Regenschauer. Mit den Schauern legt der Wind auf fast 30 kn zu. Eine Small Craft Warning hat der irische Wetterdienst nur für die nördlichen Gebiete herausgegeben, doch eigentlich würde sie auch bei uns ganz gut passen. Immer wieder begleiten uns Delphine, heute sind wir ihnen wohl schnell genug 😂. Irgendwann reffen wir das Groß ein, der Wind und die achterlichen Wellen legen uns zu oft zu sehr auf die Seite. Der Segeldruck macht es dem Autopiloten schwer, die PINCOYA aus dem Schlingerkurs wieder einzufangen.

Ansonsten passiert nicht viel. Nur eins ist klar, an unserer Winterausrüstung müssen wir echt noch arbeiten. Nur gut, dass wir uns in einem Anfall von Weitsicht schon mal unsere Fleece-Strampler mit nach Irland geschickt haben. Ohne wären wir nun ein leichtes Opfer für den Kältetod.
Etwas später reffen wir doch wieder aus, das Gröbste scheint nun durch zu sein. Doch beim Ausreffen verhakt sich das Vorliek des Groß erst hinter einem der Fallenstopper am Mast und dann auch noch hinter einer Maststufe. Wir reffen ja grundsätzlich nicht im Wind aus und ein, sondern machen für diese Aktionen nur das Groß etwas auf, sodass es drucklos ist. Ggf. fahren wir dafür etwas an den Wind. So behalten wir immer Fahrt im Schiff und müssen nicht unter Motor die PINCOYA stampfend gegen den Wind stellen. Eigentlich eine recht komfortable Sache, wenn man das Fieren und Holen des Großfalls schön koordiniert mit dem Holen und Fieren der Reffleinen.

„Wir können nun auch den Regen wieder auf dem Radar sehen.“

„Wir können nun auch den Regen wieder auf dem Radar sehen.“

Doch wir haben nun ein doppelt geschorenes Großfall und damit ist die ganze Sache noch nicht so eingespielt, denn wir müssen die doppelte Länge im Großfall fieren oder eben holen. Und damit hapert es offensichtlich noch etwas und so verhakt sich das Vorliek des Groß. Auch das wäre eigentlich nicht schlimm, denn Astrid hat das schnell wieder klariert, aber ich produziere auf der Winsch einen Überläufer der Extraklasse. Da ich den nicht gleich bemerke, knalle ich die ganze Schose auch noch richtig fest. Und so geht dann nichts mehr. Das Groß ist nun zwar ausgerefft oben, wir werden es aber wegen des Überläufers nicht wieder runterbekommen. Bis Killybegs sind es noch 5 sm, wir haben also noch knapp eine Stunde, um eine Lösung zu finden.
Klar könnten wir das Fall einfach durchschneiden, aber wer schneidet schon gerne 230 € durch. Das Großfall ist schließlich nickelnagelneu. Wir probieren alles Mögliche aus, aber mit nichts lässt sich der Überläufer lösen. Ich könnte mich in den Arsch beißen! 🤨 Wie deppenhaft kann man nur sein? Als letzten Ausweg beschließen wir, die Winschglocke einfach zu demontieren. Wenn es uns gelingt, die Glocke irgendwie abzuheben, muss ja auch der Überläufer entlastet werden.

„Kurz vor der Einfahrt nach Killybegs“

„Kurz vor der Einfahrt nach Killybegs“

Aber wie gesagt, wir geigen vor dem Wind wie die Großen. Nicht unbedingt die beste Situation, um eine Winsch mit all ihren Kleinteilen zu demontieren. Der Autopilot steuert uns geradewegs auf Killybegs zu und zwei Trawler sind so freundlich, um uns herumzufahren. Wenigstens schüttet es gerade nicht, die dicksten Schauer ziehen vor und hinter uns durch. Astrid sichert die Schrauben, die ich rausschraube. Dann nehmen wir den Deckel und die Schotführung ab. Die Glocke bewegt sich keinen Millimeter. Mit einem großen Schraubenzieher versuchen wir zu hebeln. Und siehe da, sie bewegt sich etwas nach oben. Hoffentlich fallen uns nun nicht auch noch gleich all die kleinen Einzelteile entgegen. Es reicht ja, wenn bei dem Geschaukel auch nur eins über Bord kullert. Noch 3 sm bis zur Einfahrt. Und dann löst sich die Glocke erstaunlich einfach. Schnell ist der Überläufer beseitigt und wir stecken die Glocke wieder auf den Sockel. Kleiner Rundblick, nichts scheint zusätzlich herausgefallen zu sein. Die Winsch dreht sich normal. Kurz darauf ist alles wieder zusammengeschraubt und 2,5 sm später kann das Groß in der Einfahrt von Killybegs auch wieder fallen.

„Das Rotten Island Lighthouse, sieht doch noch ganz gut aus.“

„Das Rotten Island Lighthouse, sieht doch noch ganz gut aus.“


Killybegs ist der größte Fischereihafen hier im Norden, deswegen sind unsere Erwartungen auch nicht allzu hoch. Doch es ist erstaunlich »natürlich« in Killybegs. Der ganze Fischereihafentrubel konzentriert sich nur auf der einen Seite und wir ankern hinter dem Flach auf der anderen Seite. Eindrucksvoll liegen die Hochseetrawler an der Mole und warten auf ihren Einsatz in der Fischsaison im Winterhalbjahr. Noch ist wenig los, die Saison beginnt erst im September.

„Killybegs“

„Killybegs“

Vor Killybegs liegen wir gut. Nur bei einem echten Südwest kommt hier Schwell in die Bucht und die Windwellen können auch ordentlich Anlauf nehmen. Für uns dreht aber der Wind erst einmal kräftig auf Nordwest, da liegen wir hier sehr gut und ruhig.


Stationen:
22.08. Blacksod Quay, Blacksod Bay 54° 06′ 10,7″ N, 010° 03′ 43,1″ W

23.08. Kilcummin, Killala Bay
54° 16′ 17,1″ N, 009° 12′ 24,8″ W

24.08. Killybegs
54° 38′ 12,4″ N, 008° 25′ 51,6″ W