Eine (anker)windige Angelegenheit

Obwohl unsere Ankerwinde ja schon im letzten Sommer erste SOS-Rauchzeichen sendete, hielt sie bis zum letzten Saisontag tapfer durch. Jedes Ankermanöver hätte das letzte sein können. Aber obwohl wir sie mit besonderer Vorsicht behandelten, konnten wir ihr einige Nahtoderfahrungen nicht ersparen. Ihr 19-jähriges Leben im Ankerkasten hat tiefe Altersspuren hinterlassen. Spätestens im Herbst war klar, dass wir eine neue Ankerhilfe brauchen und die alte Lewmar-Winde in Rente gehen darf.

„Etwas in die Jahre gekommen…."

„Etwas in die Jahre gekommen…."

Für unsere notleidende Winde gibt es von Lewmar noch Ersatzteile. Allerdings verwerfen wir die Idee der Reparatur schnell, als wir sehen, dass nur der Ersatzmotor schon mehr als eine neue Komplettwinde anderer Hersteller kostet. Als wir dann diesen Montag die alte Lewmar-Winde ausbauen oder besser gesagt in Teilen herausbröseln, sind wir heilfroh, dass wir keinen Ersatzmotor gekauft haben. Die alte Lewmar-Winde ist vollständig Schrott, nicht nur der Motor ist völlig vergammelt und verrostet, sondern auch das Getriebegehäuse hat sich in großen Teilen einfach zerbröselt. Es ist uns ein absolutes Rätsel, wie so ein Schrotthaufen überhaupt noch einen Anker hochziehen konnte und jetzt noch so viel Widerstand bei der Demontage leisten kann. Lewmar-Winden scheinen von nahezu unverwüstlicher Qualität zu sein.

„… und das Getriebegehäuse hat's auch zerbröselt.“

„… und das Getriebegehäuse hat's auch zerbröselt.“

Da wir sehr gerne und viel ankern, wollen wir wieder eine Markenwinde haben. Außerdem soll sie möglichst etwas mehr Zugkraft haben als die alte Lewmar-Winde. Gerade bei Ankerwinden kann eine Überdimensionierung ja nicht wirklich schaden. Allerdings muss die neue Winde auf den alten Sockel passen, zu groß sollen die Umbauten dann auch nicht werden.

Also beginnen wir mit der Suche nach einer neuen Winde. Zuerst, na klar, suchen wir nach Lewmar-Winden. Dann auch Lofrans, Quick, Maxwell und Muir. Wenn man über eine neue Ankerwinde nachdenkt, dann sind eigentlich nur vier Dinge ausschlaggebend:
– die Zugkraft (nicht verwechseln mit Motorleistung)
– die Kettengröße (hierbei auf DIN, EN, ISO und die amerikanischen Standards achten)
– die Frage, ist das Relais separat oder in der Winde integriert
und
– der Preis
Einige Details, die uns hierzu durch den Kopf gingen, haben wir unter “Tipps und Technik” aufgeschrieben.

„Geschafft! Nach 2 Stunden Herumwürgerei ist sie endlich raus!“

„Geschafft! Nach 2 Stunden Herumwürgerei ist sie endlich raus!“

Als erstes staunen wir nicht schlecht über die Preise und dann noch etwas mehr die Preisunterschiede in den verschiedenen Shops. Für die etablierten Markenwinden werden schon recht ordentliche Preise verlangt. Lewmar liegt hier in einem Preissegment, das wir nicht mehr bereit sind zu betreten. Also suchen wir nach Alternativen. Egal welche Winde man sucht, das Vergleichen der Preise für ein und dasselbe Modell lohnt sich! Hier gibt es Preisunterschiede von mehr als 200% und dies allein schon in Deutschland, ohne dass man mit seiner Bestellung nach England oder Holland auswandern muss. Da können an einem entspannten Internet-Surf-Vergleichsabend vom Sofa aus mal schnell mehr als 1000€ gespart werden. Wie so etwas sein kann, geht uns nicht in den Kopf. Aber als Kunden freut uns das natürlich, verstehen müssen wir das nicht.

Bei der weiteren Suche bleiben für uns schnell nur noch Lofrans und Maxwell übrig. Leider ist nun gerade keine Messe. Gerne hätten wir unsere Kandidaten mal angefasst und nicht nur auf Bildern und Zeichnungen betrachtet. Den Maßen nach passen die Maxwell RC10-10 und die Lofrans X2. Die Lofrans X3 bleibt auch nach langer Hin- und Herrechnerei einfach zu groß für unseren Sockel. ;-( Den Ausschlag bringt dann ganz einfach das Ankerwindentestvideo von Yachting Monthly. Die Maxwell macht auf uns einen solideren Eindruck, ist zudem noch etwas kräftiger im “Pull” und auch noch günstiger, zumindest in einigen Angeboten.

Also die Maxwell RC10-10 und damit beginnt eine sehr ärgerliche Bestell-Odyssee. Wir kaufen ja wirklich sehr viel über das Internet und sind auch nicht davor zurückgeschreckt, eine teure Kamera, einen Geschirrspüler und viele viel andere Dinge in Deutschland und von Europa bis Fernost zu bestellen. Und wir hatten wirklich noch nie, wirklich NIE Pech. Manchmal hat es etwas “geholpert”, aber irgendwie hat es trotz manchem schlechten Service dann doch immer noch irgendwie geklappt. Aber mit der ersten Bestellung der Maxwell sind wir voll auf den Bauch gefallen. “Äußerlich” macht der InternetShop für Nautic-Artikel einen wirklich ordentlichen Eindruck. Trotzdem googlen wir bei neuen Shops immer nach Erfahrungsberichten und Bewertungen, die nicht auf der Seite des Shops verlinkt sind. So fanden wir unter Trustedshops.de einige gute, aber auch einige sehr schlechte Bewertungen für diesen Shop. Die schlechten Bewertungen hatte der Shop immer kommentiert und sich gerechtfertig. Inzwischen gibt es auch eine wohlklingende Rechtfertigung zu unserer “Null-Sterne-Bewertung”. So eine rechtfertigende Kommentiererei ist ungewöhnlich, aber das hat uns nicht direkt aufhorchen lassen. Also haben wir dort die Maxwell bestellt.

Unser einziges und riesiges Glück war, dass der InternetShop auch ein Ladengeschäft hat, was fast direkt an der A7 südlich von Hamburg liegt. Deswegen haben wir keine Vorkasse geleistet, sondern gesagt, wir holen die Winde einfach direkt auf dem Weg nach Fehmarn ab und zahlen in bar. In bar? Hä? Keine Kartenzahlung möglich? Ja, auch hierbei haben wir uns noch nichts weiter gedacht. Ja, saublöd und blauäugig, aber so war’s.

Und dann verstrich der erste Liefertermin. Telefonisch erreichten wir nach Tagen den Chef. Der erklärte uns eloquent, dass die Winde schon so gut wie im Shop ist und er uns gleich anruft, wenn wir sie dann abholen können. Aber es kam kein Anruf und wir konnten keinen mehr erreichen. Nach unzähligen weiteren Versuchen, die ServiceHotLine zu erreichen, schafften wir es in 4 Wochen ganze 2 mal, eine vollkommen überforderte und pampige Dame ans Telefon zu bekommen. Erst wußte man gar nichts von unserer Bestellung und dann wurde uns auch noch erklärt, dass der Lieferverzug unsere Schuld sei, weil wir ja nicht mit Vorkasse bezahlen wollten. Das reichte und wir starteten das ganze juristisch notwendige PingPong-Spiel mit Mahnung, Lieferverzugsreklamation und Fristsetzung. Bis wir die Bestellung dann schlussendlich rechtssicher stornieren konnten, vergingen weitere 3 Wochen und nicht nur das Jahr 2014 war am Ende.

Wir hegen den Verdacht, dass dieser Shop hart an der finanziellen Grenze segelt und von seinen Lieferanten selbst nur noch etwas gegen Vorkasse bekommt. Mit den Vorkassezahlungen der Kunden „jongliert” sich der Shop dann irgendwie durch die Bestellungen seiner Kundschaft. Ein ziemlich gefährliches Spiel für Vorkassekunden.

Zwischenzeitlich hatten wir die Suche im Internet wieder aufgenommen und mit Kaden Yachting einen anderen Lieferanten für die Maxwell-Winde gefunden. Auch Kaden Yachting bietet die Winde zu einem ähnlich günstigen Preis an. Auch bei Kaden hatten wir noch nie bestellt und Herr Kaden musste nun all unsere neue Skepsis als frisch gebrannte Internet-Shopper aushalten. Da der Shop von Kaden Yachting in Frankfurt liegt, liegt er nicht ganz auf unserem Weg von Hannover nach Fehmarn, wo die PINCOYA ja ihren Winterschlaf hält. Als Herr Kaden dann Ende Januar anruft und sagt, dass alles da ist und wir es abholen können oder er es nun gegen Vorkasse schicken kann, überweisen wir das Geld. 3 Tage später haben wir das Paket mit Winde und zusätzlich 30m verzinntem 35er Kabel. Das Kabel haben wir noch extra bestellt, nachdem Hr. Kaden uns ein passendes Angebot gemacht hatte. Mit Kaden Yachting hat alles wirklich reibungslos und prima geklappt. Auch Artikel, die nicht in seinem Internet-Shop gelistet sind, können meist problemlos und zu guten Preisen besorgt werden. Wir sind sehr zufrieden und werden bei Kaden sicherlich wieder bestellen, auch wenn der Shop noch kein PayPal unterstützt.

„Und dann ist die neue Winde endlich da und damit auch wieder eine Menge neue Arbeit.“

„Und dann ist die neue Winde endlich da und damit auch wieder eine Menge neue Arbeit.“

Als wir dann von unserem Bastelwochenende am 02.02. zurückkommen, liegt die Paketkarte von Kaden in unserem Briefkasten und Astrid geht gleich zu dem Nachbarn, der das Paket für uns angenommen hat. Nach einiger Zeit wundere ich mich, warum Astrid nicht wiederkommt. Der Nachbar wohnt in der Zweiten und wir in der Vierten. Ok, das ist nicht direkt nebenan, aber auch nicht so weit weg. Im Treppenhaus ist von Astrid nichts zu sehen, aber ich höre ein kräftiges Schnaufen, das eine alte Dampflok hätte vor Neid erblassen lassen. Dann erscheint Astrid mit etwas rotem Gesicht auf dem letzten Treppenabsatz und wuchtet ein ziemlich großes und offensichtlich nicht federleichtes Paket von Stufe zu Stufe. In ihrem stoßartigen Schnaufen formen sich unklar noch die Worte: “Da ist noch eins…..”. Zwischenzeitlich hatten wir überlegt, ob die Pakete nicht ein Arbeitskollege abholen könnte, der gerade mit der Bahn in Frankfurt ist. Man gut, dass daraus nichts geworden ist, das hätten wir nie wieder gut machen können und wahrscheinlich hätte der Kollege den ICE mit dem Paket sowieso nie erreicht und wäre irgendwo in Frankfurt elend an einer Ankerwinde verendet.

Dann liegt das Schmuckstück im Wohnzimmer vor uns und möchte nur noch eingebaut werden, aber das ist eine andere Geschichte, die wir ganz sicher bald erzählen.